Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 2560/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2827/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.06.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit und auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der 1949 geborene Kläger war von 1971 bis 28.12.1979 und ab 29.09.1992 bei der A. Elektrische Anlagen GmbH, K. , als Elektromonteur/Elektrikerhelfer beschäftigt. Im Dezember 2007 beantragte der Kläger eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Rente zu gewähren. In dem von der Beklagten eingeleiteten Feststellungsverfahren holte sie die Angaben des Klägers vom 20.02.2008 mit Fragebogenvordruck zum Beschwerdeverlauf und beruflichen Werdegang (erste Beschwerden seien vor 5 Jahren aufgetreten), die Auskunft des Arbeitgebers vom 04.03.2008 (seit Betriebsübernahme im Jahre 2003 habe der Kläger nur Kleinreparaturen ausgeführt und sei mit Maschinenarbeiten kaum in Kontakt gekommen), die ärztlichen Befundberichte von Dr. J. vom 04.03.2008 (Diagnose bei Erstvorstellung am 05.01.2001: Schallempfindungsschwerhörigkeit, dysfunktionelle Myoarthropathie) und von Dr. H. vom 04.03.2008 (Erstvorstellung am 22.03.2007 mit Befund einer innenohrbedingten Schwerhörigkeit bei Hörverlusten rechts von 20 % und links von 40 %), jeweils mit Tonaudiogrammen ein. In der von der Beklagten veranlassten Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 24.06.2008 ging ihre Präventionsabteilung davon aus, dass der Kläger als Elektrikerhelfer einem Beurteilungspegel von 78 dB(A) im Zeitraum ab 1992 ausgesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 27.08.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Das Sozialgericht Karlsruhe wies die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.03.2009 (S 1 U 5209/08) ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers (L 2 U 1688/09) endete mit dem vor dem Landessozialgericht geschlossenen Prozessvergleich vom 10.06.2009, in dem sich die Beklagte verpflichtete, nach Vorlage einer Aufstellung des Klägers über die lärmbelastende Tätigkeit seit 1992 erneut über die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit zu entscheiden.
Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2009 gab der Kläger die Baustellen an, auf denen er seit dem Jahre 1992 tätig gewesen sei. Er sei jeweils hohem Lärm ausgesetzt gewesen, da es sich bei den Bauvorhaben um Umbauten oder Neubauten gehandelt habe, bei denen auch andere Firmen auf der Baustelle tätig gewesen seien. Während seiner Tätigkeit im Forschungszentrum K. in den Jahren 1998, 1999 und 2000 sei er in der dortigen Versuchshalle und Kältehalle dem extremen Lärm des Motors für Kühlaggregate ausgesetzt gewesen. Seit dem Jahr 2000 bis zum jetzigen Zeitpunkt sei er auf verschiedenen Baustellen des Städtischen Klinikums K. tätig gewesen, auf denen gleichzeitig auch andere Firmen gearbeitet hätten. Er sei dem Lärm von im einzelnen genannten Werkzeugmaschinen (Hilti-Bohrmaschinen, Schlagbohrer, Kompressoren, Baustaubsaugern, Fräsmaschinen, Schlitzmaschinen usw.) ausgesetzt gewesen.
In der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 23.11.2009 wurden die Angaben des Klägers ausgewertet. Danach habe er selbst keine lärmbelastenden Arbeiten ausgeführt, was auch durch die Aussagen des gehörten früheren Geschäftsführer und des jetzigen Geschäftsführers (seit 2003) der A. GmbH bestätigt werde. Der Einsatz einer Bohrmaschine oder eines Bohrhammers werde für eine Standardaufgabe eines Elektrikers gehalten. Hierzu gehörten aber auch überwiegend Installations- und Anschlussarbeiten, die wenig Lärm verursachten. Die Aufstellung des Klägers lasse aber eine hohe Flexibilität in den Arbeiten erkennen, weshalb nicht mehr von einem Tagesbeurteilungspegel wie in der Stellungnahme vom 24.06.2008, sondern von einem Wochenbeurteilungspegel ausgegangen werde. Aus den verschiedenen Tätigkeiten und vergleichbarer Arbeitsplätze ergebe sich ein Beurteilungspegel von 79-81 dB(A).
Mit Bescheid vom 19.01.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Berufskrankheitenliste (Lärmschwerhörigkeit) ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht.
Hiergegen legte der Kläger am 03.02.2010 Widerspruch ein und wiederholte weitgehend das Vorbringen im Schreiben vom 08.07.2009. In der ergänzenden Stellungnahme der Präventionsabteilung vom 08.03.2010 wird darauf hingewiesen, dass ein Grundgeräuschpegel auf Baustellen bei den Lärmmessungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen unter Einsatz eines entsprechenden Filters, der das Messgerät der Empfindungsfähigkeit des menschlichen Ohres annähere, erfasst werde. Die Bewertung des für den Kläger maßgebenden Beurteilungspegels sei entsprechend den maßgebenden Richtlinien, Normen und Verordnungen vorgenommen worden. Grundsätzlich ergebe sich aus der zugrundegelegten A-Bewertung eine Dämpfung für tieffrequente Geräuschanteile und eine leichte Anhebung für höherfrequente Geräuschanteile zwischen 1000-5000 Hz. Die A-Bewertung beschreibe damit die Hörempfindung. Im Hinblick auf einen geordneten Bauablauf werde es auch nicht für möglich gehalten, dass die vom Kläger aufgezählten Bauhandwerker wie Wasserinstallateure, Elektriker, Heizungsmonteure und Bodenleger gleichzeitig in einem Bau beschäftigt sind. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 18.06.2010 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens, insbesondere unter Hinweis darauf, dass er Lärm mit starken hochfrequenten Anteilen beim Einsatz der genannten Baumaschinen ausgesetzt gewesen sei.
Mit Urteil vom 15.06.2011 wies das Sozialrecht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützt sich das Sozialgericht auf die Stellungnahmen des Präventionsdienstes, wonach der Kläger an seinen Arbeitsplätzen keiner gehörschädigenden Lärmbelästigung von mindestens 85 dB (A) ausgesetzt gewesen sei.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 29.06.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung unter weitgehender Wiederholung des bisherigen Vorbringens ausgeführt, die Ergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten würden bestritten. Die genannten Baumaschinen mit starker Hochfrequenz, die für das Gehör besonders schädigend sei, seien bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Das Sozialgericht hätte sich deshalb gedrängt fühlen müssen, von einem unabhängigen Sachverständigen ein Gutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und verweist darauf, dass die Berufungsbegründung weitgehend mit der Klagebegründung identisch sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 02.01.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Die Beklagte (Schriftsatz vom 17.01.2012) und der neue Klägerbevollmächtigte (Schriftsatz vom 18.02.2012) haben sich mit der beabsichtigten Verfahrensweise des Senats einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakte und die Akte des Sozialgerichts (einschließlich der des vorangegangenen Klageverfahren) beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 02.01.2012 hingewiesen worden. Innerhalb der ihnen gesetzten Äußerungsfrist wurden gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2010 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit und auf Gewährung von Verletztenrente. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat die Rechtsgrundlagen und die Rechtsgrundsätze zur Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV vollständig und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung diesen Ausführungen an und verweist auf die rechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist wiederholend und vertiefend auszuführen, dass auch der Senat keine Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung der Lärmexposition des Klägers mit einem nicht gehörschädigenden Beurteilungspegel von allenfalls 81 dB(A) durch den Präventionsdienst der Beklagten hat. Der Kläger verkennt, dass die spezifischen Arbeitsplatzverhältnisse eines über 20 Jahre zurückliegenden Zeitraums hinsichtlich der tatsächlich aufgetretenen Lärmexposition nicht in allen Einzelheiten rekonstruiert und exakt festgestellt werden können. Demgemäß ist es sachangemessen und in der Praxis auch üblich, dass die grundsätzlich der Gefahrprävention dienenden Lärmmessungen an Arbeitsplätzen, die typisch für bestimmte Berufsfelder sind, als Vergleichswerte zur Beurteilung in Entschädigungsfällen herangezogen werden. Nach den überzeugenden Darlegungen des Präventionsdienstes der Beklagten, die als Behörde zur Objektivität und Unparteilichkeit und zur Amtsermittlung verpflichtet ist (§§ 17, 20 Sozialgesetzbuch -SGB- X) sowie darauf hinzuwirken hat, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhält (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), sind aus der Schilderung des Klägers zu seiner Tätigkeit auf verschiedenen Baustellen keine Besonderheiten oder Abweichungen ersichtlich, die es verbieten, das typische Tätigkeitsprofil eines Elektrikergehilfen auf Baustellen zugrundezulegen. Der Kläger war selbst durch eigene Tätigkeiten nicht in relevantem Umfang gehörschädigendem Lärm ausgesetzt. Die in Betracht kommende Lärmimmissionen durch andere Bauhandwerker an benachbarten Arbeitsplätzen ist nach den überzeugenden Ausführungen des Präventionsdienstes berücksichtigt. Dass sich der Einsatz der vom Kläger aufgeführten Baumaschinen im Grundgeräuschpegel auf Baustellen niederschlägt, ist für den Senat nachvollziehbar. Durch das vom Präventionsdienst in seiner Stellungnahme vom 08.03.2010 beschriebene Messverfahren ist für den Senat auch überzeugend dargelegt, dass im Maschinenlärm enthaltene hochfrequente Geräusche in die Berechnung des Wochenbeurteilungspegels Eingang gefunden haben. Insbesondere hat der für die anspruchsbegründende Tatsache einer beruflich bedingten gesundheitsgefährdenden Einwirkung beweisbelastete Kläger nicht substantiiert vorgetragen, in welchem Zeitraum an welchen Tagen er mit welchen Baumaschinen gearbeitet hat, in welchem Zeitraum an welchen Tagen in unmittelbarer Nähe zu ihm im gleichen Raum welcher Handwerker mit welchen Maschinen gleichzeitig ebenfalls gearbeitet hat. Dies dürfte dem Kläger auch im Hinblick auf den langen Zeitraum nicht möglich sein. Vielmehr spricht einiges dafür, dass entsprechend des von der Präventionsabteilung der Beklagten angenommenen ordnungsgemäßen Bauablaufs die vom Kläger behauptete Häufung mehrerer handwerklicher Tätigkeiten nicht stattgefunden bzw. nur in Ausnahmefällen vorgelegen hat. Das Vorbringen des Klägers gibt auch keine Ansätze für weitere Ermittlungen. Verwertbare Anknüpfungstatsachen, die andere oder weitere gutachterliche Feststellungen und Bewertungen erwarten lassen, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Senat hat sich daher auch nicht, wie vom Kläger angeregt, zu weiteren gutachtlichen Ermittlungen gedrängt gesehen.
Die mit der zulässigen Klage geltend gemachte, bereits im Verwaltungsverfahren beantragte Verletztenrente, über die mit dem angefochtenen Bescheid durch die generelle Ablehnung von Entschädigungsansprüchen – ausnahmsweise – auch förmlich entschieden ist, steht dem Kläger nicht zu, da der streitige Versicherungsfall einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit und auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der 1949 geborene Kläger war von 1971 bis 28.12.1979 und ab 29.09.1992 bei der A. Elektrische Anlagen GmbH, K. , als Elektromonteur/Elektrikerhelfer beschäftigt. Im Dezember 2007 beantragte der Kläger eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Rente zu gewähren. In dem von der Beklagten eingeleiteten Feststellungsverfahren holte sie die Angaben des Klägers vom 20.02.2008 mit Fragebogenvordruck zum Beschwerdeverlauf und beruflichen Werdegang (erste Beschwerden seien vor 5 Jahren aufgetreten), die Auskunft des Arbeitgebers vom 04.03.2008 (seit Betriebsübernahme im Jahre 2003 habe der Kläger nur Kleinreparaturen ausgeführt und sei mit Maschinenarbeiten kaum in Kontakt gekommen), die ärztlichen Befundberichte von Dr. J. vom 04.03.2008 (Diagnose bei Erstvorstellung am 05.01.2001: Schallempfindungsschwerhörigkeit, dysfunktionelle Myoarthropathie) und von Dr. H. vom 04.03.2008 (Erstvorstellung am 22.03.2007 mit Befund einer innenohrbedingten Schwerhörigkeit bei Hörverlusten rechts von 20 % und links von 40 %), jeweils mit Tonaudiogrammen ein. In der von der Beklagten veranlassten Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 24.06.2008 ging ihre Präventionsabteilung davon aus, dass der Kläger als Elektrikerhelfer einem Beurteilungspegel von 78 dB(A) im Zeitraum ab 1992 ausgesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 27.08.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Das Sozialgericht Karlsruhe wies die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.03.2009 (S 1 U 5209/08) ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers (L 2 U 1688/09) endete mit dem vor dem Landessozialgericht geschlossenen Prozessvergleich vom 10.06.2009, in dem sich die Beklagte verpflichtete, nach Vorlage einer Aufstellung des Klägers über die lärmbelastende Tätigkeit seit 1992 erneut über die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit zu entscheiden.
Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2009 gab der Kläger die Baustellen an, auf denen er seit dem Jahre 1992 tätig gewesen sei. Er sei jeweils hohem Lärm ausgesetzt gewesen, da es sich bei den Bauvorhaben um Umbauten oder Neubauten gehandelt habe, bei denen auch andere Firmen auf der Baustelle tätig gewesen seien. Während seiner Tätigkeit im Forschungszentrum K. in den Jahren 1998, 1999 und 2000 sei er in der dortigen Versuchshalle und Kältehalle dem extremen Lärm des Motors für Kühlaggregate ausgesetzt gewesen. Seit dem Jahr 2000 bis zum jetzigen Zeitpunkt sei er auf verschiedenen Baustellen des Städtischen Klinikums K. tätig gewesen, auf denen gleichzeitig auch andere Firmen gearbeitet hätten. Er sei dem Lärm von im einzelnen genannten Werkzeugmaschinen (Hilti-Bohrmaschinen, Schlagbohrer, Kompressoren, Baustaubsaugern, Fräsmaschinen, Schlitzmaschinen usw.) ausgesetzt gewesen.
In der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 23.11.2009 wurden die Angaben des Klägers ausgewertet. Danach habe er selbst keine lärmbelastenden Arbeiten ausgeführt, was auch durch die Aussagen des gehörten früheren Geschäftsführer und des jetzigen Geschäftsführers (seit 2003) der A. GmbH bestätigt werde. Der Einsatz einer Bohrmaschine oder eines Bohrhammers werde für eine Standardaufgabe eines Elektrikers gehalten. Hierzu gehörten aber auch überwiegend Installations- und Anschlussarbeiten, die wenig Lärm verursachten. Die Aufstellung des Klägers lasse aber eine hohe Flexibilität in den Arbeiten erkennen, weshalb nicht mehr von einem Tagesbeurteilungspegel wie in der Stellungnahme vom 24.06.2008, sondern von einem Wochenbeurteilungspegel ausgegangen werde. Aus den verschiedenen Tätigkeiten und vergleichbarer Arbeitsplätze ergebe sich ein Beurteilungspegel von 79-81 dB(A).
Mit Bescheid vom 19.01.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Berufskrankheitenliste (Lärmschwerhörigkeit) ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht.
Hiergegen legte der Kläger am 03.02.2010 Widerspruch ein und wiederholte weitgehend das Vorbringen im Schreiben vom 08.07.2009. In der ergänzenden Stellungnahme der Präventionsabteilung vom 08.03.2010 wird darauf hingewiesen, dass ein Grundgeräuschpegel auf Baustellen bei den Lärmmessungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen unter Einsatz eines entsprechenden Filters, der das Messgerät der Empfindungsfähigkeit des menschlichen Ohres annähere, erfasst werde. Die Bewertung des für den Kläger maßgebenden Beurteilungspegels sei entsprechend den maßgebenden Richtlinien, Normen und Verordnungen vorgenommen worden. Grundsätzlich ergebe sich aus der zugrundegelegten A-Bewertung eine Dämpfung für tieffrequente Geräuschanteile und eine leichte Anhebung für höherfrequente Geräuschanteile zwischen 1000-5000 Hz. Die A-Bewertung beschreibe damit die Hörempfindung. Im Hinblick auf einen geordneten Bauablauf werde es auch nicht für möglich gehalten, dass die vom Kläger aufgezählten Bauhandwerker wie Wasserinstallateure, Elektriker, Heizungsmonteure und Bodenleger gleichzeitig in einem Bau beschäftigt sind. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 18.06.2010 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens, insbesondere unter Hinweis darauf, dass er Lärm mit starken hochfrequenten Anteilen beim Einsatz der genannten Baumaschinen ausgesetzt gewesen sei.
Mit Urteil vom 15.06.2011 wies das Sozialrecht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützt sich das Sozialgericht auf die Stellungnahmen des Präventionsdienstes, wonach der Kläger an seinen Arbeitsplätzen keiner gehörschädigenden Lärmbelästigung von mindestens 85 dB (A) ausgesetzt gewesen sei.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 29.06.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung unter weitgehender Wiederholung des bisherigen Vorbringens ausgeführt, die Ergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten würden bestritten. Die genannten Baumaschinen mit starker Hochfrequenz, die für das Gehör besonders schädigend sei, seien bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Das Sozialgericht hätte sich deshalb gedrängt fühlen müssen, von einem unabhängigen Sachverständigen ein Gutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und verweist darauf, dass die Berufungsbegründung weitgehend mit der Klagebegründung identisch sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 02.01.2012 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Die Beklagte (Schriftsatz vom 17.01.2012) und der neue Klägerbevollmächtigte (Schriftsatz vom 18.02.2012) haben sich mit der beabsichtigten Verfahrensweise des Senats einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Verwaltungsakte und die Akte des Sozialgerichts (einschließlich der des vorangegangenen Klageverfahren) beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 02.01.2012 hingewiesen worden. Innerhalb der ihnen gesetzten Äußerungsfrist wurden gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2010 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit und auf Gewährung von Verletztenrente. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat die Rechtsgrundlagen und die Rechtsgrundsätze zur Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV vollständig und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung diesen Ausführungen an und verweist auf die rechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist wiederholend und vertiefend auszuführen, dass auch der Senat keine Anhaltspunkte für eine unrichtige Bewertung der Lärmexposition des Klägers mit einem nicht gehörschädigenden Beurteilungspegel von allenfalls 81 dB(A) durch den Präventionsdienst der Beklagten hat. Der Kläger verkennt, dass die spezifischen Arbeitsplatzverhältnisse eines über 20 Jahre zurückliegenden Zeitraums hinsichtlich der tatsächlich aufgetretenen Lärmexposition nicht in allen Einzelheiten rekonstruiert und exakt festgestellt werden können. Demgemäß ist es sachangemessen und in der Praxis auch üblich, dass die grundsätzlich der Gefahrprävention dienenden Lärmmessungen an Arbeitsplätzen, die typisch für bestimmte Berufsfelder sind, als Vergleichswerte zur Beurteilung in Entschädigungsfällen herangezogen werden. Nach den überzeugenden Darlegungen des Präventionsdienstes der Beklagten, die als Behörde zur Objektivität und Unparteilichkeit und zur Amtsermittlung verpflichtet ist (§§ 17, 20 Sozialgesetzbuch -SGB- X) sowie darauf hinzuwirken hat, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhält (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), sind aus der Schilderung des Klägers zu seiner Tätigkeit auf verschiedenen Baustellen keine Besonderheiten oder Abweichungen ersichtlich, die es verbieten, das typische Tätigkeitsprofil eines Elektrikergehilfen auf Baustellen zugrundezulegen. Der Kläger war selbst durch eigene Tätigkeiten nicht in relevantem Umfang gehörschädigendem Lärm ausgesetzt. Die in Betracht kommende Lärmimmissionen durch andere Bauhandwerker an benachbarten Arbeitsplätzen ist nach den überzeugenden Ausführungen des Präventionsdienstes berücksichtigt. Dass sich der Einsatz der vom Kläger aufgeführten Baumaschinen im Grundgeräuschpegel auf Baustellen niederschlägt, ist für den Senat nachvollziehbar. Durch das vom Präventionsdienst in seiner Stellungnahme vom 08.03.2010 beschriebene Messverfahren ist für den Senat auch überzeugend dargelegt, dass im Maschinenlärm enthaltene hochfrequente Geräusche in die Berechnung des Wochenbeurteilungspegels Eingang gefunden haben. Insbesondere hat der für die anspruchsbegründende Tatsache einer beruflich bedingten gesundheitsgefährdenden Einwirkung beweisbelastete Kläger nicht substantiiert vorgetragen, in welchem Zeitraum an welchen Tagen er mit welchen Baumaschinen gearbeitet hat, in welchem Zeitraum an welchen Tagen in unmittelbarer Nähe zu ihm im gleichen Raum welcher Handwerker mit welchen Maschinen gleichzeitig ebenfalls gearbeitet hat. Dies dürfte dem Kläger auch im Hinblick auf den langen Zeitraum nicht möglich sein. Vielmehr spricht einiges dafür, dass entsprechend des von der Präventionsabteilung der Beklagten angenommenen ordnungsgemäßen Bauablaufs die vom Kläger behauptete Häufung mehrerer handwerklicher Tätigkeiten nicht stattgefunden bzw. nur in Ausnahmefällen vorgelegen hat. Das Vorbringen des Klägers gibt auch keine Ansätze für weitere Ermittlungen. Verwertbare Anknüpfungstatsachen, die andere oder weitere gutachterliche Feststellungen und Bewertungen erwarten lassen, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Senat hat sich daher auch nicht, wie vom Kläger angeregt, zu weiteren gutachtlichen Ermittlungen gedrängt gesehen.
Die mit der zulässigen Klage geltend gemachte, bereits im Verwaltungsverfahren beantragte Verletztenrente, über die mit dem angefochtenen Bescheid durch die generelle Ablehnung von Entschädigungsansprüchen – ausnahmsweise – auch förmlich entschieden ist, steht dem Kläger nicht zu, da der streitige Versicherungsfall einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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