L 6 VK 4431/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 V 3594/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 4431/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Zuschlages nach § 33a Bundesversorgungsgesetz (BVG). Danach gehören seit der durch Art. 3 § 44 Nr. 10 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (LPartG) vom 16.02.2011 vorgenommenen Gesetzesänderung neben Ehegatten auch Lebenspartner zum anspruchsberechtigten Personenkreis des Zuschlags.

Der 1922 geborene Kläger erhält vom Beklagten wegen einer am 16.11.1943 erlittenen Kriegsverwundung Beschädigtenversorgung. Nach eigenen Angaben lebt der Kläger, dessen Ehefrau 1998 verstorben ist, seit 16.05.2002 mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Zuletzt stellte das Landratsamt R. in Ausführung eines Anerkenntnisses vom 20.06.2007 mit Ausführungsbescheid vom 06.08.2007 die Schädigungsfolgen ab 28.02.2005 fest und führte aus, hierdurch betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 vom Hundert. Ferner bewilligte das Landratsamt in Ausführung eines Urteils des Sozialgerichts Konstanz vom 17.10.2007 in dem Ausführungsbescheid vom 06.12.2007 Pflegezulage nach Stufe I sowie Ausgleichsrente in halber Höhe ab 01.01.2001 und stellte die Gesamtversorgungsbezüge neu fest.

Am 22.08.2008 beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, dass er schwerkriegsbeschädigt sowie hilflos sei und seit 16.05.2002 durch seine 1932 geborene Lebensgefährtin Tag und Nacht versorgt werde er, die Gewährung eines Zuschlags nach § 33a BVG. Zur Begründung stützte er sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), in dem dieses entschieden hatte, dass es mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist, dass das Opferentschädigungsgesetz (OEG) jedenfalls durch den vollständigen Ausschluss des Elternteils eines nichtehelichen Kindes von der Grundrente und von der Ausgleichsrente nach § 41 Abs. 1 Satz 1 c BVG keine Versorgungsleistung für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorsieht, der nach dem gewaltsamen Tod des anderen Lebenspartners unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung der gemeinsamen Kinder übernimmt (BVerfG, Beschluss vom 09.11.2004 - 1 BvR 684/98). Der Kläger führte aus, damit sei verfassungsgerichtlich festgestellt, dass ein Ausschluss von in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Lebensgefährten von Unterhaltskosten unwirksam sei, also bei Unterhaltspflichten und Unterhaltskosten Lebenspartner wie Ehegatten zu behandeln und diesen gleichgestellt seien.

Mit Bescheid vom 23.09.2008 lehnte das Landratsamt diesen Antrag ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger falle als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht unter den anspruchsberechtigenden Personenkreis des § 33a BVG, wonach nur Ehegatten oder Lebenspartner ehegattenzuschlagsberechtigt seien. Ferner ziele die Entscheidung des BVerfG nur auf die Hinterbliebenenversorgung, während nach § 9 BVG der in § 33a BVG geregelte Zuschlag zur Beschädigtenrente gehöre.

Hiergegen legte der Kläger am 01.10.2008 Widerspruch ein. Er führte aus, durch die Entscheidung des BVerfG seien Lebensgefährten den Ehegatten gleichgestellt. Diese Gleichstellung gelte nicht nur dann, wenn der Lebensgefährte verstorben sei, sondern selbstverständlich, ja sogar erst recht, wenn er noch lebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück. Der Gesetzestext des § 33a BVG spreche eindeutig vom "Ehegatten" und könne daher ohne Gesetzesänderung nicht auf nichtverheiratete Lebensgefährten angewandt werden.

Hiergegen hat der Kläger am 09.12.2008 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben. Er hat ausgeführt, er lebe mit seiner Lebensgefährtin in häuslicher Gemeinschaft. Sie teilten Tisch und Bett und seien "Lebenspartner". § 33a BVG spreche nicht nur von Ehegatten, sondern gleichermaßen von Lebenspartnern. Hiermit seien nicht nur gleichgeschlechtliche Lebenspartner gemeint, sondern in erster Linie männliche und weibliche Partner. Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, wenn sie überhaupt gemeint seien, seien die Ausnahme. Ganz klar werde durch die Entscheidung des BVerfG, dass Mann und Frau als Lebenspartner Eheleuten gleichgestellt seien, auch wenn sie nicht verheiratet seien. Dementsprechend sei § 33a BVG diesbezüglich geändert worden. Das BVerfG habe konkret die Auswirkungen aller Rechte bei einem Witwer, dessen Lebenspartnerin verstorben sei, geregelt. Eine Lebenspartnerschaft trete aber nicht nur ein, wenn ein Partner verstorben sei. Ferner habe der Begriff der Ehe durch die Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in denen auch zahlreiche Kinder aufwüchsen, sowie durch das neue Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft seine Bedeutung verloren. Mit den in § 33a BVG aufgenommenen Lebenspartnern sei nicht die eingetragene Lebenspartnerschaft der Homosexuellen, sondern die Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Frau gemeint. Die Gleichstellung von Ehepartnern und Lebenspartnern sei auch inzwischen allgemein üblich und werde beispielsweise im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vollzogen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, entgegen der Interpretation des Klägers handle es sich bei seiner Lebensgefährtin nicht um einen Lebenspartner im Sinne des § 33a BVG. Sinn und Zweck der Aufnahme der Lebenspartner zum anspruchsberechtigten Personenkreis durch Art. 3 § 44 Nr. 10 LPartG sei nicht eine Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaften, sondern die Beendigung der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gewesen. § 33a BVG wolle daher nur Ehegatten und Lebenspartner gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften den Anspruch auf die Gewährung eines Ehegattenzuschlages verschaffen, nicht jedoch den nichtehelichen Lebensgemeinschaften zwischen heterosexuellen Paaren. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BVerfG erfasse den vorliegenden Fall nicht, da in dieser Entscheidung der vollständige Ausschluss des hinterbliebenen unverheirateten Elternteils im Geltungsbereich des OEG von jeglicher Hinterbliebenenversorgung beanstandet worden sei. Ausdrücklich seien in dieser Entscheidung nur §§ 38 und 40 ff. BVG genannt. Das BVerfG habe auf die Unterhaltsfunktion für den überlebenden, gemeinsame Kinder erziehenden Partner abgehoben. Eine vergleichbare Situation sei beim Kläger nicht erkennbar. Zum einen gehe es nicht um die weitreichende Frage der Grundanerkennung von Hinterbliebenenversorgung, sondern lediglich um einen Zuschlag zur Ausgleichsrente des Klägers. Zum anderen fehle es an der Erziehung gemeinsamer Kinder.

Gegen den ihm am 04.09.2009 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 28.09.2009 Berufung eingelegt. Er führt aus, tatsächlich bestehe kein Unterschied zwischen verheirateten Lebenspartnern, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und unverheirateten Lebensgefährten. Die Bindung sei immer dieselbe. Die Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau, die erheblich häufiger seien als gleichgeschlechtliche Partnerschaften, könne man nicht eintragen. Aus dem Fehlen der Eintragungsmöglichkeit könne man aber nicht folgern, dass sie nicht existierten, ja echte Partnerschaften seien und als solche bestünden. Er und seine Lebensgefährtin hätten wahrscheinlich schon längst die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen, wenn seine Lebensgefährtin nicht durch eine neue Eheschließung ihre Hinterbliebenenrente verlieren würde.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. August 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 23. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 16. Mai 2002 Ehegattenzuschlag zu gewähren, hilfsweise den Rechtsstreit nach Artikel 100 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, ob § 33a BVG mit Artikel 3 in Verbindung mit Artikel 6 Grundgesetz vereinbar ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, es sei alleine Sache des Gesetzgebers, auch nichteheliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau in den begünstigten Personenkreis des § 33a Bundesversorgungsgesetz aufzunehmen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Rechtsgrundlage des vom Kläger begehrten Zuschlags ist § 33a BVG.

Schwerbeschädigte erhalten für den Ehegatten oder Lebenspartner einen Zuschlag von 72 Euro monatlich (§ 33a Abs. 1 Satz 1 BVG). Den Zuschlag erhalten auch Schwerbeschädigte, deren Ehe oder Lebenspartnerschaft aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, wenn sie im eigenen Haushalt für ein Kind im Sinne des § 33b Abs. 1 Satz 1 und Absätze 2 bis 4 BVG sorgen (§ 33a Abs. 1 Satz 2 BVG).

Der Kläger ist nicht verheiratet, hat also keinen Ehegatten im Sinne des § 33a BVG.

Er hat auch keinen Lebenspartner im Sinne des § 33a BVG. Denn nach Art. 1 § 1 Abs. 1 LPartG können nur zwei Personen gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft begründen, indem sie gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Weder hat der Kläger eine solche Erklärung abgegeben noch lebt er mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammen.

Seine weibliche Lebensgefährtin ist auch nicht einem Lebenspartner im Sinne des § 33a BVG in Verbindung mit dem LPartG gleichzustellen.

Der Senat hat keine begründeten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 33 a BVG. Insbesondere sieht er keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG dadurch, dass § 33 a BVG nicht auch nichteheliche Lebensgemeinschaften, die nicht dem LPartG unterfallen, erfasst.

Eine solche Gleichstellung ergibt sich nicht aus dem Beschluss des BVerfG vom 09.11.2004. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung unmissverständlich klargestellt, dass Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, für sich genommen nicht dadurch verletzt ist, dass nach den §§ 38 und 40 ff. BVG eine Versorgung für Witwen und Witwer besteht, hinterbliebene nichteheliche Partner dagegen nach diesen Vorschriften keine Versorgung erhalten können, da der Begriff der Ehe nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden kann, dass er auch nichteheliche Lebensgemeinschaften erfasst. Das BVerfG hat die von ihm zu beurteilende Differenzierung zwischen verheirateten und unverheirateten Elternteilen, die nach dem gewaltsamen Tod des anderen Elternteils gemeinsame Kinder betreuen, dahingehend, dass der ersten Gruppe eine Grund- und Ausgleichsrente sowie Schadensausgleich zusteht, der andere Gruppe jedoch nicht, allein deshalb für sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt angesehen, weil der Hinterbliebenenrente, insbesondere als Grund- und als Ausgleichsrente, auch Unterhaltsersatzfunktion zukommt und beide Leistungen zusammen den Unterhalt des überlebenden Elternteils in einem Maße sichern sollen, das dem durch den Tod entfallenen Unterhaltsanspruch des überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten gegen die Verstorbene nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch entspricht. Nach dieser Vorschrift ist der Vater verpflichtet, der Mutter, bei der wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, Unterhalt zu gewähren. Diese vom BVerfG beurteilte Situation ist mit derjenigen des Klägers aber nicht vergleichbar. Denn es geht vorliegend nicht um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen und mithin nicht um den Ausgleich entfallender Unterhaltsansprüche wegen der Versorgung eines nichtehelichen Kindes. Seine Lebensgefährtin kann vielmehr ihren eigenen Lebensunterhalt durch eine Hinterbliebenenrente sicher stellen.

Die Stellung einer nichtgleichgeschlechtlichen Lebensgefährtin entspricht auch nicht annähernd derjenigen eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners. Dies ergibt sich aus den umfassenden Rechten und Pflichten, die das Eingehen einer Lebenspartnerschaft ebenso wie das Eingehen einer Ehe zur Folge hat. Sie bestehen insbesondere in der Verpflichtung, einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anwenden (Art. 1 § 4 LPartG), der Verpflichtung, einander angemessenen Unterhalt zu leisten (Art. 1 § 5 LPartG), der Verpflichtung zum Ausgleich von Vermögensüberschüssen bei Beendigung der Lebenspartnerschaft (Art. 1 § 6 LPartG), dem Erbrecht des überlebenden Lebenspartners (Art. 1 § 10 LPartG), der Geltung des Lebenspartners als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners (Art. 1 § 11 LPartG) sowie dem Anspruch auf Unterhalt, Hausratsverteilung und Wohnungszuweisung bei Getrenntleben der Lebenspartner (Art. 1 §§ 12 bis 14 LPartG). Diesem Rechte- und Pflichtenverhältnis hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, unter anderem in § 33a BVG, den Lebenspartner einem Ehegatten gleichzustellen. Wenn der Kläger eine solche Gleichstellung wünscht, so steht es ihm frei, seine Lebensgefährtin zu heiraten. Dass seine Lebensgefährtin dadurch ihren Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verliert, hätte der Kläger in Kauf zu nehmen. Er kann nicht mit Erfolg die Vorteile einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Anspruch nehmen und gleichzeitig deren Nachteile beklagen. Da der Senat deswegen die Vorschrift des § 33a BVG für verfassungsgemäß erachtet, scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits und eine Vorlage an das BVerfG aus.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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