L 5 AS 232/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 AS 931/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 232/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. April 2010 im einstweiligen Rechtsschutz- und im Prozesskostenhilfeverfahren werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 5 AS 232/10 B ER wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung eines Zuschusses iHv 1.000 EUR und eines Darlehens iHv 5.000 EUR als Leistung zur Eingliederung von Selbständigen gemäß § 16c Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er wendet sich gegen die Ablehnung seiner Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) durch das Sozialgerichts Magdeburg (SG).

Der 1960 geborene Antragsteller bezieht seit dem Ende seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) im Dezember 2009 vom Antragsgegner Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Mit Bewilligungsbescheid vom 27. November 2009 wurden ihm u.a. für Januar bis einschließlich April 2010 monatliche Leistungen iHv 671,98 EUR gewährt. Darin enthalten war ein befristeter Zuschlag nach 24 SGB II iHv 160 EUR.

Am 12. November 2009 stellte er sich bei der Arbeitsvermittlung des Antragsgegners vor. Nach dem hierüber erstellten Vermerk konnte der Antragsteller seine langjährige Tätigkeit als Berufskraftfahrer aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht weiter ausüben. Es handele sich um einen "Reha-Fall". Er sei wegen denkbarer Eingliederungsleistungen an den zuständigen Rentenversicherungsträger als Kostenträger verwiesen worden. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 stellte die Deutsche Rentenversicherung M. (DRV) dem Antragsteller "Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht". Sie sei für bis zum 31. Dezember 2011 vorgelegte Vermittlungsvorschläge grundsätzlich bereit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten. Diese Entscheidung war der Arbeitsvermittlung des Antragsgegners nach dem Aktenvermerk vom 23. Dezember 2009 bekannt.

Am 14. Januar 2010 beantragte der Antragsteller bei der Arbeitsvermittlung des Antragsgegners mündlich Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen. Er plane die Selbständigkeit im Fensterbau. Der Antragsgegner gab ein Antragsformular aus und wies darauf hin, dass ein Darlehen oder Zuschuss von bis zu 2.500 EUR erbracht werden könnten, wenn der Antragsteller sich durch Eigenmittel an der Finanzierung beteilige. Zur Entscheidung über den Antrag müssten Geschäftsplan, Kapitalbedarfs- und Finanzierungsübersicht, Kreditabsage der Sparkasse, Tragfähigkeitsbescheinigung, Rentabilitätsvorschau und Gewerbeanmeldung vorgelegt werden.

Unter dem 19. Januar 2010 füllte der Antragsteller das Antragsformular auf Leistungen nach § 16c SGB II aus und beantragte eine Fördersumme von insgesamt 7.942,13 EUR als Zuschuss und Darlehen. Er beabsichtige, ab 1. März 2010 in O ... und Umgebung als Monteur von Bauelementen, Fenster und Türen selbständig hauptberuflich tätig zu sein. Am 16. Februar 2010 gab er die meisten der o.g. Unterlagen ab. Dabei erklärte der Antragsgegner, es könnten ein Darlehen iHv 5.000 EUR und ein Zuschuss iHv 1.000 EUR gewährt werden. Die Zuschussgewährung sei abhängig davon, dass sich der Antragsteller durch Eigenmittel in derselben Höhe an der Finanzierung beteilige. Gewerbeanmeldung und Finanzierungsnachweis müssten noch vorgelegt werden.

Nach einen am 2. März 2010 gefertigten Vermerk wies der Antragsteller den Antragsteller darauf hin, dass er – der Antragsgegner – für eine Leistungsgewährung nicht zuständig sei, da "ein Reha-Fall und in Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung" vorliege. Da die DRV Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt habe, sei nach § 22 Abs. 2 SGB III die Gewährung von Leistungen nach § 16c SGB II nicht möglich. Er verwies den Antragsteller an die DRV, bei der ein Gründungszuschuss beantragt werden könne.

Mit Schreiben vom 3. März 2010 wandten sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an den Antragsgegner und forderten eine Bescheidung des Leistungsantrags bis zum 5. März 2010. Dem Antragsteller sei am 25. Februar 2010 durch den zuständigen Sachbearbeiter die Gewährung eines Darlehens über 5.000 EUR und eines Zuschusses iHv 1.000 EUR zugesagt worden. Trotz Vorlage der Unterlagen sei nunmehr die Ablehnung des Antrags angekündigt worden.

Mit Bescheid vom 5. März 2010 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen gemäß § 16c SGB II ab. Wegen der Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die DRV greife das Leistungsverbot für Rehabilitanden in fremder Kostenträgerschaft nach § 22 Abs. 2 SGB III.

Unter dem 18. März 2010 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.

Mit Bescheid vom 12. März 2010 lehnte die DRV den am 2. März 2010 gestellten Antrag auf Gründungszuschuss ab. Die Leistungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt habe (§ 57 SGB III).

Am 22. März 2010 hat der Antragsteller bei dem SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er habe Anspruch auf die zugesicherten Leistungen nach § 16c SGB II. Die Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor. Er habe durch seinen Geschäftsplan dargelegt, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig sei und dadurch Hilfebedürftigkeit überwunden werden könne. Dies habe der Antragsgegner überprüft und durch seine Förderzusage bestätigt. Dem Leistungsanspruch stehe die vermeintliche Zuständigkeit der DRV nicht entgegen. Es bestehe ein Anordnungsgrund. Eine Entscheidung sei eilbedürftig, denn ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens führte dazu, dass ihm schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden. Ohne die Förderung könne er seine selbständige Tätigkeit nicht aufnehmen. Er habe keine Möglichkeit, das Vorhaben anderweitig zu finanzieren. Ein Bankdarlehen erhalte er mangels Sicherheiten nicht. Er könne die selbständige Tätigkeit nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt aufnehmen. Im Baugewerbe würden Aufträge üblicherweise am Anfang des Jahres nach der Winterpause vergeben. Nur in dieser Zeit würden Subunternehmer gesucht. Könne er aktuell seine Dienstleistungen nicht anbieten, sei zu befürchten, dass alle Aufträge vergeben seien. Es gäbe drei bis vier potentielle Auftraggeber, die ihn als Subunternehmer beauftragen könnten. Mit denen sei er bereits in Kontakt getreten und habe auf der Grundlage der Zusicherung des Antragsgegners seine Dienste angeboten. Sie hätten Kooperationsbereitschaft gezeigt. Wenn er nunmehr die Tätigkeit nicht aufnehme, müsse er befürchten, als unzuverlässig angesehen zu werden. Dies spreche sich in der Branche schnell herum und schrecke andere Auftraggeber ab.

Der Antragsteller hat seinen Geschäftsplan zur Existenzgründung vorgelegt, in dem seine Geschäftsidee erläutert ist. Aus der vorgelegten Kapitalbedarfs- und Finanzierungsübersicht (mit Belegen) ergab sich ein Kapitalbedarf iHv insgesamt 8.044,13 EUR. Davon würden 102 EUR aus Eigenmitteln getragen. Der Restbetrag iHv 7.942,13 EUR solle aus Fördermitteln und Darlehen finanziert werden. Mit "Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II" hat die Steuerberaterin H. W. aus O. unter dem 19. Januar 2010 im vorgedruckten Formular bestätigt, "mit dem Vorhaben scheint der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar". Unter dem 14. Januar 2010 hat die K. sparkasse B. eine Finanzierung abgelehnt. Zum Nachweis seines Eigenkapitals hat der Antragsteller einen Kontoauszug seines Girokontos bei der D Bank vom 1. März 2010 vorgelegt, welcher ein Guthaben iHv 1.000,13 EUR ausweist.

Mit Beschluss vom 26. April 2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den PKH-Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht zu erwarten, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig sei. Als erster Schritt sei die Finanzierung aller notwendigen Ausgaben zur Existenzgründung erforderlich. Nach dem Geschäftsplan bestehe ein Kapitalbedarf von 8.044,13 EUR. Unter Berücksichtigung des Eigenkapitals von insgesamt 1.102 EUR könne der Antragsteller mit der begehrten Gesamtförderung von 6.000 EUR die Kosten der Existenzgründung nicht vollständig abdecken. Es bestehe eine Finanzierungslücke von 942,13 EUR. Es könne daher dahinstehen, ob er das am 1. März 2010 dokumentierte Kontoguthaben voll in seine Erwerbstätigkeit investieren könne. Ein Förderanspruch ergebe sich auch nicht aus der mündlichen Zusage. Eine Zusicherung bedürfe gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für ihre Wirksamkeit der Schriftform.

Gegen den ihm am 28. April 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 28. Mai 2010 Beschwerde eingelegt, die sich gegen die Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzantrages und des PKH-Antrags richtet, und die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Das SG habe sich in seinem Beschluss zu Fragen geäußert, die zwischen den Beteiligten nicht streitig seien. Es bestehe Einigkeit über den Förderanspruch dem Grunde nach und über die Höhe der Förderung. Es sei nur streitig, wer für die Auszahlung der Leistungen zuständig sei. Letztlich hätten der Antragsgegner und die DRV ihren Streit über die Zuständigkeit zu Lasten des Antragstellers geführt. Dieser habe so erhebliche Nachteile erlitten. Das SG hätte darüber entscheiden müssen, ob der Antragsgegner den Leistungsantrag wegen fehlender Zuständigkeit habe ablehnen dürfen. Zudem sei der Antragsteller zu Mängeln der fehlenden wirtschaftlichen Tragfähigkeit nicht angehört worden. Da diese bereits durch eine fachkundige Stelle bestätigt und vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden sei, wäre dies erforderlich gewesen.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2010 hat die Berichterstatterin den Antragsteller gebeten, sich mit den Ausführungen des SG zur Finanzierungslücke auseinanderzusetzen, und darauf hingewiesen, dass Leistungen nach § 16c SGB II Ermessungsleistungen seien. Ein Leistungsanspruch bestehe nur im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null. Der Anordnungsgrund sei glaubhaft zu machen.

Dazu hat der Antragsteller unter dem 14. September 2010 vorgetragen, die Geltendmachung des Förderbetrags von 6.000 EUR sei aufgrund der Zusage des Antragsgegners erfolgt. Gegebenenfalls könne die Förderung erhöht werden. Der Antragsgegner sei verpflichtet, den zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erforderlichen Betrag auszureichen. Da bislang keine Zweifel an der Tragfähigkeit des Konzepts geäußert worden seien, habe der Antragsteller auch keine Möglichkeit gehabt, sein Konzept zu korrigieren.

Weitere Nachfragen der Berichterstatterin – u.a. mit der Bitte um Formulierung eines Antrags – mit Schreiben vom 27. September, 21. Oktober und 27. November 2010 sind unbeantwortet geblieben.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. April 2010 aufzuheben und

a. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Förderungsleistungen nach § 16c SGB II in Höhe von 1.000 EUR als Zuschuss und in Höhe von 5.000 EUR als Darlehen zu gewähren,

b. ihm für das Verfahren des ersten Rechtszugs Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. aus M. zu gewähren
sowie ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. aus M. zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er weist auf seine Unzuständigkeit hin sei. Es bestehe nach § 22 Abs. 2 SGB III ein generelles Leistungsverbot. Durch die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben habe die DRV ihre alleinige Zuständigkeit begründet. Sie habe im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Förderung der beabsichtigten Tätigkeit geprüft und abgelehnt. Diese Ablehnung führte nicht zu einem Zuständigkeitswechsel. Es bestünden Zweifel an der Notwendigkeit der angestrebten Eilentscheidung. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde gegen die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (L 5 AS 232/10 B ER) ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG zulässig. Der Beschwerdewert liegt über 750 EUR, denn der Antragsteller begehrt Leistungen iHv insgesamt 6.000 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b RN 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Soweit um existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II gestritten wird, ist zur Annahme eines Anordnungsgrunds eine Unterdeckung des Bedarfs erforderlich, die zu einer existentiellen Notlage führt.

Eine solche kann für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht festgestellt werden. Im anhängigen Verfahren wird nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II gestritten. Das Existenzminimum des Antragstellers ist sichergestellt, denn er erhielt im Zeitraum von Januar bis Oktober 2010 monatliche Leistungen iHv rund 670 EUR inklusive eines Zuschlags nach § 24 SGB II iHv 160 EUR, der ebenfalls nicht unmittelbar der Existenzsicherung dient. Streitig sind Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Daher kann ein Anordnungsgrund nur vorliegen, wenn ein Verweis des Antragstellers auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde.

Indes sind die vom Antragsteller geltend gemachten Nachteile, die er zur Begründung des Anordnungsgrunds angeführt hat, spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des SG am 28. Mai 2010 entfallen.

Er hatte ausgeführt, die Eilentscheidung sei erforderlich, weil er die selbständige Tätigkeit im Frühjahr 2010 aufnehmen müsse. Zu einem späteren Zeitpunkt sei dies nicht mehr mit hinreichender Erfolgsaussicht möglich, weil im Baugewerbe die Auftragsvergabe im Allgemeinen zu Anfang des Jahres erfolge und die Aufträge dann im Verlauf des Sommers nur noch abgearbeitet würden. Zudem müsse er davon ausgehen, dass sich seine "Unzuverlässigkeit" in der Branche herumspreche, da er in der festen Erwartung der unmittelbar bevorstehenden selbständigen Tätigkeit bereits Gespräche geführt und seine Dienste angeboten habe. Dies mache später eine erfolgreiche selbständige Tätigkeit unmöglich.

Davon ausgehend wäre eine Entscheidung des Senats bereits unmittelbar nach Eingang der Beschwerde am 28. Mai 2010 zu spät gekommen, weil der Antragsteller im Jahr 2010 keine Aussicht auf den Erhalt von Aufträgen mehr hatte. Da der Antragsteller mehrere Nachfragen des Senats im Beschwerdeverfahren zum Anordnungsgrund und zum Eilbedürfnis nicht beantwortet hat, ist nicht bekannt, ob er über das Jahr 2010 hinaus noch an seinem Vorhaben festgehalten hat, oder ob er ihn aktuell noch verwirklichen will. Ein Anordnungsgrund ist daher im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht worden. Die einstweilige Anordnung ist schon daher abzulehnen.

Ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen in der Sache noch entscheidend darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass auch ein Anordnungsanspruch seit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes beim SG nicht bestanden haben dürfte.

Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Förderung iHv 5.000 EUR als Zuschuss sowie iHv 1.000 EUR als Darlehen aus § 16c SGB II. Diese Vorschrift ergänzt die Regelungen des § 16b SGB II zum Einstiegsgeld für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit. Gemäß § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, nur gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch diese innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird.

Selbstverständliche ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung ist, dass das beabsichtigte Vorhaben mit der begehrten Förderung auch realisierbar sein muss. Dies ist hier nicht der Fall. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG zur Finanzierungslücke im Beschluss Bezug genommen und von einer erneuten Darstellung abgesehen. Die bei Bewilligung der hier begehrten Fördermittel iHv insgesamt 6.000 EUR verbleibenden ungedeckten Kosten der Existenzgründung iHv 942,13 EUR hätten die Umsetzung des Vorhabens scheitern lassen. Die Einlassung im Beschwerdeverfahren, ggf. müsse eine höhere Förderung gewährt werden, löst das Finanzierungsproblem nicht, denn gemäß § 16c Abs. 2 Satz 2 SGB II darf der als Zuschuss gewährte Anteil der Förderung einen Betrag von 5.000 EUR nicht übersteigen. Dieser Höchstbetrag für den Zuschuss ist bereits geltend gemacht worden. Allenfalls könnte die Gewährung eines höheren Darlehenanteils in Betracht kommen. Dessen Gewährung hatte der Antragsgegner im Verwaltungsverfahren jedoch von einer entsprechenden Kofinanzierung durch Eigenmittel des Antragstellers abhängig gemacht. Der Antragsteller hat jedoch keine Angaben dazu gemacht, ob er bereit und in der Lage war, einen höheren Eigenanteil zu erbringen. Da er zudem den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag weder geändert noch erweitert hat, besteht das Problem der Finanzierungslücke fort.

Weil bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht erfüllt sind, war dem Antragsgegner die Möglichkeit für eine Ermessensentscheidung über den Förderantrag nicht eröffnet.

Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen (Zusicherung), bedarf für ihre Wirksamkeit gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Schriftform. Mündliche Zusagen sind rechtlich unverbindlich. Der geltend gemachte Förderanspruch kann daher nicht auf eine Zusicherung iSv § 34 SGB X gestützt werden.

Schließlich ergibt sich der geltend gemachte Leistungsanspruch nicht aus einer unrichtigen Sachbehandlung durch den Antragsgegner als Rehabilitationsträger.

Gemäß § 22 Abs. 2 SGB III, der auch für die durch den Antragsgegner wahrgenommenen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Rahmen des SGB II gilt (vgl. Steinmeyer in Gagel: SGB III, Losebl. Stand 07.2010, § 22 RN 43a), wird ausdrücklich bestimmt, dass die BA Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbringen darf, wenn nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) zuständig ist. Die Leistungszuständigkeit der BA und auch des Antragsgegners ist insoweit nachrangig; ihre Leistungspflicht entfällt auch dann, wenn ein anderer Leistungsträger sachlich zuständig ist, die begehrte Leistung im konkreten Fall aber ablehnt (vgl. Steinmeyer, a.a.O., § 22 RN 47; Niesel: SGB III, 4. Aufl. 2007, § 22 RN 17; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Oktober 2011, Az.: L 16 AL 212/11, juris RN 21; zu § 57 AFG: BSG, Urteil vom 11. September 1980, Az.: 1 RA 47/79, juris RN 20 f.).

Die Sachbehandlung des Antragsgegners im Hinblick auf den Antrag des Antragstellers, der bereits am 14. Januar 2010 (mündlich) gestellt worden war, war insoweit unrichtig, als der Antragsgegner unmittelbar seine Zuständigkeit als Rehabilitationsträger hätte prüfen und bei Verneinung derselben den Antrag an den zuständigen Rehabilitationsträger, der ihm ausweislich der Aktenvermerke vom 12. November 2009 und 23. Dezember 2009 bekannt war, hätte weiterleiten müssen. Indes ist über das Begehren des Antragstellers auf Eingliederungsleistungen (auf dessen Antrag vom 2. März 2010) am 11. März 2010 durch den eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger, die DRV, bereits vor Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes entschieden worden.

Selbst wenn man trotz der vorliegenden Befassung und Bescheidung durch den eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger davon ausginge, nunmehr zuständiger Träger für das Begehren des Antragstellers sei aufgrund der unterlassenen Weiterleitung des Rehabilitationsantrags (§ 14 Abs. 1 SGB X) der Antragsgegner gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX geworden und dieser habe über alle Formen von Teilhabeleistungen zu entscheiden, führte dies nicht zu einem im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbaren Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Förderleistung. Denn auch eine Leistungsgewährung nach § 33 Abs. 3 SGB IX steht im Ermessen des Leistungsträgers.

Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null, die Voraussetzung wäre eine (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners im einstweiligen Rechtsschutz auf Gewährung der Förderleistung (vgl. Beschlüsse des Senats vom 9. September 2011, Az.: L 5 AS 326/11 B ER, juris RN 42; vom 23. August 2011, Az.: L 5 AS 309/11 B ER, juris RN 26; und vom 7. Juli 2011, Az.: L 5 AS 177/11 B ER, juris RN 30), hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des PKH-Antrags (Az.: L 5 AS 233/10 B) ist form- und fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Insoweit ist der gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 3 Satz 2 erster Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) maßgebliche Beschwerdewert von 750 EUR überschritten.

Das SG hat PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht zu Recht abgelehnt. Nach § 73a Abs. 1 SGG iVm den §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ungewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 S. 413 f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Fe-bruar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R SozR 3-1500, § 62 RN 19).

Die Rechtsverfolgung hatte nach den vorstehenden Maßstäben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur weiteren Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Dementsprechend war auch die Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren in der Sache (L 5 AS 232/10 B ER) mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG, bzw. für die PKH-Beschwerde auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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