L 8 SO 1/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 SO 83/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 1/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben der Kläger zu einem Fünftel und die Beklagte zu vier Fünfteln zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm die für die Leistungsberechtigte S. B. (im Weiteren: Lb.) in der Zeit vom 22. September 2003 bis zum 31. Oktober 2005 erbrachten Aufwendungen in Höhe von 43.656,25 EUR zu erstatten.

Die am ... 1968 geborene Lb. ist verheiratet und Mutter zweier am ... 1992 und ... 1993 geborener Kinder. Seit ihrem 16. Lebensjahr ist sie häufig, auch längerfristig, psychiatrisch untergebracht gewesen. Von April 1999 bis Mai 2001 befand sie sich entweder in stationärer Krankenhausbehandlung oder in einem Heim. Danach hielt sie sich bis zur nächsten Heimunterbringung vom 27. Mai bis zum 30. November 2002 im Lebenszentrum R. in B. - unterbrochen durch stationäre Behandlungen - auf. Der Landkreis (LK) O., dessen Rechtsnachfolger der Kläger ist, bewilligte für die Lb. insoweit Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Form von Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten im Lebenszentrum R. (Bescheide vom 18. Juni 2002 und vom 26. November 2002).

Mit Beschluss vom 6. März 2003 hob das Amtsgericht Haldensleben die Betreuung durch den damaligen Betreuer der Lb. - J. K. aus H. - auf. Zwar lägen die Voraussetzungen für die Verlängerung der Betreuung aufgrund der bestehenden schizoaffektiven Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis weiterhin vor. Die Lb. habe den bestellten Betreuer jedoch abgelehnt und sich nach dessen Angaben ab dem 16. November 2002 in H. bei ihrem Ehemann aufgehalten, so dass eine praktische Zusammenarbeit mit dem in Hillersleben ansässigen Betreuer nicht mehr möglich und die Betreuung deshalb aufzuheben gewesen sei.

Am 27. März 2003 wurde die Lb. stationär im niedersächsischen Landeskrankenhaus W. (LKH) aufgenommen. Von dort wurde unter dem 9. Juli 2003 an den LK O. der Antrag auf Heimkostenübernahme "gemäß §§ 39/40 BSHG" gerichtet, der beim LK O. am 14. Juli 2003 einging. In der am 16. Juli 2003 eingereichten ärztlichen Stellungnahme vom 10. Juli 2003 ist ausgeführt, dass bei der Lb. eine paranoide Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bestehe. Die Lb. könne aufgrund der Chronifizierung ihrer Erkrankung mit Affektverflachung und wechselndem Antrieb ihre Angelegenheiten in Alltagsdingen nicht mehr selbständig regeln. Daneben bestehe eine ausgeprägte, in ihrer Intensität stark schwankende paranoide Symptomatik. Bei der Schwere der Erkrankung reichten ambulante Hilfen nicht mehr aus. Es sei eine Heimunterbringung "gemäß §§ 38/40 BSHG" erforderlich. Die geplante Unterbringung im Wohnheim G. 20 in H., getragen von der Frauenunterkunft der I. M. e.V. (im Weiteren: Frauenunterkunft), werde befürwortet. Die Entlassung in das angegebene Wohnheim könne voraussichtlich in absehbarer Zeit erfolgen.

Der danach bestellte Betreuer der Lb., Rechtsanwalt M. W., teilte dem LK O. mit, die Lb. sei noch im Wohnheim in B. und nicht in H. gemeldet. Vom in H. lebenden Ehemann lebe sie getrennt. Die Zuständigkeit für den Antrag auf Heimkostenübernahme beurteile sich damit nach seiner Auffassung nach dem ursprünglichen Wohnort der Lb. in H ... Der LK O. teilte daraufhin dem LKH, dem Betreuer und der Frauenunterkunft mit, dass die Lb. bei ihm am 30. November 2002 aus dem Leistungsbezug gefallen sei, da sie die damalige Einrichtung in R. habe verlassen wollen. Wo sie verblieben sei, sei ihm - dem LK O. - nicht bekannt. Es möge mit Hilfe der Lb. festgestellt werden, wo sie vor der Aufnahme in das LKH gewohnt habe. Da unklar sei, ob der LK O. oder die Beklagte für die Lb. zuständig sei, käme eine Vorleistung gemäß § 44 BSHG in Betracht.

Der Betreuer der Lb. legte unter dem 25. Juli 2003 das Antragsformular auf Gewährung von Sozialhilfe vor und gab in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Aufenthaltsverhältnissen der Lb. an, diese habe sich von Dezember 2002 bis zum 27. März 2003 beim Ehemann in der B. Str. in H. und vom 27. März bis zum 22. September 2003 im LKH aufgehalten. Die Lb. habe einen freien Heimplatz in Aussicht, ihre Entlassung aus dem LKH sei absehbar und es solle vorab die Heimkostenübernahme bestätigt und erst dann ermittelt werden, ob auch das Sozialamt H. zuständig sein könnte.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2003 wandte sich der LK O. an die Beklagte und bat, die örtliche Zuständigkeit zu prüfen und anzuerkennen, da die Lb. den gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrem Ehemann in H., Badenstedter Str. 117, begründet habe. Er - der LK O. - werde zunächst gemäß § 44 BSHG i. V. m. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG in Vorleistung gehen. Die Beklagte vertrat hierzu mit Schreiben vom 5. August 2003 die Auffassung, der LK O. habe als erstangegangener Träger die Zuständigkeit (den "gewöhnlichen Aufenthalt" der Lb.) zu prüfen. Die Lb. sei zuletzt von Juli 2001 bis zum 5. Juni 2002 ordnungsamtlich gemeldet gewesen. Die tatsächlichen Aufenthaltsverhältnisse habe der LK O. zu prüfen. Nach erfolgter Prüfung könne er sich ggf. unter Beifügung aller Antragsunterlagen erneut an die Beklagte wenden.

Mit Bescheid vom 18. August 2003 bewilligte der LK O. der Lb. "im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39/40 BSHG für die geplante Unterbringung im Frauenhaus der I. M. e. V. H., vorerst bis zur endgültigen Klärung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit eine vorläufige Kostenübernahme gemäß § 44 Abs. 1 BSHG ".

Die Lb. wurde am 22. September 2003 in der Frauenunterkunft aufgenommen. Mit Schreiben vom 26. September 2003 wandte sich der LK O. an die Beklagte und wies unter Übersendung aller Unterlagen darauf hin, dass die Lb. ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der stationären Unterbringung im LKH bei ihrem Ehegatten in H., B. Str. , begründet habe. Für ihn - den LK O. - sei die Prüfung der Zuständigkeit beendet. Die Beklagte sandte sämtliche Unterlagen wieder zurück und wies darauf hin, dass die Lb. zuletzt bis zum 27. Mai 2002 (5. Juni 2002) in H., B. Str. , gemeldet gewesen sei.

Den vom LK O. unter dem 11. Juni 2004 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4. November 2004 ab, da der Antrag auf Kostenerstattung nach § 103 BSHG nicht bestehe. Den unter dem 22. November 2004 auf § 105 i. V. m. § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) gestützten Erstattungsanspruch lehnte sie mit Schriftsatz vom 2. Februar 2005 ab. Der LK O. habe unter eindeutiger Verletzung von (vorläufigen) Zuständigkeitsregelungen Leistungen erbracht. Deshalb stehe ihm auch kein Erstattungsanspruch nach § 102 oder nach § 105 SGB X zu. Den unter dem 29. November 2005 auf § 105 SGB X gestützten Kostenerstattungsanspruch des LK O. lehnte die Beklagte unter dem 7. Dezember 2005 ab.

Der LK O., der von der Beklagten die weitere Kostenübernahme für die Lb. verlangte, stellte mit Bescheid vom 29. November 2005 rückwirkend zum 1. November 2005 die für die Lb. gewährte Sozialhilfe mit der Begründung ein, die Beklagte sei der zuständige Kostenträger. Auf den Widerspruch der Lb. gewährte sie mit Bescheid vom 17. Februar 2006 gemäß § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) für die Lb. ab dem 1. November 2005 bis zur endgültigen Klärung der Zuständigkeit mit der Beklagten vorläufige Leistungen in Form von Eingliederungshilfe. Diesen Bescheid erteilte sie "im Namen des überörtlichen Leistungsträgers der Sozialhilfe der Sozialagentur Sachsen-Anhalt". Schließlich lehnte die Beklagte die weiteren Anträge des LK O. vom 3. März 2006 und vom 26. Mai 2006 auf Erstattung der bisher gewährten Leistungen gemäß §§ 102 ff. SGB X unter dem 21. März 2006 und unter dem 7. Juni 2006 ab.

Am 1. Oktober 2007 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Erstattung von 43.656,43 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. In der Zeit vom 22. September 2003 bis zum 31. Oktober 2005 habe er vorläufige Leistungen in dieser Höhe gewährt. Da die Beklagte sich mehrfach geweigert habe, die ihm entstandenen Kosten zu erstatten, sei nunmehr Klage geboten. Er - der Kläger - habe als vorläufig leistender Sozialhilfeträger gemäß § 102 SGB X gegen die Beklagte als zur Leistung Verpflichtete Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten aufgrund der nach § 43 SGB I von ihm vorläufig erbrachten Leistungen. Unstreitig sei, dass die Lb. Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach den §§ 39, 40 BSHG gehabt habe bzw. ab dem 1. Januar 2005 nach den §§ 53 bis 60 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) habe. Wegen des vor der Aufnahme im LKH unbekannten Aufenthalts der Lb. über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten sei die örtliche Zuständigkeit ungeklärt gewesen und der Kläger habe sich um Aufklärung bemüht, jedoch vorläufige Leistungen bewilligt, damit die Entscheidung über die Leistungsgewährung nicht zu Lasten der Lb. weiter hinausgeschoben habe werden müssen. Die Beklagte sei gemäß § 57 Abs. 2 BSHG bis zum 31. Dezember 2004 bzw. nach dem Inkrafttreten des SBG XII vom 1. Januar 2005 gemäß § 58 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig gewesen bzw. zuständig. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweile. Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes setze dabei eine tatsächliche Aufenthaltsnahme voraus, die nicht durch bloße melderechtliche Anmeldung ersetzt werden könne (Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26. September 2002 - 5 C 46.01, NVwZ 2003, 616 f.). Die Lb. habe tatsächlich mehr als drei Monate vor der Aufnahme im LKH und der daran anschließenden Unterbringung in der Frauenunterkunft bei ihrem Ehemann in H. gewohnt. Die Zuständigkeit des Klägers sei mit der Beendigung der Leistungen zum 30. November 2002 beendet gewesen. Die Lb. habe sich, was die Beklagte auch einräume, tatsächlich von Dezember 2002 bis zum 27. März 2003 bei ihrem Ehemann in H. aufgehalten. Die Beklagte sei auch sachlich für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig gewesen bzw. zuständig. Soweit die Beklagte geltend mache, er - der Kläger - habe mit der Gewährung vorläufiger Eingliederungsleistungen eindeutig gegen vorläufige Zuständigkeitsregelungen verstoßen und deshalb keinen Anspruch auf Erstattung, könne dies nicht nachvollzogen werden. Er habe hier auf der Grundlage des § 43 SGB I i.V.m. §§ 39, 40 BSHG bzw. §§ 53 bis 60 SGB XII vorgeleistet, weil streitig gewesen sei, welcher örtliche Träger der Sozialhilfe zur Leistung verpflichtet war bzw. ist, ob die Leistung beantragt worden und wer der erstangegangene Sozialleistungsträger war. Soweit er im Bescheid vom 18. August 2003 als Rechtsgrundlage der vorläufigen Bewilligung auf § 44 BSHG Bezug genommen habe, sei dies zwar fehlerhaft gewesen. In der Sache ändere es jedoch nichts daran, dass die vorläufige Bewilligung tatsächlich nach § 43 SGB I rechtmäßig erfolgt sei. Er hat der Klageschrift eine Kostenaufstellung über die im Zeitraum vom 22. September 2003 bis 31. Oktober 2005 gewährten Leistungen beigefügt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, da nicht innerhalb von vier Wochen festgestanden habe, wo die Lb. ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, hätte der Träger der Sozialhilfe vorläufig eintreten müssen, der nach § 97 Abs. 1 BSHG örtlich zuständig gewesen sei, und damit der Träger, in dessen Bereich sich die Lb. zum Zeitpunkt der Hilfegewährung tatsächlich aufgehalten habe. Tatsächlich habe sich die Lb. im Bereich der Region H., nicht im Bereich des Klägers, aufgehalten. Ein Erstattungsanspruch des Klägers ihr - der Beklagten - gegenüber scheide aus, weil der Kläger seine (vorläufige) Leistung auf eine falsche Rechtsgrundlage (§ 44 BSHG) gestützt habe und er auch bei Anwendung der richtigen Rechtsgrundlage (§ 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG) nicht der zur vorläufigen Leistung berechtigte Träger gewesen sei. Ferner sei der Nachweis, dass es sich bei dem Aufenthalt in H. tatsächlich um einen gewöhnlichen Aufenthalt der Lb. gehandelt habe, bis heute nicht erbracht.

Mit Urteil vom 31. März 2009 hat das Sozialgericht Halle in dem Rechtsstreit S 13 SO 92/07 die Beklagte verpflichtet, die Gewährung der Sozialhilfe für die Lb. ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen, und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Land Sachsen-Anhalt die zugunsten der Lb. aufgewendete Sozialhilfe für die Zeit ab dem 1. November 2005 bis zur Übernahme des Hilfefalles zu erstatten. Das Sozialgericht hat ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit für die erbrachten Leistungen der Sozialhilfe habe zum 30. November 2002 gewechselt. Die Lb. habe zur Überzeugung der Kammer im Zeitpunkt der Aufnahme in das LKH am 27. März 2003 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in H. gehabt, so dass die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ab diesem Zeitpunkt bestanden habe. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich "bis auf weiteres" aufhalte und den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. Die Lb. sei nach jedem gescheiterten Heimaufenthalt zu ihrem Ehemann zurückgekehrt. Sie habe sich bei ihrem Ehemann aufgehalten und dies nicht nur vorübergehend, da sie eine eigene, persönliche Wohnung nicht gehabt habe. Aufgrund der Ehe und der Unterbringung ihrer Kinder in einem Heim in H. lasse dies auf die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes am Wohnort ihres Ehemannes schließen. Insoweit sei es zu einer Unterbrechung der "Heimkette" mit dem Verlassen der Lb. aus dem Heim in B. und dem Einzug beim Ehemann in H. gekommen. Für den Leistungsfall vom 1. November 2005 an bis zur Übernahme des Hilfefalles habe das Land Sachsen-Anhalt Anspruch auf Kostenerstattung. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. März 2009 keine Berufung eingelegt.

Sie hat daraufhin im anliegenden Rechtsstreit an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Kläger die Leistungen nicht unter Beachtung der vorläufigen Zuständigkeitsregelungen und damit nicht rechtmäßig erbracht habe.

Das Sozialgericht Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 17. November 2009 verurteilt, "an den Kläger 43.656,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basissatz seit dem 1.10.2007 zu zahlen". Der Anspruch ergebe sich aus § 102 SGB X. Danach habe derjenige Leistungsträger, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Leistungen erbringe, einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger. Die Beklagte sei für die Leistungen der Sozialhilfe für die Lb. der örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe. Die Lb. habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im streitigen Zeitraum in H. und damit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehabt. Soweit sich die Beklagte darauf stütze, die Ermittlungen des Klägers zum gewöhnlichen Aufenthalt der Lb. seien nicht ausreichend gewesen, führe dies zu keinem anderen Ergebnis, da anderenfalls bei einem häufigen Wechsel des Aufenthaltes kein Raum mehr für einen Erstattungsanspruch sei. Demgegenüber könne sich der Kläger auf die Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG stützen, wonach er dann, wenn nicht innerhalb von vier Wochen festgestellt werden könne, wo ein Leistungsberechtigter seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, oder wenn ein Eilfall vorliege, vorläufig Hilfe zu leisten habe. Auch stehe dem Erstattungsanspruch nicht entgegen, dass sich der Kläger auf eine falsche Rechtsgrundlage (§ 44 BSHG) gestützt habe. Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Juli 1985 (Az. 1 RA 11/84) ergebe sich nichts anderes, weil das BSG in dieser Entscheidung darauf abgestellt habe, dass ein Leistungsträger Leistungen "ohne gesetzliche Grundlage" erbracht habe. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, da der Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Hilfe für die Lb. Habe einsetzen müssen, geleistet habe, obwohl nicht festgestanden habe, welcher Träger der Sozialhilfe zuständig gewesen sei. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 94 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Gegen das ihr am 14. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Januar 2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts Halle vom 31. März 2009 in dem Rechtsstreit S 13 SO 92/07 sei unstreitig, dass die Lb. vor der Hilfegewährung durch den Kläger ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehabt habe, diese damit gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG eigentlich für die Hilfegewährung örtlich zuständig gewesen sei. Unstreitig sei auch, dass die Lb. tatsächlich sozialhilfebedürftig gewesen sei und insbesondere auch vorrangige Ansprüche gegenüber Dritten speziell in Form von Unterhaltsansprüchen durch den Kläger ordnungsgemäß geprüft worden seien. Gleichwohl bestehe kein Erstattungsanspruch des Klägers. Dieser könne sich weder auf § 44 BSHG noch auf § 43 SGB I stützen. Da nicht kurzfristig habe geklärt werden können, wo die Lb. ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in das LKH gehabt habe, hätte der Kläger den Sozialhilfeantrag an die Stadt W. zum Zwecke der vorläufigen Leistungsgewährung weiterleiten müssen. Hier habe sich der Kläger bewusst über seine eigene Unzuständigkeit hinweggesetzt und Sozialhilfe damit quasi freiwillig, zumindest aber ohne gesetzliche Grundlage geleistet.

Im Verhandlungstermin vor dem Senat hat der Kläger nach dem Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, u.a. in dem Verfahren B 8 SO 22/08 R, den geltend gemachten Zinsanspruch zurückgenommen.

Die Beklagte hat daraufhin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. November 2009, soweit die Klage aufrecht erhalten wird, aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält daran fest, auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 SGB I i. V. m. § 102 SGB X die Erstattung der an die Lb. erbrachten Leistungen verlangen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der hier maßgeblichen ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wobei der Wert des Beschwerdegegenstands 10.000,00 EUR übersteigt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die gemäß § 54 Abs. 5 SGG als sog. echte Leistungsklage (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 54 Rn. 41) zulässige Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung in Höhe von 43.656,43 EUR gegen die Beklagte nach § 102 SGB X zusteht.

Als Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt § 14 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) nicht in Betracht. Bei § 14 Abs. 4 SGB IX in der ab dem 19. Juni 2001 (BGBl. I S.1046) und damit hier anwendbaren Fassung handelt es sich um einen speziellen Erstattungsanspruch, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vorgeht und diese verdrängt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, - B 1 KR 34/06 R -, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 28. November 2007, - B 11a AL 29/06 R -, juris Rn. 14; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. April 2008, - L 30 R 1838/06 -, juris Rn. 39).

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der (erstangegangene) Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen (zweitangegangenen) Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird nach der Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§ 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Dieser spezielle Erstattungsanspruch gilt nur für den zweitangegangenen Rehabilitationsträger und trägt dessen Sondersituation Rechnung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ihm durch die Weiterleitung des Antrags die Leistungspflicht aufgezwungen ist. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ist nicht möglich, da sie eine Sonderregelung zu den Vorschriften über die Kostenerstattung des SGB X ist.

Hier hat der Kläger Sozialhilfeleistungen als erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erbracht, sodass für ihn der Erstattungsanspruch des § 14 Abs. 4 SGB IX nicht greift. Am 14. Juli 2003 ist der Antrag des LKH beim LK O. eingegangen, am 18. Juli 2003 hat der Betreuer der Lb. mitgeteilt, nach seiner Auffassung sei H. für die örtliche Zuständigkeit maßgebend und am gleichen Tag hat der LK O. den Betreuer, das LKH und die Frauenunterkunft über die ungeklärte Zuständigkeit unterrichtet und um Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung gebeten. Am 28. Juli 2003 hat der Betreuer auf die besondere Eilbedürftigkeit hingewiesen und am 29. Juli 2003 den Antrag auf Bewilligung von Sozialhilfe mit den Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht. Mit Schreiben vom 28. Juli 2003 hatte sich der LK O. auch bereits an die Beklagte gewandt mit der Bitte, die örtliche Zuständigkeit zu prüfen und anzuerkennen; die Übernahme hat die Beklagte dann unter dem 5. August 2003 abgelehnt. Insoweit hatte der LK O. innerhalb der zwei Wochen nach Antragseingang seine Zuständigkeit geprüft und Zweifel hieran gehabt, aber sicher die Zuständigkeit der Beklagten nicht annehmen können. Er hat den Antrag deshalb nicht binnen, sondern erst nach Ablauf von zwei Wochen an die Beklagte weitergeleitet, wo er am 29. Juli 2003 eingegangen ist, die ihn mit Hinweis auf die Zuständigkeit des Klägers als erstangegangener Leistungsträger wieder zurückgegeben hat. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit hat der LK O. dann mit Bescheid vom 18. August 2003 vorläufig bis zur Klärung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit Eingliederungshilfe geleistet.

Als Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch können hier auch nicht für die erbrachten Leistungen vom 22. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG (in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) bzw. für die Leistungen vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 2005 § 106 SGB XII (in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung), die jeweils die sozialhilferechtliche Kostenerstattung für den Fall eines Aufenthalts in einer (stationären) Einrichtung regeln, herangezogen werden. Zwar gehen die sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsregeln denen des SGB X vor (§ 37 Satz 1 SGB I); hier sind die Voraussetzungen der §§ 103 Abs. 1 BSHG, 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII jedoch nicht erfüllt.

Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige Träger der Sozialhilfe, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Hier hatte der LK O. die Eingliederungshilfe nicht nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG zu erbringen. Denn § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG normiert, dass unter den dort genannten Voraussetzungen - steht nicht spätestens innerhalb von vier Wochen fest, ob und wo der gA nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist, oder ob ein Eilfall vorliegt - der nach Absatz 1 zuständige Träger über die Hilfe unverzüglich zu entscheiden und vorläufig einzutreten hat. In § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist bestimmt, dass örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe ist, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger aufhält. Tatsächlich hat sich die Lb. im Zeitpunkt der Antragstellung, in dem ein Eilfall vorlag und nicht innerhalb von vier Wochen feststellbar war, ob und wo der gA der Lb. nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist, im LKH in W. und damit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und nicht des Klägers aufgehalten. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG bis zum 31. Dezember 2004 und die der ab dem 1. Januar 2005 geltenden gleichlautenden Vorschriften § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII nicht vor.

Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 102 SGB X. Danach ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.

Der LK O. hat der Lb. mit Bescheid vom 18. August 2003 "im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39/40 BSHG für die geplante Unterbringung im Frauenhaus, vorerst bis zur endgültigen Klärung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit eine vorläufige Kostenübernahme gemäß § 44 Abs. 1 BSHG " im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe bewilligt. Hierzu war der LK O. aufgrund § 43 Abs. 1 SGB I berechtigt und verpflichtet. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I (in der ab dem 1. Juli 1983 geltenden Fassung) lautet: Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (Satz 1). Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags (Satz 2).

Der Lb. stand ab dem 22. September 2003 mit der Aufnahme in der Frauenunterkunft ein Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß §§ 39,40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG bzw. nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu. Die Lb. war aufgrund einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erheblich behindert und bedurfte deshalb der Unterbringung in einem Heim, in dem ihr im Rahmen eines betreuten Wohnens Hilfestellung zu einem selbstbestimmten Leben vermittelt werden konnte. Die Frauenunterkunft stellte eine geeignete Unterbringung für die Lb. dar. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des LKH W. vom 10. Juli 2003 und aus der ärztlichen Stellungnahme des LKH vom 10. Juli 2003. Die Lb. erfüllte auch die in § 11 Abs. 1 BSHG genannten Voraussetzungen. Sie verfügte lediglich über eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 626,14 EUR monatlich und hatte keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch gegen den von ihr getrennt lebenden Ehemann und ihre minderjährigen in einem Heim untergebrachten Kinder oder andere Angehörige. Ihr Bankguthaben bestand aus ca. 2.300,00 EUR und überschritt den Freibetrag gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Nr. 1a) 2. Alternative der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Höhe von 2.301,00 EUR nicht. Dies ergibt sich aus den von ihrem Betreuer eingereichten Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

Der LK O. hat im Sinne von §§ 39, 40 BSHG Leistungen der Eingliederungshilfe für die stationäre Unterbringung vorläufig gewährt. Denn im Zeitpunkt der Leistungserbringung stand zwischen den Beteiligten nicht fest, ob die Lb. einen gA in H. begründet hatte. Zudem lag ein Eilfall vor, denn die Entscheidung über die Leistungsgewährung duldete keinen Aufschub mehr. Schon mit Schreiben vom 25. Juli 2003 hatte der Betreuer um eine baldige Klärung der Heimkostenübernahme gebeten, da das Freiwerden des geeigneten Heimplatzes unmittelbar bevorstand, und gemahnt, den Zuständigkeitsstreit nicht zu Lasten der Lb. zu führen. Daher hatte der LK O. als erstangegangener Leistungsträger unverzüglich über die Leistung zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Dementsprechend sind mit dem Bescheid vom 18. August 2003 der Lb. "im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39/40 BSHG für die geplante Unterbringung im Frauenhaus der I. M. e.V. H., vorerst bis zur endgültigen Klärung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit eine vorläufige Kostenübernahme gemäß § 44 Abs. 1 BSHG " bewilligt worden.

Die Beklagte ist als der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger i.S. von § 102 SGB X anzusehen. Sie ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe des Landes Niedersachsen der für die Leistungen der (stationären) Eingliederungshilfe gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG vom 22. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 und ab dem 1. Januar 2005 gemäß § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII sachlich zuständige Sozialhilfeträger.

Sie ist auch der örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Abweichend von den grundsätzlichen Zuständigkeitsnormen in § 97 Abs. 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 1 SGB XII, die die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers am tatsächlichen Aufenthaltsort der Lb. begründen, sehen § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII für die Gewährung von stationären Leistungen zum Schutz der Anstaltsorte eine besondere örtliche Zuständigkeit vor: Danach ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gA im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den letzten zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Für den Regelfall ist an diese örtliche Zuständigkeit die endgültige Kostentragung im Leistungsfall geknüpft.

Dies bedeutet, dass der tatsächliche Aufenthalt der Lb. in der Stadt H. in der Zeit vom 16. November 2002 bis zum 18. März 2003 vor ihrer Aufnahme im LKH zur örtlichen Zuständigkeit der Beklagten und nicht der des LK O. führte, weil die Lb. dort einen gA begründet hatte.

Der Begriff des gA ist in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I legal definiert. Danach hat den gA jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zwar betrifft die vorgenannte Definition unmittelbar lediglich die Regelung des § 30 Abs. 1 SGB I über den räumlichen Geltungsbereich der Vorschriften des Sozialgesetzbuches. Mangels einer eigenständigen sozialhilferechtlichen Definition ist ergänzend auf § 30 Abs. 3 SGB I zurückzugreifen (einhellige Auffassung, so bereits das BVerwG für das BSHG: Urteil vom 18. März 1999 - 5 C 11.98 -, juris Rn. 14; ebenso: BSG, Urteil vom 24. März 2009, - B 8/9b SO 17/07 R -, juris Rn. 18).

Ausgangspunkt für die Feststellung eines gA ist zunächst der tatsächliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Eintritts des sozialhilferechtlichen Bedarfs. Dazu hat das BVerwG (a.a.O., Rn. 15) ausgeführt, dass zur Begründung eines gA ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich sei; es genüge vielmehr, dass der Betreffende sich an einem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalte und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. Für einen letztlich zukunftsoffenen Verbleib (vgl. Hohm in Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2006, § 98 Rn. 46) ist einerseits der Wille des Betroffenen beachtlich, wobei es nicht auf den rechtlichen, sondern auf den tatsächlich zum Ausdruck kommenden Willen ankommt. Andererseits muss sich ein festgestellter Wille in den tatsächlichen Verhältnissen des Aufenthalts objektiv niederschlagen. Entscheidend sind insoweit die näheren Umstände der Unterkunft und des Aufenthalts sowie die Qualität und Quantität der am Aufenthaltsort entstandenen persönlichen Bindungen. Dabei ist das Vorhandensein einer Wohnung oder des Wohnsitzes in melderechtlicher Hinsicht nicht maßgebend.

Für die Begründung eines gA muss es sich um einen Aufenthalt von voraussichtlich einer gewissen Dauer handeln. Es muss die Absicht bestehen, an diesem Ort nicht nur vorübergehend zu bleiben, auch wenn später unvorhergesehene Umstände die Aufgabe des Aufenthalts in kürzerer Zeit erfordern (Hohm, a.a.O., Rn. 47). Daher kann auch ein (erst) kurzer tatsächlicher Aufenthalt an einem Ort zur Begründung eines gA führen.

Ob ein Aufenthalt an einem Ort zu einem gA geführt hat, ist im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu entscheiden, wobei alle für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 - = BSGE 63, 93; ebenso BVerwG, Urteil vom 18. März 1999, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 5 B 211/02 -, juris Rn. 7). Das BVerwG hat im Fall eines Aufenthalts zwischen zwei stationären Unterbringungen ausgeführt, auch in dieser Situation sei die Begründung eines neuen gA nicht generell ausgeschlossen, selbst wenn der Aspekt "bis auf weiteres" nicht realisiert werden könne. Es komme auf die Umstände des Einzelfalls an (Beschluss vom 3. Juli 2003, a.a.O., Rn. 7).

Im vorliegenden Fall spricht die Gesamtschau aller Einzelumstände für die Begründung eines gA der Lb. in H. vom 16. November 2002 bis zum 18. März 2003. Für den Senat ist in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht maßgebend, dass die Lb. nach jedem gescheiterten Heimaufenthalt zu ihrem Ehemann zurückgekehrt ist und sich nicht nur vorübergehend bei diesem aufgehalten hat, zumal sie eine eigene Wohnung nicht gehabt hat. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Ehe und der Unterbringung ihrer Kinder in einem Heim in H. ist der gA der Lb. Für den vorgenannten Zeitraum am Wohnort ihres Ehemannes anzunehmen. Insoweit ist es zu einer Unterbrechung der "Heimkette" mit dem Verlassen der Lb. aus dem Heim in B. und dem Einzug beim Ehemann in H. gekommen. Der melderechtliche Status ist, wie bereits von dem Kläger unter Hinweis auf die maßgebende Rechtsprechung ausgeführt, demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.

Der Umfang des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus § 110 SGB XII. Danach sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistungen den Regelungen des SGB XII entsprechen (Abs. 1 Satz 1). Es gelten die am Aufenthaltsort der Lb. im Zeitpunkt der Leistungserbringung bestehenden Grundsätze für die Leistung von Sozialhilfe (Abs. 1 Satz 2). Durchgreifende Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bestehen nicht.

Der Kläger hat den Anspruch auch innerhalb der Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend gemacht (§ 111 SGB X).

Daher hat der Kläger einen Anspruch auf die Erstattung der von ihm bezifferten Kosten im vollen Umfang und damit in Höhe von 43.656,43 EUR. Die von ihm vorgelegte Aufstellung seiner Aufwendungen ist schlüssig und plausibel. Die im Verhandlungstermin vorgelegten Auszüge aus dem Zeitbuch der Haushaltsjahre 2003 bis 2005 belegen schließlich, dass die jeweiligen Pflegekosten und Beihilfen bezüglich der Lb. an die I. M. e.V. durchgängig von der Haushaltsstelle des Klägers abgebucht worden sind. Die Beklagte hat im Verfahren keine Einwendungen gegen die Höhe der begehrten Kostenerstattung erhoben. Für den Senat ergeben sich im Rahmen seiner Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die geltend gemachten Beträge nicht im Rahmen des geltenden Rechts halten oder der Kläger den sich aus § 110 Abs. 1 SGB XII ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz, der dem die Leistung erbringenden Träger die Pflicht auferlegt, alle nach Lage des Einzelfalls zumutbaren und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten, nicht (hinreichend) beachtet haben könnte. Die Beklagte hat ihre zwischenzeitlich insoweit geltend gemachten Einwände nicht aufrecht erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da der Kläger in Bezug auf die Zinsforderung die Klage zurückgenommen hat und diese im Hinblick auf die Gesamtforderung mehr als 10 Prozent ausmacht, war bei der Kostenentscheidung dies entsprechend dem Verhältnis der Gesamtforderung zur Zinsforderung zu berücksichtigen (vgl. für § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 24. Mai 2011 - 9 U 110/10 -, juris Rn. 7). Dementsprechend haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen der Kläger zu einem Fünftel und die Beklagte zu vier Fünfteln zu tragen.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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