L 9 U 4599/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4690/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4599/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfalles sowie die Feststellung von Unfallfolgen streitig.

Der 1956 geborene Kläger ist bei der Firma M. GmbH in Z. seit 1971 als Dreher beschäftigt. Am 12.10.2006 fuhr der Kläger gegen 13:15 Uhr auf den Parkplatz seines Arbeitgebers und stieß beim Einparken seines PKW gegen ein geparktes Motorrad, welches infolge der Berührung umgefallen war. Beim Aufheben dieses Motorrades - so gab es der Kläger gegenüber dem um 16:00 Uhr aufgesuchten Durchgangsarzt Dr. H., Kreiskrankenhaus L., an - habe er einen plötzlich einschießenden Schmerz im Bereich der rechten Ellenbeuge verspürt und im weiteren Verlauf eine zunehmende Schwellung des Oberarmes festgestellt. Er habe die Arbeit zunächst noch aufgenommen.

In seinem Bericht vom 13.10.2006 stellte der Durchgangsarzt eine beugeseitige Schwellung und einen Druckschmerz im Bereich der Ellenbeuge am rechten distalen Oberarm beugeseitig, ein Hämatom ca. 3 cm Durchmesser, eine intakte periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität, eine aufgehobene Supination bei ungestörter Pronation fest. Eine aktive Beugung im Ellenbogengelenk sei nicht möglich. Zur Diagnose gab er eine Bizepssehnenruptur rechts an. Außerdem vermerkte er, es liege "kein Unfall im Sinne der Definition" vor.

Unter dem 02.11.2006 teilte der Facharzt für Chirurgie R., Kreiskrankenhaus L., mit, dass eine mittlerweile durchgeführte Kernspintomographie des rechten Ellenbogengelenkes bei eingeschränkten Untersuchungsbedingungen den dringenden Verdacht auf eine Bizepssehnenruptur am Ansatz des Radius ergeben habe. Bei weiterhin deutlich eingeschränkter Supinationsfähigkeit am rechten Unterarm und einer eingeschränkten Beugefähigkeit bestehe ein flächiges Hämatom am Ober- und Unterarm. Es bestünden mehrere Begleiterkrankungen, u. a. eine Herzmuskelschwäche sowie ein Diabetes mellitus, welcher mit oralen Antidiabetika behandelt werde. Er habe eine konservative Therapie vorgeschlagen und diese eingeleitet.

Der Durchgangsarzt Dr. M, R. berichtete unter dem 29.12.2006 über eine Vorstellung des Klägers am 28.12.2006. Er führte aus, eine operative Versorgung sei wegen schwerer kardialer und pulmonaler Probleme im Krankenhaus L. abgelehnt worden. Der Kläger könne seinen rechten Arm nun nicht mehr gut nutzen, er sei arbeitsunfähig, weil er seiner Tätigkeit als Maschinenbetreiber kaum mehr nachkommen könne. Er sei der Meinung, dass bei einer distalen Bizepssehnenruptur in der Ellenbeuge im Gegensatz zu einer proximalen Bizepssehnenruptur durchaus ein echtes Unfallereignis zu diskutieren sei. Der Kläger habe immerhin mit einem heftigen Ruck mit ausgestreckten Armen ein umstürzendes Motorrad aufgehoben, worauf es zur Sehnenruptur gekommen sei.

Mit Bescheid vom 19.03.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 12.10.2006 als Arbeitsunfall ab und stellte fest, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Zur Begründung führte sie aus, dass das Wiederaufstellen des Motorrades eine Unterbrechung des versicherten Weges zur betrieblichen Tätigkeit dargestellt habe, weil es sich dabei um eine private Verrichtung gehandelt habe, welche für das Zurücklegen des Weges nicht erforderlich gewesen sei. Insbesondere sei die Handlungstendenz des Klägers zum Zeitpunkt des Aufstellens des Motorrades nicht mehr darauf gerichtet gewesen, die betriebliche Tätigkeit aufzunehmen, weshalb kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges mehr bestanden habe. Ebenso sei auch der Unfallbegriff nicht erfüllt, weil zwischen dem äußeren Ereignis und dem Gesundheitsschaden kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Dieser sei nur dann zu bejahen, wenn nach allgemein anerkannten Erfahrungssätzen der medizinischen Wissenschaft die Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Ereignis zum Eintritt der Verletzung zumindest wesentlich beigetragen habe. Der beschriebene Hergang sei jedoch grundsätzlich nicht geeignet gewesen, einen Defekt der körperfernen Bizepssehne zu verursachen.

Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2007 Widerspruch erhoben. Zur Begründung machte er geltend, dass er sich beim Hochheben des über 200 kg schweren Motorrades, welches unter Streckung des Armes, einer Beugung des Armes und wiederum einer Streckung und dies bei angespanntem Muskel erfolgt sei, eine distale Bizepssehnenruptur in der rechten Ellenbeuge zugezogen habe. Dabei sei von keiner Unterbrechung der versicherten Tätigkeit auszugehen. Eine Unterbrechung des versicherten Weges sei auch dann versichert, wenn die Unterbrechung im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe und nur von kurzer Dauer sei. Dabei seien Unterbrechungen, die wesentlich allein dem privaten Bereich zuzurechnen seien grundsätzlich nur dann noch als Teile des versicherten Weges in seiner Gesamtheit anzusehen, wenn sie zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig gewesen seien und Verrichtungen dienten, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt würden. Das Wiederaufstellen des Motorrades lasse sich daher noch diesen ganz geringfügigen Verrichtungen zuordnen. Das Ereignis erfülle darüber hinaus den Unfallbegriff.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht mehr das Ziel verfolgt, zur Arbeitsstätte zu gelangen, sondern sein Bestreben sei allein auf das Aufrichten des umgestürzten Motorrades gerichtet gewesen. Hierbei habe es sich um eine eingeschobene Handlung gehandelt, die mit dem Zurücklegen des Weges in keinem Zusammenhang mehr gestanden habe und unabhängig ihrer zeitlichen Dauer keinen Versicherungsschutz begründe. Darüber hinaus könne ein Riss der körperfernen Bizepssehne infolge einer äußeren Einwirkung eintreten, wenn der stark kontrahierte Muskel plötzlich und unerwartet überdehnt werde. Die Analyse der Schädigung lasse keinen Vorgang erkennen, der nach Art und Schwere einen traumatischen Riss der körperfernen Bizepssehne hätte auslösen können. Zur Diskussion stehe vielmehr ein willentlich koordinierter Haltevorgang ohne Überraschungsmoment. Vom Grundsatz her gelte, dass willentlich koordinierte Kraftanstrengungen ohne auffällige Besonderheiten keine geeigneten Abläufe für die mögliche Entstehung eines Bizepssehnenrisses darstellten.

Hiergegen hat der Kläger am 03.09.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Im Rahmen einer Anhörung des Klägers in einem Termin des SG am 15.07.2008 (vgl. Niederschrift vom 15.07.2008, Bl. 25 der SG-Akten) hat der Kläger erklärt, aus dem Motorrad sei Benzin ausgelaufen und er habe es deshalb aufheben müssen. Es habe sich um eine große Maschine, vielleicht eine 500er Yamaha, gehandelt. Er sei früher selbst Motorrad gefahren und wisse deshalb, wie man eine Maschine anfasse.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines fachorthopädischen Gutachtens bei Dr. N., Bad S ... Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 05.11.2008 eine nichtoperativ behandelte Ruptur der distalen Bizepssehne im rechten Oberarm mit einer deutlichen verbliebenen Kraftminderung der Beugung im rechten Ellenbogengelenk festgestellt. Darüber hinaus bestünden - unfallunabhängig - eine rechtsseitige Herzmuskelschwäche mit Kurzatmigkeit, ein Bluthochdruck, eine Zuckerkrankheit, eine Verlangsamung und Koordinationsstörung sowie eine Gleichgewichtsstörung nach einem Schlaganfall im April 2007 sowie eine Depression. Der Sachverständige hat die Auffassung vertreten, der Riss der distalen Bizepssehne am rechten Oberarm sei eindeutig dem Unfall vom 12.10.2006 zuzurechnen. Auf Grund der Tatsache, dass der Kläger bereits 35 Jahre als ungelernter Arbeiter schwere körperliche Arbeit habe verrichten müssen, sei von einer Degeneration der Bindegewebe und -Sehnen im Bereich der oberen Extremitäten auszugehen. Der Riss der Bizepssehne rechts sei auf das ruckhafte Anheben des umgestürzten Motorrades am 12.10.2006 zurückzuführen, weil bei schlagartiger Kontraktion auf den Bizepsmuskel bei gebeugtem Ellenbogen analog des 3. Newton´schen Gesetzes eine adäquate Kraft mit Dehnungsüberlastung eingewirkt habe. Diese sei als ein zeitlich begrenzter und von außen kommender Impuls zu werten. In der unfallchirurgischen Literatur werde der Riss einer Sehne nur bei akut einwirkenden Belastungsspitzen wie z. B. bei einem Decelerationstrauma beschrieben. Um eine so starke Sehne wie die distale Bizepssehne zu zerreißen und nicht knöchern ausbrechen zu lassen, bedürfe es eines degenerativen Vorschadens an dieser Sehne. Weil die Therapie nicht operativ und somit ohne Gewebeentnahme und Prüfung stattgefunden habe, lasse sich dies jedoch nicht feingeweblich histologisch sichern. Aus seiner unfallchirurgischen Erfahrung und unter Berücksichtigung der unfallchirurgischen Literatur sei von einer alters- und berufsbedingten Vorschädigung auszugehen, welche auf 50 % eingeschätzt werde. Bei einem Trauma dieser Art sei von einer Arbeitsunfähigkeit und medizinischen Behandlungsbedürftigkeit von 8 bis 10 Wochen nach dem Unfall auszugehen. Genaue Aufzeichnungen der Arbeitsunfähigkeit fänden sich in den Akten jedoch nicht.

Auf die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Einwendungen hat der gerichtliche Sachverständige unter dem 08.02.2009 nochmals Stellung genommen und daran festgehalten, dass die distale Bizepssehnenruptur des Oberarmes aus einer überproportionalen Dehnungsbelastung des gebeugten Ellenbogengelenkes bei muskulärer Vorspannung resultiere. Ein Vorschaden sei von ihm berücksichtigt worden mit einem Anteil von 50 %. In einer vom SG veranlassten weiteren Stellungnahme hat er unter Bezugnahme auf Ausführungen in der Fachliteratur unter dem 23.02.2008 weiter daran festgehalten, dass er eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Ursachenzusammenhänge annehme.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines fachorthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. L., H ... In seinem Gutachten vom 09.04.2009 hat Prof. Dr. L. eine beugeseitige Muskelminderung am rechten Oberarm, lokale Druckschmerzen über der Ellenbeuge, eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenkes, eine Kraftminderung bei Beugung und Außendrehung des Unterarmes gegen Widerstand bei chronischer Läsion der körperfernen Bizepssehne sowie Bewegungsschmerzen der linken Schulter bei Engpasssyndrom unter dem Schulterdach festgestellt. Seiner Auffassung nach komme dem Ereignis vom 12.10.2006 für die Entstehung des Risses der körperfernen Bizepssehne am rechten Ellenbogen zumindest die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache zu. Denn das Ereignis sei wenigstens annähernd gleichwertig mit möglichen alterungs- und verschleißbedingten Veränderungen der Sehne. Für einen Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 12.10.2006 und der zeitnah diagnostizierten Zerreißung der körperfernen Bizepssehne sprächen die angebliche Beschwerdefreiheit bis zum Zeitpunkt des Ereignisses, der für eine Zerreißung der Bizepssehne geeignete Unfallmechanismus, der ausgedehnte Bluterguss und die aufgehobene Beweglichkeit im Rahmen der Erstuntersuchung am Unfalltag sowie die auch im Verlauf nur zögerlich abklingende Schwellung. Gegen einen Zusammenhang und für möglicherweise alterungs- und verschleißbedingte Ursachen spräche die nicht sehr ausgeprägte Flüssigkeitsvermehrung um die Sehne auf den Aufnahmen der Kernspintomographie. Es sei daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es anlässlich der erheblichen Kraftanstrengung am Unfalltag zum Abriss der körperfernen Bizepssehne gekommen sei. Das Ereignis stelle eine conditio sine qua non dar, und es sei nicht anzunehmen, dass ohne dieses Ereignis zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen Ausmaß eine entsprechende strukturelle Schädigung hätte eintreten können.

Die Beklagte hat hierauf daran festgehalten, dass im Hinblick auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 12.10.2006 und dem eingetretenen Körperschaden auszugehen sei.

Mit Urteil vom 23.06.2009 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger am 12.10.2006 einen Arbeitsunfall erlitten hat und die Gesundheitsstörung Riss der körperfernen Bizepssehne rechts eine Folge dieses Arbeitsunfalles sei. Das SG ist davon ausgegangen, dass der Arbeitsweg mit dem Erreichen des Betriebsgeländes des Arbeitgebers bereits beendet gewesen ist. Der Versicherungsschutz sei daher nach § 8 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu beurteilen. Zwar sei die unmittelbar zum Unfallereignis führende Verrichtung, das Aufheben des Motorrads nicht von einer betriebsdienlichen Handlungstendenz geleitet gewesen, es habe sich dabei jedoch um einen Vorgang gehandelt, der bei wertender und natürlicher Betrachtungsweise den inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit (hier: dem Parken auf dem Betriebsparkplatz und dem Aussteigen aus dem PKW, um zum Arbeitsplatz zu gelangen) nicht unterbreche. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung bei Wegeunfällen eine Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für Unterbrechungen bejaht, welche zeitlich und räumlich so geringfügig vom Weg abwichen, dass sie gleichsam im Vorbeigehen erledigt werden könnten, sofern sie den Interessen des Betriebes oder vernünftigem Verhalten nicht ersichtlich zuwider liefen. Dies müsse entsprechend für sonstige versicherte Tätigkeiten gelten, zumindest aber für Wege innerhalb des Betriebsgeländes. Die hier zu beurteilende unfallbringende Verrichtung weiche lediglich hinsichtlich des erforderlichen Kraftaufwandes ab, entspreche den in der Rechtsprechung genannten Beispielen aber im Hinblick auf die nach dem BSG maßgebliche Geringfügigkeit der zeitlichen und räumlichen Abweichung. Bei wertender Betrachtung spreche für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes außerdem, dass das Aufrichten des Motorrads ausschließlich aufgrund einer betrieblichen Verrichtung des Klägers erforderlich geworden sei (Aufsuchen des Arbeitsplatzes) und rechtlich geboten gewesen sei. Weil Kraftstoff ausgelaufen sei, habe es dem Kläger oblegen, jedoch aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Schadensminderungspflicht diesen Zustand zu beenden. Bürde der Gesetzgeber seinen Bürgern aus Anlass von Schadensereignissen unaufschiebbare Pflichten auf, spreche dies dafür, den Versicherten nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu entziehen, wenn die versicherte Tätigkeit lediglich zur Erfüllung einer solchen Pflicht unterbrochen werde. Eine mehr als geringfügige Unterbrechung der versicherten Tätigkeit habe nicht vorgelegen. Der unstreitig eingetretene Riss der distalen Bizepssehne sei rechtlich wesentlich durch das verfahrensgegenständliche Unfallereignis herbeigeführt worden. Hierbei hat es sich auf die Sachverständigengutachten von Dr. N. und Prof. Dr. L. gestützt.

Gegen das ihr am 14.09.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.10.2009 Berufung eingelegt.

Die Beklagte hält daran fest, dass durch das Aufstellen des Motorrads eine nicht nur geringfügige und somit unerhebliche Unterbrechung des versicherten Weges eingetreten sei. Zur korrekten Regulierung des vom Kläger verursachten Schadens hätte es mehr als nur des Aufhebens und Aufstellens des Motorrades bedurft. Der Kläger hätte danach den Halter des Motorrads ausfindig machen und diesen über den Unfall informieren müssen. Das Aufheben des Motorrads habe somit nur den Anfang einer Handlungskette dargestellt, der in diesem Umfang sicherlich nicht mehr als nur geringfügige Unterbrechung des Weges zur Arbeitsstätte hätte angesehen werden können. Im Übrigen könne das Aufheben eines ca. 200 kg schweren Motorrads bezüglich der Intensität und Kraftanwendung nicht mit den in der Rechtsprechung genannten Beispielen verglichen werden. Darüber hinaus halte sie daran fest, dass entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. L. das Ereignis nicht geeignet gewesen sei, eine Ruptur der körperfernen Bizepssehne rechts zu verursachen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er sieht sich durch die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt.

Ergänzend weist die Beklagte daraufhin, dass kein Versicherungsschutz im Rahmen der sogenannten Nothilfe nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII vorliege. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger wohl im Wesentlichen seiner eigenen Schadensminderungsverpflichtung gegenüber seiner Haftpflichtverletzung nachgekommen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass das Ereignis vom 12.10.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen war. Obwohl der Riss der körperfernen Bizepssehne links der Gesundheitserstschaden infolge dieses Ereignisses gewesen ist und damit Tatbestandsmerkmal eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII ist (vgl. BSG 12.04.2005, B 2 U 11/04 R in Juris), die Beklagte die Anerkennung dieses Gesundheitsschadens aber zumindest konkludent damit abgelehnt hat, dass "der Unfallbegriff" nicht erfüllt sei, bestand ein berechtigtes Interesse des Klägers nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG daran, die förmliche Feststellung der fortbestehenden Gesundheitsstörung zu beantragen.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles unter Darlegung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausführlich und zutreffend dargestellt. Nach eigener Prüfung des Sachverhaltes teilt der Senat die hierauf vom SG vorgenommene rechtliche Würdigung, der Versicherungsschutz richte sich nach § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (und nicht nach § 8 Abs. 2 SGB VII), weil sich der Unfall auf dem Betriebsgelände ereignet hat. Grundsätzlich gilt dies auch für die Wertung, dass die zeitlich geringfügige Unterbrechung, die in dem Aufrichten des Motorrades zu sehen war, den Versicherungsschutz des Klägers nicht entfallen ließ und der Riss der distalen Bizepssehne rechtlich wesentlich durch das Unfallereignis herbeigeführt wurde, mithin ein Arbeitsunfall vorgelegen hat. Der Senat macht sich diese Ausführungen - um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, in vollem Umfang zu Eigen, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auf die Einwendungen der Beklagten lediglich anzuführen, dass selbst dann, wenn von einer mehr als nur geringfügigen Unterbrechung und deshalb von einem fehlenden Versicherungsschutz auszugehen wäre, das Tätig werden des Klägers dennoch in einem inneren Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit zu sehen wäre. Der Kläger hatte auf die Befragung durch das SG im Termin am 15.07.2008 - von der Beklagten unbestritten und für das SG wie auch den Senat schlüssig dargelegt, dass das Aufrichten des Motorrades erforderlich gewesen ist, weil Benzin ausgelaufen war (vgl. Niederschrift vom 15.07.2008). Er befand sich mit dem Erreichen des Firmenparkplatzes bereits auf einem Betriebsweg, wie das SG zutreffend festgestellt hat, getragen davon, zur Spätschicht, welche um 13:30 Uhr begann (vgl. Unfallanzeige der Firma M. GmbH), seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Hierbei stieß er mit seinem PKW gegen ein geparktes Motorrad, welches dadurch umgefallen war und aus dem Benzin ausgelaufen ist.

Damit trat nicht nur eine Beschädigung einer Sache eines Dritten, etwa die eines Arbeitskollegen, ein, sondern auch eine konkrete Gefährdung für die Betriebsstätte durch ausgelaufenes Benzin. Dabei braucht nicht weiter ausgeführt werden, dass hierdurch nicht nur eine Brandgefahr sondern auch Gefahren für Boden und Grundwasser bestanden haben, die es abzuwenden galt. Der Kläger hat durch das Aufrichten des Motorrades Maßnahmen ergriffen, die geeignet waren, Sachschäden gering zu halten und weitere Schäden zu vermeiden. Hierzu war er auch aufgrund der arbeitsvertraglichen Beziehungen zu seinem Arbeitgeber verpflichtet. Denn als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag resultieren sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer Schutz- und Verhaltenspflichten, welche ihre allgemeine Grundlage in § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch haben und im Arbeitsvertragsrecht besonders ausgeprägt sind (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil v. 18.03.2008, B 2 U 12/07 R, in Juris). Hierzu gehört insbesondere auch eine Schadensvermeidungs- und Schadensminderungspflicht. Die Beklagte kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger habe mit dem Versuch das Motorrad aufzurichten, (nur oder im Wesentlichen) einer Schadensminderungsverpflichtung gegenüber seiner Kfz-Haftpflicht-Versicherung entsprochen. Diese Auffassung verkennt, dass hier nicht im Vordergrund stehen kann, wer zur Regulierung bereits entstandener Schäden heranzuziehen wäre oder Handlungsverpflichtungen aus unterschiedlichen Rechtsgründen abzuwägen. Entscheidend ist, dass der Kläger aufgrund einer konkreten Brand- und Bodenverseuchungsgefahr für das Betriebsgelände des Unternehmens, die er durch das austretende Benzin verursacht hat, im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens gehandelt und diese Handlung aufgrund oben beschriebener, arbeitsvertraglicher Nebenpflichten von ihm zu erwarten war.

Geht man hiervon aus, so ist für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII iVm § 2 Abs. 1 Nr.1 SGB VII ohne Belang, ob dies in der konkreten Situation sein Handeln bestimmt hat oder ob er - auch oder in erster Linie - andere Intentionen verfolgte (Vgl. BSG 18.03.2008, a.a.O. Rz 18)

Liegt damit ein sachlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers vor, ist auch der mit dem Anheben des Motorrades eingetretene Bizepssehnenriss am rechten Oberarm auf das Ereignis zurückzuführen. Auch hier hat sich das SG im Rahmen der vorgenommenen Kausalitätsprüfung ausführlich und ohne Rechtsfehler mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und den Argumenten der Beklagten auseinandergesetzt, sodass der Senat auch insoweit auf die Ausführungen Bezug nehmen kann.

Ergänzend bleibt lediglich anzumerken, dass die Behauptung einer fehlenden Eignung des Unfallherganges verkennt, dass sich der Kläger wenige Stunden nach dem Unfallereignis mit allen Zeichen eines frischen Bizepssehnenrisses in ärztliche Behandlung begeben hatte. Beide gehörten Sachverständigen haben - entgegen den Argumenten der Beklagten - eine grundsätzliche Eignung des Hergangs nicht in Frage gestellt. Dass es schlechterdings undenkbar ist, eine Bizepssehne könne beim Anheben reißen, kann auch die Beklagte nicht mit nachvollziehbaren Argumenten und Nachweisen belegen. Für die körperferne Bizepssehnenruptur führen Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 407f.) aus, dass nach althergebrachter Ansicht die körperferne Bizepssehnenruptur im Gegensatz zur körpernahen seltener mit Verschleißprozessen zu tun habe, neueren Erkenntnissen nach seien etwa 50 % der Läsionen auf einen degenerativen Vorschaden zurückzuführen. Dies schließt die Annahme aus, eine Anerkennung scheide bereits deswegen aus, weil der Unfall zu keiner Bizepssehnenruptur führen könne. Wenn Prof. Dr. L. in seinem Gutachten darüber hinaus davon ausgeht, dass unter Berücksichtigung eines gebeugten Ellenbogengelenkes ein ruckartiges Anheben eines Motorrades, welches ein kritisch angesehenes Gewicht von 40 kg bei weitem überschreite, ein Unfallmechanismus vorliege, der zu einer kritischen Überdehnung und Zerreißung der körperfernen Bizepssehne führen könne, zumal wenn diese bei einem 50jährigen alterstypische Verschleißveränderungen mit einer physiologischen Minderung der Reißfestigkeit aufweise, bestehen auf Seiten des Senats ebenfalls keine Zweifel an einer rechtlich wesentlichen Verursachung. Eine solche lässt sich auch nicht mit einem Vorschaden bestreiten, dessen Ausmaß hier schon nicht im Ansatz nachgewiesen ist. Behandlungsbedürftige Vorerkrankungen des Klägers sind weder behauptet worden noch sind hierfür konkrete Anhaltspunkte ersichtlich. Dass eine Vorschädigung vorgelegen haben könnte, die im Ergebnis so leicht ansprechbar gewesen war, dass auch jedes andere alltägliche Ereignis, einen solchen Schaden hätte verursachen könne, ist ebenfalls allenfalls behauptet als nachgewiesen. Gegen eine erhebliche alterungs- und verschleißbedingte Veränderung an der körperfernen Bizepssehne als Ursache für einen spontanen Riss spricht im Übrigen, dass einem solchen Ereignis in der Regel Wochen und Monate lange Beschwerden vorausgehen, die zunächst bei Beugung im Ellenbogengelenk gegen Widerstand und später auch in Ruhe auftreten, worauf Prof. Dr. L. hingewiesen hat. Solche Beschwerden wurden von dem Kläger verneint. Vorbestehende Beschwerden ergeben sich auch sonst aus den Akten nicht. Ein Riss der der Sehne, der rechtlich wesentlich auf innerer oder einer konkurrierende Ursache beruhte, ist damit nicht nachgewiesen.

Nachdem damit das SG der Klage zu Recht stattgegeben hat, war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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