L 5 KR 5665/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1897/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5665/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7.11.2011 aufgehoben soweit damit der Bescheid vom 27.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010 auch für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 16.11.2009 aufgehoben worden ist. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 43.388,74 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen für die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 als Gesellschafter-Geschäftsführer (Zeitraum 1.6.2006 bis 16.11.2009).

Die Klägerin ist ein als GmbH verfasstes Unternehmen; Unternehmensgegenstand sind mit dem Stuckateurhandwerk verbundene Leistungen und Handwerksarbeiten (Putz, Stuck, Trockenbau, Fassadenarbeiten, Restaurierung, Akustik, Innenausbau). Der Betrieb wurde von dem (1951 geborenen) gelernten Maler K. B. als Einzelunternehmen gegründet und 1987 in eine GmbH mit dem alleinigen Gesellschafter K. B. umgewandelt. Das Stammkapital der GmbH betrug 50.000 DM, ab 9.2.2006 beträgt es 25.750 EUR. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst; je 100 DM (bzw. jetzt: 50 EUR) Geschäftsanteil gewähren 1 Stimme (§ 7 des Gesellschaftsvertrags vom 5.6.1987). Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüsse sind nicht festgelegt.

Zum 12.10.2001 trat der ältere (1974 geborene) Sohn des K. B., R. B. (Stuckateurmeister), mit einem Kapitalanteil von 10.000 DM in die Gesellschaft ein. Die übrigen Kapitalanteile (40.000 DM) hielt K. B ... R. B. wurde zum 26.11.2001 zum (von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten) einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Daneben war auch K. B. (nach wie vor) einzelvertretungsberechtigter (und ebenfalls von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter) Geschäftsführer (Handelsregisterauszug vom 30.4./7.5.2009). Der Tätigkeit des R. B. lag der Geschäftsführungsvertrag vom 25.7.2001 zugrunde (Arbeitszeit nach Bedarf, mindestens 50 Wochenstunden, Vergütung 5.000 DM monatlich zzgl. vermögenswirksame Leistungen, Zuschuss zur Krankenversicherung und betrieblicher Altersversorgung, Urlaubsanspruch 30 Arbeitstage, 6 Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall).

Der Beigeladene Nr. 1 (gelernter Maler und Lackierer) ist der (1978 geborene) jüngere Sohn des K. B ... Er war seit 18.7.2002 als Malermeister und leitender Angestellter bei der Klägerin beschäftigt. Dieser Tätigkeit lag der Anstellungsvertrag für leitende Angestellte vom 15.7.2002 zugrunde. Darin sind ein monatliches Bruttogehalt von 2.000,00 EUR, vermögenswirksame Leistungen und eine betriebliche Altersversorgung im Wege der Direktversicherung (§ 1), eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und ein Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen (§§ 5, 6) vereinbart.

Am 9.2.2006 übertrug R. B. seinen Kapitalanteil an der Klägerin (10.000 DM) auf den Beigeladenen Nr. 1. Dieser wurde am gleichen Tag - neben K. B. - zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der Klägerin bestellt; R. B. wurde als Geschäftsführer abberufen. Der Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 liegt der Geschäftsführungsvertrag vom 1.3.2006 zugrunde. Darin ist eine nach Bedarf festzulegende Arbeitszeit von mindestens 50 Wochenstunden festgelegt (§ 2). Das Bruttogehalt beträgt 2.500 EUR (zzgl. vermögenswirksame Leistungen, Zuschuss zur Krankenversicherung und betriebliche Altersversorgung), der Jahresurlaub 30 Arbeitstage (§§ 3, 6). Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auf 6 Wochen festgelegt (§ 7).

Die Klägerin führte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Beschäftigung des Beigeladenen Nr. 1 bis einschließlich Mai 2006 ab. Zum 1.6.2006 kündigte der Beigeladene Nr. 1 die Mitgliedschaft bei der Beklagten (§ 175 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch, SGB V); außerdem wurde er von der Klägerin (gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV) abgemeldet.

Mit an den Beigeladenen Nr. 1 gerichtetem Schreiben vom 10.4.2006 bestätigte die Beklagte die Kündigung der Mitgliedschaft gem. § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Darin ist ausgeführt, die Mitgliedschaft sei am 29.3.2006 gekündigt worden. Sie ende am 31.5.2006, wenn der Beigeladene Nr. 1 seinem Arbeitgeber nachweise, dass er bei einer anderen Krankenkasse versichert sei. Dafür müsse er seinem Arbeitgeber bis zum 31.5.2006 eine entsprechende Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse vorlegen. Andernfalls bleibe er bei ihr versichert. Diese Kündigungsbestätigung möge der neuen Krankenkasse vorgelegt werden.

Unter dem 19.11.2008 beantragte die Klägerin (über die Firma E. GmbH) die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen Nr. 1 für die Zeit ab 18.7.2002. Auf dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gab sie (u.a.) an, der nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliederte und Weisungen nicht unterworfene Beigeladene Nr. 1 sei in der Geschäftsleitung tätig. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Miteinander zum Betriebsinhaber geprägt; deswegen entspreche die Bezahlung auch nicht dem üblichen Gehalt. Das Arbeitsentgelt, von dem Lohnsteuer abgeführt und das als Betriebsausgabe gebucht werde, werde auf ein privates Konto des Beigeladenen Nr. 1 überwiesen. Bürgschaften oder Sicherheiten für den Betrieb habe der Beigeladene Nr. 1 nicht übernommen.

Ergänzend wurde vorgetragen, der Beigeladene Nr. 1 sei seit 18.7.2002 "faktischer Geschäftsführer" gewesen. Eigentlich habe R. B. die Geschäfte seit seinem Eintritt in die GmbH führen sollen, da K. B. hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen sei. R. B. habe seine Aufgaben jedoch nur unzureichend erfüllt, weswegen die Geschäftsführung bei Eintritt des Beigeladenen Nr. 1 im Argen gelegen habe. Dieser habe seit dem 18.7.2002 die Geschäftsführung daher faktisch übernommen. R. B. habe sich aber zunächst geweigert, aus dem Betrieb auszuscheiden. Der Familienstreit sei erst 2006 mit der Übertragung der Kapitalanteile des R. B. auf den Beigeladenen Nr. 1 beigelegt worden. Am 6.2.2006 habe man auch die Geschäftsführung von R. B. förmlich auf den Beigeladenen Nr. 1 übertragen. Die Beklagte habe für die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 Sozialversicherungsfreiheit ab Juni 2006 bestätigt. Als alleiniger Geschäftsführer sei der Beigeladene Nr. 1 aber schon seit 18.7.2002 selbständig erwerbstätig gewesen. R. B. habe das Geschäftsführeramt tatsächlich nicht ausgeübt, K. B. sei dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen. Der Beigeladene Nr. 1 habe die Verantwortung für das "Wohl und Wehe" des Unternehmens ab 18.7.2002 getragen.

Im Anhörungsschreiben vom 8.6.2009 führte die Beklagte (u.a.) aus, der Beigeladene Nr. 1 werde auch für die Zeit nach März 2006 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter eingestuft. Sein Kapitalanteil an der Klägerin betrage nur 20%, weshalb sein Unternehmerrisiko begrenzt sei; das Unternehmen werde vom Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer K. B. beherrscht. Das Stimmrecht des Beigeladenen Nr. 1 sei eingeschränkt und er erhalte vom Unternehmensgewinn unabhängige und als Betriebsausgabe geltend gemachte Lohnbezüge. Die Abmeldung sei rechtswidrig gewesen. Man beabsichtige, Versicherungspflicht festzustellen und die Beiträge ab dem 1.6.2006 nachzufordern.

Unter dem 10.9.2009 trug die Klägerin vor, der Beigeladene Nr. 1 habe die Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31.5.2006 gekündigt, was mit Schreiben vom 10.4.2006 bestätigt worden sei; daran sei die Beklagte gebunden. Sie habe um die selbständige Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 gewusst und ihm auch eine freiwillige (Weiter-)Versicherung angeboten. Im Übrigen fehle es an der persönlichen Abhängigkeit des Beigeladenen Nr. 1. Er habe alle Entscheidungen mit Bedeutungskraft für das Unternehmen im Einvernehmen mit K. B. gefasst, ohne Rücksicht auf die Stimmrechte in der Gesellschaft, und damit über eine faktische Sperrminorität verfügt. Das Unternehmen sei spätestens seit Februar 2006 faktisch von ihm allein geführt worden, da K. B. zur Unternehmensleitung wegen mehrerer schwerwiegender Erkrankungen (Herz, Bandscheiben, Schlaganfall) nicht mehr in der Lage gewesen sei.

Mit Schreiben vom 8.10.2009 teilte die Beklagte der Beigeladenen Nr. 2 (Rentenversicherungsträger) mit, man beabsichtige, Sozialversicherungsfreiheit des Beigeladenen Nr. 1 ab 1.6.2006 festzustellen. Mit Schreiben vom 15.10.2009 trat die Beigeladene Nr. 2 dem entgegen; bei Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände liege eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor.

K. B. machte abschließend geltend, ab 2004 habe er wegen schwerer gesundheitlicher Probleme das Geschäftsführeramt nicht mehr ausfüllen können. Ihm sei ein GdB von 70 zuerkannt und er habe schon 1998 Rente wegen einer Berufskrankheit beantragt. Es sei zu Bandscheibenvorfällen gekommen und er leide an Diabetes; außerdem seien Stents implantiert und eine Bypassoperation durchgeführt worden. Seit 2006 leite der Beigeladene Nr. 1 die Geschicke des Betriebs maßgeblich; er stehe ihm nur noch unterstützend zur Seite. Aus dem Unternehmen habe er sich zurückgezogen. Man habe lange geplant, die Mehrheit der Kapitalanteile auf den Beigeladenen Nr. 1 zu übertragen. Das sei immer an seinem (des K. B.) Gesundheitszustand und an zeitlichen Umständen gescheitert; er habe auch befürchtet, die Notarkosten nicht mehr bezahlen zu können.

Mit - als "Bescheid über die Versicherungspflicht ... vom 1.6.2006 bis laufend" überschriebenem - Bescheid vom 27.11.2009 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene Nr. 1 als Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin der Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung auch ab 1.6.2006 unterliegt. Außerdem gab sie der Klägerin auf, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2009 in Höhe von 43.388,74 EUR nachzuzahlen. Der Beigeladene Nr. 1 sei zu Unrecht zum 31.5.2006 abgemeldet worden. Er halte nur einen Kapitalanteil von 20% und habe keine Sonderrechte und könne daher keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Der Mehrheitsgesellschafter K. B. (80% Kapitalanteil) verfüge ebenfalls über einschlägige Branchenkenntnisse. Der Beigeladene Nr. 1 beziehe ein von der Ertragslage des Unternehmens unabhängiges Gehalt und sei daher als abhängig Beschäftigter einzustufen.

Zur Begründung des dagegen am 18.12.2009 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin ergänzend vor, der Kapitalanteil des Beigeladenen Nr. 1 sei durch Vertrag vom 17.11.2009 auf 30.000 EUR erhöht worden; die übrigen Kapitalanteile (10.750,00 EUR) halte (nach wie vor) K. B ... Dieser stehe dem die Geschicke des Unternehmens maßgebend bestimmenden Beigeladenen Nr. 1 vor allem wegen seiner schweren Erkrankung nur noch unterstützend zur Seite. Er lasse dem Beigeladenen Nr. 1 bei der Geschäftsführung freie Hand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, man habe Versicherungsfreiheit des Beigeladenen Nr. 1 ab Juni 2006 nicht bestätigt; ein entsprechender Bescheid sei nicht ergangen. Die Kündigungsbestätigung vom 10.4.2006 enthalte keine Statusentscheidung. Die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status seiner Beschäftigten sei Aufgabe des Arbeitgebers. Nach Beendigung einer Mitgliedschaft, deren Hintergründe ihr regelmäßig nicht bekannt seien, werde grundsätzlich auf das Angebot einer freiwilligen (Weiter-)Versicherung hingewiesen. Von der möglicherweise versicherungsfreien Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 als Geschäftsführer habe man erst durch das Schreiben der Firma E. GmbH vom 19.11.2008 erfahren. Die Arbeitszeit des Beigeladenen Nr. 1 sei auf mindestens 50 Wochenstunden festgelegt und damit nicht frei verfügbar und es werde ein festes Geschäftsführergehalt ohne Beteiligung am Unternehmensgewinn gezahlt. K. B. könne krankheitshalber zwar nicht mehr körperlich mitarbeiten, aber dennoch maßgeblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen ausüben. Damit ergebe sich das Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen Nr. 1.

Am 21.5.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Außerdem suchte sie um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 15.7.2010 (- S 9 KR 2037/10 ER -) ordnete das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.11.2009/Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010 an; die sofortige Vollziehung der Beitragsnachforderung gefährde die Existenz der Klägerin.

Die Klägerin trug zur Begründung der Klage vor, der Beigeladene Nr. 1 sei bereits seit 2002 allein für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich gewesen; 2006 habe er die Kapitalanteile seines Bruders übernommen. Wegen der Erkrankung des K. B. sei die (weitere) Übertragung von Kapitalanteilen auf den Beigeladenen Nr. 1 immer wieder verschoben und nunmehr am 17.11.2009 vollzogen worden; der Beigeladene Nr. 1 sei jetzt Mehrheitsgesellschafter. K. B. sei nicht Handwerksmeister, weshalb der Beigeladene Nr. 1 (auch) die Arbeits- und Ausbildungsverträge unterschreiben müsse. Er habe auch alle anderen Geschäftsführungsaufgaben (wie Vertragsverhandlungen und -abschlüsse, Angebotserstellung, Büroarbeiten) erledigt (vgl. auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorgelegte schriftliche Zeugenaussagen - Akte S 9 KR 2037/10 ER S. 27 ff.) und sei (faktisch) nicht der Kontrolle des Karls Bohn unterworfen gewesen; dieser habe seine Rechte nicht ausgeübt. Die - zu niedrige - Vergütung von 2.500 EUR spreche ebenfalls gegen eine abhängige Beschäftigung.

Am 14.12.2010 führte das Sozialgericht eine Erörterungsverhandlung durch. K. B. gab an, der Beigeladene Nr. 1 habe den Betrieb ab seinem Eintritt in die GmbH sogleich vollständig geführt, weil er wegen eines Bandscheiben- und Herzleidens häufig stationär behandelt werden müsse (Teilprothese der Halswirbelsäule 2006 oder 2007, keine Anschlussheilbehandlung; LWS-Behandlung 1998; Herzerkrankung 2000, deswegen Stents und Bypässe). Nach der Gründung des Unternehmens habe er zunächst einen Handwerksmeister angestellt, sodann sei sein Sohn R. in den Betrieb eingetreten und habe einige Jahre mitgearbeitet. Dieser sei dann wieder ausgeschieden und habe seine Kapitalanteile auf den Beigeladenen Nr. 1 übertragen. Dieser habe selbständig ohne Rückfrage bei ihm etwa die Angebote erstellt und mit den Geschäftspartnern verhandelt, auch über die Preise für angeschaffte Fahrzeuge (u.a. ein LWK für 60.000 EUR), und Personalentscheidungen getroffen. Er habe das nicht mehr erledigen können; seit 1999 beziehe er Berufsunfähigkeitsrente. Er sei nur wegen der an das Unternehmen gebundenen Rechtsschutzversicherung (die er wegen bis 2010 andauernden Rechtsstreitigkeiten über die Berufsunfähigkeitsrente benötigt habe) im Unternehmen geblieben.

Der Beigeladene Nr. 1 gab an, er sei als Geselle etwa 2000 oder 2001 in den väterlichen Betrieb eingetreten und habe nach der Meisterprüfung (im Maler- und Lackiererhandwerk am 16.7.2002) 2002 bis 2006 als Meister gearbeitet. Er habe alle maßgeblichen Aufgaben der Geschäftsführung erledigt. Sein Vater sei im Unternehmen nicht mehr tätig gewesen.

R. B. gab an, als er noch im Betrieb tätig gewesen sei, habe er über uneingeschränkte Rechte verfügt, etwa hinsichtlich der Anschaffung von Materialien oder der Personalangelegenheiten. Sein Vater habe krankheitshalber nichts mehr gemacht. Das sei genauso gehandhabt worden, als der Beigeladene Nr. 1 in die Gesellschaft eingetreten sei. Er habe das Unternehmen schließlich aus persönlichen Gründen verlassen.

Am 7.11.2011 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch. Die Beklagte trug vor, streitig sei nur die Zeit bis 16.11.2009; nach Änderung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin zum 17.11.2009 werde die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft.

Das Sozialgericht vernahm den Mitarbeiter der Beklagten W. (Versichertenberater im Außendienst, gelernter Industriekaufmann und sei 20 Jahren im Dienst der Beklagten) als Zeugen. Dieser gab an, er habe den Beigeladenen Nr. 1 nach der seinerzeit ausgesprochenen Kündigung aufgesucht, um ihn von den Vorteilen der AOK zu überzeugen. Man habe ihm berichtet, der Beigeladene Nr. 1 wolle seine abhängige Beschäftigung beenden und eine selbständige Tätigkeit aufnehmen. Bei dem Gespräch seien Vor- und Nachteile einer freiwilligen (gesetzlichen) und einer privaten Krankenversicherung erörtert worden. Er habe den Beigeladenen Nr. 1 nicht zum Verbleib bei der Beklagten bewegen können. Ihm sei auch berichtet worden, der Beigeladene Nr. 1 werde den väterlichen Betrieb übernehmen; das habe er nicht hinterfragt und sich auch nicht den Gesellschaftsvertrag vorlegen lassen. Er habe auch nicht gewusst, dass das Unternehmen als GmbH verfasst sei. Er sei Privatkundenberater, habe den Beigeladenen Nr. 1 also nur als "natürliches Mitglied" der Beklagten aufgesucht. Die Beratung des Unternehmens sei nicht seine Aufgabe. Bei der Beratung der kündigenden Privatkunden wisse er nicht, ob die Sozialversicherungspflicht beendet sei.

Mit Urteil vom 7.11.2011 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.4.2010 auf. Zur Begründung führte es aus, der Beigeladene Nr. 1 habe bei der Klägerin bis 16.11.2009 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, weswegen die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen grundsätzlich nachgezahlt werden müssten. Der Nachzahlungsanspruch der Beklagten sei aber verwirkt. Die Beklagte hätte den Sachverhalt vollständig aufklären und die Kündigung des Beigeladenen Nr. 1 überprüfen müssen. Das sei unterblieben. Ihr Außendienstmitarbeiter W. habe die betrieblichen Verhältnisse der Klägerin nicht eruiert, vielmehr nur versucht, den Beigeladenen Nr. 1 von den Vorteilen einer (freiwilligen) Versicherung bei der Beklagten zu überzeugen. Dadurch sei beim Beigeladenen Nr. 1 und mittelbar bei der Klägerin der Eindruck entstanden, die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 sei ab Juni 2006 nicht mehr sozialversicherungspflichtig. Diese Fehleinschätzung sei der Beklagten zurechnen. Dass dem Mitarbeiter W. als Privatkundenberater die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Klägerin und die Einzelheiten der Unternehmensnachfolge nicht bekannt gewesen seien, sei unerheblich; der Mitarbeiter W. verfüge offenbar auch nicht über die Fachkompetenz zur Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfragen. Auch das habe die Beklagte zu verantworten. Der Beigeladene Nr. 1 bzw. die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, ab Juni 2006 keinen Gesamtsozialversicherungsbeitrag mehr zu schulden. Das Vertrauen sei mit dem Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags für den Beigeladenen Nr. 1 und dem Unterlassen von Rückstellungen für die Beitragsforderung betätigt worden. Da die verspätete Geltendmachung der Beitragsforderung die Existenz der Klägerin gefährden würde, sei der Nachforderungsbescheid wegen Verwirkung aufzuheben.

Auf das ihr am 25.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.12.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Beigeladene Nr. 1 habe bei der Klägerin vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt; bis 16.11.2009 habe er nur einen Kapitalanteil von 20 % gehalten. Die deswegen bestehende Beitragsforderung sei nicht verwirkt. Der Beigeladene Nr. 1 sei zum 31.5.2006 abgemeldet worden. Seine Kündigung habe sie unter dem 10.4.2006 bestätigt. Ab 1.6.2006 sei der Beigeladene Nr. 1 privat kranken- und pflegeversichert gewesen. Ihr (Außendienst-)Mitarbeiter W. habe ihn deshalb aufgesucht, um ihn als (freiwilliges) Mitglied zu gewinnen oder im Rahmen eines Kündigungsrückholergesprächs zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die betrieblichen Verhältnisse der Klägerin zu eruieren. Für die vom Sozialgericht postulierten Pflichten in der Abmeldungs- bzw. Kündigungsbearbeitung gebe es keine Rechtsgrundlage; sie würden auch eine ordnungsgemäße und zeitnahe Bearbeitung von Kündigungs- und Abmeldetatbeständen unmöglich machen (vgl. auch LSG Schleswig Holstein, Urt. v. 6.5.2002, - L 1 KR 30/01 -). Die An- bzw. Abmeldung von Beschäftigten stelle einen Vorgang der Massenverwaltung dar. Die Einzugsstellen könnten daher nicht jede eingehende Abmeldung zum Anlass nehmen, den Versicherten anzuschreiben, um ihn – zumal ohne konkreten Anlass - auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich seines Versicherungsschutzes hinzuweisen. Die Abmeldung eines Beschäftigten könne viele Gründe haben, die eine Weiterversicherung im Rahmen der freiwilligen Versicherung nicht notwendig machten. In Betracht komme eine Folgebeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber mit der Wahl einer anderen Krankenkasse oder das Bestehen anderweitigen Versicherungsschutzes, etwa in der Familienversicherung (vgl. LSG Berlin, Urt. v. 22.9.2004, - L 9 KR 33/04 -; OLG München, Urt. v. 1.6.2006, - 1 U 2388/02 -; LSG Rheinland Pfalz, Urt. v. 3.3.2011, - L 5 KR 108/10 -). Bei dem Kündigungsrückholergespräch seien Zweifel am Ausscheiden des Beigeladenen Nr. 1 aus der Sozialversicherungspflicht nicht aufgekommen. Der Außendienstmitarbeiter W. sei langjährig als Privatkundenberater tätig und verfüge hierfür über das notwendige Fachwissen; für die Hinzuziehung eines Firmenkundenberaters habe keine Veranlassung bestanden. Die Klägerin habe im Übrigen bereits vielfach Beschäftigte an-, ab- und umgemeldet und hätte mit den rechtlichen Voraussetzungen hierfür vertraut sein müssen, zumal sie ein Steuerbüro beauftragt habe.

Die Klägerin habe sich u.a. 2008 von der Beratungsfirma E. GmbH vertreten lassen. Diese habe mit Schreiben vom 19.11.2008 mitgeteilt, man gehe von einer unrichtigen sozialversicherungsrechtlichen Einstufung des Beigeladenen Nr. 1 als Geschäftsführer der Klägerin aus und wolle Sozialversicherungsbeiträge seit 18.7.2002 zurückfordern. Dies sei für sie konkreter Anlass zur Prüfung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse gewesen. Aufgrund des Anhörungsschreibens vom 8.6.2009 habe die Klägerin mit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen von ca. 40.000 EUR rechnen und ggf. Rückstellungen bilden müssen. Bei einer etwaigen Verletzung von Pflichten nach § 20 SGB X kämen im Übrigen nur Amtshaftungsansprüche in Betracht; der Anspruch auf Nachzahlung der Beiträge bleibe davon unberührt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7.11.2011 aufzuheben soweit damit der Bescheid vom 27.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2010 auch für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 16.11.2009 aufgehoben worden ist und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.

Die Klägerin trägt vor, der Beigeladene Nr. 1 habe bei ihr während der streitigen Zeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht ausgeübt. Die Betriebsübergabe sei, freilich mit Ausnahme der Formalitäten, vollzogen gewesen. Der Beigeladene Nr. 1 habe seit seinem Eintritt in das Unternehmen im Frühjahr 2006 alle Entscheidungen eigenständig und allein getroffen. K. B. habe das Unternehmen nur wegen der an den Betrieb gebundenen Rechtsschutzversicherung und wegen des langjährigen Rechtsstreits um die Berufsunfähigkeitsrente nicht rechtsförmlich übergeben können. Der Beitragsanspruch wäre im Übrigen verwirkt. Die Beklagte habe die Forderung nicht sogleich nach der Kündigung des Beigeladenen Nr. 1 bzw. dessen Abmeldung, sondern erst geltend gemacht, als die Firma E. GmbH Ende 2008 die Rückzahlung von Beiträgen gefordert habe. Sie habe erstmals mit dem Anhörungsschreiben vom 8.6.2009 von der Absicht zur Beitragsnachforderung erfahren. Die Beklagte habe bei der Beauftragung des Außendienstmitarbeiters W. um die Verhältnisse ihres Betriebs gewusst; ihr sei bekannt gewesen, dass es sich um einen Familienbetrieb mit ganz wenigen Angestellten handele. Sie hätte daher den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen vollständig aufklären müssen. Mit dem Angebot einer freiwilligen Mitgliedschaft durch den W. sei klar gewesen, dass die Beklagte eine Überprüfung der Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen Nr. 1 durchgeführt und die Kündigung als rechtswirksam anerkannt habe. Darauf habe sie vertraut.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Zeitraum vom 1.6.2006 bis 16.11.2009.

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Bescheide insoweit zu Unrecht auch für die Zeit vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 aufgehoben. Die angefochtenen Bescheide sind formell und, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens sind (Beschränkung auf die Zeit vom 1.6.2006 bis 16.11.2009) auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene Nr. 1 in der bei der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Sie hat der Klägerin auch zu Recht die Nachzahlung der für diese Zeit nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen aufgegeben.

1.) Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass (sachlich) zuständig. Die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine (unzulässige) Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Die Beklagte hat im Bescheid vom 27.11.2009 (Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010) zwei Regelungen getroffen. Zum einen hat sie festgestellt, dass der Beigeladene Nr. 1 in der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Zum anderen hat sie die Nachzahlung der für die streitige Zeit nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen verfügt. Für beide (in einem Bescheid zusammengefasste) Verwaltungsakte war die Beklagte als Einzugsstelle (sachlich) zuständig (§§ 28h Abs. 2 Satz 1, 28i SGB IV); die vom Beigeladenen Nr. 1 ausgesprochene Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten ist nicht wirksam geworden (§ 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Hinsichtlich der Statusfeststellung war ein gem. § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorrangiges (obligatorisches) Anfrageverfahren bei der Clearing-Stelle der D. B. nicht durchzuführen, da sich aus einer Anmeldung des Beigeladenen Nr. 1 (§ 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV) nicht ergab, dass dieser eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ausübt (§ 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1e SGB IV). Die Beklagte hat die vom Beigeladenen Nr. 1 verrichtete Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer hinreichend bestimmt bezeichnet (§ 33 Abs. 1 SGB X) und sich - für die Statusfeststellung - auch nicht auf die isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beschränkt, sondern festgestellt, dass für die in abhängiger Beschäftigung verrichtete Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 während der streitigen Zeit Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung besteht (zu alledem näher Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 - m. w. N.).

2.) Der Beigeladene Nr. 1 hat vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin eine Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ausübt. Deswegen bestand Versicherungs- und Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Versicherungsfreiheit ist nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden.

a.) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Letzteres besteht regelmäßig in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens eingesetztes Kapital zu verlieren, wenngleich das Unternehmerrisiko mit einem Kapitalrisiko nicht gleichzusetzen ist (vgl. BSG, Beschl. v. 16.8.2010, - B 12 KR 100/09 B -). Dem Unternehmerrisiko entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Nach diesen Grundsätzen ist auch der sozialversicherungsrechtliche Status des Geschäftsführers einer GmbH oder eines in anderer Funktion (nicht als Geschäftsführer) mitarbeitenden (angestellten) Gesellschafters zu beurteilen:

Ist der Geschäftsführer nicht Gesellschafter, am Kapital der Gesellschaft also nicht beteiligt (Fremdgeschäftsführer), ist regelmäßig von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit ausnahmsweise aufheben. Das kann bspw. der Fall sein, wenn der Fremdgeschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig sind. Dies hat das Bundessozialgericht insbesondere bei Geschäftsführern angenommen, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren (BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -; Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -; Urt. v. 6.3.2003, - B 11 AL 25/02 R -; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.3.2004, - L 9 AL 150/02 -). In (Sonder-)Fällen dieser Art überlagern die tatsächlichen die rechtlichen Verhältnisse in einem solchen Ausmaß, dass die an sich bestehende rechtliche Abhängigkeit ihre Bedeutung als prägendes Element der Tätigkeit verliert und eine Beschäftigung deswegen in Wahrheit nicht vorliegt. Dafür genügt es aber nicht, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten (mangels tatsächlichen Anlasses) in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr (bei gegebenem Anlass) Gebrauch gemacht werden kann. Dann gehört sie zu den Tatsachen, die für das Gesamtbild der Tätigkeit von Belang sind.

Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter (Gesellschafter-Geschäftsführer), schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG, Urt. v. vom 23. Juni 1994, -B 12 RK 72/92 -; Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; dazu, hinsichtlich der Größe des Kapitalanteils, auch Hess LSG, Urt. v. 23.11.2006, - L 1 KR 763/03 - m.N. zur Rspr. des BSG). Solche Gesellschafter haben auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztendlich auch die Leitungsmacht gegenüber einem (Mit-)Geschäftsführer und unterliegen damit nicht dessen Weisungsrecht, bestimmen vielmehr über die unternehmerischen Entscheidungen in der Gesellschaft maßgeblich mit; sie haben daher den Status eines (Mit-)Unternehmers. Wesentliches Merkmal ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des daraus folgenden Einflusses auf die Gesellschaft. Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität oder über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen verfügt (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.4.2007, - L 11 KR 5748/06 -). Für diesen Personenkreis ist regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor, weil die tatsächlichen die rechtlichen Verhältnisse entsprechend überlagern (BSG, Urt. v. 4.7.2007, - B 11a AL 5/06 R -; Urt. v. 6.3.2003, - B 11 AL 25/02 R -; Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -).

Ist der Gesellschafter, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, bei der Gesellschaft angestellt (mitarbeitender bzw. angestellter Gesellschafter), besitzt er allein auf Grund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte (auch wenn er über die Hälfte des Stammkapitals verfügt) nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -). Im Übrigen bleibt es - wie beim Gesellschafter-Geschäftsführer - aber dabei, dass ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausschließt, wenn der mitarbeitende bzw. angestellte Gesellschafter damit Einzelweisungen im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte.

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben; zu diesen gehört, unabhängig von ihrer Ausübung, auch die einem Beteiligten zustehende (nicht wirksam abbedungene) Rechtsmacht. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (zu alledem etwa BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R - m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

b.) Davon ausgehend kann die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin (für die Zeit vom 1.6.2006 bis 16.11.2009) nach ihrem Gesamtbild nicht als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft werden.

Gegen die Einstufung des Beigeladenen Nr. 1 als selbständig Erwerbstätigen spricht in unternehmens- bzw. gesellschaftsrechtlicher Hinsicht zunächst, dass er mit einem Kapitalanteil von (nur) 20% nicht über die Rechtsmacht verfügt hat, unternehmenspolitische Entscheidungen zu treffen oder solche Entscheidungen zu verhindern, da Gesellschafterbeschlüsse gem. § 7 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin mit einfacher Mehrheit getroffen werden und je 100 DM bzw. 50 EUR Kapitalanteil eine Stimme gewähren. Bis zum 16.11.2009 hat der - neben dem Beigeladenen Nr. 1 ebenfalls zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellte - Vater des Klägers K. B. 80% der Kapitalanteile gehalten und die Gesellschaft daher rechtlich beherrscht. Über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen oder über eine Sperrminorität hat der Beigeladene Nr. 1 nicht verfügt. Die rechtliche Lenkungsmacht des Unternehmers ist allein dem Mehrheitsgesellschafter und (Mit-)Geschäftsführer K. B. zugeordnet gewesen. Die Ausgestaltung der Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung bzw. hinsichtlich der Geschäftsführung im Unternehmen stellt eine wesentliche Tatsache dar, die das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 (mit-)prägt. Ob und in welchem Umfang der Mehrheitsgesellschafter K. B. von dieser Rechtsmacht in der Geschäftspraxis Gebrauch gemacht hat (bzw. hat Gebrauch machen müssen), ist nach dem Gesagten nicht ausschlaggebend. Dass K. B. während der streitigen Zeit gesundheitlich angeschlagen war, ändert nichts. Seine schon Jahre zuvor aufgetretenen Erkrankungen (Bandscheibenleiden, Diabetes bzw. durch Stentimplantationen bzw. Bypassoperation behandelte Herzkrankheit) mögen dazu geführt haben, dass er sich aus der Unternehmensleitung weit(est)gehend zurückgezogen und sich - so sein eigenes Vorbringen - darauf beschränkt hat, dem Beigeladenen Nr. 1 nur noch unterstützend zur Seite zu stehen. Die (verbreiteten und bspw. Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ohne Weiteres nicht begründenden) Erkrankungen stehen der Ausübung der Rechtsmacht im Unternehmen aber nicht entgegen (zu einem Sonderfall dieser Art bei mehreren Herzinfarkten mit Gehirnschädigung etwa Senatsurteil vom 23.11.2011, - L 5 R 3665/09 -). Von der nach wie vor nicht aus der Hand gegebenen Rechtsmacht hätte K. B., wenn er das gewollt oder für erforderlich erachtet hätte, ohne Weiteres Gebrauch machen können. Die Gründe, die ihn dazu bewogen haben, die Kapitalmehrheit an der Klägerin noch bis 16.11.2009 zu behalten, sind nicht von Belang (vgl. auch Senatsurteil vom 24.6.2009, - L 5 KR 3334/08 -). Der Beigeladene Nr. 1 hat den Mehrheitsgesellschafter K. B. schließlich auch nicht in solchem Maße dominiert, dass dessen Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung und der Geschäftsführung wegen der tatsächlichen Machtverhältnisse im Unternehmen verdrängt würde. Hierfür genügt es nicht, dass der Beigeladene Nr. 1, wie es von jedem leitenden Angestellten erwartet wird, für seine Tätigkeit über das einschlägige Wissen verfügt. K. B. ist kein sach- und branchenunkundiger Dritter, der mit seiner Rechtsposition nur in formaler Hinsicht vorgeschoben wäre. Er ist vielmehr gelernter Maler und hat das Unternehmen gegründet und auch lange Zeit allein geführt.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht hat der Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 ein Geschäftsführungsvertrag vom 1.3.2006 mit arbeitnehmertypischen Regelungsgehalten zugrunde gelegen. Neben einem mit einer Höhe von 2.500 EUR weder als Taschengeld noch als bloße Anerkennung für Gefälligkeiten einzustufenden und von der Ertragslage des Unternehmens unabhängigen Monatsgehalt sind ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen vereinbart. Das Gehalt des Beigeladenen Nr. 1 ist auch ersichtlich als Betriebsausgabe gebucht worden und man hat Lohnsteuer abgeführt.

Der Beigeladene Nr. 1 ist unzweifelhaft selbständig mit erheblichen Freiheiten tätig gewesen. Das ist freilich kennzeichnend für den Status leitender Angestellter, von denen erwartet wird, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen dienender Teilhabe am Arbeitsprozess (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -) frei von Einzelweisungen erfüllen und selbständig arbeiten (können). Dass der Beigeladene Nr. 1 dafür über die notwendigen Kenntnisse verfügen muss, versteht sich von selbst und ist für seinen sozialversicherungsrechtlichen Status ohne Belang.

Ein den sozialversicherungsrechtlichen Status ausschlaggebend prägendes Unternehmerrisiko hat der Beigeladene Nr. 1 während der streitigen Zeit nicht getragen. Dieses ist dem Mehrheitsgesellschafter K. B. mit einem Kapitalanteil von 80% zugeordnet gewesen.

Der Senat verkennt nicht, dass die Tätigkeit des Beigeladenen Nr. 1 auch Eigenschaften aufweist, die für eine selbständige Erwerbstätigkeit sprechen können. Hierfür mag man auf die – freilich zunehmend für leitende Angestellte gebräuchliche – Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB und die freie Tätigkeitsgestaltung bei weit(est)gehendem Rückzug des Mehrheitsgesellschafters K. B. abstellen. In der Summe überwiegen aber klar die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte. Bei Würdigung aller Umstände ergibt sich für den Senat das Gesamtbild einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung während der Zeit vom 1.6.2006 bis 16.11.2009.

c.) Ein Verwaltungsakt, mit dem (gleichwohl und zu Unrecht) die Sozialversicherungsfreiheit des Beigeladenen Nr. 1 in der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin festgestellt worden wäre, ist nicht ergangen. Die von der Klägerin hierfür offenbar herangezogene Kündigungsbestätigung der Beklagten vom 10.4.2006 (§ 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V) enthält eine solche Regelung nicht.

d.) Die Klägerin schuldet für die streitige Zeit Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Beschäftigung des Beigeladenen Nr. 1 (vgl. §§ 28d, 28e SGB IV bzw. § 7 AAG). Diese sind nicht abgeführt worden und deswegen nachzuzahlen. Fehler in der Berechnung des Nachforderungsbetrags sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

3.) Der Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Zeit vom 1.6.2006 bis 16.11.2009 stehen Gegenrechte der Klägerin nicht entgegen. Verjährung (§ 25 SGB IV) ist (unstreitig) nicht eingetreten. Der Nachforderungsanspruch der Beklagten ist auch nicht verwirkt.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteile entstehen würde (vgl. etwa BSG, Urt. vom 14.7.2004, - B 12 KR 1/04 R - sowie Senatsurteile vom 29.9.2010, - L 5 KR 5138/08 - und vom 3.3.2010, - L 5 KR 3066/09 - ).

An die Verwirkungsvoraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dem Interesse der Versicherten, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, wird bereits durch die kurze Verjährungsregelung des § 25 SGB IV hinreichend Rechnung getragen (vgl. BSG, Urt. vom 30.11.1978, - 12 RK 6/76 -; auch Senatsurteil vom 3.3.2010, - L 5 KR 3066/09 -). Für die zur anteiligen Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge bzw. von Umlagen verpflichteten Arbeitgeber gilt das entsprechend. Die in der Verjährungsregelung zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzes ist auch bei der Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung zu berücksichtigen. Dieses kann deshalb nur in besonders gelagerten (seltenen) Ausnahmefällen zum Erlöschen eines Anspruchs auf Nachzahlung von Beiträgen oder Umlagen führen. Ein bloßes Unterlassen kann schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen und zur Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen und Umlagen führen, wenn der Arbeitgeber das Nichtstun nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (vgl. Senatsurteil vom 13.4.2011, - L 5 R 1004/10 -).

Hier liegt ein Verwirkungsverhalten der Beklagten nicht vor. Eine vom Sozialgericht angenommene Verpflichtung der Krankenkasse bzw. Einzugsstelle, den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Versicherten anlässlich seiner Abmeldung (§ 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV) bzw. der Kündigung der Mitgliedschaft (§ 175 Abs. 4 SGB V) zu klären, gibt dafür schon im Ansatz nichts her. Die Verletzung einer solchen - so im Übrigen auch nicht bestehenden Verpflichtung (zur Prüfung der Einzugsstelle bei Arbeitgebermeldungen auch etwa Senatsurteil vom 14.12.2011, - L 5 KR 6116/09 -) - kann eine Grundlage für die Verwirkung von Beitrags- bzw. Umlageansprüchen nicht abgeben. Das gilt auch für die anlässlich von Kündigungen bzw. Abmeldungen geführten Kündigungsrückholergespräche mit (Privatkunden-)Beratern der Krankenkasse und der dabei stattfindenden Beratung über Vor- und Nachteile des Versicherungsschutzes als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse oder als Privatversicherter. Wegen eines solchen Gesprächs kann weder der Versicherte noch sein Arbeitgeber darauf vertrauen, der sozialversicherungsrechtliche Status sei durch Feststellung einer selbständigen Erwerbstätigkeit geklärt worden und Beiträge (bzw. Umlagen) seien künftig nicht mehr zu zahlen. Es ist im Übrigen grundsätzlich Aufgabe des Arbeitgebers, den sozialversicherungsrechtlichen Status seiner Beschäftigten zu beurteilen, entweder aus eigener Sachkunde oder mit Hilfe der Sachkunde Dritter. Das Risiko einer Fehlbeurteilung oder der Verkennung der Rechtslage geht zu seinen Lasten. Rechtssicherheit kann der Arbeitgeber (oder der Beschäftigte) durch Klärung der Sozialversicherungspflicht entweder im Einzugsstellenverfahren gem. § 28h Abs. 2 SGB IV durch die zuständige Krankenkasse oder im Anfrageverfahren gem. § 7a SGB IV durch die D. B. (Clearing-Stelle) herbeiführen (dazu näher etwa Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -; auch Senatsurteil vom 14.12.2011, - L 5 KR 6116/09 -). Weitere Tatsachen, die geeignet wären, ein Verwirkungsverhalten der Beklagten zu begründen, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat den Beigeladenen Nr. 1 in der Kündigungsbestätigung (§ 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V) vom 10.4.2006 im Gegenteil auf den Fortbestand der gesetzlichen Versicherung - entweder bei einer anderen Krankenkasse oder bei ihr - hingewiesen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Nr. 2 bis 4 aufzuerlegen, da diese (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Der Beigeladene Nr. 1 ist Versicherter (§ 183 SGG), weswegen ihm Kosten gem. § 197a Abs. 2 Satz 2 SGG nicht auferlegt werden können; seine außergerichtlichen Kosten sind von anderen Beteiligten nicht zu erstatten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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