L 20 R 1089/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 R 558/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 1089/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ist zu bejahen, wenn in naher Zukunft oder absehbarer Zeit die Wiederholung des beanstandeten Verwaltungsakts bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen zu besorgen ist.
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.10.2010 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.




Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger aufgrund des Antrags vom 12.08.2009 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren hat.

Der 1964 geborene Kläger hat den Beruf eines Pflasterers (Straßenbauers) gelernt und war in diesem Beruf zwischen 1993 bis 1996 auch versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1996 bis 2000 übte er die Tätigkeit des Pflasterers als Selbstständiger aus. Die Tätigkeit wurde wegen Knieproblemen aufgegeben. Seit 2000 war der Kläger als Lastwagenfahrer (40-Tonner) versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitgeberseitige Kündigung am 31.08.2009 beendet, nachdem der Kläger am 19.07.2009 einen Epilepsieanfall erlitten hatte und im Anschluss hieran ein ärztliches Fahrverbot von mindestens 6 Monaten verhängt wurde.

Am 12.08.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, da er seine bisherige Tätigkeit als LKW-Fahrer aufgrund des epileptischen Anfalles vom 19.07.2009 nicht mehr ausüben könne. Die Beklagte holte daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr.H. ein, der am 03.11.2009 zu folgenden Diagnosen kam:
- Z.n. epileptischem Gelegenheitsanfall bei Alkoholisierung
- Anpassungsstörung bei Arbeitslosigkeit
- Bronchialasthma
- Rückenbeschwerden
- Gastritis.

Der Kläger sei entlassen worden, da wegen eines epileptischen Gelegenheitsanfalles die Fahrtauglichkeit für LKW durch die behandelnde neurologische Klinik in B. für ein halbes Jahr ausgeschlossen worden sei. Es sei zu einer reaktiven Depressivität gekommen. Seit Kindheit bestünden wiederholte Anfälle von Asthma, in letzter Zeit offenbar keine gravierende entsprechende Symptomatik. Bei den geschilderten Rückenbeschwerden und mäßigem Verschleiß in der Lendenwirbelsäule (LWS) sei eine eingeschränkte Belastbarkeit des Achsenorgans anzunehmen. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten seien jedoch vollschichtig möglich. Nach Ablauf des als Gelegenheitsanfall eingestuften epileptischen Geschehens sei ab Januar 2010 wieder mit der Einsetzbarkeit als LKW-Fahrer zu rechnen. In der Zwischenzeit seien Tätigkeiten ohne erhöhte Unfallgefährdung möglich. Auszuschließen seien weiterhin Tätigkeiten mit inhalativer Belastung. Insgesamt kam Dr.H. zu der sozialmedizinischen Beurteilung, dass der Kläger sowohl seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer ab Februar 2010, d.h. ab Ablauf des Fahrverbotes, wieder im Umfang von mindestens 6 Stunden und mehr ausüben könne. Ebenso bestünde ein mehr als 6-stündiges Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.11.2009 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da der Kläger weiterhin in der Lage sei, eine Beschäftigung als LKW-Fahrer auszuüben. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2009 Widerspruch ein. Er habe am 19.07.2009 einen epileptischen Anfall erlitten und daraufhin ein Fahrverbot von mindestens 6 Monaten auferlegt bekommen. Die Nichtbeachtung des Fahrverbotes habe rechtliche Konsequenzen. Ob er jemals wieder LKW fahren könne, hänge von den Kontrolluntersuchungen des weiterbehandelnden Neurologen ab. Er führe den Anfall auf Überarbeitung, Stress und Schlafentzug (Nachtschicht) in den Wochen vor dem 19.07.2009 zurück. Des Weiteren beinhalte der Beruf LKW-Fahrer nicht nur das reine Führen eines Fahrzeugs, sondern auch Stress in Form von Termindruck und schwere körperliche Arbeit in Form von Be- und Entladetätigkeiten, z.B. Paletten beladen mit 1.300 kg mit dem Hubwagen. Da seine Bandscheibe und der linke Meniskus im Knie bereits von seiner vorherigen Tätigkeit als Straßenbauer enorm geschädigt seien, sehe er seine Erwerbsfähigkeit sehr wohl als erheblich gefährdet oder gemindert an. Ferner habe er bereits vor 6 Jahren einen Vorderwandinfarkt erlitten und seit dem epileptischen Anfall diesen Jahres leide er an chronischen Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen und schweren Depressionen. Auch habe er Angst, das Leben anderer Menschen zu gefährden, sollte sich so ein epileptischer Anfall während des Führens eines LKW wiederholen.

Am 09.02.2010 übersandte der Kläger ein ärztliches Attest des behandelnden Facharztes für Innere Medizin - Sportmedizin R. S., wonach der Kläger den Beruf als LKW-Fahrer nicht mehr ausüben könne, insbesondere wegen des Ereignisses eines epileptischen Anfalles, der bei Stress und Schlaflosigkeit wieder ausgelöst werden könnte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2010 als unbegründet zurück, da eine andere Beurteilung auch trotz des nachgereichten ärztlichen Attestes nicht angezeigt sei.

Hiergegen hat der Kläger am 11.05.2010 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, ohne diese zu begründen. Das Gericht holte ärztliche Befundberichte des Klägers ein und anschließend ein neurologisches Gutachten von Dr.W., der am 11.08.2010 zu folgenden Diagnosen kam:
- Anpassungsstörung
- LWS-Syndrom (beginnende lumbosakrale degenerative Veränderungen, keine Radikulopathie)
- Anamnestisch episodischer Alkoholabusus - eingestellt.

Der Kläger habe in den letzten 10 Jahren als LKW-Fahrer gearbeitet, zuletzt Jahre in einem Betrieb, in dem er durch unübliche übermäßige Wochenstunden (angeblich bis 60 Stunden) deutlich belastet gewesen sei. Zusätzlich seien finanzielle Probleme aus seiner vormaligen Selbstständigkeit noch nicht erledigt gewesen und er sei wegen einer daraus resultierenden Privatinsolvenz auch noch in Streit um den Unterhalt der gemeinsamen Tochter aus seiner geschiedenen Ehe geraten. In dieser klassischen Überforderungssituation sei er in einen - zumindest episodischen - Alkoholabusus gerutscht, der am 19.07.2009 zu einem symptomatischen epileptischen Anfall geführt habe, als wohl insbesondere allgemeine Überforderung, kumulierter relativer Schlafmangel und eine Familienfeier mit mehr Alkoholgenuss zusammen gekommen seien. Dies habe ihn seinen Arbeitsplatz gekostet, weil medizinisch daraus ein Fahrverbot von 6 Monate resultiert sei. Ein weiterer epileptischer Anfall sei bislang nicht eingetreten. Weder aus orientierender allgemein klinischer Sicht, noch aus hier sorgfältig überprüfter neurologisch-psychiatrischer Sicht sei ein fassbares ZNS-Leiden oder eine so gravierende psychische Störung festzustellen, dass der Kläger nicht wieder eine Arbeit als z.B. LKW-Fahrer aufnehmen könnte, wenn diese sich an die allgemein übliche Wochenarbeitszeit von ca. 40 - 44 Stunden halte und keine Nachtlinien gefahren werden müssten. Auch Ladearbeiten, die in besonderem Maße die LWS belasteten, könnten bei der damit gegebenen Gefahr einer Verschlechterung des LWS-Syndroms und eines möglichen dann resultierenden Bandscheibenvorfalls nicht mehr gefordert werden. Hinsichtlich der Teilhabe am Arbeitsleben empfehle er aber dennoch die Möglichkeit zu prüfen, ihm zusätzliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt dadurch zu verschaffen, dass man z.B. unter Nutzung seiner Kenntnisse im Transportwesen eine Weiterbildung zum Disponenten (Büroarbeit, allgemeine Organisation) ermögliche/genehmige. Auch administrative Arbeiten in seinem früheren Beruf im Straßenbau würden seine Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt wohl erleichtern. Der Kläger präsentiere sich hier glaubhaft sehr motiviert, wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren, wo er die Chance sehe, seine persönlichen aktuellen Angelegenheiten einmalig lösen zu können und dem Albtraum eines zukünftigen Daseins unter Hartz IV-Bedingungen zu entkommen. Bei der diagnostizierten Anpassungsstörung handle es sich um eine echte Leistungsbehinderung von Krankheitswert, die der Kläger bislang unter medizinischer Hilfe und eigener Willensanstrengung noch nicht ausreichend habe überwinden können. Nicht genutzt worden sei von ihm die hier unbedingt angesagte verhaltenstherapeutisch orientierte Gesprächspsychotherapie, um vorläufig noch leistungshindernde operationale Blockierungen bei ihm zu lösen. Die Prognose wäre damit womöglich entscheidend zu bessern. Der Kläger könne aber dennoch Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Er könne aber nicht mehr - wie vor dem 19.07.2009 - regelmäßig ca. 60 Wochenstunden bzw. eine unübliche Mehrbelastung bewältigen. In ein Arbeitsverhältnis im Transportwesen, in dem solche unüblichen Leistungsforderungen offenbar gestellt bzw. hingenommen werden müssten, könne der Kläger keinesfalls mehr zurückkehren. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bedeuteten, dass der Kläger keine Arbeiten mehr verrichten könne, welche die LWS überdurchschnittlich durch schweres Heben, Ziehen, Tragen belasteten; Arbeiten im Wechselrhythmus, auch überwiegend sitzend als LKW-Fahrer könne er aber weiter vollschichtig leisten. Insgesamt stimme er den Ergebnissen des Gutachtens von Dr.H. vom 04.11.2009 zu. Auch er sehe den Kläger unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen inzwischen nach Ablauf seines Fahrverbotes von 6 Monaten als LKW-Fahrer wieder vollschichtig einsetzbar. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche seien wohl - nicht nur gerüchteweise - vielfach "ungewöhnlich", was hier die Wiedereingliederung in diesen Beruf deutlich erschweren könnte. Er rege deshalb an, die Möglichkeit zur Gewährung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu prüfen, auch wenn formal jetzt kein Fahrverbot mehr bestehe und der Kläger zwischenzeitlich bewiesen habe, dass er einen damals nicht unwesentlich an der Auslösung des Anfalls beteiligten Alkoholabusus abstellen könne (wiederholte unauffällige eingehende klinische Befunde und Laborbefunde bei den Akten). Schwierigkeiten bei der Eingliederung im Transportgewerbe könnten aber die dort häufig verdeckten übermäßigen Leistungsabforderungen sein, weshalb eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben seine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich verbessern würde. Der Kläger sei in seiner Erwerbsfähigkeit bislang nur qualitativ wie oben dargestellt gemindert, nicht hingegen erheblich gefährdet, bezogen auf seine zuletzt oder früher ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer. Seine Erwerbsfähigkeit sei auch nicht erheblich gefährdet, bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Mit Schreiben vom 02.09.2010 wies der Kläger darauf hin, dass bei ihm entgegen der Diagnose des Dr.W. kein episodischer Alkoholabusus vorliege, sondern ein einmaliger Vorgang, der unter Einfluss weiterer Faktoren (Schlafmangel etc.) zu einem einmaligen epileptischen Anfall geführt habe. Vorgelegt werde hierzu das Attest des Facharztes S. vom 27.08.2010. Entgegen der Auffassung von Dr.W. könne er keine Tätigkeiten als LKW-Fahrer im Umfang von 40-44 Stunden pro Woche verrichten. Darüber hinaus gebe er zu bedenken, dass als LKW-Fahrer 60 Wochenstunden und mehr sowie das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sowie Be- und Entladetätigkeiten üblich seien. In dem beigefügten Attest des Facharztes S. wurde "richtiggestellt", dass der Kläger am 19.07.2009 einmalig anlässlich einer Feier Whisky und Bier getrunken habe, wie viele Menschen in Deutschland auch. Zufällig sei bei dieser Feier Red Bull herumgestanden. Der Bevölkerung werde durch die Presse und die Werbung suggeriert, dass es den Patienten stärke und aufbaue. Der Kläger habe nicht gewusst, dass in Red Bull Taurin und Koffein enthalten sei, was sicherlich schließlich den epileptischen Anfall ausgelöst habe. Es werde darauf hingewiesen, dass dieser Alkoholgenuss an diesem Abend einmalig gewesen sei, der Patient sonst nie Alkohol zu sich nehme. Es dürfe deshalb nicht von einem episodischen Alkoholabusus gesprochen werden, sondern von Alkoholgenuss anlässlich einer Familienfeier. Den Beruf als LKW-Fahrer könne der Kläger nicht mehr ausüben, da er den hohen Anforderungen, wie der doch sehr langen Arbeitszeit von 10-14 Stunden mit Überstunden sowie Auf- und Abladen von Gütern, nicht gewachsen sei. Es werde dringend empfohlen, den Kläger auf den Beruf des Pflastereraufsehers oder den Beruf des Disponenten im Transportwesen umzuschulen. Wenn der Kläger wieder der geregelten Arbeit eines Pflastereraufsehers oder eines Disponenten im Transportwesen nachgehen könnte, würde der Kläger sicherlich auch nicht mehr an einer Depression leiden. Auch die starken Kopfschmerzen, weswegen der Kläger Thomapyrin u.ä. zu sich nehme, würden sicherlich bei einer geregelten beruflichen Tätigkeit verschwinden. Zurzeit sei der Kläger wegen Depressionen zuhause, er sei aber bestrebt, eine geregelte Arbeit aufzunehmen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg am 18.10.2010 gab der Kläger an, dass er von seinem Arbeitgeber im Nahverkehr eingesetzt worden sei. Die Fahrleistung habe täglich ca. 300-500 km betragen. Dabei habe er mehrere Unternehmen anfahren und dort auch beim Be- und Entladen helfen müssen.

Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 18.10.2010 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu gewähren. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers für den zuletzt und über längere Zeit ausgeübten Beruf des LKW-Fahrers erheblich gefährdet sei. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr.W. sowie den weiteren ärztlichen Befundberichten. Beim Kläger bestehe eine Anpassungsstörung, LWS-Syndrom, Bronchialasthma und Gastritis. Er sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten, wobei Tätigkeiten mit überdurchschnittlichem Heben, Ziehen und Tragen über 10-15 kg, Zwangshaltungen wie dauernd gebückte Haltung oder regelmäßige Überkopfarbeiten sowie inhalative Belastungen vermieden werden sollten. Dieses Anforderungsprofil stehe nicht in Übereinstimmung mit den Anforderungen an eine Tätigkeit als LKW-Fahrer und insbesondere der zuletzt von dem Kläger längerfristig ausgeübten Tätigkeit als LKW-Fahrer bei seinem letzten Arbeitgeber. Dem Kläger könnten nach dem überzeugenden Gutachten von Dr.W. aber gerade Ladetätigkeiten, die in einem besonderen Maße die LWS belasteten, nicht abverlangt werden. Zum Tätigkeitsprofil eines LKW-Fahrers wie auch zu dem zuletzt vom Kläger konkret innegehabten Arbeitsplatz gehöre neben der reinen Fahrtätigkeit auch die Mithilfe beim Be- und Entladen des Lasters (vgl. beispielsweise berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 25.05.2004 zum Az. S 7/1 RJ 595/03). Da dies dem Kläger nicht mehr zumutbar sei, ohne eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes befürchten zu müssen, sei er in seiner Erwerbsfähigkeit gefährdet. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers abgewendet und die Chance auf eine dauerhafte Arbeitsstelle verbessert werden. Hinsichtlich des "Wie" der Leistung liege die Gewährung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.

Hiergegen hat die Beklagte am 29.12.2010 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 01.06.2011 dahingehend begründet, dass die Voraussetzungen nach § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben seien. Sowohl nach dem Gutachten des Dr.H. als auch des Dr.W. sei dem Kläger eine Tätigkeit als LKW-Fahrer unter Beachtung der von ihnen beschriebenen Funktionseinschränkungen noch möglich. Das SG habe aus dem Gutachten des Dr.W. unzutreffende Schlüsse gezogen. Eine nach § 10 SGB VI erforderliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege gerade nicht vor. Sowohl Dr.W. als auch Dr.H. sähen den Kläger in der Lage, nach Ablauf seines Fahrverbots wieder als LKW-Fahrer vollschichtig tätig zu sein. Sie hätten beide lediglich qualitative Einschränkungen festgestellt. Ferner habe Dr.W. angegeben, dass keine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit durch entsprechende Teilhabemaßnahmen zu erwarten sei. Im Übrigen dienten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dazu, gesundheitliche Einschränkungen zu kompensieren. Aufgabe von derartigen Leistungen sei gerade nicht die bloße Verbesserung der Vermittlungschancen. Dies sei eine klassische Aufgabe und Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung. Ferner werde darauf hingewiesen, dass Tätigkeiten im Fahrerbereich auf dem Arbeitsmarkt auch in ausreichendem Maße vorhanden sein dürften, welche das schwere Heben von Lasten über 10-15 kg nicht erfordern würden. Im Übrigen seien Mutmaßungen über angeblich schwierige Arbeitbedingungen nicht geeignet, einen Reha-Bedarf zu begründen. Lenk- und Ruhezeiten sowie deren Einhaltung seien im LKW-Bereich strenger reglementiert und überwacht als in jeder anderen Branche.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 29.11.2011 hat der Kläger erklärt, dass er zwischenzeitlich keine Anstellung als LKW-Fahrer mehr gefunden habe. Nachdem er bis in den Hartz IV-Bezug abgerutscht sei, habe er sich selbst eine Arbeit gesucht. Er habe eine Beschäftigung zum 01.04.2011 als Disponent aufgenommen. Nachdem die Firma verkauft worden sei, habe er jetzt zum 01.11.2011 eine Stelle als sachbearbeitender Disponent gefunden. Eine LKW-Fahrertätigkeit, wie im Gutachten Dr.W. angesprochen, von 6-8 Stunden gebe es nicht. Außerdem gebe es keine LKW-Fahrertätigkeit ohne Be- und Entladen. Ferner gab er an, dass seine neue Tätigkeit auf ein Jahr befristet und 6 Monate Probezeit vereinbart sei. Dies sei deswegen der Fall, weil er zwischenzeitlich als Schwerbehinderter anerkannt sei. Ferner werde er vom Jugendamt der Stadt P. gedrängt, das Verfahren in jedem Fall fortzuführen und ein Urteil zu erstreiten.

Mit weiterem Schriftsatz vom 05.03.2012 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers nochmals darauf hin, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers hinsichtlich der bisher überwiegend ausgeübten Tätigkeit als LKW-Fahrer erheblich gefährdet sei. Im Hinblick auf die von Dr.W. beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen dürften dem Kläger Wirbelsäulen belastende Ladetätigkeiten nicht mehr abverlangt werden. Derartige Ladetätigkeiten gehörten aber typischer Weise zum Tätigkeitsprofil eines LKW-Fahrers. Auch Arbeitszeiten von weit mehr als 44 Wochenstunden seien bei einem LKW-Fahrer gerade die Regel. Insoweit werde die Einholung eines aktuellen berufskundlichen Gutachtens beantragt. Durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne eine bezogen auf die Tätigkeit des LKW-Fahrers bestehende Erwerbsminderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden und die Chance auf den Erhalt eines dauerhaften, dem Gesundheitszustand des Klägers angepassten Arbeitsplatzes verbessert werden. Das während des Streitverfahrens bei der Fa.L. GmbH am 01.11.2011 begonnene Arbeitsverhältnis sei seitens des Arbeitgebers innerhalb der Probezeit zum 15.02.2012 gekündigt worden. Seit dem 16.02.2012 sei der Kläger bei der Fa.B. GmbH als Disponent und Fuhrparkleiter eingestellt worden, momentan befinde sich der Kläger wiederum in einer 6-monatigen Probezeit. Sofern der Senat die Auffassung vertrete, dass sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Hinblick auf die seit dem 01.04.2011 ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse - auch unter Berücksichtigung der nur kurzen Dauer derselben - zwischenzeitlich erledigt habe, bestehe nach Auffassung der Klägerseite dennoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung der Beklagten rechtswidrig gewesen sei. Es bestehe beim Kläger, da er fundierte Vorkenntnisse im kaufmännischen bzw. im Bürobereich nicht vorzuweisen habe, auch im Rahmen des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses ein erhöhtes Risiko der kurzfristigen Beendigung durch Kündigung des Arbeitgebers innerhalb der Probezeit. Er benötige deshalb im Falle einer erneuten Arbeitslosigkeit eine Weiterbildung zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im kaufmännischen und organisatorischen Bereich zur dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Beklagte - wie geschehen - dem Kläger die zur Wiedereingliederung erforderlichen Maßnahmen mit der bereits bekannten Begründung wiederum grundsätzlich verweigere. Demzufolge sei Fortsetzungsfeststellungsklage geboten. Eine abschließende gerichtliche Entscheidung benötige der Kläger außerdem zur Vorlage beim Kreisjugendamt P., auf die Schreiben vom 28.03.2011 und 28.06.2011 werde insoweit verwiesen. Er müsse sich im Falle einer etwaigen Klagerücknahme seitens des Jugendamtes ggf. vorhalten lassen, seinen Pflichten zur Sicherung des Kindesunterhaltes im Rahmen uneingeschränkter Erwerbsbemühungen in strafrechtlich relevanter Weise nicht nachzukommen. Mit Schriftsatz vom 20.04.2012 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass die Fa. B. GmbH das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.04.2012 wegen Arbeitsmangels beendet hat.

Am 03.05.2012 hat sich der Kläger einer Eignungsfeststellungsprüfung zur Führung eines Güterkraftverkehrsunternehmens bei der IHK O. unterzogen, wenn auch ohne Erfolg. Nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2012 ist diese Eignungsprüfung Voraussetzung für das Betreiben eines eigenen Güterkraftverkehrsunternehmens mit Fahrzeugen über 7,5 Tonnen oder für eine Tätigkeit als Leiter eines Fuhrparks in größeren Unternehmen des Güterkraftverkehrs.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.10.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.10.2010 zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 rechtswidrig war. Hilfsweise wird der Beweisantrag im Schriftsatz vom 05.03.2012 wiederholt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Reha-Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie ist auch begründet, da das SG zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Kläger angenommen hat.

Gemäß § 9 SGB VI erbringen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur med. Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern. Voraussetzung für die Erbringung dieser Leistungen ist die Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 10, 11 SGB VI. Gemäß § 10 Abs 1 SGB VI erfüllt der Versicherte die persönlichen Voraussetzungen nur dann, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei denen durch entsprechende Reha-Leistungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder behoben werden kann. Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne ist die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit im normalen Umfang (BSG Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 15/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 2 m.w.N.; Kater in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 10 SGB VI, Rdnr. 3 mwN).

Der Kläger hat zuletzt überwiegend versicherungspflichtig als LKW-Fahrer gearbeitet, so dass die von ihm am 12.08.2009 beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben darauf gerichtet sein müssten, seine Erwerbsfähigkeit in diesem Beruf dauerhaft zu sichern, sofern überhaupt eine Minderung oder eine erhebliche Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit insoweit festzustellen ist. Nach den vorliegenden Gutachten von Dr. H. und Dr. W. liegt eine solche erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vor. Zum anderen beabsichtigt der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr den Beruf eines Lastwagenfahrers zu ergreifen, sondern sich beruflich anderweitig zu orientieren, so dass sich der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zwischenzeitlich erledigt hat. Ein besonderes Feststellungsinteresse für eine Klageänderung hin zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 131 Abs 1 S 3 SGG liegt ebenfalls nicht vor.

Nach den im Verfahren eingeholten sozialmedizinischen Gutachten von Dr.H. und dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr.W. im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Kläger nach Ablauf des Fahrverbotes im Januar 2010 in der Lage, wieder als LKW-Fahrer im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich tätig zu sein. Bis zum Ablauf des Fahrverbotes bestand für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ebenfalls ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen. Die in den Gutachten genannten Diagnosen des LWS-Syndroms, des Bronchialasthmas sowie der Gastritis lagen unstreitig bereits vor dem epileptischen Anfall vor und hatten bis dahin den Kläger nicht gehindert, seine Erwerbstätigkeit als LKW-Fahrer auszuüben, selbst in dem von ihm geschilderten Ausmaß mit überlangen Arbeitszeiten von bis zu 60 Wochenstunden und erheblichen Belastungen der Wirbelsäule durch schwere Ladetätigkeiten. Der entscheidende Einschnitt in seiner Leistungsfähigkeit erfolgte durch das epileptische Anfallsereignis vom 19.07.2009. Sowohl die beiden Gutachter Dr.W. und Dr.H. als auch der behandelnde Arzt des Klägers, Facharzt S., haben ausgeführt, dass es sich hierbei um ein einmaliges Ereignis infolge eines übermäßigen Alkoholkonsums gehandelt hat. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es sich um einen episodischen oder nur um einen einmaligen - im Rahmen einer Familienfeier erfolgten - Alkoholabusus gehandelt hat, so wie dies der behandelnde Facharzt S. in seinem Attest vom 27.08.2010 "richtiggestellt" hat. Entscheidend ist, dass sich seit diesem epileptischen Anfall vom 19.07.2009 keine weiteren epileptischen Anfälle ereignet haben, sämtliche Untersuchungsbefunde des Klägers in der Folgezeit unauffällig gewesen sind und es keinerlei Anhaltspunkte für ein fassbares ZNS-Leiden oder eine gravierende psychische Störung des Klägers gibt. Allein die theoretische Möglichkeit des Erleidens eines Anfalls während der Fahrtätigkeit genügt nicht, um von einer erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in Hinblick auf eine Tätigkeit als Lastwagenfahrer ausgehen zu können, da es an einer entsprechenden Krankheit oder Behinderung des Klägers fehlt. Dr. W. hatte auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger bewiesen habe, alkoholabstinent sein zu können, so dass bei entsprechender Alkoholabstinenz nicht mit einem weiteren Anfall zu rechnen sein dürfte. Im Übrigen sind - nachdem der Kläger seine Arbeitsstelle unmittelbar nach dem epileptischen Anfall wegen des eingetretenen Fahrverbotes verloren hat - nicht mehr die bei seinem früheren Arbeitgeber bestehenden Arbeitsbedingungen zugrunde zu legen, sondern die üblichen Arbeitsanforderungen für eine Tätigkeit als Lastwagenfahrer. Es kann hierbei davon ausgegangen werden, dass es ausreichend Stellen für Lastwagenfahrer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die ohne schwere Ladearbeiten oder mit entsprechenden Hilfsmitteln zu verrichten sind und auch innerhalb des gesetzlich zulässigen Zeitrahmens nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) liegen. Die Beklagte weist hier zutreffend darauf hin, dass insbesondere im Speditionsgewerbe weitreichende Dokumentationspflichten bestehen und eine nachhaltige Kontrolle der Fahr- und Ruhezeiten erfolgt. Insoweit war auch das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregte berufskundliche Gutachten nicht einzuholen.

Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass er aus psychischen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen LKW zu fahren, ist festzuhalten, dass er den epileptischen Anfall nicht während seiner beruflichen Tätigkeit aus heiterem Himmel erlitten hatte, sondern anlassbezogen wegen übermäßigen Alkoholkonsums während einer Familienfeier. Einer konkreten Gefährdungssituation im Straßenverkehr war der Kläger nicht ausgesetzt. Im Übrigen hat auch Dr. W. festgestellt, dass der Kläger eine verhaltenstherapeutische Gesprächstherapie, die gegebenenfalls hier zur Vermeidung einer Fixierung hätte hilfreich empfunden werden können, nicht wahrgenommen hat.

Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass sich der Gutachter Dr.W. der Leistungseinschätzung des Dr.H. voll umfänglich angeschlossen hatte. Dr. W. sah ausdrücklich ebenfalls keine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer, hatte jedoch Bedenken, wenn es nur solche Arbeitsplätze geben würde, bei denen vergleichbare Arbeitsbedingungen herrschen wie vom Kläger in Bezug auf seinen bisherigen Arbeitgeber geschildert. Er hatte deshalb vorgeschlagen eine Neuorientierung des Klägers zu unterstützen und zur Verbesserung seiner Eingliederungschancen Leistungen zur Teilhabe zu gewähren. Allein die Erhöhung der Vermittlungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist jedoch nur dann Aufgabe des Rentenversicherungsträgers, wenn eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliegt und eine dauerhafte Eingliederung in den bisherigen Beruf nur mit Schwierigkeiten erreicht werden könnte. Hierfür bestehen aber vorliegend keine Anhaltspunkte. Die berufliche Neuorientierung als solche ist hingegen Aufgabe der Arbeitsverwaltung.

Des Weiteren in davon auszugehen, dass der Kläger zwischenzeitlich keine Wiedereingliederung in seinen zuletzt ausgeübten Beruf des LKW-Fahrers mehr verfolgt und sich damit der Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe und die streitgegenständlichen Bescheide zwischenzeitlich erledigt haben. Er war seit dem 01.04.2011 durchgehend anderweitig versicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger hat am 01.04.2011 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Vollzeit als Disponent bei der Fa. M. wahrgenommen, das wegen Firmenauflösung durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.10.2011 beendet wurde. Schon am 01.11.2011 hatte der Kläger eine Arbeit in Vollzeit als Sachbearbeiter bei der Fa.L., die allerdings nach Ablauf der Probezeit am 15.02.2012 wieder beendet wurde. Bereits am 16.02.2012 hatte der Kläger ein erneutes Arbeitsverhältnis inne, nämlich als Dispositions- und Fuhrparkleiter in Vollzeit bei der Fa.B., das wiederum durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.04.2012 beendet wurde. Angegebener Grund für die Kündigung war Arbeitsmangel und nicht gesundheitliche Einschränkungen. Am 03.05.2012 hat der Kläger die Eignungsfeststellungsprüfung für eine Tätigkeit als Güterkraftverkehrsunternehmer absolviert, um eine entsprechende selbständige oder abhängige Beschäftigung als Fuhrparkleiter ausüben zu können. Die Beendigung der zwischenzeitlich ausgeübten abhängigen Beschäftigungsverhältnisse erfolgte nie aus gesundheitlichen Gründen. Auch im Rahmen des Erörterungstermins vom 29.11.2011 hat der Kläger angegeben, dass er sich von der Beklagten eher Leistungen erwarte, die seine Kenntnisse auf dem Bereich der elektronischen Datenverarbeitung/ computergestützte Arbeitsweise/ Logistik verbessern würden.

Infolge der zeitlichen Überholung des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Klageverfahren mehr. Eine Klageänderung von der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG hin zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs 1 S 3 SGG kann aber nur erfolgen, wenn der Kläger ein besonderes Interesse an der Feststellung vortragen kann, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 131 Rdnr 10 m.w.N.). Ein solches Feststellungsinteresse liegt jedoch nicht vor. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragene Wiederholungsgefahr kann nicht gesehen werden, da eine konkrete, in naher Zukunft oder in absehbarer Zeit tatsächlich bestehende, hinreichend bestimmte Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen (vgl. BSG Urteil vom 20.05.1992 - 14a/6 Rka 29/89 - SozR 3-1500 § 55 Nr 12; BSG Urteil vom 16.05.2007 - B 7 b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4; Keller, aaO, § 131 Rdnr 10 b m.w.N.) nicht vorliegt. Die Beklagte hatte aufgrund eingeholter ärztlicher Gutachten im Jahr 2009 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe aus medizinischen Gründen abgelehnt. Es bestehen keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei einer erneuten Beantragung von Leistungen zur Teilhabe von einem gleichen medizinischen und tatsächlichen Tatbestand ausgegangen werden könnte. Dass eine derartige Situation nicht auszuschließen sein könnte, reicht für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht aus (BSG Urteil vom 20.05.1992, aaO).

Auch ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf mögliche Schadensersatzforderungen ist nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger macht nicht geltend, dass er die Feststellung zur Durchführung von Amtshaftungsansprüchen gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger, etwa die Arbeitsagentur, benötigt. Soweit er auf die Schreiben des Jugendamtes hinweisen lässt, kann daraus nur entnommen werden, dass das Jugendamt den Kläger aufgrund der erbrachten Leistungen des Unterhaltsvorschusses für seine Tochter auf seine - rein zivilrechtlich bestehenden - Unterhaltsverpflichtungen hingewiesen hat und dass er aufgrund dieser zivilrechtlichen Verpflichtungen zur Aufnahme jeder nur denkbaren Erwerbstätigkeit verpflichtet ist. Eine wie auch immer geartete Bindungswirkung der hier ergehenden Entscheidung für die Frage des Umfangs der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Tochter bzw. im Hinblick auf die vom Jugendamt übergeleiteten Ansprüche ist nicht ersichtlich.

Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach und auch kein entsprechendes Feststellungsinteresse. Das Urteil des SG Nürnberg vom 18.10.2010 war deshalb aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2010 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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