L 22 R 760/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RA 3707/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 760/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit von 1976 bis zum 30. Juni 1990 sowie die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1939 geborene Kläger ist Ingenieur (Urkunde der Ingenieurschule für Feinwerktechnik G vom 21. Juli 1962).

Nach Beendigung seines Ingenieurstudiums nahm er ab dem 01. September 1962 eine Tätigkeit als Technologe auf und arbeitete in dieser Tätigkeit bis zum 15. März 1963 im VEB Prüfgeräte-Werk M, Sitz F, ab dem 16. März 1963 bis zum 15. Februar 1964 im VEB Mechanik und Feinwerktechnik G, ab dem 17. Februar 1964 bis zum 31. Dezember 1969 im VEB Bürotechnik B (dort zuletzt als Produktionsleiter), ab dem 01. Januar 1970 als Produktionsleiter im VEB Kombinat R, Zentralvertrieb - Betriebsteil B, ab dem 01. Januar 1974 in dieser Funktion beim Rechtsnachfolger, dem VEB R-Vertrieb B, dort ab dem 01. Januar 1979 als Leiter TKD (Technischer Kundendienst) bis wenigstens zum 30. Juni 1990.

Zum 01. September 1971 trat der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete Beiträge für das Einkommen bis 1 200,00 Mark monatlich bzw. 14 400,00 Mark jährlich.

Die cvu Computer-Vertriebsunion B GmbH, die durch Umwandlung des VEB R- Vertrieb B entstand, wurde am 05. Juni 1991 in das Handelsregister eingetragen (Registerauszug des Amtsgerichts Charlottenburg, HRB 38216), der VEB R-Vertrieb B wurde am 08. Juli 1991 aus dem Register gelöscht.

Mit Bescheid vom 04. Juni 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01. September 1962 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab.

Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2003 zurück, da der Kläger weder am 30. Juni 1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sei noch eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt hätte noch eine fiktiven Anspruch auf Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG habe. Er habe zwar am 30. Juni 1990 als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung im VEB R-Vertrieb ausgeübt, bei diesem Betrieb habe es sich aber nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) gehandelt habe und es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 gehandelt.

Hiergegen hat der Kläger, der ab dem 01. August 2002 Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten als Rentenversicherungsträger bezieht, am 15. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass es sich bei dem VEB R-Vertrieb B (abgekürzt im Folgenden: R) um einen "Finalproduzenten" gehandelt habe, dessen Hauptzweck die Herstellung kompletter Datenverarbeitungsanlagen und als Zusatzaufgabe Montagen, Inbetriebnahmen durch den TKD sowie die Übergabe an den Anwender gewesen sei. Das Kombinat R habe seit seiner Gründung einige Lernprozesse durchmachen und dabei mehrmals Korrekturen vornehmen müssen. Dabei habe man nicht auch noch zusätzliche Probleme durch Namens- oder Einstufungsänderung schaffen wollen, und so sei es u. a. bei dem anfänglichen Namen "Vertrieb " und der Einstufung in die Wirtschaftsgruppe 16649 (Reparatur- und Montagebetriebe, Bereich des Wirtschaftszweiges 16640, Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie) geblieben.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 01. September 1962 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die dabei erzielten tatsächlichen Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass Hauptzweck des R ausweislich des Statuts dieses Betriebes vom 29. Dezember 1973 Aufgaben im Sinne eines EDV-Service-Betriebes seien, die keine materielle Produktion darstellten.

Durch Urteil des SG vom 29. April 2010 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass der Hauptzweck des R nicht die Produktion von Sachgütern im fordistischen, industriellen Sinne gewesen sei; dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe keine Massenproduktion im Sinne der Rechtsprechung des (Bundessozialgerichts) BSG oblegen. Zwar habe der R selbst auch digitale Bildverarbeitungssysteme und als Konsumgüter Mono-Heimrundfunkgeräte produziert. Allein die letztgenannte Herstellung von digitalen Bildverarbeitungssystemen und Mono-Heimrundfunkgeräten lasse sich dem Produktionsbegriff des BSG unterordnen. Diese Tätigkeit habe jedoch nicht im Vordergrund gestanden. Das Gepräge des R sei vielmehr durch Vertriebs- und Servicetätigkeiten gebildet worden. Diese Annahme halte einer Überprüfung anhand der eingeführten Zeugenaussagen ehemaliger hochrangiger Beschäftigter des R stand. Übereinstimmend hätten die Zeugen angegeben, dass der R zur Wendezeit ungefähr 4 200 bis 4 500 Mitarbeiter gehabt habe. Nur ein geringer Teil dieser Mitarbeiter, nämlich nach Aussagen des Zeugen E 500 bis 600, seien mit der Produktion im eigentlichen Sinne, d. h. mit der Herstellung von Radios und Bildverarbeitungssystemen, beschäftigt gewesen. Die Angaben des Zeugen K, dass 2 000 Mitarbeiter dem Direktorat für Produktion unterstellt gewesen seien, führten nicht zu einer anderen Betrachtung, denn dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Direktorat für Produktion auch die technischen Dienstleistungen unterstellt gewesen seien. Diese, insbesondere die Wartung und Reparatur der Produktionserzeugnisse im Rahmen des TKD, unterfielen aber nicht dem Produktionsbegriff, hätten aber wesentlich zum Gepräge des Betriebes beigetragen.

Gegen das ihm am 30. Juli 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. August 2010 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Er trägt unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 1/11 R) vor, dass es für die Frage, ob es sich bei dem R um einen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt habe, nicht darauf ankomme, ob die zu montierenden Komponenten vom R selbst oder von anderen Herstellern produziert worden seien. Die R-Vertriebsbetriebe hätten sich in den 80 er Jahren längst zu Produktionsbetrieben gewandelt. Soweit die Urteilsbegründungen in den von der Beklagten angeführten Urteilen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zum R (L 4 R 1478/06, L 17 R 1765/08, L 17 R 1897/08) den Eindruck erweckten, der R hätte nach Kundenwünschen etwas "gebastelt", sei festzustellen, dass die Großrechner in ihrer Grundfiguration standardisiert und kompatibel mit EBM Großrechnern dieser Generation gewesen seien. Natürlich habe der Kunde Erweiterungswünsche äußern können, z. B. was die Anzahl der Magnetspeichergeräte oder einen zweiten Drucker betraf, aber auch heutige PCs unterschieden sich in der Größe des Arbeitsspeichers oder der Festplatte und seien trotzdem Endprodukte. Dass diese Argumentation nicht stichhaltig sei, lasse sich anhand der Pkw Produktion belegen, in der praktisch jedes Auto nach Kundenwünschen montiert werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit von 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat ihre sämtlichen Betriebsunterlagen zum VEB Kombinat R - D sowie zum R übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 65 290339 K 046) und der Gerichtsakten Bezug genommen. Die Beteiligten haben aus den vom Sozialgericht Berlin bzw. Sozialgericht Neuruppin hinzugezogenen und unter den Aktenzeichen S 9 RA 3399/01 L 4 RA 108/04, S 9 RA 398/03 L 33 R 1326/08, S 5 RA 35/01 L 2 RA 14/03, S 10 RA 1710/03 L 8 R 53/05, S 6 RA 1623/03 L 4 R 1478/06, S 5 R 233/07 - L 17 R 1897/08 sowie aus dem "Beistück" zu diesem Verfahren, S 31 R 4960/05 - L 17 R 1765/08, S 6 RA 6624/02 - L 17 R 104/03, S 11 RA 5867/00 - L 8 R 344/05, S 9 RA 5498/03 - L 16 R 471/05, registrierten Gerichtsakten ein vom Berichterstatter erstelltes Beistück erhalten, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 AAÜG darauf, dass die Beklagte die Zeit von 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die während dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Denn das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zum Zusatz- und Sonderversorgungssystem (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gilt, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften beim Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten.

Der Kläger war vor dem 01. Juli 1990 nicht einzelvertraglich und auch nicht durch einen Verwaltungsakt der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen. Damit kann er auch nicht aus einem Versorgungssystem, in das er tatsächlich einbezogen war, vor Eintritt eines Versorgungsfalls ausgeschieden sein. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch darauf, fiktiv so behandelt zu werden, als sei ihm eine Versorgungszusage erteilt worden (vgl. zur fiktiven Einbeziehung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 29. Juli 2004, B 4 RA 4/04 R, sowie vom 15. Juni 2010, B 5 RS 10/09 R, beide veröffentlicht in juris). Das BSG vertritt in ständiger Rechtssprechung die Auffassung, dass von einer "Zugehörigkeit" zu den Versorgungssystemen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht nur bei denjenigen Personen gesprochen werden könne, die durch einen Einzelakt der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen waren, sondern auch bei denjenigen Personen, die (fiktiv) nach der am 01. August 1991 gegebenen bundesdeutschen Rechtslage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage hatten (so zuletzt Urteil des BSG vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10, veröffentlicht in juris). Einen solchen (fiktiven) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage hat der Kläger nicht.

Nach der Rechtsprechung des BSG vermittelte die zur AVtI ergangene "Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" vom 17. August 1950 (GBl. DDR 1950, 844) AvtI VO und die 2. DB zur AVtI VO vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR 1951, 487) 2. DB zur AVtI VO – denjenigen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage, die am 30. Juni 1990 berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung (Ingenieur) zu führen (persönliche Voraussetzung) und die eine dieser Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB zur AvtI VO) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB zur AVtI VO gleichgestellten Betrieb ausübten (betriebliche Voraussetzung) (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 1/11 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 18).

Der Kläger erfüllt jedenfalls die betriebliche Voraussetzung mit seiner Beschäftigung im R nicht. Abzustellen ist dabei auf den R als Beschäftigungsbetrieb des Klägers, nicht auf das übergeordnete Kombinat. Denn der Kläger hatte ein Beschäftigungsverhältnis mit dem R, der am 30. Juni 1990 noch existierte und (arbeits )rechtsfähig gewesen ist (vgl. § 3 Abs. 1, 4 des Statutes des VEB Kombinat R vom 19. Dezember 1973, § 3 Abs. 1, Abs. 2 des Statutes des VEB Kombinat R vom 01. Juli 1984 – Inkrafttretensdatum nach § 12 dieses Satutes). Es lässt sich nicht feststellen, dass der RVB am 30. Juni 1990 ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des - hier ohnehin nicht in Betracht kommenden - Bauwesens gewesen ist.

Zur Frage, was unter einem volkseigenen "Produktionsbetrieb" im Bereich der Industrie oder des Bauwesens zu verstehen ist, hat der 5. Senat des BSG – in Fortführung der vom 4. Senat des BSG zum AAÜG und zur AVtI entwickelte Rechtsprechung – zuletzt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 24 31) ausgeführt:

" Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht. Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung. Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde. Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe. Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde , ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Produktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979. Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 ( hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran. Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat. Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden. Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält "

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen lässt sich zur Überzeugung des Senates nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewinnen (§ 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz), dass der R am 30. Juni 1990 ein solcher Betrieb gewesen ist. Denn ein Hauptzweck im Sinne massenhafter Herstellung von Produkten in dem beschriebenen Sinne, auch im Sinn eines mehr oder weniger schematischen Zusammenbaus im Wege industrieller Massenproduktion selbst oder fremd hergestellter Bauteile lässt sich hier nicht zweifelsfrei feststellen.

Aus dem Namen des R ("Vertrieb") und § 2 Abs. 2 der Anweisung des Generaldirektors des VEB Kombinat R vom 20. Dezember 1973, durch die der R mit Wirkung vom 01. Januar 1974 gegründet worden war, geht nichts hervor, was auf eine industrielle Massenproduktion schließen ließe. § 2 Abs. 2 der genannten Anweisung lautet:

"Die Aufgaben des VEB R-Vertrieb B ergeben sich aus dem Statut des VEB Kombinat R."

In § 7 des Statuts des VEB Kombinat R vom 19. Dezember 1973 heißt es:

" Dem VEB R-Vertrieb B obliegt der Vertrieb, der Technische Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, der Vertrieb von Systemunterlagen in den Nordbezirken der DDR und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung sowie die Anwenderschulung auf dem Gebiet der Prozessrechentechnik."

§ 7 dieses Statuts wurde bis zum 30. Juni 1990 inhaltlich nicht verändert (vgl. Änderung des Statuts des VEB Kombinat R vom 18. Januar 1977 sowie Statut vom 01. Juli 1984). In dem am 30. Juni 1990 maßgebenden Statut des VEB Kombinat R vom 01. Juli 1984 heißt es in § 8 ("Aufgaben der Kombinatsbetriebe"):

"Die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Kombinatsbetriebe im Reproduktionsprozess des Kombinates werden in Anwendung der Spezialisierung, Konzentration und Kooperation in den Plankennziffern, anderen Leitungsentscheidungen des Kombinates sowie in Kombinatsordnungen festgelegt."

Hieraus lässt sich eine Änderung des Betriebszweckes des R in dem vom Kläger behaupteten Sinne, also bezogen nunmehr auf eine industrielle Massenproduktion, nicht entnehmen.

Soweit das Statut des Kombinates vom 19. Dezember 1973 in § 7 ausdrücklich auch die "Produktion von Zentraleinheiten und Geräten der elektronischen Datenverarbeitung", "die Produktion und Vertrieb von Baugruppen der Elektronik", "die Produktion und Vertrieb von Geräten und Baugruppen der Elektronik" nennt, werden diese Aufgaben als Aufgaben anderer Kombinatsbetriebe (dem VEB R-Elektronik D, dem VEB R-Elektronik R, dem VEB R-Elektronik H) zugewiesen, nicht dem R. Gleiches gilt für "Forschung, Entwicklung und Applikation von Geräten, Verfahren und Systemunterlagen der Rechentechnik sowie der Vertrieb von Systemunterlagen und von Prozessrechnern bis zur Überleitung dieser Aufgabe an andere Kombinatsbetriebe", die dem "VEB R-Zentrum für Forschung und Technik" übertragen war. Das Statut des Kombinates vom 01. Juli 1984 lässt eine grundsätzlich veränderte Ausrichtung der Aufgaben des R nicht erkennen; denn darin sind die den einzelnen Kombinatsbetrieben zugeschriebenen Aufgaben – anders als noch im Statut von 1973 - nicht mehr näher aufgeführt.

Dass der Hauptzweck des R in der industriellen Massenfertigung von Geräten der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik gelegen hat, ergibt sich auch nicht aus den Aussagen der Zeugen, die sich in den Verfahren, deren Akten der Senat hinzugezogen hatte und aus denen er das den Beteiligten übermittelte Beistück gefertigt hat, diesbezüglich geäußert haben. Die Aussagen dieser Zeugen würdigt der Senat im Wege des Urkundsbeweises. Dies sind im einzelnen:

- W K, Direktor des Bereichs Forschung und Entwicklung des R(Bl. 107 108 der Akte S 9 RA 3399/01),

- H E, ehemaliger ökonomischer Direktor des R(Bl. 109, 109 R der Akte S 9 R 3399/01),

- Dr. M S, Betriebsdirektor des R(Bl. 62 - 67 der Akte S 9 RA 398/03; Bl. 207 298 R der Akte L 2 RA 14/03; Bl. 225 R, Bl. 226 der Akte L 8 R 53/05),

- F W, zuletzt Generaldirektor des VEB R(Bl. 294 296 der Akte L 2 RA 14/03),

- Dr. D W, seit 1976 für die Produktion "im D Werk" tätig (Bl. 224 R, Bl. 225 der Akte L 8 R 53/05),

- V E, ab 1966 im Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik der DDR beschäftigt, ab 1971 für die Plandurchführung des Kombinats R bis in das Jahr 1990 hinein verantwortlich (Bl. 223 R, Bl. 224 der Akte L 8 R 53/05).

An schriftlichen Aussagen:

- Dr. D J (Bl. 8 der Akte S 5 RA 35/01), - Dr. G Sch (Bl. 40 der Akte S 5 RA 35/01), - H S (Bl. 41 der Akte S 5 RA 35/01), - Dr. E B (Bl. 42 der Akte S 5 RA 35/01)

sowie Angaben der Autoren O N, H B, G D, H F, W K, J U und G V ("Die R-Absatzbetriebe, ein kurzer Abriss", Fassung. 28. Februar 2006, im Folgenden: Beitrag – R

Der Zeuge Khat bekundet (Bl. 107 der Akte S 9 RA 3399/01), dass seines Erachtens der Hauptzweck des Betriebes die industrielle Fertigung von Sachgütern gewesen sei, wenn man die "Finalproduktion", also den Zusammenbau und die Lieferung Rechnersystemen – in dem Beitrag "Robotron" werden die "Finalproduktion und Hauptauftragunternehmer für die Rechnersysteme K 1840/K 1845" genannt (S. 22 des Beitrages-R) – als industrielle Massenproduktion "anerkenne". Demnach scheiden als dem R das Gepräge gebende Produktion die ebenfalls genannte "Entwicklung und Produktion von Bildschirmsystemen BVS A 6471/2/3" sowie die "Entwicklung und Produktion von Radios u.a. Konsumgütern" (S. 22 des Beitrages-Rund Aussage des Zeugen Kselbst: "In Werk 1 - Stralsund - war der Hauptzweck die Radioproduktion In Werk 2 – Magdeburg – wurden kleinere Produktionen getätigt , und zwar u. a. die Kabelproduktion von Interface-Kabeln Ein Großteil der Mitarbeiter war auch mit der Softwareentwicklung und Applikation beschäftigt In Berlin wurden Bildverarbeitungssysteme hergestellt ") aus. Soweit der Zeuge für seine Bewertung des R als industrieller Massenproduzent allein auf dessen "Herstellung" von Rechnersystemen abstellt (" Am Ende wurde auch der RVS 1840 hergestellt. Dies war ein Hochleistungsrechner Nur die Zentraleinheit für den RVS 1840 wurde in Dresden hergestellt, andere Komponenten wurden Z.B. aus Bulgarien importiert. Der RVB hat selbst keine Komponenten für den RVS 1840 hergestellt. Sämtliche Komponenten wurden dann vom RVB zusammengebaut und getestet. Dann wurde er wieder auseinandergebaut und beim Endabnehmer angeliefert und wieder aufgebaut durch Hardware- und Softwarespezialisten. Dann haben unsere Spezialisten noch den Endabnehmertest durchgeführt "), handelte es sich nicht um einen mehr oder weniger schematischen Zusammenbau, der den Begriff der "industriellen Massenproduktion" nach dem zitierten Urteil des BSG erfüllen würde, worauf noch näher eingegangen wird. Im Übrigen ergibt sich auch aus den Angaben des Zeugen zu Anzahl und Aufgaben der Mitarbeiter des R auch eher ein Indiz dafür, dass nicht die "Produktion" dem Betrieb das Gepräge gegeben hat; denn von den von ihm genannten "ungefähr 4.400 Mitarbeitern, bezogen auf das Jahr 1989" waren "über 2.000 dem Direktorat für Produktion zugeordnet", wobei der Zeuge unter "Produktion" "auch technische Dienstleistungen" verstanden hat. Damit sind jedenfalls weit weniger als die Hälfte der Mitarbeiter des Rmit der "Finalproduktion" von Rechnersystemen beschäftigt gewesen.

Der Zeuge Dr. S hat in seinen Aussagen vom 21. September 2004, 14 Dezember 2004 und 21. März 2012 (Bl. 61 bis 67 der Akte S 9 RA 398/03, Bl. 297 bis 299 der Akte L 2 RA 14/03, Bl. 295R bis 296 der Akte L 8 R 53/05) vom R als einem "Vertriebsbetrieb" gesprochen. Auch seiner Ansicht nach war Hauptzweck des R die "Herstellung des 1840" (Bl. 66 der Akte S 9 RA 398/03), die er im Hinblick auf eine Stückzahl von 2000 – diese bezogen auf das Vorgängermodell des K 1840 – auch als Massenproduktion bewertete (Bl. 226 der Akte L 8 R 53/05). Wie auch bezüglich der Aussage des Zeugen K lässt sich somit feststellen, dass allein unter Bewertung der "Finalproduktion" des Rechnersystems K 1840 als industrieller Massenproduktion ein Anspruch des Klägers begründet werden könnte. Insoweit ist auch hier festzustellen, dass es sich diesbezüglich aber nicht um einen mehr oder weniger schematischen Zusammenbau, der den Begriff der "industriellen Massenproduktion" nach dem zitierten Urteil des BSG erfüllen würde, gehandelt hat, worauf noch näher eingegangen wird.

Der Zeuge Ehat bekundet (Bl. 109, 109 R der Akte S 9 R 3399/01), dass der R ein Vertriebs- und Servicebetrieb gewesen sei und es einen "eigentlichen Hauptzweck" nicht gegeben habe; der R habe ein "Sammelsurium von Aufgaben" gehabt, wobei nach der in der DDR gängigen Definition der Hauptteil der Arbeitskräfte mit industrieller Warenproduktion beschäftigt gewesen sei. Nach dessen Aussage war dominierende Kennziffer des RB der Handelsumsatz. Danach lässt sich eine dem R das Gepräge gebende Tätigkeit nicht feststellen.

Der Zeuge What in seiner Aussage (Bl. 294 296 der Akte L 2 RA 14/03) bestätigt, dass im R "in Berlin" aus in den übrigen Kombinatsbetreiben hergestellten Baugruppen, Geräten und Anlagen "überwiegend" Anlagen "zusammengefügt" worden seien, so dass allenfalls unter dem Gesichtspunkt der mehr oder minder schematischen Montage eine massenhafte Industriegüterproduktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG in Betracht kommt. Eine solche lässt sich aber, worauf noch näher einzugehen sein wird, gerade nicht feststellen.

Der Zeuge What in seiner Aussage (Bl. 224 R, Bl. 225 der Akte L 8 R 53/05) lediglich bekundet, dass der Rauf die Erzeugnisse anderer Kombinatsbetriebe zurück gegriffen habe und "das Ende der Produktionskette" gewesen sei; er habe im wesentlichen die Aufgabe gehabt, die verschiedenen Baugruppen "zusammen zu schalten und danach zur finalen Inbetriebnahme zu führen". Konkretere Angaben, aus denen sich etwas zum Hauptzweck des RVB entnehmen ließe, hat der Zeuge nicht gemacht.

Ähnlich hat der Zeuge E zur Tätigkeit des Rbekundet (Bl. 223 R, Bl. 224 der Akte L 8 R 53/05), dass die verschiedenen Komponenten für die EDV wie z. B. den K 1840 in unterschiedlichen Betrieben – des Kombinates – gefertigt und beim R "zu einem gebrauchsfertigen Produkt zusammengeführt" worden sei. Auch hieraus lässt sich zum Hauptzweck der unternehmerischen Tätigkeit des R nichts entnehmen. Seine Angabe, maßgebend sei die Kennziffer der industriellen Warenproduktion, hilft nicht weiter. So hat er ausgeführt, hierzu hätten auch die Arbeiten des "technischen Kundendienstes" gehört, dessen Aufgabe es gewesen sei, die Anlagen in der letzten Betriebsstufe betriebsfähig zu machen, z.B. durch Einspielen von Software.

Aus den schriftlichen Angaben des Dr. D J (Bl. 8 der Akte S 5 RA 35/01), Dr. G Sch (Bl. 40 der Akte S 5 RA 35/01), H S (Bl. 41 der Akte S 5 RA 35/01) und des Dr. E B (Bl. 42 der Akte S 5 RA 35/01) ergibt sich, soweit überhaupt über die Behauptung, dass es sich bei dem R um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe, die Vielfalt der Aufgaben des R, wie sie auch in dem Beitrag der Autoren des Beitrages-R(S. 16, 22) zum Ausdruck kommt, ohne dass sich daraus eine dem R das Gepräge gebende Tätigkeit feststellen ließe. Nach diesem Beitrag war der R"für die Sicherung der Finalproduzentenfunktion der Rechentechnik des VEB Kombinates Rin den Nordbezirken der DDR (Berlin, Potsdam, Frankfurt/Oder, Magdeburg, Schwerin, Rostock, Neubrandenburg) und in den zugeordneten Exportländern verantwortlich" sowie "Leitbetrieb für Inlandabsatz und Technik der Finalproduktion"; als "spezielle Leistungen" des R werden angeführt: "- Finalproduktion und Hauptauftragnehmer für die Rechnersysteme K 1840/K 1845 - Entwicklung und Produktion von Bildschirmsystemen BVS A 6471/2/3 - Entwicklung und Produktion von Radios u. a. Konsumgütern sowie - Anwenderlösung Projekt VEGA im Rahmen des Interkosmosprogramms zur Sofortauswertung der anlässlich des Vorbeifluges des Halley-Kometen im Jahre 1986 aufgenommenen Bilder in Moskau auf der Basis der Bildverarbeitungssysteme BVS A 6471/2/3 - PC-basierte Anwenderlösung auf dem Gebiet der Medizin und der Werkstoffprüfung - Anwenderlösung Fahrkartenreservierung und –verkauf für die Busbahnhöfe in der UdSSR auf der Basis K 1630 - Anwenderlösung Prozesssteuerung und Überwachung Schwerölaufspaltung im PCK S in Zusammenarbeit mit dem japanischen Lieferanten der Prozesstechnik auf der Basis K 1630 sowie speziell entwickelter Warenterminals - Anwenderlösung Konferenzerstellungs- und bearbeitungssystem für das RGW in Russisch auf der Basis eines PC 1715-Netzes - Anwenderlösung Errichtung eines Computerkabinetts im Jahre 1984 an der Spezialschule Heinrich Hertz in Berlin auf der Basis von 10 Robotron Kleincomputern gekoppelt mit 10 portabelen Robotron Farbfernsehern als Pilotlösung - Schulungszentrum Hard- und Software für Mikroprozessortechnik."

Selbst wenn den Aussagen der Zeugen K und Dr. S wie auch den Angaben des Klägers und Berufungskläger in dem Verfahren S 10 RA 1710/03 - L 8 R 53/05, der in der öffentlichen Sitzung des 8. Senats vom 21. März 2012 ausgeführt hatte, dass – neben der Radioproduktion, die für sich genommen nur eine untergeordnete Rolle innerhalb des R gespielt habe und neben der Produktion von Geräten der mittleren Datentechnik wie z. B. Klein- und Prozessrechnern, die nicht zu einem Überwiegen im Sinne eines Produktionsbetriebes geführt hätten – "entscheidender Wert" im Sinne des Hauptzwecks des R die Produktion des K 1840 gewesen sei, ebenso gefolgt würde wie den Angaben des Zeugen Dr. S (Bl. 65 der Akte S 9 RA 398/03), wonach der R noch am 30. Juni 1990 jährlich mehr als 250 Datenverarbeitungsanlagen mit dem Produktnamen "RVS K 1840" montiert haben sollte und diese Anzahl noch als "massenhaft" bewertet, war der R an diesem Tage kein Produktionsbetrieb im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BSG. Denn die elektronischen Datenverarbeitungsanlagen K 1840 sind aus den weitgehend nicht im R hergestellten Vorprodukten nicht "mehr oder weniger schematisch", sondern nach den Bedürfnissen und Vorgaben der Kunden montiert worden, so dass der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten dem R sein Gepräge gegeben hat.

So hat der Zeuge Dr. S bei seiner Vernehmung vom 21. September 2004 (Bl. 61 der Akte S 9 RA 398/03) erklärt, dass die Anwender eine auf ihre Bedürfnisse abgestellte Anlage erwerben wollten und es eines "Repräsentanten bedurft habe, der das Finalprodukt auf ihre Bedürfnisse abgestimmt" habe. In seiner Vernehmung vom 14. Dezember 2004 (Bl. 297 der Akte L 2 RA 14/03) hat er bekundet, dass ausgehend von einem Grundrechner Typ K 1840 die Rechner "entsprechend den kundenspezifischen Erfordernissen konfiguriert" worden seien. Auch der Zeuge V E (Bl. 223 R, Bl. 224 der Akte L 8 R 53/05) hatte bei seiner Vernehmung vom 21. März 2012 erklärt, dass es zwar einen "Vertrieb" im marktwirtschaftlichen Sinne nicht gegeben habe, weil entsprechend den vorgegebenen Stückzahlen eine Verteilung an die (Abnehmer-)Betriebe vorgenommen worden sei, die auf der Nachfrageseite im Besitz von Bilanzanteilen gewesen seien; er hat aber darüber hinaus auch bekundet, dass eine genaue Spezifizierung eines Produkts der Nachfragebetrieb bereits bei der Erstreitung seiner Material- und Ausrüstungsbilanzanteile habe absichern müssen, wobei bei der späteren Lieferung Änderungen nicht mehr möglich gewesen seien. Daraus wird deutlich, dass eine Spezifizierung der einzelnen Datenverarbeitungsanlage vor der Auslieferung der jeweiligen Anlage stattgefunden hat, orientiert am Kundenwunsch bezüglich der Zusammensetzung einzelner Baugruppen zu der elektronischen Datenverarbeitungsanlage. Dies widerspricht gerade dem Bild einer immer wiederkehrenden schematischen Zusammensetzung der Einzelteile zu einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage.

Dies ergibt sich darüber hinaus auch aus der Aussage des Zeugen Dr. W (Bl. 224 R, Bl. 225 der Akte L 8 R 53/05). Dieser betont die "Komplexität des Finalprozesses" und bewertet diesen als "postfordistisches Produktionsmodell des Toyotismus" - also gerade nicht im Sinne eines "fordistischen Produktionsmodells". Die für den R montierten Vorstufen der elektronischen Datenverarbeitungsanlage seien zwar entsprechend bestimmten Standards auf der jeweiligen Produktionsstufe vorgeprüft worden – dies habe im Ergebnis aber nicht die einwandfreie Funktion der gesamten Anlage garantiert. Die für den R wesentliche Aufgabe habe darin bestanden, die verschiedenen Baugruppen zusammenzuschalten und danach "zur finalen Inbetriebnahme" zu führen. Diese abschließende Prüfung habe hoch qualifizierte Teams erfordert, die in der Lage gewesen seien, mit maschinenorientierten Systemkomponenten und problemorientierten Systemkomponenten die komplexe Funktion des Finalprodukts zu "bewerten". Diese Prüfarbeiten hätten zirka drei bis vier Wochen, bis das Produkt auslieferungsfähig gewesen sei, gedauert. Anschließend hätten die Anlagen wegen ihrer Größe wieder auseinander genommen und mit Spezial Lkws zum Abnehmer transportiert werden müssen; dort seien sie durch den vor Ort befindlichen Betrieb wieder zusammengebaut worden. Was daran Massen- oder Einzelproduktion sei, könne von ihm verbindlich nicht gesagt werden. Der Zeuge beschreibt insoweit gerade einen jeweils individuellen, komplexen "Zusammenbau" der Anlagen, was einem rein schematischen Herstellen widerspricht.

Darüber hinaus wird in dem mit "Die ökonomischen Ergebnisse des Jahres 1989" überschriebenen Artikel im "Mitteilungsblatt für die Werktätigen des VEB R-Vertrieb B" (Bl. 72 der Akte S 5 RA 35/01 - L 2 RA 14/03) durchaus differenziert zwischen einerseits von dem "Büromaschinen- und Druckervertrieb einschl. Systemlieferung K 1840" und andererseits wird erwähnt, dass die "erforderlichen Radios" nicht hätten "produziert" werden können. Auch in einer vom VEB Kombinat R, Büro des Generaldirektors erstellten "Informationsmappe zum VEB Kombinat R", Stand: Januar 1988, wird differenziert zwischen "Vertrieb" einerseits und "Produktion" des R andererseits. Denn dort heißt es (Bl. 56 der Akte S 9 RA 3399/01, im Beistück):

"Dem VEB R-Vertrieb B obliegt der Vertrieb und der Service der Erzeugnisse der Rechen-, Schreib- und Datenverarbeitungstechnik des VEB Kombinat R in der Hauptstadt und den Nordbezirken der DDR und der Vertrieb des Superminirechners RVS K 1840 in der gesamten DDR. Er produziert selbst digitale Bildverarbeitungssysteme und als Konsumgüter Mono Heimfunkgeräte. Darüber hinaus ist er Exporteur von Kleinrechensystemen und darauf aufbauende problemorientierte Komplexe und vom Bildverarbeitungssystemen."

Ob, wie in der "Informationsmappe zum VEB Kombinat R", aber auch in den Aussagen der Zeugen K, E und Dr. S behauptet, digitale Bildverarbeitungssysteme und Mono Heimfunkgeräte "produziert" worden sind, kann dahinstehen. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, haben diese "Produktionen" dem R nach "Aufwand und Umsatz" nicht das Gepräge gegeben. Denn nur eine Minderzahl der Beschäftigten war an der Produktion dieser Geräte beteiligt (so die Zeugen K und E in dem Verfahren S 9 RA 3399/01, aber auch die Aussage des Zeugen Dr. S dort). Dies hat im Übrigen auch der Kläger in dem Verfahren mit dem Az.: L 8 R 53/05 eingeräumt.

Dass die "Produktion" von Bildverarbeitungssystemen dem R das Gepräge gegeben habe, ist im Übrigen weder vom Kläger vorgetragen worden noch aus den sonstigen bei gezogenen Unterlagen ersichtlich.

Der Einwand des Klägers, schon die Tatsache, dass der R einem Industrieministerium unterstellt und statistisch dem Wirtschaftsbereich Industrie zugeordnet gewesen sei, erweise, dass der R ein Produktionsbetrieb gewesen sei, ist nicht stichhaltig. Denn diese Tatsachen sind keine unwiderleglichen Nachweise, sondern lediglich Beurteilungskriterien (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R, veröffentlicht in juris), die gegenüber den sonstigen berücksichtigten Beweismitteln nicht ins Gewicht fallen.

Soweit der Kläger einwendet, dass auch Kraftfahrzeuge nach Kundenwünschen hergestellt würden und diese Herstellung Produktion sei, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Tatsache, dass im R "für einige Nutzer auch besondere Anwendersoftware entwickelt und hergestellt" worden ist (Seite 6, 22 des Beitrag-R) spricht gegen den Vergleich mit der Kfz Produktion. Denn bei dieser kann der Käufer in der Regel nur zwischen vom Hersteller angebotenen Fahrzeugtypen und den vom Hersteller angebotenen Ausstattungsmerkmalen (Farbe etc.) wählen. Eine (Einzel )Anfertigung eines für den Betrieb des Kfz wichtigen Einzelteils, wie es die spezielle Anwendersoftware im EDV-Bereich darstellt, findet in der Kraftfahrzeugproduktion nach nicht statt.

Der R war auch kein gleichgestellter Betrieb, was sich ausschließlich nach dem Versorgungsrecht der DDR beurteilt und keiner erweiternden Auslegung zugänglich ist. Der maßgebliche § 1 Abs. 2 der 2. DB zur AVtI VO lautet:

Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen, Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinenausleihstationen und volkseigene Güter, Versorgungs¬betriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien.

Ein Hauptzweck im Sinne einer der genannten Einrichtungen, insbesondere auch auf dem Gebiet der "Forschung", lässt sich nicht feststellen. Allein die Angabe des Zeugen Dr. S in der Sitzungsniederschrift vom 21. September 2004 (S 9 RA 398/03); es sei auch Entwicklung und Forschung betrieben worden reicht nicht aus, um Forschung als Hauptzweck festzustellen.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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