L 8 U 1970/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 13/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1970/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Der nach einer neuen Gefahrtarifsatzung erlassene Veranlagungsbescheid des Unfallversicherungsträgers wird nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens der Anfechtungsklage des Unternehmers gegen einen Veranlagungsbescheid für eine vorhergegangene Gefahrtarifperiode einer abgelaufenen Gefahrtarifsatzung.

2. Die Regelung im „1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft“ zur Gefahrtarifstelle 500 ist nicht unwirksam; die darin vorgenommene Abgrenzung des Gewerbezweigs „Abbruch, Entsorgung, Sprengung“ verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und berücksichtigt hinreichend versicherungsrelevante Tatsachengrundlagen und versicherungsmathematische Grundsätze.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2011 wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin von der Beklagten ab dem Beitragsjahr 01.01.2006 zu Recht nach der Gefahrtarifstelle 500 (Abbruch, Entsorgung, Sprengung) veranlagt worden ist.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Abbrucharbeiten, Erdarbeiten und Verwertung (Recycling) mit eigenem Fuhrpark vornimmt. Vor der hier streitigen Veranlagung war die Klägerin zuletzt als Mitgliedsunternehmen der T., einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, nach deren ab 01.01.2003 gültigem Gefahrtarif, mit Veranlagungsbescheid vom 04.02.2003 unter der Gefahrtarifstelle 26010 (Abbruch, Enttrümmerung) mit der Gefahrklasse 8,5 und unter der Gefahrtarifstelle 28130 (Büroteil) mit der Gefahrklasse 1,0 veranlagt worden.

Nach Fusion von acht B.-Berufsgenossenschaften trat mit Wirkung zum 01.05.2005 die Fusionssatzung der Beklagten in Kraft. Danach galt bis zum 31.12.2005 in dem bisherigen Zuständigkeitsbereich der T. deren zum 01.01.2003 in Kraft getretener Gefahrtarif weiter.

Auf der Grundlage einer am 26.08.2005 und 27.09.2005 durchgeführten Lohnbuchprüfung ging die Beklagte davon aus, dass die Klägerin überwiegend Abbrucharbeiten durchführe (Prüfbericht vom 04.10.2005). Mit Bescheid vom 09.12.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2006 nach dem "1. Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, gültig ab 01.01.2006" unter der Gefahrtarifstelle 500 (Abbruch, Entsorgung, Sprengung) mit Gefahrklasse 22,9 bzw. 27,3 ab 01.01.2007 und unter der Gefahrtarifstelle 900 (Büroteil des Unternehmens) mit Gefahrklasse 1,0.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der nicht begründet wurde. Die Klägerin hatte auch gegen den Beitragsbescheid der T. vom 25.04.2005 zum Beitragsjahr 2004, gegen Beitragsänderungsbescheide jeweils vom 05.10.2005 betreffend die Beitragsjahre 2000, 2001, 2003 und 2004 sowie gegen die Ablehnung der beantragten Überweisung an die Bezirksverwaltung Böblingen Widerspruch eingelegt. Mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 23.02.2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche zurück. Hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Veranlagungsbescheid wurde ausgeführt, die im Unternehmen der Klägerin schwerpunktmäßig ausgeführten Tätigkeiten unterfielen der Gefahrtarifstelle 500. Die Voraussetzungen für eine gesonderte Veranlagung weiterer Unternehmensteile seien weder nachgewiesen noch im Rahmen der Lohnbuchprüfung festgestellt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten nach vorausgegangener fehlerhafter Zusendung erneut am 30.11.2006 zugesandt.

Die Klägerin erhob am Dienstag, dem 02.01.2007, Klage vor dem Sozialgericht Ulm mit dem Begehren die Beitragsbescheide und den Veranlagungsbescheid aufzuheben sowie die Überweisung vorzunehmen.

Die Beteiligten schlossen in dem gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 27.11.2006 (S 2 U 2690/04) gerichteten Berufungsverfahren L 6 U 1756/07 am 10.12.2009 vor dem Landessozialgericht einen Vergleich auch über den gleichzeitig noch vor dem Sozialgericht anhängigen Streitstoff, wovon der angefochtene Veranlagungsbescheid aber ausgenommen worden war.

Gegen den noch streitigen Veranlagungsbescheid trug die Klägerin zuletzt vor, die Beiträge seien ab 01.01.2006 von 8,5 auf 22,9 und ab 01.01.2007 auf 27,3 gestiegen. Hierin liege ein Verstoß gegen die Regel, eigenständige Gefahrtarifstellen im Rahmen einer Gefahrklasse zu bilden. Es werde nicht berücksichtigt, dass der gesamte Fuhrpark/Transport und die Recyclinganlage geringere Gefahren aufweise. Außerdem dürfe eine Gefahrenklasse, wie die Sprengung, nicht mit einbezogen werden, denn sie habe keine Beschäftigten mit entsprechender Sachkunde und beauftrage, sofern es erforderlich wäre, sachkundige Fremdfirmen. Sie sei zuvor bei der ehemaligen Württembergischen B.-BG fremd veranlagt gewesen, die einen wesentlich geringeren Satz als die ehemalige T.-BG gehabt habe. Der jetzt einheitliche Satz berücksichtige nicht die unterschiedlichen Risiken beim Abbruch im Hochbau und Abbruch im T ... Ferner sei das Übermaßverbot verletzt, denn die Gefahrklassen dürften nur stufenweise angehoben werden. Bestritten werde, dass der Beklagten überhaupt Unterlagen vorliegen, die eine so hohe Anpassung rechtfertigen könnten.

Mit Urteil vom 11.03.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Aufstellung des Gefahrtarifs Hilfsunternehmen unter die Hauptunternehmen gefasst habe. Der ihr zustehende Gestaltungsspielraum sei nicht überschritten worden. Eine getrennte Veranlagung des Fuhrparks der Klägerin könne nicht beansprucht werden. Eine organisatorische Trennung sei auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass der Bemessungsfaktor von 8,5 auf 22,9 angestiegen sei. Zwar liege darin ein deutlicher Anstieg, jedoch sei zu berücksichtigen, dass rechnerisch ein Faktor von 27,3 ermittelt sei und zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung für das Jahr 2006 eine Absenkung auf 22,9 vorgenommen worden sei. Außerdem handele es sich um den 1. Gefahrtarif der zusammengeschlossenen B.-Berufsgenossenschaften, der eine Neuordnung der Tarifstellen erfordert habe. Dem Unfallversicherungsträger sei grundsätzlich ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln abzuhelfen.

Das Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 26.03.2010 zugestellt worden mit dem gerichtlichen Hinweis vom 23.03.2010, erst nach Ende der mündlichen Verhandlung am 11.03.2010 sei festgestellt worden, dass der mitwirkende ehrenamtliche Richter Dr. Q. (Q) nicht vereidigt gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte hat sich mit Schriftsatz vom 08.04.2010 an das Sozialgericht hierzu geäußert.

Mit Veranlagungsbescheid vom 25.11.2011 ist die Klägerin ab 01.01.2012 zur Gefahrtarifstelle 500 "Abbruch und Entsorgung" nach Gefahrklasse 20,74 und zur Gefahrtarifstelle 900 "Büroteil des Unternehmens" nach Gefahrklasse 0,44 veranlagt worden.

Die Klägerin hat über ihren Prozessbevollmächtigten am 23.04.2010 beim Landessozialgericht Berufung gegen das Urteil eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, die Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten seien überschritten. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Insbesondere im umfangreichen Bereich von Recycling, der ca. 25 % ausmache und an sich zur T.-Berufsgenossenschaft gehöre, seien die Risiken wesentlich geringer als beim Abbruch, hierzu komme noch der Transport mit Werkstatt mit ca. 25 %, der ebenfalls zur T.-Berufsgenossenschaft zu rechnen sei. Diese Leistungen prägten das Hauptunternehmen, was den Abbruch überwiege. Hinzu komme, dass im Abbruch auch noch Erdbau- und Straßenbauleistungen enthalten seien. Ferner sei das Übermaßverbot verletzt. Es lägen gewaltige Gebührensprünge vor. Ihre Übergangsregelung, wonach bei einer rechnerischen Mehrbelastung von mindestens 50 % die Gefahrklassen pro Jahr nur in Stufen ansteigen dürften, habe die Beklagte nicht eingehalten. Eine Verzahnung mit der Sprengung sei nicht sachgerecht. Im Bereich des Abbruchs sei ihr kein Unternehmen bekannt, das auch sprengen würde. Es werde bestritten, dass Sprengungen kein höheres Gefährdungsrisiko aufweisen. Nach Presseberichten der Beklagten seien die Unfallzahlen in den Jahren 2009 und 2011, insbesondere bei den schweren und tödlichen Unfällen, deutlich zurückgegangen, was sich auf die Beitragslast auswirken müsse.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.03.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 09.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2006 sowie den Veranlagungsbescheid vom 25.11.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

Der streitgegenständliche Gefahrtarif sei von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden. Dem Genehmigungsverfahren sei eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit vorausgegangen. Vorliegend lasse sich festhalten, dass nach wie vor Abbruch und Entsorgung den Schwerpunkt des Unternehmens der Klägerin darstelle. Bei der vor Ort durchgeführten Lohnbuchprüfung habe sich ergeben, dass ganz überwiegend Abbrucharbeiten vorgenommen worden seien. Die als Kraftfahrer tätigen Arbeitnehmer seien für die Baustellen des Unternehmens tätig, der in der Werkstatt Beschäftigte repariere auch Baumaschinen des Unternehmens. Seine ausschließliche Beschäftigung in der Werkstatt könne auch nicht bestätigt werden. Auch die erneute Lohnbuchprüfung am 21.04. und 06.05.2009 habe den Unternehmensschwerpunkt Abbrucharbeiten und Entsorgung ergeben. Das Übermaßverbot sei nicht verletzt. Es seien Übergangsvorschriften geschaffen, wodurch die Erhöhung von Gefahrklassen abgestuft erfolge. Die von der Klägerin erwähnte Deckelung der Steigerung auf 50 % sei auf die rechnerische Belastungsziffer bezogen gewesen, nicht auf die vorangegangene Gefahrklasse. Das Übermaßverbot sei beachtet worden. Die Beklagte hat den Veranlagungsbescheids vom 25.11.2011 vorgelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass der Veranlagungsbescheid vom 25.11.2011 gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei.

Mit richterlicher Verfügung vom 11.07.2012 ist der Klägerin unter Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung neuen Vorbringens nach § 106a Abs. 3 SGG aufgegeben worden, sich zur Erweiterung des Streitgegenstandes und zur verfahrensrechtlichen Problematik binnen Frist zu äußern.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten (in Kopie) und die Akte des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Dagegen ist die Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid vom 25.11.2011 unzulässig.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Veranlagung der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2011 aufgrund des Veranlagungsbescheids vom 09.12.2005. Der Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 25.11.2011, über den der Senat auf Klage zu entscheiden hatte, ist nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, über den der Senat auf Klage zu entscheiden hätte; denn er ändert oder ersetzt nicht den streitgegenständlichen Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005. Veranlagungsbescheide gründen auf der jeweils vom Unfallversicherungsträger beschlossenen Gefahrtarifsatzung, die längstens eine Geltungsdauer von 6 Kalenderjahren hat (§ 157 Abs. 5 SGB VII). Die Wirksamkeit des Veranlagungsbescheids ist damit begrenzt auf den Gefahrtarifzeitraum, der mit Erlass einer neuen Gefahrtarifsatzung oder nach Ablauf der gesetzlichen Geltungsdauer der Satzung endet (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 159 Rn. 3 und § 157 Rn. 11 m.w.N.). Dies kommt auch im angefochtenen Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 zum Ausdruck, in dem das Unternehmen ausdrücklich "für die Gefahrtarifperiode" veranlagt wird. Der auf die neue, ab 01.01.2012 geltende Gefahrtarifsatzung gestützte Veranlagungsbescheid vom 25.11.2011 ändert daher den streitigen Bescheid nicht, denn Regelungen für den Tarifzeitraum bis 31.12.2011 sind nicht getroffen, und ersetzt den ab 01.01.2012 bereits von Gesetzes wegen unwirksam gewordenen Bescheid auch nicht (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2003, – L 7 U 3580/01 –, Juris).

Insoweit war das gemäß § 96 SGG als Klage geltende Begehren als unzulässig abzuweisen.

Vorliegend konnte der Senat auch in der Sache entscheiden, obgleich aus den Akten der einen absoluten Revisionsgrund darstellende Verfahrensfehler einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung (§ 202 SGG i.V.m. § 547 Nr. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-) des Spruchkörpers des Sozialgerichts ersichtlich ist. An dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts wirkte der bis zum Ende der mündlichen Verhandlung nicht nach § 45 Abs. 2 Richtergesetz (DRiG) vereidigte ehrenamtliche Richter Dr. Q. mit, was nach verbreiteter Meinung eine fehlerhafte Besetzung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers begründet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 162 Rz. 10a m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 05.11.2004 – 10 B 6/04NJW 2005,771; BGH, Urteil vom 22.05.2003 – 4 StR 21/03BGHSt 48,290; andere Auffassung wohl Fürst/Mühl/Strotz u.a., Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd. 1 Teil 4, DRiG T § 45 Rdz. 6). Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG (in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2011) kann das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Eine umfangreiche Beweisaufnahme ist wegen des Verfahrensmangels nicht erforderlich, weshalb bereits der ermessenseröffnende Tatbestand der abschließenden Regelung zur Zurückverweisung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. § 159 Rz. 2) nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgebenden Rechtslage nicht erfüllt ist.

Selbst wenn auf die zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 23.04.2010 geltende Regelung abzustellen wäre -danach reichte ein wesentlicher Verfahrensmangel aus –, könnte der Senat im Rahmen des dann eröffneten Ermessens von der Zurückverweisung absehen. Das berufungsgerichtliche Ermessen ist auch bei Verfahrensfehlern des Sozialgerichts von erheblichem Gewicht nicht eingeschränkt und grundsätzlich kommt prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. BSG Urteil vom 11.12.2002 – B 6 KA 1/02. R –, SozR 3-2500 § 106 Nr. 57). Im Interesse einer zügigen Erledigung, die im Zweifel ein vorzugswürdiger Ermessensgesichtspunkt ist (BSG Urteil vom 11.12.2002 a.a.O.), und unter Berücksichtigung, dass die Klägerin auf die Rüge dieses Verfahrensfehlers wirksam verzichtet hat, wäre eine Zurückverweisung nicht zwingend geboten. Die fehlende Vereidigung des mitwirkenden ehrenamtlichen Richters ist der Klägerin ausweislich des Schriftsatzes vom 08.04.2010 an das Sozialgericht vor Berufungseinlegung bekannt gewesen. Im Berufungsverfahren wird eine Verfahrensrüge nicht erhoben und die auf § 159 SGG a.F. gestützte Zurückverweisung nicht beantragt. Die Berücksichtigung des – konkludenten – Rügeverzichts wäre auch nicht ermessensfehlerhaft, denn die auf diesen Gründen beruhende Besetzungsrüge ist disponibel. Zwar soll auf die Einhaltung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts grundsätzlich nicht verzichtet werden können (so BVerwG Urteil vom 05.11.2004 a.a.O.) bzw. sind Verstöße gegen das grundrechtsgleiche Recht nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) durch willkürliche oder nur rechtsirrtümliche Verletzung auch einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften für die Prozessbeteiligten nicht disponibel und von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 23.08.2007 – B 4 RS 2/06 R –, Sozialrecht 4-1500 § 155 Nr. 1). Der Grundrechtsschutz des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstreckt sich auf die personelle Besetzung des Spruchkörpers, weshalb nur die Rüge von Verfahrensverstößen mit Auswirkung auf Bestellung zum Richteramt, Amtsübertragung und Spruchkörperbesetzung der Beteiligtendisposition entzogen ist (andere Auffassung BVerwG a.a.O.). In diesem Rechtsstreit hat der rechtlich zutreffende Spruchkörper entschieden und die gegebene Kammerbesetzung des Sozialgerichts war nicht fehlerhaft. Der ehrenamtliche Richter Q war für den Sitzungstag zutreffend herangezogen worden. Der Fehler bei der Amtseinführung mit der unterbliebenen Vereidigung verletzt nicht den Kern der Bestellung zum ehrenamtlichen Richter und der Übertragung des Amtes, was eine Grundrechtsverletzung nicht trägt. Vielmehr sind Besetzungsrügen wegen der eine Amtsentbindung des ehrenamtlichen Richters rechtfertigenden Umstände schon immer ausgeschlossen gewesen, weil die Nichtdurchführung eines Amtsentbindungsverfahrens nicht für eine Zurückverweisung oder als Revisionsgrund gerügt werden kann (§ 22 Abs. 1 S. 4 SGG), d.h. selbst die die Zuverlässigkeit/Objektivität eines ehrenamtlichen Richters betreffenden Ausschlussgründe nach § 17 SGG sind in diesem Fall von Gesetzes wegen der Rüge entzogen. Mit diesen Fällen ist auch die fehlerhafte Amtseinführung vergleichbar, bei der Auswirkungen auf die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter bei der Entscheidungsfindung wegen der fehlenden Vereidigung durch den dadurch unterbliebenen nachdrücklichen Hinweis auf die Pflichten eines ehrenamtlichen Richters unterstellt werden.

Das Sozialgericht hat die Klage rechtlich zutreffend abgewiesen, denn der angefochtene Veranlagungsbescheid vom 09.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers (§ 33 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IV-) setzt hierzu gem. § 157 Abs. 1 SGB VII als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen sind (§ 157 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VII). Die Gefahrtarifsatzung ist durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unbeschadet der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 158 Abs. 1 SGB VII) überprüfbar, allerdings nur daraufhin, ob sie mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Den Unfallversicherungsträgern ist als ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt vielmehr den Unfallversicherungsträgern. Bei komplexen und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist ihnen ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen (BSGE 91, 128). Die Bildung des Gefahrtarifs muss allerdings auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (vgl. insgesamt BSG Urteil 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R -, juris).

Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII). Durch gefahrtarifliche Bestimmungen hervorgerufene Härten im Einzelfall sind als Folge der zulässigen generalisierenden versicherungsrechtlichen Regelungen hinzunehmen (BVerfG SozR 2200 § 734 Nr. 2). Unter den Gefahrtarifstellen sind nach unterschiedlichen Zuordnungsmerkmalen Risikogemeinschaften zu bilden. Nach der Natur der Sache kommen die Tarifarten des Gewerbezweigtarifs oder des Tätigkeitstarifs in Betracht. Die unter diesen Gesichtspunkten gebildete Anzahl und die Arten der Gefahrtarifstellen stehen im Ermessen der Vertreterversammlung. Alle Tarifarten sind grundsätzlich zulässig, jedoch gebührt dem Gewerbezweigtarif der Vorrang, weil er am besten die gewerbetypischen Gefahren und damit das gemeinschaftliche Risiko erfasst (BSG SozR 2200 § 734 Nr. 1). Aber auch gemischte Tarife in diesem Sinne sind grundsätzlich zulässig (BSG a.a.O.). Es besteht keine Verpflichtung, für abgrenzbare Unternehmensteile eines zugehörigen Unternehmens nach den dort jeweils verrichteten Tätigkeiten (z.B. Büro/Verwaltung) verschiedene Gefahrtarifstellen einzurichten; diese Ausnahme vom Gewerbezweigtarif ist zwar möglich, nicht aber verbindlich (vgl. BSG v. 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - SozR 4-2700 § 157 SGB VII Nr. 1).

Nach diesen Grundsätzen ist der angefochtene Veranlagungsbescheid der Beklagten nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil nach der inzident vorzunehmenden Prüfung der dem Bescheid zu Grunde liegende Gefahrtarif rechtlich unwirksam wäre. Der 1. Gefahrtarif der (fusionierten) Berufsgenossenschaft der B. ist formell rechtmäßig. Er verstößt auch nicht gegen höherrangige gesetzliche Regelungen und Rechtsgrundsätze und berücksichtigt hinreichend versicherungsrelevante Tatsachengrundlagen und versicherungsmathematische Grundsätze. Die Beklagte hat Gefahrtarifstellen nach dem Gewerbezweigprinzip gebildet und mit der Gefahrtarifstelle 900, die jeweils den Büroteil der veranlagten Unternehmen erfasst, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach dem Tätigkeitsprinzip die Gefährdungsrisiken der Mitgliedsunternehmen in einer zulässigen Mischform erfasst.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der unter der Gefahrtarifstelle 500 gebildete Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengung" in dem vom Senat überprüfbaren Umfang nicht rechtsfehlerhaft. Der Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen, was voraussetzt, dass eine sachgerechte Abgrenzung der Gewerbezweige vorgenommen worden ist.

Da ein Gewerbezweigtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken; sie muss vielmehr alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbeziehen. Angesichts der Entwicklung der modernen Arbeitswelt zu einer Dienstleistungsgesellschaft verlieren zwar klassische technologische Abgrenzungskriterien immer mehr an Bedeutung; dennoch bleiben für den Zuschnitt der Gewerbezweige auch unter den veränderten Bedingungen der heutigen Berufs- und Arbeitswelt in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend, da sie den zuverlässigsten Aufschluss über die Unfallgefahren in den Unternehmen geben (BSG Urteil vom 28.11.2006 a.a.O.).

Bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen muss jedoch geprüft werden, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweiges erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, sachgerechteren Gewerbezweig folgen (BSG Urteil vom 28.11.2006 a.a.O.).

Letztlich kann eine Unternehmensart nur dann als eigenständiger Gewerbezweig geführt werden, wenn die zugehörigen Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (vgl. § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) berechnen lässt. Ist das nicht der Fall, müssen die in Rede stehenden Unternehmen einem der im Gefahrtarif ausgewiesenen Gewerbezweige zugeordnet werden. Nach der einem Gewerbezweigtarif innewohnenden Logik kommen dafür aber nur solche Gewerbezweige in Betracht, die technologisch verwandte Unternehmensarten beherbergen. Eine Zuordnung zu einem Gewerbezweig ohne Berücksichtigung technologischer Zusammenhänge allein nach der Größe des Unfallrisikos scheidet dagegen aus, weil damit das Gewerbezweigprinzip aufgegeben und die Systementscheidung für einen Gewerbezweigtarif konterkariert würde. Insofern unterscheiden sich die Vorgaben für die Zusammenstellung von Gewerbezweigen von denjenigen bei der Bildung der Gefahrtarifstellen, in denen durchaus auch technologisch nicht verwandte Gewerbezweige nach dem Belastungsprinzip zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefasst werden können. Steht dagegen die nach technologischen Kriterien richtige Zuordnung fest, kann die Zugehörigkeit zu dem Gewerbezweig nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation in Frage gestellt werden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle gewerbezweigzugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (BSG Urteil vom 28.11.2003, a.a.O. m.H. auf BSG SozR 2200 § 734 Nr 1; BVerfG SozR 2200 § 734 Nr. 2; BSG Urteil vom 21.08.1991 - 2 RU 54/90 = NZA 1992, 335).

Nach diesen Maßstäben ist nicht zu erkennen, dass der Abbruch von Bauwerken im Hoch- oder Tiefbau und die damit anfallenden Vor- und Nachbereitungsarbeiten, wie Rückbau von Bauwerken, Betrieb von Anlagen zur Reinigung und Aufbereitung von Bauschutt und Abbruchmaterial, Entsorgung von Abbruchmaterial etc. (vgl. Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender des 1. Gefahrtarifs der Beklagten, Stand Januar 2009, Erläuterung "Teilbereich" der Tarifstelle 500) technologisch nicht miteinander zu vereinbarende Unternehmensgegenstände erfasst. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich hierbei auch nicht um eine Zusammenfassung mehrerer Gewerbezweige, wie etwa Recycling und/oder Transport gesondert neben Abbruch, unter einer Gefahrtarifstelle. Es steht noch in dem vom Gericht nicht zu überprüfenden weitgefassten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Beklagten, wenn sie die Unternehmen, die mit Abbruchmaterial aus Bauwerken und damit zusammenhängenden Techniken umgehen, einem übergreifenden Gewerbezweig "Abbruch" zuweist. Eine Streubreite der Gefährdungsrisiken jeweils nach Ausgestaltung der Einzelunternehmen ist dem Gewerbezweigprinzip immanent. Das Betreiben von Deponien ab Beginn der Materialablagerung oder der Betrieb von Wertstoffsortieranlagen ist mit Ausnahme der Entsorgung von Bauschutt und Gefahrstoffen aus Bauwerken dagegen nicht dem Gewerbezweig "Abbruch", sondern dem Teilbereich der Altlastenbeseitigung des Gewerbezweiges "Erd- und Straßenbau" nach Tarifstelle 300 zugeordnet, was keine Rechtsfehler erkennen lässt. Ebenso wenig ist rechtlich zu beanstanden, dass diesem Gewerbezweig Sprengungsarbeiten im Zusammenhang mit Abbruch von Bauwerken zugewiesen sind, was zwanglos noch technologisch der Umschreibung von Abbrucharbeiten zugeordnet werden kann. Abgesehen davon, dass eine höhere Unfalllast von Unternehmen, die - möglicherweise sogar nur - Sprengungen von Bauwerken ausführen, von der Klägerin lediglich behauptet wird - was aber im Hinblick auf den gültigen Sicherheitsstandard und spezielle Ausbildung ("Sprengschein") mit entsprechendem Sicherheitsbewusstsein der Beschäftigten nicht zwingend ist -, ist die Ausweisung eines gesonderten Gewerbezweigs "Sprengung" bereits nach dem Vortrag der Klägerin rechtlich nicht geboten, wenn die Klägerin selbst mit den ihr zu unterstellenden Branchenkenntnissen behauptet, ihr sei kein Sprengungen ausführendes Abbruchunternehmen bekannt. Eine nur geringe Anzahl von Spezialunternehmen rechtfertigt aus versicherungsmathematischen Gründen keinen eigenen Gewerbezweig "Sprengung" bzw. die Zuordnung zu einer passenderen Gefahrtarifstelle ist nicht möglich. Jedenfalls ist der Beklagten auch insoweit für den neu gebildeten Gewerbezweig ein angemessener Beobachtungszeitraum für etwaige Anpassungen zuzubilligen.

Entgegen den Einwendungen der Klägerin ist auch eine Zuordnung ihres Unternehmens zu einer anderen Tarifstelle rechtlich nicht geboten. Vielmehr stellt der Senat fest, dass Abbrucharbeiten der das Unternehmen der Klägerin kennzeichnende Unternehmensgegenstand sind. Dem Vorbringen der Beklagten, aus den Lohnbuchprüfungen sei ersichtlich geworden, dass ganz überwiegend Abbrucharbeiten vorgenommen werden, hat die Klägerin nicht mit überzeugenden Gründen widersprochen. Vor dem Sozialgericht hat sie Abbrucharbeiten im Hochbau mit einem Umfang von 40 % ihrer Unternehmenstätigkeit eingestuft, was sie sogar mit ihrem Berufungsvorbringen auf 50 % gesteigert hat, wenn sie nunmehr den Umfang ihrer Unternehmenstätigkeit damit beschreibt, dass Recycling 25 % und Transport, Werkstatt 25 % ausmache. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass die Tätigkeiten Recycling, Transport wie auch die Werkstattarbeiten dem Unternehmensgegenstand "Abbruch" als Vor-, Nach- und Zuarbeiten zuzuordnen sind. Nach den unwidersprochenen Feststellungen der Beklagten sind die als Kraftfahrer tätigen Arbeitnehmer auch für die Baustellen des Unternehmens tätig. Der in der Werkstatt Beschäftigte repariert auch Baumaschinen des Unternehmens. Seine ausschließliche Beschäftigung in der Werkstatt konnte nicht bestätigt werden, was aber auch eine gesonderte Erfassung des klägerischen Unternehmens in diesem Bereich unter einer anderen Tarifstelle nach dem Gewerbezweigprinzip nicht rechtfertigen könnte. Insoweit würde es sich um ein Hilfsunternehmen, das mit Reparatur der Transport- und Baumaschinenfahrzeuge dem Hauptunternehmen Abbruch dient, handeln, das rechtlich zulässig nach Teil II Nr. 2 Abs. 2 des Gefahrtarifs dem Unternehmensbestandteil des Hauptunternehmens zuzurechnen ist.

Soweit die Klägerin behauptet, bei den erfassten Abbrucharbeiten seien zu 20 % noch Erd- und Straßenbauarbeiten enthalten, begründet dies keine andere Bewertung. Erdarbeiten im Zusammenhang mit Trümmerräumung nach Abbruch sind dem Gewerbezweig der Tarifstelle 500 von vornherein zugeordnet. Von der Tarifstelle 300 erfasste Erd- und Straßenbauarbeiten, d.h. selbstständige Erdarbeiten aller Art bzw. der Bau, die Unterhaltung und der Rückbau von Straßen, Plätzen und Wegen etc. (vgl. Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender a.a.O., Tarifstelle 300), stellen ein Nebenunternehmen i.S.v. § 131 SGB VII dar, wenn sie dem Hauptunternehmen "Abbruch" nicht dienen und überwiegend eigene unternehmerische Zwecke verfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 28.11.2006 B 2 U 33/05 R, Juris; BSG Urteil vom 30.04.1991 - 2 RU 36/90 -= SozR 3 2200 § 647 Nr. 1 m.w.N.), was in Teil II Nr. 2 Abs. 3 der Gefahrtarifsatzung zutreffend geregelt ist. Aus den Lohnbuchprüfungen der Beklagten waren insoweit aber keine Tätigkeiten des klägerischen Unternehmens ersichtlich, die eine gesonderte Veranlagung unter die Tarifstelle 300 oder unter eine andere Tarifstelle erlaubt hätten. Solches ist von der Klägerin auch im Laufe des Verfahrens nicht konkretisiert worden. Vielmehr sind die im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 31.07.2012 mit den nach dortiger Ansicht zugehörigen Gefahrtarifstellen angegebenen Arbeiten: Entrümpelung des Gebäudes (Baudienstleistung nach Gefahrtarifstelle 400), Planum erstellen bzw. Ausbaggern eines Kellers nach Abbruch (Erdbau nach Gefahrtarifstelle 300) und Entfernen des Fußbodens oder anderer Einzelteile (Bauausbau nach Gefahrtarifstelle 200) gerade im Zusammenhang mit dem Abbruch eines Gebäudes erbracht, was zulässigerweise dem Gewerbezweig "Abbruch" auch dann zuzurechnen ist, wenn die Klägerin die vorausgegangenen oder nachfolgenden Abbrucharbeiten selbst nicht vorgenommen hat.

Die unter der Gefahrtarifstelle 500 des ab 01.01.2006 gültigen 1. Gefahrtarifs der Beklagten vorgenommene Veranlagung der Klägerin ist daher rechtens. Die dort ausgewiesene Gefahrklasse von 27,3 ist nicht zu beanstanden. Dass das von der Beklagten herangezogene Zahlenmaterial unrichtig ist, hat die Klägerin nicht behauptet. Ihr pauschales Bestreiten, die Beklagte habe überhaupt kein Zahlenmaterial zur Verfügung gehabt, hat dem Senat keinen Anlass gegeben, weitere Ermittlungen anzustellen. Die Beklagte hat sich notwendigerweise auf die Unterlagen von 1999 bis 2003 der noch vor der Fusion existierenden einzelnen Berufsgenossenschaften stützen können, denn alle Unternehmen der Beklagten waren zuvor bei den Einzel-Berufsgenossenschaften veranlagt und hinsichtlich der Unfalllasten und Entschädigungslasten erfasst (vgl. Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender, a.a.O. Nr. 2. Allgemeines). Konkrete Einwendungen gegen die Berechnung der Gefahrklasse aus dem Verhältnis der gezahlten Entschädigungsleistungen zu den aufgewendeten Arbeitsentgelten (§ 157 Abs. 3 SGB VII) der betroffenen Mitgliedsunternehmen sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Soweit die Klägerin zuletzt auf die Presseberichte der Beklagten über die zurückgegangenen Unfallzahlen im Jahre 2009 und 2011 abstellt, ist dies unbeachtlich, denn dies betrifft nicht den der vorliegenden Gefahrtarifsatzung zu Grunde liegenden Beobachtungszeitraum von 1999-2003. Außerdem ist die Zahl der Arbeitsunfälle nicht das entscheidende Bewertungskriterium, sondern die Höhe der aus den Versicherungsfällen resultierenden Entschädigungsleistungen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der vom Gesetzgeber vorgegebene Grundsatz nicht ein bloßes Rechenwerk ist, sondern es sich hierbei um den "Zusammenfluss rechnerischer und wertender bzw. gewichtender Faktoren" handelt, die auch nur einer eingeschränkten Überprüfbarkeit des Gerichts unterliegen (vgl. BSG Urteil vom 24.06.2003 – B 2 U 21/02R -, SozR 4-2700 § 157 Nr. 1, juris), ist nach den Darlegungen der Beklagten nicht von einer fehlerhaften Berechnung der Gefahrklasse von 27,3 bzw. für das erste Anlagejahr herabgestuft auf 22,9 auszugehen. Insbesondere kann aus der den ersten Erfahrungswerten der neu geschaffenen Gefahrtarifstellen entnommenen Datenlage für den nicht streitgegenständlichen, ab 01.01.2012 geltenden 2. Gefahrtarif nicht gefolgert werden, dass die für die Tarifstelle 500 angenommene Gefahrklasse von 27,3 zu hoch war, weil hierfür jetzt Gefahrklasse 20,74 gelte, wie die Klägerin meint.

Wie das Sozialgericht hält auch der Senat einen Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht für gegeben. Vorliegend ist auf der einen Seite die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die bisherigen acht Berufsgenossenschaften der B. aufgrund der strukturellen Änderungen in der B. mit abnehmender Zahl von Mitgliedsunternehmen bei annähernd gleich bleibender oder steigender Höhe von Entschädigungsleistungen zu einem Unfallversicherungsträger fusioniert haben. Durch die Liberalisierung des Handwerksrechts wurde eine Vermischung bisher getrennt von unterschiedlichen Unternehmen ausgeübter Gewerbe ausgelöst, was mit dem Zusammenschluss auch eine grundlegende Änderung der bisherigen Gewerbezweigsaufteilung beinhaltet hat (vgl. Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender, a.a.O. Nr. 2 Allgemeines). Dies beinhaltet zur Überzeugung des Senats eine Ausgangslage, die der Überweisung eines bislang unzutreffend einer Berufsgenossenschaft zugehörigen Mitgliedsunternehmens an eine andere Berufsgenossenschaft gleichkommt, was i.d.R. keinen Bestandsschutz für die Veranlagung und die Höhe der darauf gestützten Beitragsforderung sichert. Auf der anderen Seite ist die Einstufung in die Gefahrklasse zunächst nach Teil II Nr. 7 des Gefahrtarifs um 50 % der sich für 2005 ergebenden Belastungsziffer gedeckelt worden und führt zu einer stufenweise Anhebung bis zur tatsächlich berechneten Gefahrklasse, was die Beklagte für die Tarifstelle 500 mit der ausgewiesenen gestuften Gefahrklasse auch getan hat. Darüber hinaus entfaltet die Festsetzung der Gefahrklasse keine unmittelbare Rechtswirkung, denn belastende Auswirkungen folgen erst durch den hierauf gestützten Beitragsbescheid. Vorliegend ist eine überproportionale, die wirtschaftliche Existenz gefährdende Erhöhung des Umlagebetrags im Vergleich der unterschiedlichen Gefahrtarifzeiträume nicht ersichtlich. Eine solche unverhältnismäßige Steigerung der auf der Gefahrtarifsatzung der T.-BG beruhenden Beiträge in den Beitragsjahren 2000 bis 2005 (bei schwankenden Lohnsummen mit Beiträgen in Höhe von 9.499,51 EUR bis 15.390,17 EUR) im Vergleich zu den auf der vorliegend streitigen Veranlagung beruhenden Beiträgen ab 2006 (bei nur verhältnismäßig geringerer Lohnsummen mit Beiträgen von 9.306,73 EUR bis 15.285,24 EUR) ist für den Senat nicht festzustellen gewesen. Rechtsfehler in dem vom Senat zur überprüfenden rechtlichen Umfang sind daher insoweit nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht - in beiden Rechtszügen - auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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