Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 654/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 439/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 97/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine dauerhafte Bindung an einen unzutreffenden Wahltarif mit Krankengeldanspruch
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als unständig Beschäftigte die dauerhafte Versicherung mit Krankengeldanspruch ab dem ersten Tag der Krankheit nach einem Wahltarif der Beklagten.
Die 1961 geborene Klägerin ist u.a. als Schauspielerin und Synchronsprecherin immer wieder in unständigen Beschäftigungsverhältnissen tätig und deshalb pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Sie war deshalb bei der Beklagten bis Ende 2008 mit Anspruch auf Krankengeld zum erhöhten Beitragssatz versichert.
Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.03.2007 - BGBl I S. 378) wurde das Krankengeldrecht ab 1.1.2009 in § 44 Abs. 2 SGB V und § 46 SGB V dahingehend geändert, dass versicherungspflichtig Beschäftigten nur dann ein Anspruch auf Krankengeld zusteht, wenn sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) haben. Das wiederum setzt nach § 3 EFZG ein mindestens vierwöchiges Arbeitsverhältnis voraus. De facto haben Beschäftigte seither regelmäßig erst nach 10 Wochen (vier Wochen Arbeitsverhältnis zzgl. sechs Wochen Entgeltfortzahlung) Anspruch auf Krankengeld.
Wegen dieser Änderung plante die Beklagte ab Inkrafttreten der Neuregelung zum 01.01.2009 den betroffenen Versicherten Wahltarife anzubieten u.a. den Tarif Krankengeld KG A01 mit Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Krankheitstag gegen eine Prämie von 4,80 EUR/Monat. Dieser Tarif sollte nach den Überlegungen der Beklagten Personen vorbehalten bleiben, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)versicherungspflichtig sind. Obgleich die Klägerin diesem Personenkreis nicht angehörte bot die Beklagte ihr mit Schreiben vom 29.10.2008 diesen Tarif KG A01 an, obgleich eine Genehmigung des Tarifs noch nicht erfolgt war. Die Klägerin nahm dieses Angebot am 11.11.2008 an und erteilte der Beklagten eine entsprechende Einzugsermächtigung. Auf erinnernde Mitteilung der Klägerin vom 05.01.2009 antwortete die Beklagte, das Angebot des Tarifs Krankengeld KG A01 sei ein Versehen gewesen, eine Versicherung nach diesem Tarif sein nicht möglich. Als Alternative sei aber ein Tarif mit Krankengeldanspruch frühestens ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit möglich. Dies akzeptierte die Klägerin nicht. Mit Bescheid vom 10.03.2009 lehnte es die Beklagte ab, die Klägerin nach dem Tarif KG A01 zu versichern.
Auf Widerspruch der Klägerin hin führte die Beklagte die Versicherung nach dem Tarif KG A01 für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 durch, beendigte diesen jedoch für die Zeit ab 01.08.2009. Dieser Tarif KG A01 stehe nur Selbständigen nach dem KSVG versicherungspflichtigen Personen offen, nicht jedoch für Beschäftigte wie die Klägerin. Wegen des Verfahrensablaufes werde entgegenkommender Weise die Versicherungspflicht vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 zu einer Monatsprämie von 4,80 EUR akzeptiert. Auf Dauer könne jedoch dem Begehren der Klägerin nicht entsprochen werden, da sie Voraussetzungen des Tarifs KG A01 nicht erfülle.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben und die Beibehaltung des Tarifes KG A01 beantragt. Die Beklagte habe einen entsprechenden Wahltarifvertrag abgeschlossen infolge Annahme des Angebots vom 29.10.2008 durch die Klägerin; daran sei die Beklagte gebunden. Das Vorliegen eines Irrtums der Beklagten werde bestritten, zudem könne ein Irrtum nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Eine Anfechtung des Vertrages sei weder erfolgt noch bestehe ein Anfechtungsgrund. Eine Änderung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin könne auch mit der zum 01.08.2009 geschaffenen Regelung in § 319 SGB V nicht begründet werden, denn der Gesetzgeber habe zum 01.08.2009 auf ungerechtfertigte Belastungen der Versicherten durch bestimmte Wahltarife reagiert; damit habe das unzutreffende Vorgehen der Beklagten aber nichts zu tun. Im Übrigen werde die Klägerin durch die Nichtgewährung des Tarifes KG A01 im Vergleich zu anderen Versicherten, denen der Tarif angeboten werde, ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, die Klägerin könne wegen der Übergangsfrist des § 319 SGB V über den 31.07.2009 hinaus nicht den Tarif KG A01 beibehalten. Eine sachgrundlose Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht erkennbar.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zusätzlich zur Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hinaus betont, dass die Beklagte für unständig Beschäftigte wie die Klägerin Krankengeldtarife erst ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit anbiete. Darin liege eine gleichheitswidrige ungerechtfertigte Behandlung der unständig Beschäftigten. Denn sie müssten im Falle längerer Arbeitsunfähigkeit einen Zeitraum von fast drei Wochen aus eigenen Mitteln überbrücken, während andere Versicherte dieses Risiko nicht tragen müssten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.10.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tag der Krankheit ohne Ruhensbestimmung zu versichern,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den am 11.11.2008 abgeschlossenen Wahltarif KG A01 über den 31.07.2009 hinaus zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat erklärt, sie habe das Angebot des Tarifs KG A01 in einer Übergangszeit zugesandt, noch bevor der entsprechende Wahltarif ordnungsgemäß genehmigt worden sei. Diese Voraussetzung sei erst zum 01.01.2009 geschaffen worden. Die Klägerin unterfalle aber dem Personenkreis des genehmigten Wahltarifes nicht. Die Beklagte dürfe der Klägerin den Tarif KG A01 nur kulanzweise bis zum 31.07.2009 gewähren. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin bestehe nicht. Denn das Krankengeldrisiko unständig Beschäftigter unterscheide sich von dem Krankengeldrisiko Beschäftigter in einem Normalarbeitsverhältnis durch den Entgeltfortzahlungsanspruch aus dem EFZG.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2012 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 153, 154 SGG), aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2009 ist rechtmäßig ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dauerhaft nach den Wahltarif KG A01 oder anderweitig ab dem ersten Tag der Krankheit mit Anspruch auf Krankengeld versichert zu werden.
Die Ausdeutung des Rechtsschutzziels der Klägerin nach deren unmissverständlichen Bekundungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.06.2012 sowie nach dem zuletzt gestellten Antrag ergibt ein Begehren auf dauerhafte Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tag einer Krankheit. Nicht hingegen ist es Ziel der Klägerin, in diesem Umfange versichert zu sein nur für eine Übergangsfrist, die mittlerweile bereits abgelaufen ist und in der kein Leistungsfall eingetreten war.
Bis 31.12.2008 waren aufgrund Beschäftigung versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 7 Abs. 1 SGB IV) mit einem Anspruch auf Krankengeld versehen unabhängig davon, ob sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber hatten oder nicht. Das Krankengeldrisiko, das deshalb ab dem ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses bestand, war bis 31.12.2008 durch § 242 SGB V (a.F.) insofern abgesichert, als der allgemeine Beitragssatz für Versicherte ohne Ansprüche auf Entgeltfortzahlung zu erhöhen war. Von dieser Regelung hatten ausdrücklich unständig Beschäftigte (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III a.F.; zum Begriff vgl. BSG, Urteil vom 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R Rn. 28 f. - zitiert nach juris) profitiert (Entwurf des GKV-WSG vom 24.10.2006 - BT-Drs. 16/3100 S. 107). Insoweit hatte der Gesetzgeber Änderungsbedarf gesehen. Mit Wirkung zum 01.01.2009 wurde § 44 SGB V dahingehend geändert, dass Krankengeld erst nach dem sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruchs beansprucht werden kann. Dieser entsteht gemäß § 3 Abs. 3 EFZG erst nach einem vierwöchigen Arbeitsverhältnis. Den dadurch verursachten geringeren Krankengeldschutz unständig Beschäftigter sollten die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ausgleichen durch das Angebot von Wahltarifen (Entwurf eines GKV-WSG a.a.O.).
Die entsprechenden Regelungen zum Wahltarif hat der Gesetzgeber sodann mit Wirkung zum 01.08.2009 durch Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 - BGBl I S. 1990 geändert. Anlass war die Feststellung, dass insbesondere ältere Versicherte durch die ab 01.01.2009 angebotenen Wahltarife ungerechtfertigt belastet worden waren (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 64).
Bei Anwendung der so beschriebenen Rechtsnormen auf den Fall der Klägerin ist festzustellen, dass diese in ihrem Versicherungs-/Mitgliedschaftsverhältnis zu Beklagten seit dem 01.01.2009 keinen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit (mehr) hatte. Denn als unständig Beschäftigte kam ihr mangels Erfüllung der vierwöchigen Karenzzeit des § 3 Abs. 3 EFZG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Denn die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten waren weder aufgrund vertraglicher Beziehung oder der Natur der Sache nach von wenigstens vierwöchiger Dauer. Sie hat daher faktisch wegen der ab 01.01.2009 geltenden Neuregelung keinen Anspruch auf Krankengeld, § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V.
Die Klägerin ist nicht dauerhaft nach dem Wahltarif Krankengeld KG A01 bei der Beklagten versichert. Denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für diesen Tarif nicht, sie ist nicht als selbstständige Künstler nach dem KSVG versicherungspflichtig. Das vorangegangene Urteil in der Berufungssache L 5 KR 434/11, wonach die Tätigkeit der Klägerin als Synchronsprecherin als selbstständige Tätigkeit und nicht als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf die beiden Synchronisierungsaufträge am 19.06.2007 und am 28.12.2007. Aus diesen Tätigkeiten allein lassen sich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer erwerbsmäßigen und dauerhaften selbstständigen künstlerischen Tätigkeit nicht feststellen.
Eine dauerhafte Versicherung nach dem Wahltarif Krankengeld KG A01 ergibt sich auch nicht aus dem Angebot vom 29.10.2008 und dessen Annahme vom 11.11.2008 (bei der Beklagten als Dokument unterschrieben erst am 19.11.2008 eingegangen lt. Blatt 5 Verwaltungsakte), denn es mangelt an der sofortigen Annahme (§ 147 BGB analog). Auf die Erklärung vom 11.11.2008 (§ 150 Abs. 1 BGB analog) hat sich die Beklagte nämlich nicht geäußert. Doch selbst wenn das Angebot vom 29.10.2008 und die Erklärung vom 11.11.2008 eine Versicherung nach dem Wahltarif KG A01 begründet hätten, entstünde daraus keine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin dauerhaft und für alle Zeiten so zu versichern. Denn die Klägerin erfüllt die Satzungsvoraussetzungen des Tarifes KG A01 in Gestalt der Versicherungspflicht Selbstständiger nach dem KSVG nicht. Einer Erweiterung des Tarifes KG A01 zu Gunsten unständig Beschäftigter - wie die Klägerin - fehlte die notwendige aufsichtliche Genehmigung. Diese Erweiterung wäre zudem nicht genehmigungsfähig, weil nach § 53 Abs. 6 SGB V die Wahltarife die entsprechenden Leistungserweiterungen in der Prämienzahlung abzubilden haben. Die Monatsprämie von 4,80 EUR/Monat monatlich reichte jedoch nicht aus, das spezifisch bei unständig Beschäftigten Personen bestehende Risiko und besondere Beitrags-/Leistungsverhältnis abzubilden, das in Ansprüchen auf Krankengeld für die Dauer von bis zu fast 1 1/2 Jahren (78 Wochen, § 48 SGB V) nach nur einem Tag Beschäftigung besteht. Im Dauerbeitrags- und Dauerleistungsverhältnis zwischen versichertem Mitglied und den Trägern der Gesetzlichen Krankenversicherung, in welchen den Grundsätzen von Treu und Glauben Geltung zukommt (vgl BSG Urteil vom 27.06.2012 - B 12 KR 11/10 R Rn 30; Urteil vom 09.11.2011 - B 12 KR 3/10 R, Rn 19 - zitiert jeweils nach JURIS), können Versicherte nicht beanspruchen, dass eine im Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen begründetes Leistungsverhältnis dauerhaft, d.h. bis zu lebenslang unverändert fortbestehend praktiziert wird. Es muss vielmehr dem Leistungsträger möglich sein, sich von einer unrechtmäßigen Handhabung zu lösen, jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft und nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist. Diese Lösung vom Wahltarif KG A01 hat die Beklagte zum 31.07.2009 erklärt. Ob dabei die Übergangsfrist bis 31.07.2009 ausreichend lang war, ist wegen des zuletzt von der Klägerin gestellten Antrags nicht zu entscheiden.
Schließlich kann die sich Klägerin auch nicht auf eine Ungleichbehandlung mit den nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherten Personen berufen. Denn deren Beitragslast und -aufkommen unterscheidet sich gem. §§ 15 bis 16a, 23 bis 26, § 34 KSVG von der der unständig Beschäftigten. Darüber hinaus ist ein sachlicher Differenzierungsgrund im spezifischen Risiko der unständig Beschäftigten zu sehen, die mit wenigen Tagen, im Sonderfall mit nur einem Tag Beschäftigung einen Krankengeldanspruch von bis zu 78 Wochen erwerben (vgl. auch Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/3100 S. 107). Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, dieses besondere Risiko weiterhin der Gemeinschaft aller Beitragszahler nach dem SGB V zuzuweisen.
Die Berufung der Klägerin bleibt daher in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als unständig Beschäftigte die dauerhafte Versicherung mit Krankengeldanspruch ab dem ersten Tag der Krankheit nach einem Wahltarif der Beklagten.
Die 1961 geborene Klägerin ist u.a. als Schauspielerin und Synchronsprecherin immer wieder in unständigen Beschäftigungsverhältnissen tätig und deshalb pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Sie war deshalb bei der Beklagten bis Ende 2008 mit Anspruch auf Krankengeld zum erhöhten Beitragssatz versichert.
Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.03.2007 - BGBl I S. 378) wurde das Krankengeldrecht ab 1.1.2009 in § 44 Abs. 2 SGB V und § 46 SGB V dahingehend geändert, dass versicherungspflichtig Beschäftigten nur dann ein Anspruch auf Krankengeld zusteht, wenn sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) haben. Das wiederum setzt nach § 3 EFZG ein mindestens vierwöchiges Arbeitsverhältnis voraus. De facto haben Beschäftigte seither regelmäßig erst nach 10 Wochen (vier Wochen Arbeitsverhältnis zzgl. sechs Wochen Entgeltfortzahlung) Anspruch auf Krankengeld.
Wegen dieser Änderung plante die Beklagte ab Inkrafttreten der Neuregelung zum 01.01.2009 den betroffenen Versicherten Wahltarife anzubieten u.a. den Tarif Krankengeld KG A01 mit Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Krankheitstag gegen eine Prämie von 4,80 EUR/Monat. Dieser Tarif sollte nach den Überlegungen der Beklagten Personen vorbehalten bleiben, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)versicherungspflichtig sind. Obgleich die Klägerin diesem Personenkreis nicht angehörte bot die Beklagte ihr mit Schreiben vom 29.10.2008 diesen Tarif KG A01 an, obgleich eine Genehmigung des Tarifs noch nicht erfolgt war. Die Klägerin nahm dieses Angebot am 11.11.2008 an und erteilte der Beklagten eine entsprechende Einzugsermächtigung. Auf erinnernde Mitteilung der Klägerin vom 05.01.2009 antwortete die Beklagte, das Angebot des Tarifs Krankengeld KG A01 sei ein Versehen gewesen, eine Versicherung nach diesem Tarif sein nicht möglich. Als Alternative sei aber ein Tarif mit Krankengeldanspruch frühestens ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit möglich. Dies akzeptierte die Klägerin nicht. Mit Bescheid vom 10.03.2009 lehnte es die Beklagte ab, die Klägerin nach dem Tarif KG A01 zu versichern.
Auf Widerspruch der Klägerin hin führte die Beklagte die Versicherung nach dem Tarif KG A01 für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 durch, beendigte diesen jedoch für die Zeit ab 01.08.2009. Dieser Tarif KG A01 stehe nur Selbständigen nach dem KSVG versicherungspflichtigen Personen offen, nicht jedoch für Beschäftigte wie die Klägerin. Wegen des Verfahrensablaufes werde entgegenkommender Weise die Versicherungspflicht vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 zu einer Monatsprämie von 4,80 EUR akzeptiert. Auf Dauer könne jedoch dem Begehren der Klägerin nicht entsprochen werden, da sie Voraussetzungen des Tarifs KG A01 nicht erfülle.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben und die Beibehaltung des Tarifes KG A01 beantragt. Die Beklagte habe einen entsprechenden Wahltarifvertrag abgeschlossen infolge Annahme des Angebots vom 29.10.2008 durch die Klägerin; daran sei die Beklagte gebunden. Das Vorliegen eines Irrtums der Beklagten werde bestritten, zudem könne ein Irrtum nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Eine Anfechtung des Vertrages sei weder erfolgt noch bestehe ein Anfechtungsgrund. Eine Änderung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin könne auch mit der zum 01.08.2009 geschaffenen Regelung in § 319 SGB V nicht begründet werden, denn der Gesetzgeber habe zum 01.08.2009 auf ungerechtfertigte Belastungen der Versicherten durch bestimmte Wahltarife reagiert; damit habe das unzutreffende Vorgehen der Beklagten aber nichts zu tun. Im Übrigen werde die Klägerin durch die Nichtgewährung des Tarifes KG A01 im Vergleich zu anderen Versicherten, denen der Tarif angeboten werde, ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, die Klägerin könne wegen der Übergangsfrist des § 319 SGB V über den 31.07.2009 hinaus nicht den Tarif KG A01 beibehalten. Eine sachgrundlose Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht erkennbar.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zusätzlich zur Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hinaus betont, dass die Beklagte für unständig Beschäftigte wie die Klägerin Krankengeldtarife erst ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit anbiete. Darin liege eine gleichheitswidrige ungerechtfertigte Behandlung der unständig Beschäftigten. Denn sie müssten im Falle längerer Arbeitsunfähigkeit einen Zeitraum von fast drei Wochen aus eigenen Mitteln überbrücken, während andere Versicherte dieses Risiko nicht tragen müssten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.10.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tag der Krankheit ohne Ruhensbestimmung zu versichern,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den am 11.11.2008 abgeschlossenen Wahltarif KG A01 über den 31.07.2009 hinaus zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat erklärt, sie habe das Angebot des Tarifs KG A01 in einer Übergangszeit zugesandt, noch bevor der entsprechende Wahltarif ordnungsgemäß genehmigt worden sei. Diese Voraussetzung sei erst zum 01.01.2009 geschaffen worden. Die Klägerin unterfalle aber dem Personenkreis des genehmigten Wahltarifes nicht. Die Beklagte dürfe der Klägerin den Tarif KG A01 nur kulanzweise bis zum 31.07.2009 gewähren. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin bestehe nicht. Denn das Krankengeldrisiko unständig Beschäftigter unterscheide sich von dem Krankengeldrisiko Beschäftigter in einem Normalarbeitsverhältnis durch den Entgeltfortzahlungsanspruch aus dem EFZG.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2012 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 153, 154 SGG), aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2009 ist rechtmäßig ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dauerhaft nach den Wahltarif KG A01 oder anderweitig ab dem ersten Tag der Krankheit mit Anspruch auf Krankengeld versichert zu werden.
Die Ausdeutung des Rechtsschutzziels der Klägerin nach deren unmissverständlichen Bekundungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.06.2012 sowie nach dem zuletzt gestellten Antrag ergibt ein Begehren auf dauerhafte Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tag einer Krankheit. Nicht hingegen ist es Ziel der Klägerin, in diesem Umfange versichert zu sein nur für eine Übergangsfrist, die mittlerweile bereits abgelaufen ist und in der kein Leistungsfall eingetreten war.
Bis 31.12.2008 waren aufgrund Beschäftigung versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 7 Abs. 1 SGB IV) mit einem Anspruch auf Krankengeld versehen unabhängig davon, ob sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber hatten oder nicht. Das Krankengeldrisiko, das deshalb ab dem ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses bestand, war bis 31.12.2008 durch § 242 SGB V (a.F.) insofern abgesichert, als der allgemeine Beitragssatz für Versicherte ohne Ansprüche auf Entgeltfortzahlung zu erhöhen war. Von dieser Regelung hatten ausdrücklich unständig Beschäftigte (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III a.F.; zum Begriff vgl. BSG, Urteil vom 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R Rn. 28 f. - zitiert nach juris) profitiert (Entwurf des GKV-WSG vom 24.10.2006 - BT-Drs. 16/3100 S. 107). Insoweit hatte der Gesetzgeber Änderungsbedarf gesehen. Mit Wirkung zum 01.01.2009 wurde § 44 SGB V dahingehend geändert, dass Krankengeld erst nach dem sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruchs beansprucht werden kann. Dieser entsteht gemäß § 3 Abs. 3 EFZG erst nach einem vierwöchigen Arbeitsverhältnis. Den dadurch verursachten geringeren Krankengeldschutz unständig Beschäftigter sollten die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ausgleichen durch das Angebot von Wahltarifen (Entwurf eines GKV-WSG a.a.O.).
Die entsprechenden Regelungen zum Wahltarif hat der Gesetzgeber sodann mit Wirkung zum 01.08.2009 durch Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 - BGBl I S. 1990 geändert. Anlass war die Feststellung, dass insbesondere ältere Versicherte durch die ab 01.01.2009 angebotenen Wahltarife ungerechtfertigt belastet worden waren (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 64).
Bei Anwendung der so beschriebenen Rechtsnormen auf den Fall der Klägerin ist festzustellen, dass diese in ihrem Versicherungs-/Mitgliedschaftsverhältnis zu Beklagten seit dem 01.01.2009 keinen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld ab dem ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit (mehr) hatte. Denn als unständig Beschäftigte kam ihr mangels Erfüllung der vierwöchigen Karenzzeit des § 3 Abs. 3 EFZG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Denn die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten waren weder aufgrund vertraglicher Beziehung oder der Natur der Sache nach von wenigstens vierwöchiger Dauer. Sie hat daher faktisch wegen der ab 01.01.2009 geltenden Neuregelung keinen Anspruch auf Krankengeld, § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V.
Die Klägerin ist nicht dauerhaft nach dem Wahltarif Krankengeld KG A01 bei der Beklagten versichert. Denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für diesen Tarif nicht, sie ist nicht als selbstständige Künstler nach dem KSVG versicherungspflichtig. Das vorangegangene Urteil in der Berufungssache L 5 KR 434/11, wonach die Tätigkeit der Klägerin als Synchronsprecherin als selbstständige Tätigkeit und nicht als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf die beiden Synchronisierungsaufträge am 19.06.2007 und am 28.12.2007. Aus diesen Tätigkeiten allein lassen sich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer erwerbsmäßigen und dauerhaften selbstständigen künstlerischen Tätigkeit nicht feststellen.
Eine dauerhafte Versicherung nach dem Wahltarif Krankengeld KG A01 ergibt sich auch nicht aus dem Angebot vom 29.10.2008 und dessen Annahme vom 11.11.2008 (bei der Beklagten als Dokument unterschrieben erst am 19.11.2008 eingegangen lt. Blatt 5 Verwaltungsakte), denn es mangelt an der sofortigen Annahme (§ 147 BGB analog). Auf die Erklärung vom 11.11.2008 (§ 150 Abs. 1 BGB analog) hat sich die Beklagte nämlich nicht geäußert. Doch selbst wenn das Angebot vom 29.10.2008 und die Erklärung vom 11.11.2008 eine Versicherung nach dem Wahltarif KG A01 begründet hätten, entstünde daraus keine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin dauerhaft und für alle Zeiten so zu versichern. Denn die Klägerin erfüllt die Satzungsvoraussetzungen des Tarifes KG A01 in Gestalt der Versicherungspflicht Selbstständiger nach dem KSVG nicht. Einer Erweiterung des Tarifes KG A01 zu Gunsten unständig Beschäftigter - wie die Klägerin - fehlte die notwendige aufsichtliche Genehmigung. Diese Erweiterung wäre zudem nicht genehmigungsfähig, weil nach § 53 Abs. 6 SGB V die Wahltarife die entsprechenden Leistungserweiterungen in der Prämienzahlung abzubilden haben. Die Monatsprämie von 4,80 EUR/Monat monatlich reichte jedoch nicht aus, das spezifisch bei unständig Beschäftigten Personen bestehende Risiko und besondere Beitrags-/Leistungsverhältnis abzubilden, das in Ansprüchen auf Krankengeld für die Dauer von bis zu fast 1 1/2 Jahren (78 Wochen, § 48 SGB V) nach nur einem Tag Beschäftigung besteht. Im Dauerbeitrags- und Dauerleistungsverhältnis zwischen versichertem Mitglied und den Trägern der Gesetzlichen Krankenversicherung, in welchen den Grundsätzen von Treu und Glauben Geltung zukommt (vgl BSG Urteil vom 27.06.2012 - B 12 KR 11/10 R Rn 30; Urteil vom 09.11.2011 - B 12 KR 3/10 R, Rn 19 - zitiert jeweils nach JURIS), können Versicherte nicht beanspruchen, dass eine im Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen begründetes Leistungsverhältnis dauerhaft, d.h. bis zu lebenslang unverändert fortbestehend praktiziert wird. Es muss vielmehr dem Leistungsträger möglich sein, sich von einer unrechtmäßigen Handhabung zu lösen, jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft und nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist. Diese Lösung vom Wahltarif KG A01 hat die Beklagte zum 31.07.2009 erklärt. Ob dabei die Übergangsfrist bis 31.07.2009 ausreichend lang war, ist wegen des zuletzt von der Klägerin gestellten Antrags nicht zu entscheiden.
Schließlich kann die sich Klägerin auch nicht auf eine Ungleichbehandlung mit den nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherten Personen berufen. Denn deren Beitragslast und -aufkommen unterscheidet sich gem. §§ 15 bis 16a, 23 bis 26, § 34 KSVG von der der unständig Beschäftigten. Darüber hinaus ist ein sachlicher Differenzierungsgrund im spezifischen Risiko der unständig Beschäftigten zu sehen, die mit wenigen Tagen, im Sonderfall mit nur einem Tag Beschäftigung einen Krankengeldanspruch von bis zu 78 Wochen erwerben (vgl. auch Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/3100 S. 107). Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, dieses besondere Risiko weiterhin der Gemeinschaft aller Beitragszahler nach dem SGB V zuzuweisen.
Die Berufung der Klägerin bleibt daher in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
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