L 2 R 785/12 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 1114/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 785/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Verhängung von Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens des Beigeladenen zum Termin.
2. Zur nachträglichen Vorlage einer Therapiebescheinigung als Entschuldigugsgrund.
3. Bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit, die im üblichen Rahmen von zwei bis drei Wochen liegt, ist es nicht erforderlich, dass für eine Nachsendung der Post oder eine Durchsicht und Benachrichtigung durch Dritte gesorgt wird.
I. Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird die Festsetzung von Ordnungsgeld gemäß Ziff. II des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 1. August 2012 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat den Beschwerdeführern die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.
Die Beschwerden richten sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht München begehrt der dortige Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zum Sozialgericht München (Az.: S 15 R 628/12) gegen den Bescheid der dortigen Antragsgegnerin vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
27. Februar 2012. Streitig sind dabei Beiträge zur Sozialversicherung sowie Säumniszuschläge. Mit Beschluss vom 5. Juli 2012 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage vorläufig angeordnet. Ebenfalls mit Beschluss vom 5. Juli 2012 hat es u.a. die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.
Das Sozialgericht hat einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den
20. Juli 2012 bestimmt und das persönliche Erscheinen u.a. der Bf. zu 1. und des Bf. zu 2. angeordnet. Die Ladung wurde der Bf. zu 1. am 7. Juli 2012, dem Bf. zu 2. ebenfalls am 7. Juli 2012 durch Einlegung in den Briefkasten der Wohnung zugestellt. Sie war jeweils mit dem Hinweis versehen, dass gegen die Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden kann, falls sie ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint.

Zur Sitzung am 20. Juli 2012 sind u.a. weder der Antragsteller, allerdings sein Prozessbevollmächtigter, noch die Bf. erschienen. Die Kammer hat die Sach- und Rechtslage mit den Anwesenden erörtert. Der Vertreter des Antragstellers hat ein Teilanerkenntnis der Antragsgegnerin angenommen.

Mit Beschluss vom 24. Juli 2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 5. Juni 2012 zurückgewiesen, soweit er nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt ist. Ferner hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 1. August 2012 gegen den Antragsteller wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin vom 20. Juli 2012 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.- EUR, gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. in Höhe von jeweils 100.- EUR festgesetzt.

Die Bf. zu 1. hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und vorgebracht, sie sei vom 9. bis 19. Juli 2012 in stationärer Behandlung gewesen und habe sich auch unmittelbar anschließend in einer Fachklinik zur Therapie aufgehalten. Sie hat eine Bescheinigung der Fachklinik X. vom 24. August 2012 über eine stationäre Therapie vom 19. Juli 2012 bis voraussichtlich 19. Januar 2013 vorgelegt.

Gleichzeitig hat der Bf. zu 2. seine Beschwerde damit begründet; er sei weder zum Zeitpunkt des Erhaltens der Ladung am 7. Juli 2012 noch zum Zeitpunkt der Verhandlung anwesend gewesen. Er habe sich während der Sitzung bis 25. Juli 2012 urlaubsbedingt im Ausland befunden. Hierzu hat er Belege vorgelegt.

II.
Die Beschwerden beider Beschwerdeführer sind zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet. Dabei wenden sich nur diese als Beigeladene gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen sie, so dass allein Ziff. II des Beschlusses Gegenstand der Beschwerde ist.
Voraussetzung für die Auferlegung von Ordnungsgeld ist eine ordnungsgemäße Ladung und das unentschuldigte Nichterscheinen des Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Beteiligter ist dabei gemäß § 69 Nr. 3 SGG auch ein Beigeladener. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer oder wie hier eines möglichen Beschlusses des Gerichts eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weiter. Da das Gericht gehalten ist, in einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu treffen, bedarf es vielfach eines vorbereitenden Erörterungstermins
(§ 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG), in dem die Anwesenheit der Beteiligten notwendig ist, um die Sach- und Rechtslage zu klären und/oder zu sachdienlichen Anträgen zu gelangen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei.
Da die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen waren und im Erörterungstermin unentschuldigt nicht erschienen sind, sind die Voraussetzungen des § 111 SGG i.V.m.
§§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO erfüllt. Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen. § 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft und die Entschuldigung hinreichend ist.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Erkrankt ein mit der Anordnung zum persönlichen Erscheinen geladener Beteiligter, so hat er durch ein ärztliches Attest oder Bescheinigung zu belegen, dass ein Erscheinen und die Teilnahme an der Sitzung oder zumindest an dem Untersuchungstermin nicht möglich gewesen ist.
Die Bf. zu 1. nahm ab 9. Juli 2012 an einer Entzugsbehandlung in einer geschlossenen Abteilung teil mit anschließender längerer stationärer Therapie. Dies ist u.a. durch die Vorlage der Therapiebescheinigung der Fachklinik vom 24. August 2012 belegt, so dass das Nichterscheinen der Bf. zu 1. als entschuldigt anzusehen ist. Aufgrund der besonderen Situation, in der sich die Bf. zu 1. befand, ist auch das Nichteinreichen einer ärztlichen Bescheinigung rechtzeitig vor dem Termin nicht von der Bf. zu vertreten. Der Beschluss war insoweit aufzuheben.
Auch die Beschwerde des Bf. zu 2. ist begründet.
Zum Zeitpunkt der Ladung sowie der Sitzung hielt sich der Bf. zu 2. urlaubsbedingt für drei Wochen im Ausland auf. Dies ist durch die vorgelegten Bescheinigungen belegt. Bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit, die im üblichen Rahmen von zwei bis drei Wochen liegt, ist es nicht erforderlich, dass für eine Nachsendung der Post oder eine Durchsicht und Benachrichtigung durch Dritte gesorgt wird (so im Ergebnis auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.01.2010, Az.: L 4 R 1062/09 R). Die Abwesenheit des Bf. zu 2. war deshalb ebenfalls ausreichend entschuldigt im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Aufgrund des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens sind die außergerichtlichen Kosten der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. hierzu die Entscheidung des Senats vom 05.02.2010, Az.: L 2 R 515/09 B).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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