Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 4121/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5074/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 08.11.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 im früheren Jugoslawien geborene Klägerin zog 1976 in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und arbeitete in Deutschland als Hauswirtschafterin bzw Reinigungskraft in einem Krankenhaus, hierfür wurden zuletzt im Oktober 1998 Pflichtbeiträge durch den Arbeitgeber entrichtet. Anschließend liegen im Versicherungsverlauf bis 31.12.2002 Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Krankengeld bzw von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Pflichtbeitragszeiten vor. Vom 01.01.2003 bis 03.10.2005 war die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug. Vom 04.10.2005 bis 29.12.2006 sind im Versicherungsverlauf weitere Pflichtbeitragszeiten sowie vom 01.11.2007 bis 29.02.2008 Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung enthalten. Dazwischen sowie ab 01.03.2008 war die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug.
Am 13.02.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ sie daraufhin durch Dr. T. allgemeinärztlich begutachten. In dem Gutachten vom 14.03.2008 wurde bei Vorliegen einer chronischen Hauterkrankung (Ekzem), einer leichtgradigen Angststörung und rezidivierender Beschwerden der Lendenwirbelsäule ohne Funktionseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt unter Vermeidung von Nachtarbeit, Arbeiten in Nässe oder mit bestimmten Allergenen (Reinigungsmittel). Mit Bescheid vom 14.04.2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 15.08.2008 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde Dr. W. konnte keine aktuelle Einschätzung abgeben, da sich die Klägerin dort zuletzt am 31.03.2005 vorgestellt hatte (Schreiben vom 12.11.2008). Der Chirurg Dr. W. sah aus proktologischer Sicht keine Einschränkungen der Leistungsfähigkeit (Schreiben vom 28.11.2008). Der Dermatologe Dr. S. sah die Klägerin bei Vermeidung des Kontaktes zu Allergenen als vollschichtig leistungsfähig an (Schreiben vom 01.12.2008). Die Hausärztin Dr. S.-K. hielt die Klägerin wegen depressiver Stimmungslage und psychosomatisch bedingter Magen-Darm-Probleme nur für halbtags leistungsfähig (Schreiben vom 27.01.2009). Zusätzlich hat die Klägerin ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 12.02.2009 vorgelegt, der nach einmaliger Vorstellung der Klägerin eine Dysthymie und mittelschwere depressive Episode und ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bescheinigte. Zusätzlich hat das SG vier gerichtliche Sachverständigengutachten eingeholt. In dem nervenärztlichen Gutachten vom 12.05.2009 diagnostiziert Dr. F. eine Angststörung gemischt mit Depression in leichter bis mittelgradiger Ausprägung und geht von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit unter Vermeidung von Kundenkontakt, Nachtarbeit sowie Kontakt zu Nässe und Allergenen aus. Im dermatologischen Gutachten vom 25.01.2010 diagnostiziert Prof. Dr. B.-T. ein chronisches Kontaktekzem und Unverträglichkeit diverser chemischer Substanzen und leitet hieraus qualitative Einschränkungen wie der Gutachter Dr. F. zuzüglich der Vermeidung von Wärmeexposition ab. Aus dermatologischer Sicht sei im Übrigen die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt. Mit seinem internistischen Gutachten vom 12.07.2010 diagnostiziert Dr. B. ein chronisches Reizdarmsyndrom sowie eine Zwangsstörung (Kontrollzwang) und Klaustrophobie, wobei er den Schwerpunkt der Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet sieht. Die Klägerin wirke nicht depressiv, sei aber durch Ängste und Zwangsgedanken massiv belastet. Derzeit sei sie arbeitsunfähig und dringend behandlungsbedürftig. Eine Berentung auf Zeit werde für sinnvoll erachtet.
Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18.01.2011 angegeben hat, die nervenärztliche Behandlung bei Dr. R. wieder aufgenommen zu haben, hat das SG diesen zusätzlich als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Dr. R. hat mit Schreiben vom 30.05.2011 mitgeteilt, die Klägerin seit Januar 2011 regelmäßig zu behandeln. Durch Einleitung und im Verlauf Umstellung der Pharmakotherapie sei eine langsame aber stetige Besserung eingetreten; die Klägerin leide aber noch unter Müdigkeit, Antriebsproblematik, Konzentrationsstörungen und Obstipation und sei weniger als drei Stunden täglich einsetzbar. Abschließend hat das SG sodann ein psychiatrisch-schmerzpsychologisches Sachverständigengutachten bei Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 26.07.2011 stellt Dr. B. eine schwere depressive Episode, schwere Somatisierungsstörung bezüglich des Magen-Darm-Trakts sowie des Urogenitaltrakts und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Magenschmerzen) fest. Die Erkrankungen seien als chronifiziert anzusehen, die Klägerin sei kaum noch alltagsfähig. Allerdings sei die Klägerin noch nicht austherapiert, eine stationäre Akutbehandlung sei dringend anzuraten, werde von der Klägerin aber abgelehnt. Derzeit sei die Klägerin nicht erwerbsfähig. Die derzeitige Leistungsminderung halte geschätzt schon seit einigen Jahren an.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht davon überzeugt, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden oder auch nur mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin liege auf psychiatrischem bzw psychosomatischem Fachgebiet. Die nachgewiesene Hauterkrankung führe übereinstimmend nach behandelnden Ärzten und Gutachtern lediglich zu qualitativen Einschränkungen. Psychische Beeinträchtigungen der Klägerin würden durchgehend von allen Gutachtern gesehen, wenn auch teilweise abweichend diagnostiziert. Dr. T. sei im März 2008 und Dr. F. im April 2009 noch von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit ausgegangen, während Dr. B. die Klägerin im Mai 2010 als akut gänzlich arbeitsunfähig erlebt habe, ebenso Dr. R. im Mai 2011 und Dr. B. im Juli 2011. Eine klare Tendenz zur Verschlimmerung im Laufe der vergangenen Jahre sei indes zu erkennen, bis schließlich Dr. R. und Dr. B. im Jahr 2011 ein aufgehobenes Leistungsvermögen gesehen hätten. Auch wenn sich der Gutachter Dr. B. nicht festlege, erscheine es dem SG plausibel, von einer wesentlichen Verschlechterung ab Januar 2011 auszugehen, dh ab Wiederaufnahme der fachärztlichen Behandlung durch Dr. R ... Zuvor habe die Erkrankung offensichtlich noch keinen Schweregrad erreicht, der die Klägerin zu einer regelmäßigen fachärztlichen Behandlung hätte veranlassen können. Jedenfalls vor dem 12.01.2011 sei eine Aufhebung oder jedenfalls drastische Reduzierung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht nachgewiesen. Selbst wenn man für die Zeit ab Januar 2011 von einer solchen Leistungseinschränkung ausgehe, seien dennoch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht gegeben, denn erforderlich sei nicht nur eine akut festzustellende reduzierte Leistungsfähigkeit, sondern auch das zeitliche Moment einer gewissen Dauer. Allein die Tatsache, dass ein bestimmtes Krankheitsbild bereits seit längerer Zeit diagnostiziert sei und aktuell einen Schweregrad erreicht habe, der zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit führe, bedinge nicht automatisch eine Erwerbsminderung "auf nicht absehbare Zeit". Sowohl Dr. R. als auch Dr. B. beschrieben die Klägerin als nicht austherapiert und sahen erhebliches Potenzial für die Besserung ihres Gesundheitszustandes. Eine leichte Besserung sei bereits während der Behandlung durch Dr. R. eingetreten. Dr. B. verweise auf eine zwingend erforderliche stationäre Akutbehandlung, wozu die Klägerin nicht bereit sei. Solange die Klägerin sich dieser Behandlungsmöglichkeit verschließe, könne das Gericht nicht feststellen, ob die bei ihr derzeit akut vorhandenen Leistungseinschränkungen auch dauerhaft seien.
Hiergegen richtet sich die am 21.11.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Die Annahme des SG, die Klägerin verstoße gegen die Obliegenheit, aktiv an der Erhaltung bzw Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit mitzuwirken, gehe fehl. Nachdem die Klägerin erstmals aus dem internistischen Gutachten des Dr. B. habe erkennen können, dass ihre Leiden psychische Ursachen haben könnten, habe sie sich der Therapierung nach bestem Wissen und Gewissen gestellt. Bis heute habe dies nicht zu einer Erstarkung des aufgehobenen Leistungsvermögens geführt. Aktuell sei die Klägerin also voll erwerbsgemindert mit - gemäß gutachterlicher Auffassung des Dr. B. nach stationärer Therapie - eventuell erhoffbarer halbschichtiger Leistungsfähigkeit, ab dort im Erfolgsfalle also immer noch jedenfalls teilweise erwerbsgemindert. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wie das SG zu einer Klageabweisungsentscheidung habe gelangen können.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 08.11.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung auf den Rentenantrag vom 13.02.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ausgeführt, erst die 2011 datierenden Berichte ließen eine neu aufgetretene Verschlechterung depressiver Symptome bei zuvor nur leichtgradiger depressiver Verstimmung (Dysthymia) erkennen. Dies bestätige die bisherige Einschätzung, wonach frühestens im Verlauf des Jahres 2011 leistungsrelevante gesundheitliche Verschlechterungen eingetreten seien. Bei einem Leistungsfall im Januar 2011 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Von einer maßgeblichen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in zeitlicher Hinsicht ist vor Januar 2011 jedenfalls nicht auszugehen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführung im angefochtenen Gerichtsbescheid und weist die Berufung zur Vermeidung von Wiederholungen aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Ob im Januar 2011 tatsächlich das Leistungsvermögen der Klägerin bereits auf nicht absehbare Zeit - und nicht nur vorübergehend - auf unter drei bzw auf unter sechs Stunden arbeitstäglich herabgesunken war, kann insoweit dahinstehen. Denn selbst wenn bei der Klägerin der Leistungsfall der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung im Januar 2011 eingetreten wäre, lägen insoweit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vor. Die allgemeine Wartezeit hat die Klägerin erfüllt (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI), da jedenfalls 60 Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten belegt sind. Es fehlen jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung der Belegung von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung. Dabei stehen Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Krankengeld oder Arbeitslosengeld Pflichtbeitragszeiten wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleich (§§ 55 Abs 2 Nr 2, 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI). Bei fiktiver Annahme eines Leistungsfalls am 12.01.2011 mit Beginn der regelmäßigen Behandlung bei Dr. R. wären in dem danach maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum vom 12.01.2006 bis 11.01.2011 keine 36 Monate, sondern lediglich 16 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Denn in dem vorliegenden Versicherungsverlauf, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sind lediglich in der Zeit vom 01.11.2007 bis 29.02.2008 (vier Monate) und in der Zeit vom 13.01. bis 29.12.2006 (12 Monate) Pflichtbeitragszeiten vermerkt, insgesamt somit mithin nur 16 Monate Pflichtbeitragszeiten. Bei Eintritt des Leistungsfalls zu einem späteren Zeitpunkt sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erst recht nicht erfüllt, da nach dem 29.02.2008 keine weiteren Pflichtbeitragszeiten hinzugetreten sind.
Auch bei Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums um Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (§ 43 Abs 4 Nr 1 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) hat die Klägerin im danach maßgebenden verlängerten Zeitraum vom 13.05.2002 bis 12.01.2011 lediglich 27 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Rentenauskunft der Beklagten vom 23.01.2013.
Die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist auch nicht nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Danach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (zB Arbeitsunfall, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung; § 53 SGB VI). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auch die Tatbestände des § 241 Abs 2 SGB VI sind nicht erfüllt, denn die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs 1 SGB VI) nicht vor dem 01.01.1984 erfüllt.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 43 SGB VI.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Wie bereits dargelegt, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die auch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gelten, nicht erfüllt. Abgesehen davon könnte die Klägerin als ungelernte Arbeiterin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 im früheren Jugoslawien geborene Klägerin zog 1976 in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und arbeitete in Deutschland als Hauswirtschafterin bzw Reinigungskraft in einem Krankenhaus, hierfür wurden zuletzt im Oktober 1998 Pflichtbeiträge durch den Arbeitgeber entrichtet. Anschließend liegen im Versicherungsverlauf bis 31.12.2002 Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Krankengeld bzw von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Pflichtbeitragszeiten vor. Vom 01.01.2003 bis 03.10.2005 war die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug. Vom 04.10.2005 bis 29.12.2006 sind im Versicherungsverlauf weitere Pflichtbeitragszeiten sowie vom 01.11.2007 bis 29.02.2008 Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung enthalten. Dazwischen sowie ab 01.03.2008 war die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug.
Am 13.02.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ sie daraufhin durch Dr. T. allgemeinärztlich begutachten. In dem Gutachten vom 14.03.2008 wurde bei Vorliegen einer chronischen Hauterkrankung (Ekzem), einer leichtgradigen Angststörung und rezidivierender Beschwerden der Lendenwirbelsäule ohne Funktionseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt unter Vermeidung von Nachtarbeit, Arbeiten in Nässe oder mit bestimmten Allergenen (Reinigungsmittel). Mit Bescheid vom 14.04.2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 15.08.2008 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde Dr. W. konnte keine aktuelle Einschätzung abgeben, da sich die Klägerin dort zuletzt am 31.03.2005 vorgestellt hatte (Schreiben vom 12.11.2008). Der Chirurg Dr. W. sah aus proktologischer Sicht keine Einschränkungen der Leistungsfähigkeit (Schreiben vom 28.11.2008). Der Dermatologe Dr. S. sah die Klägerin bei Vermeidung des Kontaktes zu Allergenen als vollschichtig leistungsfähig an (Schreiben vom 01.12.2008). Die Hausärztin Dr. S.-K. hielt die Klägerin wegen depressiver Stimmungslage und psychosomatisch bedingter Magen-Darm-Probleme nur für halbtags leistungsfähig (Schreiben vom 27.01.2009). Zusätzlich hat die Klägerin ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 12.02.2009 vorgelegt, der nach einmaliger Vorstellung der Klägerin eine Dysthymie und mittelschwere depressive Episode und ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bescheinigte. Zusätzlich hat das SG vier gerichtliche Sachverständigengutachten eingeholt. In dem nervenärztlichen Gutachten vom 12.05.2009 diagnostiziert Dr. F. eine Angststörung gemischt mit Depression in leichter bis mittelgradiger Ausprägung und geht von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit unter Vermeidung von Kundenkontakt, Nachtarbeit sowie Kontakt zu Nässe und Allergenen aus. Im dermatologischen Gutachten vom 25.01.2010 diagnostiziert Prof. Dr. B.-T. ein chronisches Kontaktekzem und Unverträglichkeit diverser chemischer Substanzen und leitet hieraus qualitative Einschränkungen wie der Gutachter Dr. F. zuzüglich der Vermeidung von Wärmeexposition ab. Aus dermatologischer Sicht sei im Übrigen die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt. Mit seinem internistischen Gutachten vom 12.07.2010 diagnostiziert Dr. B. ein chronisches Reizdarmsyndrom sowie eine Zwangsstörung (Kontrollzwang) und Klaustrophobie, wobei er den Schwerpunkt der Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet sieht. Die Klägerin wirke nicht depressiv, sei aber durch Ängste und Zwangsgedanken massiv belastet. Derzeit sei sie arbeitsunfähig und dringend behandlungsbedürftig. Eine Berentung auf Zeit werde für sinnvoll erachtet.
Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18.01.2011 angegeben hat, die nervenärztliche Behandlung bei Dr. R. wieder aufgenommen zu haben, hat das SG diesen zusätzlich als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Dr. R. hat mit Schreiben vom 30.05.2011 mitgeteilt, die Klägerin seit Januar 2011 regelmäßig zu behandeln. Durch Einleitung und im Verlauf Umstellung der Pharmakotherapie sei eine langsame aber stetige Besserung eingetreten; die Klägerin leide aber noch unter Müdigkeit, Antriebsproblematik, Konzentrationsstörungen und Obstipation und sei weniger als drei Stunden täglich einsetzbar. Abschließend hat das SG sodann ein psychiatrisch-schmerzpsychologisches Sachverständigengutachten bei Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 26.07.2011 stellt Dr. B. eine schwere depressive Episode, schwere Somatisierungsstörung bezüglich des Magen-Darm-Trakts sowie des Urogenitaltrakts und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Magenschmerzen) fest. Die Erkrankungen seien als chronifiziert anzusehen, die Klägerin sei kaum noch alltagsfähig. Allerdings sei die Klägerin noch nicht austherapiert, eine stationäre Akutbehandlung sei dringend anzuraten, werde von der Klägerin aber abgelehnt. Derzeit sei die Klägerin nicht erwerbsfähig. Die derzeitige Leistungsminderung halte geschätzt schon seit einigen Jahren an.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht davon überzeugt, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden oder auch nur mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin liege auf psychiatrischem bzw psychosomatischem Fachgebiet. Die nachgewiesene Hauterkrankung führe übereinstimmend nach behandelnden Ärzten und Gutachtern lediglich zu qualitativen Einschränkungen. Psychische Beeinträchtigungen der Klägerin würden durchgehend von allen Gutachtern gesehen, wenn auch teilweise abweichend diagnostiziert. Dr. T. sei im März 2008 und Dr. F. im April 2009 noch von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit ausgegangen, während Dr. B. die Klägerin im Mai 2010 als akut gänzlich arbeitsunfähig erlebt habe, ebenso Dr. R. im Mai 2011 und Dr. B. im Juli 2011. Eine klare Tendenz zur Verschlimmerung im Laufe der vergangenen Jahre sei indes zu erkennen, bis schließlich Dr. R. und Dr. B. im Jahr 2011 ein aufgehobenes Leistungsvermögen gesehen hätten. Auch wenn sich der Gutachter Dr. B. nicht festlege, erscheine es dem SG plausibel, von einer wesentlichen Verschlechterung ab Januar 2011 auszugehen, dh ab Wiederaufnahme der fachärztlichen Behandlung durch Dr. R ... Zuvor habe die Erkrankung offensichtlich noch keinen Schweregrad erreicht, der die Klägerin zu einer regelmäßigen fachärztlichen Behandlung hätte veranlassen können. Jedenfalls vor dem 12.01.2011 sei eine Aufhebung oder jedenfalls drastische Reduzierung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht nachgewiesen. Selbst wenn man für die Zeit ab Januar 2011 von einer solchen Leistungseinschränkung ausgehe, seien dennoch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht gegeben, denn erforderlich sei nicht nur eine akut festzustellende reduzierte Leistungsfähigkeit, sondern auch das zeitliche Moment einer gewissen Dauer. Allein die Tatsache, dass ein bestimmtes Krankheitsbild bereits seit längerer Zeit diagnostiziert sei und aktuell einen Schweregrad erreicht habe, der zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit führe, bedinge nicht automatisch eine Erwerbsminderung "auf nicht absehbare Zeit". Sowohl Dr. R. als auch Dr. B. beschrieben die Klägerin als nicht austherapiert und sahen erhebliches Potenzial für die Besserung ihres Gesundheitszustandes. Eine leichte Besserung sei bereits während der Behandlung durch Dr. R. eingetreten. Dr. B. verweise auf eine zwingend erforderliche stationäre Akutbehandlung, wozu die Klägerin nicht bereit sei. Solange die Klägerin sich dieser Behandlungsmöglichkeit verschließe, könne das Gericht nicht feststellen, ob die bei ihr derzeit akut vorhandenen Leistungseinschränkungen auch dauerhaft seien.
Hiergegen richtet sich die am 21.11.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Die Annahme des SG, die Klägerin verstoße gegen die Obliegenheit, aktiv an der Erhaltung bzw Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit mitzuwirken, gehe fehl. Nachdem die Klägerin erstmals aus dem internistischen Gutachten des Dr. B. habe erkennen können, dass ihre Leiden psychische Ursachen haben könnten, habe sie sich der Therapierung nach bestem Wissen und Gewissen gestellt. Bis heute habe dies nicht zu einer Erstarkung des aufgehobenen Leistungsvermögens geführt. Aktuell sei die Klägerin also voll erwerbsgemindert mit - gemäß gutachterlicher Auffassung des Dr. B. nach stationärer Therapie - eventuell erhoffbarer halbschichtiger Leistungsfähigkeit, ab dort im Erfolgsfalle also immer noch jedenfalls teilweise erwerbsgemindert. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wie das SG zu einer Klageabweisungsentscheidung habe gelangen können.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 08.11.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung auf den Rentenantrag vom 13.02.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ausgeführt, erst die 2011 datierenden Berichte ließen eine neu aufgetretene Verschlechterung depressiver Symptome bei zuvor nur leichtgradiger depressiver Verstimmung (Dysthymia) erkennen. Dies bestätige die bisherige Einschätzung, wonach frühestens im Verlauf des Jahres 2011 leistungsrelevante gesundheitliche Verschlechterungen eingetreten seien. Bei einem Leistungsfall im Januar 2011 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Bescheid der Beklagten vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Von einer maßgeblichen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in zeitlicher Hinsicht ist vor Januar 2011 jedenfalls nicht auszugehen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführung im angefochtenen Gerichtsbescheid und weist die Berufung zur Vermeidung von Wiederholungen aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Ob im Januar 2011 tatsächlich das Leistungsvermögen der Klägerin bereits auf nicht absehbare Zeit - und nicht nur vorübergehend - auf unter drei bzw auf unter sechs Stunden arbeitstäglich herabgesunken war, kann insoweit dahinstehen. Denn selbst wenn bei der Klägerin der Leistungsfall der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung im Januar 2011 eingetreten wäre, lägen insoweit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vor. Die allgemeine Wartezeit hat die Klägerin erfüllt (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI), da jedenfalls 60 Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten belegt sind. Es fehlen jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung der Belegung von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung. Dabei stehen Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Krankengeld oder Arbeitslosengeld Pflichtbeitragszeiten wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleich (§§ 55 Abs 2 Nr 2, 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI). Bei fiktiver Annahme eines Leistungsfalls am 12.01.2011 mit Beginn der regelmäßigen Behandlung bei Dr. R. wären in dem danach maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum vom 12.01.2006 bis 11.01.2011 keine 36 Monate, sondern lediglich 16 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Denn in dem vorliegenden Versicherungsverlauf, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sind lediglich in der Zeit vom 01.11.2007 bis 29.02.2008 (vier Monate) und in der Zeit vom 13.01. bis 29.12.2006 (12 Monate) Pflichtbeitragszeiten vermerkt, insgesamt somit mithin nur 16 Monate Pflichtbeitragszeiten. Bei Eintritt des Leistungsfalls zu einem späteren Zeitpunkt sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erst recht nicht erfüllt, da nach dem 29.02.2008 keine weiteren Pflichtbeitragszeiten hinzugetreten sind.
Auch bei Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums um Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (§ 43 Abs 4 Nr 1 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) hat die Klägerin im danach maßgebenden verlängerten Zeitraum vom 13.05.2002 bis 12.01.2011 lediglich 27 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Rentenauskunft der Beklagten vom 23.01.2013.
Die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist auch nicht nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Danach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (zB Arbeitsunfall, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung; § 53 SGB VI). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auch die Tatbestände des § 241 Abs 2 SGB VI sind nicht erfüllt, denn die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs 1 SGB VI) nicht vor dem 01.01.1984 erfüllt.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 43 SGB VI.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Wie bereits dargelegt, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die auch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gelten, nicht erfüllt. Abgesehen davon könnte die Klägerin als ungelernte Arbeiterin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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