L 3 AS 400/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 12 AS 4690/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 400/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne erfasst auch faktische Arbeitsverhältnisse und Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin und des Beigeladenen sind auch für das Berufungsverfahren nicht erstattungsfähig.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines.

Die 1984 geborene Klägerin war nach den Computereintragungen des Beklagten von Mai bis Dezember 2008 als Masseurin und medizinische Bademeisterin beschäftigt. Danach war sie arbeitslos. Ausweislich weiterer Computervermerke teilte sie der ARGE Vogtlandkreis-P (im Folgenden: ARGE) am 17. Februar 2009 die Arbeitsaufnahme zum 1. März 2009 mit und erkundigte sich nach einem Vermittlungsgutschein. Diesen benötige sie, weil die Vermittlung über einen privaten Arbeitsvermittler erfolgt sei. Weiter ist vermerkt, dass der Vermittlungsgutschein noch nicht ausgestellt werden könne, da die Anspruchsvoraussetzungen erst am 1. März 2009 erfüllt seien. Eine Prüfung werde durch die Arbeitsvermittlung erfolgen. Am 9. März 2009 rief die Mutter der Klägerin bei der ARGE an und bat um Zusendung eines Vermittlungsgutscheines, da ihre Tochter eine Arbeit in Aussicht habe. Der private Arbeitsvermittler, der Beigeladene, wandte sich in dieser Angelegenheit am 17. März 2009 telefonisch an die ARGE. Die Mutter der Klägerin wandte sich am 30. März 2009 an die ARGE, weil ihrer Tochter noch immer nicht der Vermittlungsgutschein ausgestellt worden sei, obwohl ihr dies zugesichert worden sei. Am 31. März 2009 wurde der Mutter der Klägerin unter anderem mitgeteilt, dass der Antrag noch geprüft werde, er sei noch ungewiss.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2009 wurde der Antrag vom 17. Februar 2009 abgelehnt, weil die Klägerin in den letzten drei Monaten vor der Beantragung des Vermittlungsgutscheines keine zwei Monate arbeitslos gewesen sei. Sie habe sich bereits am 17. Februar 2009 in Arbeit abgemeldet.

Der am 20. Juli 2009 eingegangene Widerspruch wurde damit begründet, dass bei Beantragung des Vermittlungsgutscheines nicht drei Monate Arbeitslosigkeit vorliegen müssten. Auch sei am 17. Februar 2009 keine Abmeldung in Arbeit erfolgt.

Die ARGE wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2009 zurück. Für die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines sei erforderlich, dass innerhalb der Rahmenfrist von drei Monaten vor der Antragstellung eine Arbeitslosigkeit von mindestens zwei Monaten gegeben sei und der Hilfebedürftige noch nicht vermittelt sei beziehungsweise keine Beschäftigung ausübe. Diese Voraussetzungen seien für die Klägerin bei der Antragstellung am 17. Februar 2009 nicht erfüllt. Außerdem habe sich die Klägerin an diesem Tag in eine konkrete Arbeit abgemeldet, sodass auch die Voraussetzung einer noch nicht erfolgten Vermittlung fehle.

Mit der Klage vom 26. August 2009 trägt die Klägerin unter anderem vor, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Arbeitsvertrag noch nicht abgeschlossen und noch nicht konkret in Aussicht gestellt gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2010 abgewiesen und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass es für die Vermittlung nicht erforderlich sei, dass ein Arbeitsvertrag tatsächlich geschlossen sei. Ausreichend sei vielmehr, dass sich die Arbeitsvertragsparteien im Wesentlichen über die Inhalte des Arbeitsvertrages einig geworden seien beziehungsweise die Einstellung zugesagt worden sei. Hiervon gehe das Gericht im Fall der Klägerin aus.

Die Klägerin hat am 25. Juni 2010 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass der Begriff der Vermittlung in Abhängigkeit der zivilrechtlichen Vorschriften eines Maklervertrages zu betrachten sei. Danach liege eine Vermittlung dann vor, wenn ein Hauptvertrag abgeschlossen worden sei. Nach dem im Berufungsverfahren vorgelegten Dienstvertrag ist dieser vom Arbeitgeber am 1. März 2009 und von der Klägerin am 12. März 2009 unterschrieben worden; als Beginn des Dienstverhältnisses ist der 1. März 2009 vereinbart.

Die Klägerin, die im Berufungsverfahren keinen bestimmten Antrag gestellt hat, beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Chemnitz vom 25. Mai 2010 sowie den Bescheid der ARGE Vogtlandkreis-P vom 6. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den beantragten Vermittlungsgutschein auszustellen.

Der zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid Bezug.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Der Bescheid der ARGE Vogtlandkreis-P vom 6. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2009 ist rechtmäßig, weil die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines hat.

Anspruchsgrundlage ist § 16 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) i. V. m. § 421g Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der hier maßgebenden, vom 1. Januar 2009 bis 31. Juli 2009 geltenden Fassung. Danach haben Arbeitnehmer, die Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und nach einer Arbeitslosigkeit von zwei Monaten innerhalb einer Frist von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, oder die eine Beschäftigung ausüben oder zuletzt ausgeübt haben, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme nach dem Sechsten Abschnitt des Sechsten Kapitels gefördert wird oder wurde, Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Gemäß § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III geht die Frist dem Tag der Antragstellung auf einen Vermittlungsgutschein unmittelbar voraus.

Am 17. Februar 2009 hat sich die Klägerin erstmals an die ARGE wegen der Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines gewandt. Nach dem Inhalt des Computervermerkes ist der Telefonanruf der Klägerin dahingehend zu verstehen, dass die an diesem Tag die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines für die am 1. März 2009 beginnende Beschäftigung beantragt hat. Am 17. Februar 2009 war sie aber erst ca. eineinhalb Monate arbeitslos, hatte also die Tatbestandsvoraussetzung der Zweimonatsfrist noch nicht erfüllt.

Der Beigeladene hat insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ausgeführt, dass die Vorsprache der Klägerin am 17. Februar 2009 so zu verstehen sei, dass sie einen Antrag mit Wirkung zum 1. März 2009 habe stellen wollen. Diesbezüglich kann es sein, dass die Klägerin entsprechend vom Beigeladenen, der sich mit rechtlichen Fragestellungen in Angelegenheiten von Vermittlungsgutscheinen gut vertraut gezeigt hat, entsprechend beraten worden ist. Aus dem Computervermerk zum Telefonanruf am 17. Februar 2009 lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass die Klägerin einen Antrag mit diesen Besonderheiten stellen wollte. Weitere Ermittlungen zum Inhalt dieses Telefongespräches sind gleichwohl nicht anzustellen, weil ein Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines am 1. März 2009 daran scheitern würde, dass die Klägerin an diesem Tag nicht mehr arbeitslos war. Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unter anderem Beschäftigungslosigkeit voraus. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrag ging sie seit dem 1. März 2009 einer Beschäftigung nach. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits ein Arbeitsvertrag vorlag, ist unerheblich, weil der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne auch faktische Arbeitsverhältnisse und Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis erfasst (vgl. Brand, in. Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 119 Rdnr. 10). Von Klägerseite ist aber zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, dass die Klägerin abweichend von den arbeitsvertraglichen Regelungen die Beschäftigung nicht bereits am 1. März 2009, sondern erst danach aufgenommen hat.

Entsprechendes gilt, wenn in der Vorsprache der Mutter der Klägerin am 9. März 2009 ein erstmaliger oder neuer Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines zu sehen sein sollte. Denn auch zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin wegen der ausgeübten Beschäftigung nicht mehr arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 SGB III.

Schließlich besteht auch auf Grund einer von der Mutter der Klägerin im Gespräch vom 30. März 2009 behaupteten Zusicherung kein Anspruch auf Ausstellung des begehrten Vermittlungsgutscheines. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist eine Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Bereits eine solche Zusage ist nicht zu belegen. Aus dem Computervermerk vom 17. Februar 2009 ergibt sich lediglich, dass an diesem Tag eine Prüfung der Sachlage durch die Arbeitsvermittlung bei der ARGE erklärt wurde. Einer etwaigen Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X steht aber jedenfalls entgegen, dass die in § 34 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X geforderte schriftliche Form nicht gegeben ist. Die Schriftform fordert aber der Gesetzgeber für die Wirksamkeit der Zusicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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