Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 7229/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5053/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Notwendigkeit einer weit geöffneten Tür beim Ein- und Austeigen erfüllt die Voraussetzungen für die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße nicht.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) streitig.
Der 1938 geborene Kläger betrieb bis 1991 einen Getränkegroßhandel und befindet sich mittlerweile im Ruhestand. Im August 2008 wurde rechts eine Hüftendoprothese (Hüft-TEP) implantiert, wobei aufgrund einer Pfannenlockerung bereits im November eine Revision erforderlich war. Im März 2010 wurde das linke Sprunggelenk versteift. Auch hier war im Oktober 2011 eine Korrekturoperation des gesamten Fußes erforderlich, wobei eine ausgeprägte Deformierung des Rück-/Mittelfußes mit praktisch vollständigem Verlust des Fußgewölbes verblieb.
Am 16. Dezember 2010 beantragte der Kläger die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung zum 24. November 2008 unter Vorlage verschiedener Arztberichte sowie eines Attests des Hausarztes Dr. K. vom 12. Dezember 2010 (erheblich in der Mobilität behindert, schmerzfreies Gehen nur ca. 100 Meter möglich, benötigt Gehstock und orthopädische Schuhe). Nach Einholung eines Befundberichts des Orthopäden Dr. M.-E. vom 19. April 2011 (diabetischer Charcot-Fuß, Gehstrecke praktisch nicht möglich) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Mai 2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 1. März 2010 fest und lehnte die Feststellung von Merkzeichen wegen fehlender Schwerbehinderteneigenschaft ab.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Hüfte wackle und verursache Schmerzen, wegen derer er kaum gehen könne. Orthopädische Stiefel zwängen ihn bei der Nutzung seines Pkw dazu, die Fahrertür beim Aussteigen ganz zu öffnen.
Unter Berücksichtigung weiterer Unterlagen, insbesondere derer des Diakonie-Klinikums St. über die Behandlung seit März 2010 sowie der Neurologin Dr. T. vom 18. Mai 2011 (erschwerte Gangproben nicht durchführbar) kam Versorgungsarzt Dr. H. zu dem Ergebnis, dass das Merkzeichen G vertretbar sei. Die Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit Versteifung des linken unteren Sprunggelenks sowie die mit einer Funktionsbehinderung einhergehende Hüft-TEP rechts nebst der Polyneuropathie müssten mit einem Einzel-GdB von 50, der Bluthochdruck und die arterielle Verschlusskrankheit des linken Beines mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden.
Mit Teilabhilfbescheid vom 11. August 2011 stellte der Beklagte gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme einen GdB von 50 ab 1. März 2010 sowie das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) fest und lehnte das Merkzeichen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen seien nicht so ausgeprägt, dass sie dem als Vergleichsmaßstab genannten Personenkreis beim Merkzeichen "aG" entsprächen.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. September 2011 an seinem Widerspruch festhielt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, der festgesetzte Gesamt-GdB von 50 schließe Schmerzen, seelische Begleiterscheinungen und Beeinträchtigungen bei der täglichen Lebensführung mit ein. Der Kläger sei weder ständig auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen noch könne er bezüglich der eingeschränkten Gehfähigkeit mit einem Doppel-Oberschenkelamputierten verglichen werden. Seinem erheblich eingeschränkten Gehvermögen werde ausreichend mit der Bewilligung des Merkzeichens G Rechnung getragen.
Mit seiner dagegen am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und insbesondere auf seine Probleme beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw hingewiesen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG den Kläger orthopädisch begutachten lassen.
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 6. Juli 2012 eine Minderbelastbarkeit des linken Fußes/linken Beines bei Zustand nach Charot-Fuß (Neuroarthropathie unbekannter Ätiologie) und Zustand nach Arthrodese, einen Zustand nach zementfreier Hüft-TEP rechts, eine mitgeteilte schwere sensomotorische Polyneuropathie unbekannter Ätiologie, einen ausgeprägten Spreizfuß und einen Zustand nach Ballondilatation diagnostiziert. Nach der Korrekturoperation sei die Ausrichtung des versteiften linken Fußes korrekt, jedoch ein Zustand erreicht, der aufgrund der Versteifung der Mittelfuß- und Zehengrundgelenke sowie dem Verlust des Fußgewölbes, der massiven Umfangsvermehrung und dem Verlust der Abrollfunktion funktionell mit einer prothetisch gut versorgbaren Unterschenkelamputation unterhalb des Kniegelenks vergleichbar sei. Die Hüft-TEP habe eine gute Funktion erreicht, allerdings liege eine radiologisch beginnende schwere Coxarthrose links vor. Der Kläger habe berichtet, dass er in der Wohnung ohne Unterarmgehstütze gehen könne, diese aber immer mit sich führe. Bei optimalen Bedingungen betrage die Gehfähigkeit 15 Minuten. An Aktivitäten habe er über Spaziergehen, welches aber auf 20 Minuten im Umgebungsbereich des Hauses begrenzt sei, berichtet. Ohne Frage bestehe eine gravierende Einschränkung des Gehvermögens, welches auf mindestens 150 Meter limitiert sei. Das Problem liege nicht in der Gehstrecke selbst, sondern in der nachvollziehbaren fehlenden Hilfe durch eine voll geöffnete Fahrertür, die ihm das Aussteigen erkennbar erleichtere. Der Kläger sei nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Der Beklagte hat auf die Rechtsprechung des BSG vom 3. Februar 1988 (9/9a RVS 19/86) und 5. Juli 2007 (B 9/9a SB 5/06 R) verwiesen und die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen weiterhin nicht vorlägen.
Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, unter Zugrundelegung der Feststellungen des Gutachters Dr. N. lägen die Voraussetzungen des Merkzeichens aG beim Kläger nicht vor. Schwierigkeiten beim Verlassen des Kfz könnten nicht berücksichtigt werden, zumal sie von der Art und Ausstattung des Fahrzeugs abhingen. Auch die vom Kläger geschilderten Probleme beim Öffnen der Fahrertür beruhten allein auf der Seitenöffnung der Fahrertür und könnten bei Verwendung von Schiebetüren vermieden werden.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Dezember 2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, zwar sei der begünstigte Personenkreis aufgrund des eingeschränkten Parkraums grundsätzlich eng zu fassen, aber er könne sich tatsächlich nur mit gleich großer Anstrengung wie ein Querschnittsgelähmter außerhalb des Kfz bewegen. Er benötige aufgrund seiner Beeinträchtigungen einen Schwenkbereich für die Türen des Fahrzeugs, vergleichbar mit einem Rollstuhlfahrer.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 sowie den Bescheid vom 4. Mai 2011 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 11. August 2011 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2011 aufzuheben und das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens aG nicht vorliegen.
Nach § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen aG (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung - (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Danach sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Zwar enthalten die Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) hinsichtlich der Beurteilung der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG weitere Kriterien. Danach darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 142), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 142) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 142). Den VG lassen sich aber im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), aG, "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG), noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 24. Mai 2012 - L 6 SB 2593/11 - unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08; Dau, juris PR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37).
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von schwerbehinderten Menschen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde, der Betroffene muss vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann (so früher Teil B Ziff. 31 AHP 2005). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf schwerbehinderte Menschen, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 5/05 R - Juris). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger nicht. Er ist nicht rollstuhlpflichtig, diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Verwaltungsvorschrift genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann.
Dass sich der Kläger nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nach den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen, dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. N. und insbesondere den von dem Sachverständigen angefertigten Bildern nicht der Fall und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.
Die Gehfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats auch nicht auf das Schwerste so weit eingeschränkt, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kfz an nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann. Auch dies entnimmt der Senat der Einschätzung des Dr. N. in seinem gut nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten.
Die für den Nachteilsausgleich aG geforderte große körperliche Anstrengung ist nach der Rechtsprechung des BSG dann gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, ist allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für den Nachteilsausgleich aG reichen irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R). Vielmehr müssen sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten auftreten. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u.a. aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, a.a.O.).
Den von Dr. N. erhobenen Befunden lässt sich die für die Zuerkennung des Merkzeichens aG geforderte große körperliche Anstrengung beim Gehen nicht entnehmen. Dies hat die über 75-minütige Untersuchung des Klägers eindrücklich belegt. Der Kläger hat vielmehr nach seiner Einschätzung bei einer Gehstrecke bis 150 Meter überhaupt keine großen körperlichen Anstrengungen gezeigt. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird auch durch die Anamnese des Sachverständigen bestätigt. Danach liegt eine der Freizeit-Beschäftigungen des Klägers gerade darin, 20 Minuten am Stück spazieren zu gehen, wofür er in der Regel noch nicht einmal einer Gehhilfe bedarf.
Auch die sensomotorische Polyneuropathie wirkt sich ebenso wie die versorgte Verschlusskrankheit der Beine nicht auf die Gehstrecke aus, was der Sachverständige ebenfalls gut begründet dargelegt hat. Denn es fanden sich motorisch am rechten Fuß keine höhergradigen Paresen. Das Vibrationsempfinden war bei der Untersuchung durch Dr. N. sogar besser und es lag eine ausreichende Restdurchblutung der Beine vor. Körper-Balance-Störungen bestanden nicht. Die Gehversuche mit dem Sachverständigen erbrachten, dass der Kläger nur eine Unterarmgehstütze beim Gehen einseitig einsetzen musste. Der Kläger hat auch während der Untersuchung gezeigt, dass er sich außerhalb eines Fahrzeugs und nicht vom ersten Schritt an nur mit fremder Hilfe oder großen Anstrengungen bewegen kann.
Dass der Kläger nicht einer vergleichbar großen körperlichen Anstrengung beim Gehen wie die Referenzgruppe der Doppeloberschenkelamputierten unterliegt, ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. N ... Danach ist das Gehen selbst allerdings anstrengend für ihn, was der Sachverständige nachvollziehbar damit begründet hat, dass der Kläger den Fuß links nicht abrollen und auch mehr das rechte Bein beim Gehen belastet ist.
Die so beschriebenen Einschränkungen im Gehvermögen rechtfertigen die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nach den oben dargestellten Maßstäben nicht. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ergibt sich, dass es allein auf das Maß der Gehbehinderung ankommt. Auch der Zusammenhang mit der Regelung in der VwV-StVO macht den Gesetzeszweck deutlich, dass das Restgehvermögen für den Nachteilsausgleich aG maßgebend ist. Nach der an diesem Gesetzeszweck orientierten Rechtsprechung des BSG muss daher der Leidenszustand die Möglichkeit der Fortbewegung auf das Schwerste behindern (grundlegend BSG, Urteil vom 8. Mais 1981 - 9 RVs 5/80). Die genannte Rechtsprechung ist in der Folgezeit durch weitere Entscheidungen des BSG bestätigt worden (z.B. Urteile vom 6. November 1985 - 9a RVs 7/83 - und vom 13. Dezember.1994 - 9 RVs 3/94 - betreffend Anfallsleiden und Störungen der Orientierungsfähigkeit; zuletzt Urteile vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R - und 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R betreffend den Begriff der großen Anstrengung). Allen genannten Entscheidungen gemeinsam ist, dass der Nachteilsausgleich aG eine Einschränkung des Gehvermögens des betreffenden Behinderten auf das Schwerste erfordert. An einer solch weitreichenden Gehstörung hat die Klägerin jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum nicht gelitten.
Dass der Kläger deshalb auf die Nutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen ist, weil er - wie von ihm geltend gemacht - gesundheitsbedingt beim Ein- und Aussteigen auf die unbeschränkte Öffnung der Autotür angewiesen ist, ändert nichts an der Beurteilung. Denn die Notwendigkeit einer weit geöffneten Tür beim Ein- und Austeigen erfüllt die Voraussetzungen für die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße nicht. Zum Ausgleich derartiger Nachteile ist die Ausnahme durch die VwV-StVO nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, einen behinderten Menschen wegen der Beeinträchtigung seiner Gehfähigkeit möglichst nahe an sein Ziel fahren zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/88 - SozR 3870 § 3 Nr. 28 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2007 - L 8 SB 763/06 - nicht veröffentlicht).
Dies hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 24. Mai 2012 (L 6 SB 2593/11) bestätigt.
Die Berufung des Klägers ist daher abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) streitig.
Der 1938 geborene Kläger betrieb bis 1991 einen Getränkegroßhandel und befindet sich mittlerweile im Ruhestand. Im August 2008 wurde rechts eine Hüftendoprothese (Hüft-TEP) implantiert, wobei aufgrund einer Pfannenlockerung bereits im November eine Revision erforderlich war. Im März 2010 wurde das linke Sprunggelenk versteift. Auch hier war im Oktober 2011 eine Korrekturoperation des gesamten Fußes erforderlich, wobei eine ausgeprägte Deformierung des Rück-/Mittelfußes mit praktisch vollständigem Verlust des Fußgewölbes verblieb.
Am 16. Dezember 2010 beantragte der Kläger die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung zum 24. November 2008 unter Vorlage verschiedener Arztberichte sowie eines Attests des Hausarztes Dr. K. vom 12. Dezember 2010 (erheblich in der Mobilität behindert, schmerzfreies Gehen nur ca. 100 Meter möglich, benötigt Gehstock und orthopädische Schuhe). Nach Einholung eines Befundberichts des Orthopäden Dr. M.-E. vom 19. April 2011 (diabetischer Charcot-Fuß, Gehstrecke praktisch nicht möglich) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Mai 2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 1. März 2010 fest und lehnte die Feststellung von Merkzeichen wegen fehlender Schwerbehinderteneigenschaft ab.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Hüfte wackle und verursache Schmerzen, wegen derer er kaum gehen könne. Orthopädische Stiefel zwängen ihn bei der Nutzung seines Pkw dazu, die Fahrertür beim Aussteigen ganz zu öffnen.
Unter Berücksichtigung weiterer Unterlagen, insbesondere derer des Diakonie-Klinikums St. über die Behandlung seit März 2010 sowie der Neurologin Dr. T. vom 18. Mai 2011 (erschwerte Gangproben nicht durchführbar) kam Versorgungsarzt Dr. H. zu dem Ergebnis, dass das Merkzeichen G vertretbar sei. Die Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit Versteifung des linken unteren Sprunggelenks sowie die mit einer Funktionsbehinderung einhergehende Hüft-TEP rechts nebst der Polyneuropathie müssten mit einem Einzel-GdB von 50, der Bluthochdruck und die arterielle Verschlusskrankheit des linken Beines mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden.
Mit Teilabhilfbescheid vom 11. August 2011 stellte der Beklagte gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme einen GdB von 50 ab 1. März 2010 sowie das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) fest und lehnte das Merkzeichen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen seien nicht so ausgeprägt, dass sie dem als Vergleichsmaßstab genannten Personenkreis beim Merkzeichen "aG" entsprächen.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. September 2011 an seinem Widerspruch festhielt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2011 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, der festgesetzte Gesamt-GdB von 50 schließe Schmerzen, seelische Begleiterscheinungen und Beeinträchtigungen bei der täglichen Lebensführung mit ein. Der Kläger sei weder ständig auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen noch könne er bezüglich der eingeschränkten Gehfähigkeit mit einem Doppel-Oberschenkelamputierten verglichen werden. Seinem erheblich eingeschränkten Gehvermögen werde ausreichend mit der Bewilligung des Merkzeichens G Rechnung getragen.
Mit seiner dagegen am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und insbesondere auf seine Probleme beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw hingewiesen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG den Kläger orthopädisch begutachten lassen.
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 6. Juli 2012 eine Minderbelastbarkeit des linken Fußes/linken Beines bei Zustand nach Charot-Fuß (Neuroarthropathie unbekannter Ätiologie) und Zustand nach Arthrodese, einen Zustand nach zementfreier Hüft-TEP rechts, eine mitgeteilte schwere sensomotorische Polyneuropathie unbekannter Ätiologie, einen ausgeprägten Spreizfuß und einen Zustand nach Ballondilatation diagnostiziert. Nach der Korrekturoperation sei die Ausrichtung des versteiften linken Fußes korrekt, jedoch ein Zustand erreicht, der aufgrund der Versteifung der Mittelfuß- und Zehengrundgelenke sowie dem Verlust des Fußgewölbes, der massiven Umfangsvermehrung und dem Verlust der Abrollfunktion funktionell mit einer prothetisch gut versorgbaren Unterschenkelamputation unterhalb des Kniegelenks vergleichbar sei. Die Hüft-TEP habe eine gute Funktion erreicht, allerdings liege eine radiologisch beginnende schwere Coxarthrose links vor. Der Kläger habe berichtet, dass er in der Wohnung ohne Unterarmgehstütze gehen könne, diese aber immer mit sich führe. Bei optimalen Bedingungen betrage die Gehfähigkeit 15 Minuten. An Aktivitäten habe er über Spaziergehen, welches aber auf 20 Minuten im Umgebungsbereich des Hauses begrenzt sei, berichtet. Ohne Frage bestehe eine gravierende Einschränkung des Gehvermögens, welches auf mindestens 150 Meter limitiert sei. Das Problem liege nicht in der Gehstrecke selbst, sondern in der nachvollziehbaren fehlenden Hilfe durch eine voll geöffnete Fahrertür, die ihm das Aussteigen erkennbar erleichtere. Der Kläger sei nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Der Beklagte hat auf die Rechtsprechung des BSG vom 3. Februar 1988 (9/9a RVS 19/86) und 5. Juli 2007 (B 9/9a SB 5/06 R) verwiesen und die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen weiterhin nicht vorlägen.
Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, unter Zugrundelegung der Feststellungen des Gutachters Dr. N. lägen die Voraussetzungen des Merkzeichens aG beim Kläger nicht vor. Schwierigkeiten beim Verlassen des Kfz könnten nicht berücksichtigt werden, zumal sie von der Art und Ausstattung des Fahrzeugs abhingen. Auch die vom Kläger geschilderten Probleme beim Öffnen der Fahrertür beruhten allein auf der Seitenöffnung der Fahrertür und könnten bei Verwendung von Schiebetüren vermieden werden.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Dezember 2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, zwar sei der begünstigte Personenkreis aufgrund des eingeschränkten Parkraums grundsätzlich eng zu fassen, aber er könne sich tatsächlich nur mit gleich großer Anstrengung wie ein Querschnittsgelähmter außerhalb des Kfz bewegen. Er benötige aufgrund seiner Beeinträchtigungen einen Schwenkbereich für die Türen des Fahrzeugs, vergleichbar mit einem Rollstuhlfahrer.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 sowie den Bescheid vom 4. Mai 2011 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 11. August 2011 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2011 aufzuheben und das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens aG nicht vorliegen.
Nach § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen aG (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung - (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Danach sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Zwar enthalten die Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) hinsichtlich der Beurteilung der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG weitere Kriterien. Danach darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 142), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 142) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 142). Den VG lassen sich aber im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), aG, "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG), noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 24. Mai 2012 - L 6 SB 2593/11 - unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08; Dau, juris PR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37).
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von schwerbehinderten Menschen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde, der Betroffene muss vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann (so früher Teil B Ziff. 31 AHP 2005). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf schwerbehinderte Menschen, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 5/05 R - Juris). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger nicht. Er ist nicht rollstuhlpflichtig, diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der Verwaltungsvorschrift genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann.
Dass sich der Kläger nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nach den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen, dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. N. und insbesondere den von dem Sachverständigen angefertigten Bildern nicht der Fall und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.
Die Gehfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats auch nicht auf das Schwerste so weit eingeschränkt, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kfz an nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann. Auch dies entnimmt der Senat der Einschätzung des Dr. N. in seinem gut nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten.
Die für den Nachteilsausgleich aG geforderte große körperliche Anstrengung ist nach der Rechtsprechung des BSG dann gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, ist allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für den Nachteilsausgleich aG reichen irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R). Vielmehr müssen sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten auftreten. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u.a. aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, a.a.O.).
Den von Dr. N. erhobenen Befunden lässt sich die für die Zuerkennung des Merkzeichens aG geforderte große körperliche Anstrengung beim Gehen nicht entnehmen. Dies hat die über 75-minütige Untersuchung des Klägers eindrücklich belegt. Der Kläger hat vielmehr nach seiner Einschätzung bei einer Gehstrecke bis 150 Meter überhaupt keine großen körperlichen Anstrengungen gezeigt. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird auch durch die Anamnese des Sachverständigen bestätigt. Danach liegt eine der Freizeit-Beschäftigungen des Klägers gerade darin, 20 Minuten am Stück spazieren zu gehen, wofür er in der Regel noch nicht einmal einer Gehhilfe bedarf.
Auch die sensomotorische Polyneuropathie wirkt sich ebenso wie die versorgte Verschlusskrankheit der Beine nicht auf die Gehstrecke aus, was der Sachverständige ebenfalls gut begründet dargelegt hat. Denn es fanden sich motorisch am rechten Fuß keine höhergradigen Paresen. Das Vibrationsempfinden war bei der Untersuchung durch Dr. N. sogar besser und es lag eine ausreichende Restdurchblutung der Beine vor. Körper-Balance-Störungen bestanden nicht. Die Gehversuche mit dem Sachverständigen erbrachten, dass der Kläger nur eine Unterarmgehstütze beim Gehen einseitig einsetzen musste. Der Kläger hat auch während der Untersuchung gezeigt, dass er sich außerhalb eines Fahrzeugs und nicht vom ersten Schritt an nur mit fremder Hilfe oder großen Anstrengungen bewegen kann.
Dass der Kläger nicht einer vergleichbar großen körperlichen Anstrengung beim Gehen wie die Referenzgruppe der Doppeloberschenkelamputierten unterliegt, ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. N ... Danach ist das Gehen selbst allerdings anstrengend für ihn, was der Sachverständige nachvollziehbar damit begründet hat, dass der Kläger den Fuß links nicht abrollen und auch mehr das rechte Bein beim Gehen belastet ist.
Die so beschriebenen Einschränkungen im Gehvermögen rechtfertigen die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nach den oben dargestellten Maßstäben nicht. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ergibt sich, dass es allein auf das Maß der Gehbehinderung ankommt. Auch der Zusammenhang mit der Regelung in der VwV-StVO macht den Gesetzeszweck deutlich, dass das Restgehvermögen für den Nachteilsausgleich aG maßgebend ist. Nach der an diesem Gesetzeszweck orientierten Rechtsprechung des BSG muss daher der Leidenszustand die Möglichkeit der Fortbewegung auf das Schwerste behindern (grundlegend BSG, Urteil vom 8. Mais 1981 - 9 RVs 5/80). Die genannte Rechtsprechung ist in der Folgezeit durch weitere Entscheidungen des BSG bestätigt worden (z.B. Urteile vom 6. November 1985 - 9a RVs 7/83 - und vom 13. Dezember.1994 - 9 RVs 3/94 - betreffend Anfallsleiden und Störungen der Orientierungsfähigkeit; zuletzt Urteile vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R - und 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 5/06 R betreffend den Begriff der großen Anstrengung). Allen genannten Entscheidungen gemeinsam ist, dass der Nachteilsausgleich aG eine Einschränkung des Gehvermögens des betreffenden Behinderten auf das Schwerste erfordert. An einer solch weitreichenden Gehstörung hat die Klägerin jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum nicht gelitten.
Dass der Kläger deshalb auf die Nutzung von Behindertenparkplätzen angewiesen ist, weil er - wie von ihm geltend gemacht - gesundheitsbedingt beim Ein- und Aussteigen auf die unbeschränkte Öffnung der Autotür angewiesen ist, ändert nichts an der Beurteilung. Denn die Notwendigkeit einer weit geöffneten Tür beim Ein- und Austeigen erfüllt die Voraussetzungen für die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße nicht. Zum Ausgleich derartiger Nachteile ist die Ausnahme durch die VwV-StVO nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, einen behinderten Menschen wegen der Beeinträchtigung seiner Gehfähigkeit möglichst nahe an sein Ziel fahren zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RVs 19/88 - SozR 3870 § 3 Nr. 28 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2007 - L 8 SB 763/06 - nicht veröffentlicht).
Dies hat der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 24. Mai 2012 (L 6 SB 2593/11) bestätigt.
Die Berufung des Klägers ist daher abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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