L 7 AS 110/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 69/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 110/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 16/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
verb. mit S 7 AS 294/06; L 7 AS 9/10
I. Die Berufungen der Kläger gegen die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2008 und 2. September 2009 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten im Zeitraum von März 2006 bis August 2006 und von Oktober 2006 bis Februar 2008.

Der 1975 geborene Kläger bewohnt seit 1. November 2004 mit seiner Lebensgefährtin und den Kindern C. (geboren 1998) und D. (geb. 2004) eine 94,7 m² große Wohnung in A-Stadt. Die Wohnung wurde im Jahre 1957 erstellt und im Jahre 2000 saniert. Die Miete betrug monatlich 742,77 EUR zuzüglich 132,00 EUR Betriebskosten. Die Betriebskosten wurden ab November 2005 auf 93,80 EUR monatlich abgesenkt (Gesamt = 836,57 EUR monatlich).

Auf seinen Antrag vom 22. Februar 2005 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Mai 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II. Dabei wurden die Kosten der Unterkunft in der tatsächlichen Höhe übernommen.

Leistungen nach dem SGB II bezogen die Kläger bis einschließlich April 2008.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Unterkunftskosten seien zu hoch, und forderte ihn zu Mietsenkungsmaßnahmen auf. Die angemessene Miete einschließlich Nebenkosten betrage 620,00 EUR (zuzüglich Heizkosten). Die überhöhten Mietkosten würden bis längstens 31. Oktober 2005 übernommen. Tatsächlich wurden diese Mietkosten in Höhe von zuletzt 836,57 EUR bis einschließlich Februar 2006 bezahlt.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2006 (Zeitraum März 2006 bis August 2006) senkte der Beklagte die Kosten der Unterkunft auf insgesamt 702,00 EUR ab (Miete und Betriebskosten = 620,00 EUR; Heizung = 100,00 EUR; abzüglich 18,00 EUR Warmwasser). Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21. März 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az.: S 43 AS 294/06).

Mit Bescheid vom 21. August 2006 (Zeitraum September 2006 bis Februar 2007) erfolgte die gleiche Bewilligung. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 7. November 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az.: S 5/58 S 1059/06). Dieses Verfahren ist noch bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main anhängig.

Der Heizkostenanteil wurde für den Zeitraum ab Oktober 2006 auf 212,00 EUR erhöht.

Wegen Schwankungen im Einkommen des Klägers ergingen in der Folgezeit weitere Bescheide.

Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2006 und 6. Oktober 2006 erfolgte eine Änderung für den Zeitraum Oktober 2006 bis Februar 2007. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 19. Januar 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 69/07).

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 erfolgte eine weitere Änderung für den Zeitraum November 2006 bis 28. Februar 2007. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 1547/07).

Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 erfolgte eine Neuberechnung für den Zeitraum 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 665/07).

Eine weitere Neuberechnung erfolgte mit Bescheid vom 19. April 2007 für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 28. Februar 2007. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 14. August 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 1049/07).

Mit Bescheid vom 1. Februar 2007 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 31. August 2007. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 1261/07).

Mit Bescheid vom 7. September 2007 wurden die Leistungen für den Monat August 2007 neu berechnet. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 3. Dezember 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 1711/07).

Mit Bescheid vom 16. August 2007 erfolgte die Bewilligung für den Zeitraum 1. September 2007 bis 29. Februar 2008. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2007 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 3. Dezember 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az. S 26 AS 1710/07).

Übersicht:
Az. LSG Zeitraum Bescheid Wi-Bescheid Klage SG

L 7 AS 9/10 01.03.2006 – 31.08.2006 08.02.2006 23.02.2006 21.03.2006 S 7 AS 294/06
nicht anhängig 01.09.2006 – 28.02.2007 21.08.2006 20.10.2006 07.11.2006 S 5/58 AS 1059/06
L 7 AS 110/08 01.10.2006 – 28.02.2007 02.10.2006 06.10.2006 20.12.2006 19.01.2007 S 26 AS 69/07
L 7 AS 110/08 01.11.2006 – 28.02.2007 06.12.2006 20.04.2007 21.05.2007 S 26 AS 1547/07
L 7 AS 110/08 01.12.2006 – 28.02.2007 24.01.2007 25.04.2007 21.05.2007 S 26 AS 665/07
L 7 AS 110/08 01.01.2007 – 28.02.2007 19.04.2007 20.07.2007 14.08.2007 S 26 AS 1049/07
L 7 AS 110/08 01.03.2007 – 31.08.2007 01.02.2007 02.05.2007 21.05.2007 S 26 AS 1261/07
L 7 AS 110/08 01.08.2007 – 31.08.2007 07.09.2007 05.11.2007 03.12.2007 S 26 AS 1711/07
L 7 AS 110/08 01.09.2007 – 29.02.2008 16.08.2007 05.11.2007 03.12.2007 S 26 AS 1710/07

Die Kläger wenden sich mit ihren Klagen gegen die von dem Beklagten als angemessen festgesetzten Unterkunftskosten und halten die in den Richtlinien des Beklagten aufgeführten Werte für unrealistisch niedrig. Auf dieser Basis könne im Hochtaunuskreis keine Wohnung gefunden werden, wie auch die von ihnen vorgelegten Anzeigen aus der "A-Stadter Woche" (Zeitraum 7. Juli 2005 bis 9. November 2006) und aus dem "E." (Zeitraum 3. November 2007 bis 16. Februar 2008) belegten. Auch soziale Gründe wie der Besuch der Grundschule des Klägers zu 3. in unmittelbarer Nachbarschaft, die Betreuung der Kinder durch die Mutter und Schwester des Klägers zu 1. sowie die Arbeitsstelle der Klägerin zu 2. in nur 2 km Entfernung machten einen Umzug unzumutbar. Der Beklagte hält seine Richtlinien für angemessen. Die Kläger hätten auch keinen Nachweis erbracht, eine kostengünstigere Wohnung nicht zu finden.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2008 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Verfahren S 26 AS 69/07, S 26 AS 1547/07, S 26 AS 665/07, S 26 AS 1049/07, S 26 AS 1261/07, S 26 AS 1711/07 und S 26 AS 1710/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom gleichen Tage die Klagen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Kosten der Unterkunft seien unangemessen hoch. Die Wohnungsgröße mit 94,74 m² sei zu groß, angemessen seien bei einer 4-köpfigen Bedarfsgemeinschaft 84 m². Der Quadratmeterpreis betrage danach 8,83 EUR bzw. ohne Nebenkosten 7,84 EUR. Nach der Studie HVB-Expertise (www.hvbexpertise.de) vom 1. Februar 2003 könne im unteren Marktsegment für Neubauten und sanierte Altbauten in A-Stadt eine Wohnung bei einer Quadratmetermiete ab 6,00 EUR und einer Wohnungsgröße von 85 m² ab 510,00 EUR zuzüglich Nebenkosten angemietet werden. Der von dem Beklagten angesetzte Wert von 620,00 EUR inkl. Nebenkosten sei daher nicht völlig unrealistisch. Unabhängig von der Tatsache, dass das Hessische Landessozialgericht die Richtlinien des Beklagten als unbedenklich eingestuft habe, seien die Unterkunftskosten auch unter Einbeziehung des Wohngeldgesetzes (Tabelle zu § 8) angemessen, da für A-Stadt ein Wert in Höhe von 545,00 EUR (Mietenstufe IV) bzw. 590,00 EUR (Mietenstufe V) Bruttokaltmiete monatlich anzusetzen sei. Bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze seien entgegen der Auffassung des Klägers auch Unterkünfte kommunaler Wohnungsträger einzubeziehen. Der Vortrag des Klägers, er habe keine den Richtlinien des Beklagten entsprechende Wohnung finden können, sei nicht glaubhaft. Seine entsprechenden Bemühungen Durchsicht zweier Presseorgane - seien nicht ausreichend. Auch von dem Beklagten konkret unterbreitete Angebote habe er nicht aufgegriffen. Im Übrigen führten auch die vom Kläger genannten sozialen Gründe nicht dazu, dass ein Umzug in eine angemessene Wohnung unzumutbar sei.

Gegen dieses dem Kläger am 17. März 2008 zugestellte Urteil hat er am 14. April 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

In dem Rechtsstreit S 7 AS 294/06 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage mit im Wesentlichen gleicher Begründung mit Urteil vom 2. September 2009 abgewiesen. Gegen dieses dem Kläger am 11. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat er am 8. Januar 2010 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein Begehren weiter und verweist u.a. auf die HVB-Expertise 2007, eine Übersicht der im Sinne des SGB II/SGB XII/AsylbLG als angemessen anzusehenden Grundmieten in Frankfurt/Main (Stand Juni 2008), eine Stellungnahme "Mietanerkennung beim Main-Taunus-Kreis ab dem 01.04.2008" und die Stellungnahme der ökumenischen Wohnhilfe im Taunus e.V. vom 23. April 2010. Einen Rückgriff auf die Wohngeldtabelle hält er für unzulässig. Dem hält der Beklagte entgegen, im Gegensatz zu der Expertise 2003 weise die HVB-Expertise 2007 keine einfachen Wohnungen mehr aus. Die Stellungnahme der Wohnhilfe sei schon deshalb nicht heranzuziehen, da es auf die Verhältnisse bis Februar 2008 ankomme.

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2008 und 2. September 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006, 2. Oktober 2006 und 6. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006, vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2007, vom 24. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2007, vom 19. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2007, vom 1. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007, vom 7. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2007 und vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2007 zu verurteilen, bei der Berechnung der Leistungen für den Zeitraum 1. März 2006 bis 31. August 2006 und vom 1. Oktober 2006 bis 28. Februar 2008 die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass mittlerweile ein neues Konzept erarbeitet worden sei. Dies sei jedoch für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Letztlich müsse auf die Werte der Wohngeldtabelle zurückgegriffen werden.

Der Senat hat zur Frage des Wohnungsmarktes in A-Stadt Auskünfte eingeholt von der A-Stadter Wohnungsgenossenschaft eG (16. März 2009), Wohnbau Rhein-Main AG (27. Februar 2009) und der Wohnbau Service Bonn GmbH (11. Mai 2009) und zu den Mietstufen nach dem Wohngeldgesetz eine Auskunft des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 4. Juli 2011.

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2011 die Verfahren L 7 AS 110/08 und L 7 AS 9/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.

Die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2008 und 2. September 2009 sind nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten im streitigen Zeitraum.

Soweit der Zeitraum September 2006 bis Februar 2007 betroffen ist, sind die Klagen gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2006 und 6. Oktober 2006 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 (Zeitraum 1. Oktober 2006 – 28. Februar 2007), vom 6. Dezember 2006 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2007 (Zeitraum 1. November 2006 – 28. Februar 2007), vom 24. Januar 2007 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2007 (Zeitraum 1. Dezember 2006 – 28. Februar 2007) und vom 19. April 2007 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2007 (Zeitraum 1. Januar 2007 – 28. Februar 2007) unzulässig. Die Bescheide sind nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens S 5/58 AS 1059/06 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main geworden, über das noch nicht entschieden ist. Dieses Verfahren betrifft den Bescheid vom 21. August 2006 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2006 und umfasst den Zeitraum 1. September 2006 – 28. Februar 2007. Die oben genannten nachfolgenden Bescheide betreffen diesen Zeitraum. Über ihre Rechtmäßigkeit ist in dem noch anhängigen Verfahren zu entscheiden.

Die Kläger haben das Streitverhältnis zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 73/08 R), wie sich aus der Antragstellung und der Erklärung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2011 unmissverständlich ergibt.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Die von dem Beklagten in dem streitigen Zeitraum anerkannten monatlichen Heizkosten sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in mehreren Schritten zu prüfen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22, Rdnr. 64 ff.).

Zunächst ist in einem ersten Schritt die Größe (Quadratmeter) der konkret betroffenen Unterkunft festzustellen. Für die Ermittlung der angemessenen Grundfläche einer Wohnung oder eines Eigenheimes ist typisierend auf die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße abzustellen, wie sich aus den von den Bundesländern zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (WoFG) ergibt. Danach beträgt für Hessen (Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 19. Januar 2009, Seite 287) die förderungsfähige Wohnfläche (Regelwohnfläche) bei Wohnungen für eine Person bis 45 m², bei Wohnungen für 2 Personen bis 60 m² und für jede weitere Person 12 qm mehr. Für die Kläger ist daher von einer angemessenen Wohnungsgröße von 84 m² auszugehen.

In einem weiteren Schritt ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Unterkunft nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Unterkunft muss hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im qm-Preis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Nach der vom BSG (a.a.O.) zugrunde gelegten so genannten Produkttheorie ist die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt bemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter zu ermitteln. Um diese so genannte Referenzmiete zu bestimmen, ist die Miete am Wohnort des Leistungsberechtigten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen (räumlicher Vergleichsraum). Als Vergleichsraum legt der Senat das gesamte Stadtgebiet von A-Stadt mit ca. 44.000 Einwohnern zu Grunde.

Die Wohnungsmiete der Kläger beträgt monatlich 742,77 EUR für eine 94,74 m² große Wohnung. Dies entspricht einem Quadratmeterpreis von 7,84 EUR. Dieser Preis befindet sich - beispielsweise unter Heranziehung der vorgelegten HVB-Expertise 2003 für A Stadt - bei einer einfachen Lage und Mietpreisen in diesem Segment von 6 EUR bis 8,50 EUR im oberen Bereich und bei einer mittleren Lage bei Mietpreisen von 7,50 EUR bis 9 EUR im unteren Bereich. Die vom Senat eingeholten Auskünfte von der A-Stadter Wohnungsgenossenschaft eG – F. (16. März 2009) und der Wohnbau Service Bonn GmbH (11. Mai 2009) können nur eingeschränkt herangezogen werden, da sie nicht explizit zwischen den einzelnen Standards unterscheiden. Der Auskunft der F. ist jedoch zu entnehmen, dass bei öffentlich gefördertem Wohnungsbau Quadratmeterpreise in A Stadt von 2,50 EUR bis 5,50 EUR erzielt werden. Unter Addition von 1,50 EUR pro Quadratmeter für Betriebskosten ergibt dies eine Monatsmiete von 588,00 EUR ohne Heizung (7,00 EUR pro Quadratmeter x 84 m² Wohnfläche). Die von der Wohnbau Service Bonn GmbH genannte Preisspanne von 7,70 EUR bis 8,20 EUR pro Quadratmeter kann nicht zu Grunde gelegt werden, da diese offensichtlich von einem gehobenen Standard ausgeht. Der von dem Beklagten zu Grunde gelegte Quadratmeterpreis von 7,38 EUR pro Quadratmeter (Kaltmiete plus Nebenkosten, ohne Heizung) entspricht daher durchaus realistischen Verhältnissen. Die von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen führen zu keinem anderen Ergebnis. Die HVB-Epertise 2007 weist im Gegensatz zu der Expertise 2003 keine einfache Wohnlage mehr aus, sondern lediglich gute und sehr gute Wohnlagen, so dass die dort genannten Mietpreise nicht herangezogen werden können. Die von dem Kläger vorgelegte Übersicht der im Sinne des SGB II/SGB XII als angemessen anzusehende Grundmiete in Frankfurt am Main - Stand Juni 2008, das Schreiben des Main-Taunus-Kreises von April 2008 über die Mietanerkennung sowie die Stellungnahme der ökumenischen Wohnhilfe im Taunus - Stand April 2010 - können schon deshalb nicht zu Grunde gelegt werden, da diese einen Zeitpunkt nach dem hier streitigen Zeitraum betreffen.

In einem weiteren Schritt sind die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen. Hierzu sind grundsätzlich alle erreichbaren Erkenntnisquellen heranzuziehen und diese auf ihre methodischen Schwächen und ihrer Aussagekraft zu untersuchen. Sofern örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken nicht vorhanden sind, muss der Grundsicherungsträger eigene Datenquellen erschließen. Die von dem Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt. Dabei muss das untere Mietpreisniveau des gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes realistisch abgebildet werden. Die Ermittlung der regional angemessenen Kosten der Unterkunft muss auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgen. Ein solches Konzept liegt vor, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig vorgegangen ist, d.h. im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur punktuell im Einzelfall (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R; vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 15/09 R).

Im Gegensatz zu dem Sozialgericht und dem Beklagten hält der Senat das von dem Beklagten zu Grunde gelegte Konzept nicht für schlüssig. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Senat in früheren Entscheidungen die Richtlinien des Beklagten lediglich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebilligt hatte (vgl. die von dem Sozialgericht im angefochtenen Urteil zitierten Entscheidungen). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. Februar 2008 hat der Beklagte die Richtlinien wie folgt beschrieben: "Die geltenden Richtlinien des Hochtaunuskreises wurden aufgrund eines Beschlusses des Kreisausschusses von 1996 festgelegt. Ausgangspunkt war die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz. Für Kleinhaushalte wurde ein 25-prozentiger Zuschlag für erhöhte Mieten im Ballungsraum angesetzt. 2002 wurden diese Richtlinien lediglich dahin angepasst, dass die groben Beträge nach der Euro-Umstellung gerundet wurden. Im Januar 2003 wurden die Richtlinien von dem Beklagten erneut überprüft und zwar anhand der Verordnung zu der Wohngeldtabelle und festgestellt, dass die Richtlinien des Beklagten weiterhin angemessen sind. Obwohl nach der Wohngeldtabelle und der dazu ergangenen Verordnung A-Stadt nur in der Mietenstufe 4 eingeordnet ist, sind wir intern davon ausgegangen, dass - weil A-Stadt im Vordertaunus liegt - hier die Mietenstufe 5 angemessen ist. Für kleinere Haushalte liegen wir damit mit unseren Werten immer noch über der Wohngeldtabelle auch für die Mietenstufe 5. Der Beschluss des Kreisausschusses wiederum fußte auf einer umfassenden Marktbeobachtung in unserem Zuständigkeitsbereich." Diese Vorgehensweise bzw. die daraus entstandenen Richtlinien entsprechen nicht den oben genannten vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen eines schlüssigen Konzepts. Davon ist mittlerweile auch der Beklagte ausgegangen und hat inzwischen ein neues "Konzept des Hochtaunuskreises zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten" entwickelt, das hier jedoch nicht herangezogen werden kann, da die streitigen Zeiträume vor Inkrafttreten dieses Konzepts liegen und auch die Datenbasis erst ab 2008 zugrunde gelegt wurde.

Da nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten weitere Erkenntnismöglichkeiten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft fehlen und das vorgelegte Konzept den gestellten Anforderungen nicht standhält, sind die tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte im Sinne von § 8 WoGG bzw. § 12 WoGG zu übernehmen. In Betracht kommt ein Zuschlag von 5-10 % (BSG, Urteile vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 73/08 R; vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 132/10 R).

Die Stadt A-Stadt gehörte in der bis 31. Dezember 2008 gültigen Tabelle zu § 8 WohnGG zu der Mietenstufe 4. Dies ergibt für 4 Personen, bezugsfertiger Wohnraum ab 1. Januar 1992, in der rechten Spalte einen Betrag in Höhe von 545,00 EUR, der entsprechend den obigen Ausführungen um 10 % auf 599,50 EUR zu erhöhen ist. Der von dem Beklagten zu Grunde gelegte Betrag in Höhe von 620,00 EUR ist daher nicht zu beanstanden.

Letztlich ist zu überprüfen, ob nach der Struktur des Wohnungsmarktes am Wohnort des Hilfebedürftigen tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit besteht, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können. Die Darlegungslast für das Bestehen einer konkreten Unterkunftsalternative liegt beim Grundleistungsträger und dafür, dass der Hilfebedürftige sich überhaupt bzw. hinreichend um eine solche bemüht hat, bei diesem.

Nachgewiesenermaßen hat der Beklagte den Klägern drei Wohnungen zu Mietpreisen zwischen 620,75 EUR und 654,75 EUR angeboten. Diese Angebote hat der Kläger zu 1. auch erhalten, jedoch außer einem Telefonanruf nicht weiterverfolgt, da er nach seiner Aussage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2008 keine Zeit dazu hatte. Demgegenüber sind die Aktivitäten des Klägers als nicht ausreichend anzusehen. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, sind die von ihm vorgelegten Zeitungsausschnitte über Mietangebote in der "A-Stadter Woche" im Zeitraum vom 7. Juli 2005 bis 9. November 2006 und dem "E." im Zeitraum vom 3. November 2007 bis 16. Februar 2008 nicht geeignet. Sie belegen lediglich die Durchsicht der Zeitungen, nicht jedoch weitere Bemühungen im Sinne einer gezielten und nachvollziehbaren Suche nach preisgünstigerem Wohnraum. Zum Beleg ausreichender Eigenbemühungen reicht eine bloße Vorlage der Tagespresse oder dem Internet entnommene Angebote teurerer Wohnungen nicht aus (Hess. LSG, Beschluss vom 28. März 2006 – L 7 AS 122/05 ER).

Soweit der Kläger seine persönliche familiäre Situation als weiteren Grund für die Unzumutbarkeit eines Umzugs anführt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main und sieht insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved