L 1 KR 51/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 357/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 51/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. April 2012 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 4. Januar 2012 betrifft. Eine Kostenerstattung findet in beiden Rechtszügen nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, er sei ab dem 1. Oktober 2009 als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.

Die Beigeladene zu 4 vertreibt, vermietet und betreut Wasserspender. Sie wurde am 3. August 2000 in der Rechtsform einer GmbH gegründet, seinerzeit noch unter einer anderen Firma. Am 2. März 2001 wurde sie in die jetzige Firma umbenannt. Das Stammkapital betrug 25.000 EUR. Gesellschafter waren anfangs die Eltern des Klägers mit einem Geschäftsanteil von jeweils 40 Prozent und der Kläger mit einem Anteil von 20 Prozent. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, konnten durch Gesellschafterbeschluss jederzeit bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen, insbesondere die Vornahme von bestimmten Rechtsgeschäften und -handlungen, von der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags wurde innerhalb der Gesellschafterversammlung nach Geschäftsanteilen abgestimmt; von bestimmten Grundgeschäften abgesehen reichte die einfache Stimmenmehrheit aus. Mit Gesellschafterbeschluss vom 13. Dezember 2008 wurden die Stimmrechte der Eltern des Klägers in der Gesellschafterversammlung "bis auf Weiteres" vollständig auf diesen übertragen. Die folgenden Gesellschafterbeschlüsse wurden vom Kläger allein gefasst, am Gesellschafterbeschluss vom 29. September 2009 wirkten die Eltern allerdings wieder mit. Nachdem kurzzeitig der Vater des Klägers alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 gewesen war, war zunächst seine Mutter alleinige Geschäftsführerin (Registereintragung vom 20. Juli 20010). Seit dem 1. Oktober 2009 ist der Kläger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4, zunächst als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer neben seiner Mutter (Registereintrag vom 2. Oktober 2009). Grundlage seine Bestellung ist der Vertrag vom 29. September 2009, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird.

Der Kläger war vor dem 1. Oktober 2009 bei der Beklagten als abhängig Beschäftigter der Beigeladenen zu 4 krankenversichert gewesen. Am 20. Oktober 2009 beantragte er die freiwillige Weiterversicherung. Die Beklagte prüfte daraufhin als Einzugsstelle die Versicherungspflicht des Klägers in allen Zweigen der Sozialversicherung. Seit dem 1. November 2009 ist der Kläger bei der Beigeladenen zu 3 krankenversichert, die ihn bislang als freiwilliges Mitglied führt; sie behält sich eine Anpassung nach Abschluss dieses Rechtsstreits vor.

Nachdem sie die Clearingstelle der Beigeladenen zu 1 beteiligt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2010 die Versicherungspflicht des Klägers in allen Zweigen der Sozialversicherung fest. Der Kläger könne weder aufgrund seines Stimmanteils noch aufgrund von Sonderrechten maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 4 ausüben. Zudem sei er bei der Ausübung seiner Ressortaufgaben an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden.

Zur Begründung seines Widerspruchs brachte der Kläger vor, aufgrund der Stimmrechtsübertragung besitze er 100 Prozent der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung und sei daher in der Lage, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen. Die Anteile seien ihm übertragen worden, weil sein inzwischen verstorbener Vater seinerzeit schwer erkrankt und seine Mutter durch die Pflege und Unterstützung des Vaters zeitlich stark eingeschränkt gewesen sei. Beiden sei es unmöglich gewesen, in Person an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen. Auch wenn seine Mutter weiterhin als Geschäftsführerin im Handelsregister gelistet sei, nehme sie die Geschäftsführertätigkeit nicht mehr wahr. Sie sei mit dem 30. September 2009 als Angestellte aus der Beigeladenen zu 4 ausgeschieden. Der Kläger sei praktisch seit dem 1. Oktober 2009 alleiniger Geschäftsführer, lediglich das Handelsregister sei nicht sofort aktualisiert worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2011 zurück. Eine Gesamtbeurteilung ergebe, dass ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung vorliege.

Am 7. April 2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und vorgebracht, aufgrund der Stimmrechtsübertragung habe er faktisch alle Möglichkeiten eines Alleingesellschafters gehabt und diese auch ausgeschöpft. Zudem sei die familiäre Verbundenheit zu den übrigen Gesellschaftern zu berücksichtigen; seine Eltern hätten seit der Stimmrechtsübertragung, jedenfalls seit seiner Bestellung zum Geschäftsführer keinen Einfluss mehr auf die Geschicke der Gesellschaft genommen und keinen Widerruf der Stimmrechtsübertragung geplant. Er habe die Geschäfte vielmehr von Anfang an ohne Weisung und ohne sich mit den anderen Gesellschaftern abzustimmen geführt. Diese tatsächlichen Umstände würden in Kürze auch formal nachgezogen, wenn ihm weitere Geschäftsanteile übertragen würden. Bislang sei dies aufgrund der äußerst schweren Erkrankung seines Vaters nicht möglich gewesen. Die Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags sei demgegenüber von untergeordneter Bedeutung und lediglich für die steuerrechtliche Behandlung wichtig gewesen.

Am 5. Januar 2012 wurden die Gesellschaftsanteile des inzwischen verstorbenen Vaters des Klägers, die im Wege der Erbfolge zunächst auf die Mutter des Klägers übergegangenen waren, auf den Kläger übertragen, der damit 60 Prozent der Anteile hielt. Ihren ursprünglich eigenen Geschäftsanteil von 40 Prozent behielt die Mutter des Klägers, deren Ausscheiden als Gesellschafterin am 10. Januar 2012 in das Handelsregister eingetragen wurde.

Das Sozialgericht hat den Kläger sowie dessen Mutter, damals noch Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 4, informatorisch befragt und sodann mit Urteil vom 16. April 2012 den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Die Beklagte habe die Versicherungspflicht des Klägers zu Unrecht festgestellt. Die bestehenden Rechte der Mehrheitsgesellschafter, insbesondere die Möglichkeit, die Stimmrechtsübertragung auf den Kläger zu widerrufen oder ihm Weisungen zu erteilen, seien durch die dem Kläger gegenüber geübte familiäre Rücksichtnahme überlagert. Aus der Stimmrechtsübertragung und aus den Angaben des Klägers sowie seiner Mutter ergebe sich, dass die Eltern des Klägers diesem bei der Lenkung der Geschicke der Beigeladenen zu 4 freie Hand gelassen hätten. Der Kläger war nach der Stimmrechtsübertragung die einzige natürliche Person, auf deren Willensbildung ist bei der Geschäftsführung maßgeblich angekommen sei. Das Verhältnis zwischen dem Kläger und den anderen Gesellschaftern sei von familiär motivierter Rücksichtnahme und Vertrauen bestimmt und unterscheide sich damit maßgeblich von der üblichen Geschäftsbeziehung eines Gesellschafter-Geschäftsführers zur Gesellschafterversammlung. Dritte außerhalb der Familie sein von den Entscheidungen nicht betroffen gewesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 23. April 2012 zugestellt worden. Am 22. Mai 2012 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Sie trägt vor, aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse habe der Kläger keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben können. Auch wenn seine Eltern in "ruhigen Zeiten" konkret keinen Gebrauch von ihrer Rechtsmacht, insbesondere ihrem Weisungsrecht gemacht haben sollten, hätten sie dies doch im Konfliktfall tun können. Die Stimmrechtsübertragung hätten sie jederzeit widerrufen können. Ausschlagend bleibe daher die Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags, der arbeitnehmertypische Regelungen enthalte.

Die Beklagte beantragt nach Lage der Akten sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. April 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 4. Januar 2012 betrifft.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis wie in der Begründung für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1 teilt die Auffassung der Beklagten und hebt hervor, die Stimmrechtsübertragung sei wegen der Erkrankung des Vaters des Klägers und nur "bis auf Weiteres" erfolgt, mithin von Anfang an befristet gewesen. Die Eltern hätten dem Kläger nicht freie Hand gelassen, sondern ihm seine Befugnisse nur Stück für Stück übertragen. Auch während der fortschreitenden Erkrankung des Vaters habe die Mutter des Klägers von der ihr zustehenden Rechtsmacht auch weiterhin Gebrauch gemacht, indem sie sich mit den Entscheidungen des Klägers einverstanden erklärt habe. Schließlich seien die Anteile des Vaters zunächst auf die Mutter und nicht direkt auf den Kläger übergegangen und sei sie als Geschäftsführerin erst abberufen worden, nachdem der Kläger Mehrheitsgesellschafter geworden war.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert. Anträge haben die Beigeladenen nicht gestellt.

Im Erörterungstermin vom 6. Juni 2013 sind der Kläger erneut informatorisch befragt und seine Mutter als Zeugin vernommen worden.

Die Beteiligten haben sich jeweils mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Entscheidung kann gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung ergehen, das erforderliche Einverständnis aller Beteiligten liegt vor. Ebenso haben die Beteiligten sich jeweils mit einer Entscheidung durch die Berichterstatter als Einzelrichterin gemäß § 153 Abs. 3 und 4 SGG einverstanden erklärt.

II. Bei wohlverstandener Würdigung ihres Gesamtvorbringens beschränkt die Beklagte ihre Berufung in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 4. Januar 2012. Denn seit dem 5. Januar 2012 ist der Kläger Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 4 und zwischen den Beteiligten steht lediglich seine Versicherungspflicht für die Tätigkeit als Fremd-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4 in Streit. III. Die so verstandene Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie hat in der Sache Erfolg. Soweit das Urteil vom 16. April 2012 mit der Berufung angegriffen wird, hat das Sozialgericht der zulässigen Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid vom 29 Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2011 ist rechtmäßig, soweit darin die Versicherungspflicht des Klägers im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 4. Januar 2012 festgestellt wird, so dass der Kläger insoweit nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.

1. Der angegriffene Bescheid ist formal rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte zuständig, die Versicherungspflicht festzustellen, auch wenn die Krankenversicherung des Klägers seit dem 1. November 2009 von der Beigeladenen zu 3 durchgeführt wird. Die Beklagte war zu Beginn des Verwaltungsverfahrens zuständige Einzugstelle i.S.d. § 8 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) gewesen und blieb daher zur Entscheidung über die erstmalige Feststellung der Versicherungspflicht im hier gegebenen Einzugstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV berufen (vgl. BSG 11.9.1995 – 12 RK 9/95 – Juris; Dahm in Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, § 28i SGB IV Rn. 4). Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB V eine Entscheidung der Beigeladenen zu 1 herbeizuführen. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist nicht auf Fälle zu erstrecken, in denen wie vorliegend keine Meldung durch den Arbeitgeber erfolgt, sondern die Einzugstelle im Rahmen eines Einzugstellenverfahrens Kenntnis von der Gesellschafterstellung eines GmbH-Geschäftsführers erlangt (so bereits mit ausführlicher Begründung Senatsurteil 29.5.2013 – L 1 KR 89/10 – Juris; LSG Baden-Württemberg 16.6.2010 – L 5 KR 5179/08 – Juris; offen gelassen von BSG 28.9.2011 – B 12 KR 15/10 R – Juris).

2. Der Bescheid vom 29 Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2011 ist, soweit er sich auf den streitbefangenen Zeitraum bezieht, auch materiell rechtmäßig.

a. Zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 4. Januar 2012 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung, vgl. § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I, S. 594); § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477); § 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I, S. 754) und § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – in der Fassung des Pflegeversicherungs-Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I, S. 1014).

b. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum entgeltlich beschäftigt. Der Beurteilungsmaßstab ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der Fassung der Neubekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. zu diesem Maßstab aus jüngerer Zeit etwa BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – m.w.N., st. Rspr.). Bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, die wie der Kläger im streitbefangenen Zeitraum weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Etwas anderes gilt nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (vgl. BSG 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R – Juris – m.w.N.; 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R – Juris – m.w.N.; 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R – Juris – m.w.N.; 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R – Juris; st. Rspr.). Derartige Umstände lagen beim Kläger nicht vor.

aa. Die Weisungsgebundenheit des Klägers war im gesamten streitbefangenen Zeitraum rechtlich wirksam bestehen geblieben. Der Kläger hat selbst nicht vorgebracht, die entsprechenden Regelungen, insbesondere § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags, seien im Rechtssinne abbedungen worden. Eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrags hätte im Übrigen notariell beglaubigt werden müssen, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Eine bloße Nichtausübung des Weisungsrechts wäre rechtlich unbeachtlich. Denn für die Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich. Hierzu gehört aber auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht, unabhängig von ihrer Ausübung. Nur in diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – mit einer zusammenfassenden Darstellung der bisherigen Rechtsprechung). Dem Kläger war gerade keine Rechtsmacht eingeräumt, die es ihm ermöglicht hätte, gegen den Willen der Beigeladenen zu 4, der seinerzeit maßgeblich durch den Willen seiner Eltern als Mehrheitsgesellschafter geprägt wurde, die Geschäfte zu betreiben. Seine Eltern waren hingegen befugt, eine Mehrheitsentscheidung zu treffen und ihm auch gegen seinen erklärten Willen eine Weisung zur Geschäftsführung zu erteilen. Dem Umstand, dass der Kläger für alle Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 4 zuständig war und möglicherweise im laufenden Geschäft keinem umfassenden Weisungsrecht mehr unterlag, ist keine entscheidende Bedeutung beizumessen, weil seine Tätigkeit gleichwohl in der von der Beigeladenen zu 4 vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufging (vgl. dazu, dass gerade Dienste höherer Art im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet werden, wenn sie fremdbestimmt bleiben, grundlegend BSG 3.2.1994 – 12 RK 84/92 – Juris; aus jüngerer Zeit etwa BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – m.w.N; st. Rspr.). Dass seine Eltern möglicherweise zu keinem Zeitpunkt Gebrauch von ihrer aus der Stellung als Mehrheitsgesellschafter resultierenden Kontroll- und Letztentscheidungsbefugnis machten, spricht für das vertrauensvolle Verhältnis zum Kläger, bei dem sie "ihren" Betrieb in guten Händen sahen. Gleichwohl ist es nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlungen nicht anzunehmen, dass die Eltern des Klägers ihre Befugnisse im streitbefangenen Zeitraum endgültig aufgegeben hatten. Wie der Kläger glaubhaft geschildert hat, ist er "Stück für Stück" in den Betrieb hineingewachsen, was insbesondere sein Vater gefördert und vertrauensvoll unterstützt hatte. Der Kläger hat selbst betont, wie weitsichtig sein Vater gehandelt habe, ihm "nicht alles sofort zu geben", zumal er bei Eintritt in den Familienbetrieb sicherlich noch ein wenig "wilder" gewesen sei als dann mit zunehmendem Alter und wachsender Verantwortung. Das zeigt gerade, dass der Kläger, solange er Fremd-Geschäftsführer war, bewusst nicht in der Lage sein sollte, eine ihm nicht genehme unternehmerische Mehrheitsentscheidung der Gesellschafterversammlung abzuwenden. Insbesondere hatte er keine Handhabe, im Konfliktfall von seinen Eltern den vorher möglicherweise geübten Verzicht auf das Weisungsrecht einzufordern.

bb. Dass die Eltern des Klägers diesem ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung übertragen hatten, führt zu keiner abweichenden Einschätzung. Die Stimmrechtsübertragung war unstreitig widerruflich, zumal eine unwiderrufliche Übertragung gesellschaftsrechtlich bedenklich gewesen wäre (vgl. Zöllner in Baumbach/Hopt, § 47 GmbHG Rn. 50). Einer derartigen Stimmrechtsübertragung ist keine entscheidende Bedeutung beizumessen, eben weil sie jederzeit widerruflich ist (vgl. BSG 8.12.2001 – B 12 KR 10/01 R – Juris). Den Eltern des Klägers blieb es damit vorbehalten, wieder selbst in der Gesellschafterversammlung abzustimmen, ohne dass der Kläger dies hätte verhindern können. So wurde es auch praktiziert, denn die Eltern des Klägers wirkten nach der Stimmrechtsübertragung noch einmalig am Gesellschafterbeschluss vom 29. September 2009, mit dem der Kläger zum weiteren Geschäftsführer bestimmt wurde, persönlich mit. Auch wenn dies möglicherweise nur vorsorglich und im Einvernehmen mit dem Kläger geschah, um keinerlei Bedenken gegenüber der Wirksamkeit seiner Bestellung als Geschäftsführer aufkommen zu lassen, zeigt dies doch, dass die Eltern des Klägers in der Lage waren, ihr Stimmrecht jederzeit wieder auszuüben. Dabei wird nicht verkannt, dass es in der Folgezeit möglicherweise Phasen gab, in denen der Vater des Klägers zur Ausübung des Stimmrechts gesundheitlich nicht in der Lage war oder man ihn davon jedenfalls entlasten wollte, während die Mutter des Klägers mit der intensiven Unterstützung und Begleitung des Vaters ausgelastet war. Daran lässt sich aber allenfalls ablesen, dass die Eltern des Klägers keinen Widerruf der Stimmrechtsübertragung planten, sondern im Gegenteil davon ausgingen, sich allmählich aus dem Betrieb und damit auch ihrer Weisungsbefugnis zurückzuziehen. Gleichwohl behielten sie ihre entsprechende Rechtsmacht, solange sie dem Kläger nicht die Mehrheitsanteile übertrugen. Dass dies erst am 5. Januar 2012 geschah, spricht dafür, dass ein entsprechender Wille zu einem früheren Zeitpunkt noch nicht vorhanden war oder zumindest nicht so stark war, als dass man ihn trotz der Erkrankung des Vaters umgesetzt hätte, etwa mittels entsprechender Vollmachten für die Mutter des Klägers oder im Wege eines Notartermins "am Krankenbett".

cc. Aus dem engen Verwandtschaftsverhältnis der Gesellschafter folgt nichts anderes. Zwar dürfte die familiäre Rücksichtnahme der Eltern das Weisungsrecht gegenüber dem Kläger überlagert haben. Auch trifft es zu, dass keine Mitgesellschafter oder Geschäftsführer außerhalb der Familie vorhanden waren. Doch im Falle eines familiären Zerwürfnisses wäre die dem Kläger und seinen Eltern jeweils zustehende oder eben nicht zustehende Rechtsmacht zum Tragen gekommen, so dass jedenfalls dann eine Weisungsunterworfenheit bestanden hätte. Wollte man hingegen nur auf die Situation in "ruhigen Zeiten" und nicht im – hier möglicherweise nie aufgetretenen – Konfliktfall abstellen, würde man für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ausreichen lassen, was mit den Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich vereinbar wäre (vgl. dazu eingehend BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris, m.w.N.).

c. Zusätzlich zu der demnach im streitbefangenen Zeitraum zumindest latent bestehenden Weisungsgebundenheit des Klägers streitet die weitere Ausgestaltung seines Geschäftsführervertrags für eine abhängige Beschäftigung. Insbesondere trug der Kläger kein unternehmerisches Risiko. Es ist in seiner Befragung deutlich geworden, dass er sich als Sohn der Firmengründer und Mitgesellschafter dem Betrieb besonders verbunden fühlte. Aus den lebendigen Schilderungen seiner Mutter ergibt sich zudem, dass seine Eltern sich von Anfang an vorgestellt und gewünscht haben, er werde in den Betrieb hineinwachsen und diesen schließlich übernehmen. Das es tatsächlich so gekommen ist, hat sie mit Freude und Stolz erfüllt. Gleichwohl war dies wie ausgeführt eine allmähliche Entwicklung. Bis er Mehrheitsgesellschafter wurde, trug der Kläger als Geschäftsführer kein Unternehmerrisiko. Dafür hätte der Ertrag seines Arbeitseinsatzes ungewiss sein müssen. Das war aber nicht der Fall, vielmehr stand ihm als Gegenleistung für seine Tätigkeit ein festes Entgelt von zunächst 2.700 EUR brutto monatlich zu, das ihm unabhängig vom wirtschaftlichen Betriebsergebnis gezahlt wurde. Er hatte wie jeder andere Beschäftigte lediglich das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Das aus seiner Stellung als Gesellschafter erwachsene Risiko ist bei der Beurteilung seiner Geschäftsführertätigkeit nicht zu berücksichtigen. Nichts Abweichendes folgt daraus, dass der Kläger zusätzlich Anspruch auf eine erfolgsabhängigen Tantieme in Höhe von 50 Prozent des Jahresgewinns der Gesellschaft, maximal ein Drittel seiner Grundvergütung hatte, vgl. § 7 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags, oder vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war. Denn keiner dieser Umstände spricht zwingend für eine selbstständige Tätigkeit (vgl. BSG 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – Juris – m.w.N., st. Rspr.). Hier treten diese Umstände, die lediglich im Rahmen der Gesamtwürdigung zu gewichten sind, hinter die weitere Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags zurück. Dieser enthält arbeitnehmertypische Elemente, nämlich die Vorgabe einer Gesamtarbeitszeit von 40 Stunden, vgl. § 5 Abs. 1, die erwähnte feste Vergütung, vgl. § 7 Abs. 1, den Fortzahlungsanspruch im Krankheits- oder Todesfall für 42 Kalendertage, vgl. § 8, den Anspruch auf 30 Tage – bezahlten – Urlaub im Kalenderjahr bzw. auf Urlaubsabgeltung in Geld, § 9 Satz 1 und 6 und den Anspruch auf die Zurverfügungstellung von Dienstwagen und Mobiltelefon, auch zur privaten Nutzung, sowie den Abschluss einer Direktversicherung, vgl. § 11.

Zu bedenken ist schließlich, dass diese Regelungen vom Kläger und der Beigeladenen zu 4 bewusst gewählt wurden, um steuerrechtliche Vorteile in Anspruch zu nehmen, und diese Regelegungen nach dem Ergebnis der gerichtlichen Sachverhaltsermittlungen auch gelebt wurden. Dann muss der Kläger sich aber grundsätzlich auch hinsichtlich seiner Versicherungspflicht an dieser Ausgestaltung seiner Geschäftsführertätigkeit festhalten lassen.

3. Zur Klarstellung sei insbesondere gegenüber der Beigeladenen zu 3 hervorgehoben, dass das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. April 2012 rechtskräftig ist, soweit es die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 5. Januar 2012 betrifft.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 197 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beigeladenen zu 1, 2 und 3 nicht erstattungsfähig sind. Es erscheint nicht angezeigt, dem Kläger die Kosten der Beigeladenen zu 4 aufzuerlegen, die ebenso wie er an seinem Obsiegen interessiert gewesen ist.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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