Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 V 9/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die Überprüfung eines Bescheides auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches (BSA).
Die Ermittlungen zum Lebenslauf des am ... 1947 geborenen Klägers haben Folgendes ergeben: Nach einem Schulbesuch von 1953 bis 1961 nahm er eine Lehre als Maurer auf. Aufgrund einer systemkritischen Anmerkung, die er während des Berufschulunterrichts in eine Ausgabe der Verfassung der DDR geschrieben hatte, wurden gegen ihn strafrechtlich ermittelt. In diesem Zusammenhang stellte ein Sachverständiger unter dem 8. Juli 1963 fest: Der Kläger sei gegenüber seinen Altersgenossen in der Schule erheblich zurückgeblieben. So leide er an Konzentrationsschwächen einer raschen Ermüdbarkeit, was auf einen frühkindlichen Hirnschaden hindeute. Aufgrund der sittlichen und geistigen Entwicklung zum Zeitpunkt der Tat habe ihm die Reife gefehlt, die Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen und hiernach zu handeln.
Dieser Vorfall führte dazu, dass der Kläger von den staatlichen Stellen gedrängt wurde, seine Maurerlehre nicht zu beenden. In der Zeit vom 25. Juni 1965 bis 21. Dezember 1967 (Urteil des Bezirksgerichtes H. vom 20. Oktober 1965), im November 1975 für sechs Wochen (Urteil des Kreisgerichtes Q. vom 23. Dezember 1975) sowie vom 17. November 1976 bis 16. November 1977 (Urteil des Kreisgerichtes M.-Süd vom 20. Januar 1977) und vom 16. Februar 1984 bis 18. April 1984 (Haftbefehl des Kreisgerichtes H. vom 14. Februar 1984) befand sich der Kläger in Haft. Vom 26. Juli 1975 bis 14. November 1975, von Februar 1976 bis November 1976 sowie vom 17. November 1977 bis August 1981 befand er sich nach Ausweisungsverfügungen der staatlichen Organe der DDR in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts M. vom 21. August 1992 wurde das Urteil des Kreisgerichts M.-Süd vom 20. Januar 1977 aufgehoben und der Kläger rehabilitiert. Das Landgericht H. das Landgericht M. erklärten die weiteren Verurteilungen sowie Entscheidungen am 21. Dezember 1993 bzw. am 15. November 1995 für rechtsstaatswidrig.
In der Zeit von 1990 bis 1992 war er als Hausmeister für das Landratsamt Q. tätig. Seit April 1997 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 20. September 1995 hatte er einen Rentenantrag bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt gestellt und zu seinem beruflichen Werdegang angegeben:
September 1961 bis 1964 (Maurerlehrling im Eisenhüttenwerk T.; ohne Abschluss wegen Entlassung/Kündigung),
Juli 1964 bis Juni 1965 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),
Juni 1965 bis Dezember 1967 (Haft),
Januar bis Dezember 1968 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),
Januar bis Dezember 1969 (Produktionsarbeiter in der Stoßdämpferherstellung in H.),
Januar 1970 bis Juni 1971 (Transportarbeiter, Blechverarbeitung in T.),
Juli 1971 bis Juli 1975 (Gleisbauer im VEB G. B.),
Juli 1975 (Ausweisung aus der DDR),
August 1975 bis 23. September 1975 (Staplerfahrer, Mineralölwerke F., M.),
Oktober 1975 (arbeitslos),
10. November 1975 bis 14. November 1975 (Tiefbauer, R. S., B.),
15. November 1975 bis 20. April 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-C.)
21. April 1976 bis 7. Mai 1976 (Tiefbauer, O. M., B.),
10. Mai 1976 bis 10. September 1976 (Kabelwickler, AEG T., B.),
15. September bis 21. September 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),
22. September 1976 bis 28. September 1976 (Kabelwickler, Kabelwerke E., B.),
29. September 1976 bis 24. Oktober 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-T.),
25. Oktober 1976 bis 3. November 1976 (Staplerfahrer, F. W. Werkzeugmaschinen B.),
4. November bis 16. November 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),
November 1976 bis November 1977 (Haft),
November 1977 bis Januar 1978 Aufnahmelager M.,
9. Januar 1978 bis 30. April 1978 (Staplerfahrer, V. GmbH, S.),
Mai 1978 bis Dezember 1980 (Anlagenfahrer, Kali Salzbergwerke L.),
Januar bis September 1981 (Staplerfahrer, Fa. S. B.),
August bis September 1981 (Aufnahmelager K.),
5. bis 16. Oktober 1981 (Justierer, VEB Q.),
26. Oktober bis 1. Dezember 1981 (Lackierer, Walzengießerei Q.),
14. bis 31. Dezember 1981 (Bogenfänger, Diagrammdruck Q.),
Januar 1982 (arbeitslos),
17. Februar bis 11. April 1982 (Hausmeister, N. A.),
26. April bis 26. Juli 1982 (Betriebshandwerker, DGH Fruchtsäfte R.),
August 1982 (arbeitslos),
13. September bis 17. November 1982 (Verlader, VEB H. Gipswerke R.),
18. November 1982 bis April 1983 (Haft),
9. Mai bis 18. August 1983 (Möbelarbeiter, VEB M. E.), 16. September bis 30. November 1983 (Arbeiter, VEB Z. O.),
15. Dezember 1983 bis 10. August 1984 (Tapetenwickler, Papierfabrik W.),
September 1984 bis 8. April 1985 (Tiefbauer, VEB K. Q.), 28. Mai bis 23. August 1985 (Farbspitzer, VEB P. T.),
18. September 1985 bis 12. Dezember 1989 (Verlader, T.),
30. Januar bis 28. Februar 1990 (Polierer, O. GmbH H.),
März 1990 bis 27. Mai 1990 (arbeitslos),
28. Mai 1990 bis Juli 1992 (Hausmeister, Landratsamt Q.), 29. Juli bis 31. Dezember 1992 (Schlosser, GFA T.),
Seit 1. Januar 1993 bis 31. August 1995 (arbeitslos),
Seit 1. September 1995 (Tiefbauer, ABM-Maßnahme im B. Stadtverwaltung),
Seit 6. September 1995 (erkrankt).
Mit Bescheid vom 2. April 1998 wurde der Kläger als Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt und als Verfolgungszeiten anerkannt:
März 1964 bis 26. Juli 1975,
15. November 1975 bis 5. Februar 1976,
17. November 1976 bis 16. November 1977,
15. August 1981 bis 02. Oktober 1990.
Der Kläger stellte am 9. August 1994 beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). Nach Einholung medizinischer Unterlagen erstattete Privatdozent Dr. G. ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 17. Dezember 1994 und führte aus: Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er sei schon immer ein Eigenbrödler gewesen, habe sich seit seiner Jugend von anderen zurückgezogen und keine Freundschaften geschlossen. In seinem Kontaktverhalten habe es daher schon immer Probleme gegeben. Rückblickend könne seine Lebensgeschichte als ein ständiges Ringen um die Gestaltung sozialer Kontakte und Beziehungen und gleichzeitig als die Geschichte des Scheiterns dieses Bemühens gesehen werden. In den zahlreichen aus Beziehungskonflikten resultierenden Krisensituationen reagiere der Kläger bis zuletzt fremd- oder autoaggressiv. Dieser Verarbeitungsmodus sei jedoch keine Haftfolge, wie der Kläger vermute. Aktuell seien keine krankheitswertigen Befunde zu erheben. Insbesondere seien weder eine Angst- noch eine phobische Symptomatik festzustellen. Mit Bescheid vom 30. März 1995 lehnte der Beklagte einen Versorgungsanspruch ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1997 zurück und hielt einen Ursachenzusammenhang zwischen den Inhaftierungen und den psychischen Problemen des Klägers für nicht nachgewiesen. Hiergegen richtete sich die am 21 Juni 1997 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangene Klage (S 1 VU 58/97), die mit Urteil vom 20. Januar 2001 abgewiesen wurde. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 5 VU 8/01) ein. Das LSG hatte Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens von Professor Dr. F. vom 13. Januar 2003. Gegenüber dem Sachverständigen hatte der Kläger angegeben: Er sei bei seiner Mutter sowie seinen Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, einen russischen Offizier habe er persönlich nie kennengelernt. Als er fünf Jahre alt war, habe seine Mutter den Stiefvater geheiratet. Ab dem Jahr 1953 habe er die Schule besucht, den Abschluss der sechsten Klasse erreicht, jedoch keine besonders guten Leistungen erzielt. Zum psychischen Befund hat der Sachverständige mitgeteilt: Beim Kläger bestehe eine dysphorisch gereizte Grundstimmung. Er habe weitschweifig und umständlich sowie mit streckenweise deutlich emotionaler Betroffenheit über seine Beschwerden und seine Lebensgeschichte berichtet. Dabei sei es ihm kaum möglich, inneres Erleben sowie Gefühle differenziert zu beschreiben. Im Denken sei er verlangsamt und konzentrationsgemindert. Auffällig sei eine nahezu zwanghafte Beschäftigung mit dem Thema seiner Inhaftierung sowie seiner Lebensbeeinträchtigung durch die Staatssicherheit. Auch bestehe bei ihm eine klare Opferidentität. Auffällig sei eine misstrauische bis fast paranoid anmutende Haltung gegenüber Autoritäten und staatlichen Stellen. Zudem gebe es Hinweise für eine verminderte Frustrationstoleranz sowie gelegentliche Impulskontrollverluste in autoaggressiver sowie in fremdaggressiver Form. Diagnostisch sei von einer Persönlichkeitsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung sowie von Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen, die jeweils auf seine Inhaftierung aus den Jahren 1965 bis 1967 zurückzuführen seien. Schon vor der Inhaftierung habe es bezüglich der Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich Besonderheiten wie ein eigenbrödlerisches und trotziges Verhalten gegeben. Angesichts des frühen Inhaftierungszeitpunkts mit 18 Jahren sei jedoch davon auszugehen, dass er noch keine vollständige Erwachsenenidentität ausgebildet hatte. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich ohne die Haftstrafe eine vergleichbare Persönlichkeitsstörung entwickelt hätte. Die seit Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit sei allenfalls als mittelbare Folge anzusehen und stehe eher im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Spaltungsphänomene, wie sie eine Borderline-Störung voraussetzen würde, seien bei ihm nicht eindeutig nachweisbar. Sollte es während der späteren Haftzeit noch einen Entwicklungsrückstand gegeben haben (so Gutachten aus dem Jahr 1963) dürften sich die verschärften Haftbedingungen mit Isolierung noch schwerwiegender ausgewirkt haben. Das Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich vom 31. März 2004. Zu Gunsten des Klägers wurde eine stärker behindernde Persönlichkeitsstörung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG anerkannt sowie ab dem 1. August 1994 eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 von 100 gewährt (vgl. auch Ausführungsbescheid des Beklagten vom 16. April 2004).
In einem vom Beklagten eingeholten Arztbrief berichtete die Leitende Ärztin Dipl.-Med. K. (N. Anstalten): Der Kläger sei wegen Suizidversuchen wiederholt stationär behandelt worden (1983, 1991, 1995 bis 1996). Er fühle sich als Versager und Verlierer gegenüber dem gesellschaftlichen System. Wegen aktueller Eheprobleme und Auseinandersetzungen mit behördlichen Stellen habe er keine Kraft, eine Therapie anzugehen. Die Entlassung erfolgte am 30. Januar 1996 in unbefriedigendem, jedoch arbeitsfähigem Zustand. Nach einem REHA-Bericht der M.-Klinik F. berichtete Dr. Dr. R. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 27. März bis 17. April 1997. Hiernach sei der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Diagnostisch sei von einer schweren, als dauerhaft einzuschätzende Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline auszugehen. Diese sei durch eine erhebliche psychische bzw. emotionale Instabilität geprägt und von aggressiven sowie autoaggressiv-suizidalen Impulsdurchbrüchen begleitet. Daneben bestehe ein sekundärer Alkoholmissbrauch. Hinzu kämen Einschränkungen des Bewegungsapparates wegen eines chronischen, belastungsabhängigen lumbalen Schmerzsyndroms. Nach Angaben des Klägers komme er nicht mehr zurecht. Zu Hause gäbe es häufige, mitunter von ihm tätlich geführte Auseinandersetzungen mit der zweiten Ehefrau (Heirat: 1983). Beispielsweise habe er ein Gebäude seiner Großeltern angezündet. Auf dem Arbeitsamt habe er z.B. einen Schreibtisch eines Sachbearbeiters umgekippt. Es habe bereits etliche Suizidversuche gegeben. Gerade unter Alkoholeinfluss komme es bei ihm zu Fehlreaktionen. Während der Behandlung habe eine deutlich depressive Verstimmung vorgelegen. Aufgrund der Störung könne der Kläger keine ausreichende Alltagsbeständigkeit und Stabilität herstellen. Für eine Erwerbsfähigkeit fehle es an einer ausreichenden Belastbarkeit. Seit dem Jahr 1997 bezog der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Rentenversicherungsträger beauftragte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. mit einem Gutachten vom 28. April 2003, der zur Frage des Fortbestehens der Erwerbsunfähigkeit mitteilte: Der Kläger habe angegeben, am 2. Juni 2002 überfallen worden zu sein. Er habe einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei wahrscheinlich zeitweise bewusstlos gewesen. Der Überfall habe auch zu Verletzungen an der rechten Schulter geführt. Die erste Ehefrau habe ihn für die Staatssicherheit der DDR bespitzelt. Im Jahr 1965 sei er erstmals bei einem Nervenarzt in Behandlung gewesen. In der Haft sei er teilweise "ausgeflippt" und habe aggressiv reagiert. Auch sei es zu einem Suizidversuch in dieser Zeit gekommen. Während seines Aufenthaltes in der BRD (1976 bis 1977) sei er ständig nervenärztlich bei Dr. P. behandelt worden. Im Jahr 1985 sei es nach einem Suizidversuch zu einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus B. und später häufig zu entsprechenden Aufenthalten in der Psychiatrischen Abteilung in N. gekommen. Aufgrund der psychischen Probleme habe er verstärkt Alkohol getrunken. Dem Kläger sei es nicht gelungen, das Zeitgitter seines Lebenslaufs darzustellen. Er verharre dabei teilweise, wirke während der gesamten Untersuchungssituation äußerst agitiert, teilweise auch zerfahren und unsicher. Das EEG habe einen leichten Herdbefund ergeben, was für eine gewisse hirnorganische Komponente sprechen könnte, die weiter aufzuklären sei. Diagnostisch bestehe eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, eine leicht bis mittelgradige depressive Episode sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. In neurologischer Hinsicht zeigten sich keine eindeutig krankhaften Befunde. In psychischer Hinsicht bestehe ein deutlicher Leidensdruck. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich selbst zu steuern und habe teilweise leichte Störungen in der Konzentration. Er könne aktuell weder in seinem Beruf noch anderweitig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden.
Von Amts wegen nahm der Beklagte eine Prüfung zu den Voraussetzungen eines BSA vor. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Oktober 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger einen BSA und legte als Vergleichsberuf den des Hausmeisters zu Grunde. Darüber hinaus stellte der Beklagte eine besondere berufliche Betroffenheit fest und erhöhte die Gesamt-MdE von 30 auf 40 vom 100 ab dem April 1997.
Am 31. März 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides. Nach seiner Bewertung müsse als Vergleichsberuf nicht der Hausmeister, sondern der des Maurers zu Grunde gelegt werden. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2006 ab. Die begonnene Maurerlehre habe der Kläger aus politischen Gründen und nicht wegen der anerkannten Schädigungsfolgen als Folgen nach dem StrRehaG aufgeben müssen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und geltend gemacht: Er sei ca. ein halbes Jahr vor dem Abschluss seiner Lehre gedrängt worden, diese Berufsausbildung abzubrechen, weil er eine politische Straftat begangen habe. In der Folge habe er keine weitere Möglichkeit gehabt, diese Lehre fortzusetzen bzw. neu zu beginnen. Nicht nur aufgrund politischer Verfolgungsmaßnahmen, sondern aufgrund der rechtsstaatswidrigen Strafverfolgungsmaßnahmen sowie der damit verursachten Gesundheitsstörungen sei er gehindert gewesen, den angestrebten und fast zu Ende geführten Ausbildungsberuf als Maurer abzuschließen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2010 hat der Kläger wörtlich erklärt:
"Nach meiner Inhaftierung habe ich nur Hilfsarbeiten ausgeführt. Ich habe die Arbeitsstelle auch häufig gewechselt. Ich war immer sehr nervös und teilweise auch aggressiv, so dass mir auch gekündigt worden ist. Ich habe nur sehr einfache Tätigkeiten ausgeübt. So habe ich oft Kohle geschippt oder Blätter gezählt. Als ich als Betriebshandwerker bzw. Hausmeister tätig war, habe ich überwiegend geheizt und teilweise auch kleinere Reparaturen ausgeübt, wenn beispielsweise ein Stuhl kaputt war oder ein Kinderfahrrad. Ich habe auch Gartenarbeiten verrichtet. Die einzige Ausbildung, die ich noch absolviert habe, war mein Gabelstaplerschein. Weitere Ausbildungen habe ich dann nicht begonnen. Wenn ich gefragt werde, weshalb meine Tätigkeit als Maurer nicht möglich gewesen sein soll, so kann ich dazu sagen, dass ich kein Durchhaltevermögen gehabt habe und mich auch nur sehr schlecht konzentrieren konnte. Darüber hinaus habe ich auch Kreuzschmerzen gehabt, was auch auf die Haft zurückzuführen ist, da ich dort teilweise nur sitzen musste und nicht liegen durfte."
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrisch-psychosomatischen Fachgutachtens von Frau Dr. H. vom 9. Juli 2010, in dem die Sachverständige ausgeführt hat: Der Kläger habe angegeben, er habe den Führerschein, fahre jedoch aufgrund seiner Nachtblindheit nicht mehr. Als Medikamente nehme er Doxepin, Mirtazapin und seit Jahren Planum ein. In den ersten fünf Lebensjahren sei er bei seiner Mutter und den Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, der Offizier der sowjetischen Streitkräfte gewesen sei, habe er persönlich nie kennengelernt. Später habe er versucht, Kontakt zur Familie des Vaters aufzunehmen. Diese Ermittlungen hätten ergeben, dass die väterliche Familie in der Ukraine wohne, jedoch der leibliche Vater inzwischen verstorben sei. Zu den Großeltern habe ein gutes Verhältnis bestanden. Bereits zu dieser Zeit sei er ein Einzelgänger gewesen. Insbesondere habe er nie "so intensive Freunde gehabt". Er sei gern allein, gehe viel in die Natur und nutze seinen Bungalow im Harz. Von 1969 bis 1971 sei er in erster Ehe verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe seien zwei Söhne (1969 und 1971) hervorgegangen. Die Ehe sei wegen einer Außenbeziehung der Ehefrau geschieden worden. Nach der Scheidung sei dem Kläger und der Ehefrau je ein Sohn zugesprochen worden. 1975 habe er seinen Sohn nach einer Ausweisung aus der DDR zurücklassen müssen. Seit 1983 sei er in zweiter Ehe verheiratet. Im Jahr 1983 habe er das Leben noch genossen und anfangs mit den Kindern Spaß gehabt. Mit seiner Frau fahre er regelmäßig zu selbst finanzierten Kuren nach K. Beruflich habe er die POS besucht und 1961 mit Abschluss der achten Klasse beendet. Das Lernen sei ihm schwer gefallen. Die Lehrer hätten ihm den vorzeitigen Schulabgang empfohlen. Im Jahr 1961 habe er eine Maurerlehre begonnen. Wegen einer politisch motivierten Bemerkung, die er in die Verfassung der DDR im Unterricht geschrieben habe, sei er in Haft geraten. Nach der Haftentlassung sei er aus der Lehre gedrängt worden und habe als ungelernte Hilfskraft in einem Walzwerk weiter gearbeitet. In dem Beruf als Maurer habe er keine Arbeit mehr gefunden.
Zum psychischen Befund hat die Sachverständige ausgeführt: Die Stimmungslage des Klägers sei depressiv verbittert. Er zeige ein gesteigertes Misstrauen sowie eine gesteigerte Impulsivität. Sein Antrieb sei dagegen nicht beeinträchtigt. Es bestehe auch kein Anhalt für ein psychotisches sowie psychosenahes Erleben. Der Kläger sei auf seine Opferrolle fixiert und berichtete über frühere Traumatisierungen, ohne emotionalen Abstand gewinnen zu können. Sein Konzentrationsvermögen sei leicht beeinträchtigt. Dem Gesprächsverlauf habe er ausreichend konzentriert folgen können. Nach dem SKT sei von einer leichten kognitiven Leistungsstörung auszugehen. Nach dem MWT-B habe der Kläger einen Intelligenzquotienten von 93 erreicht, was im durchschnittlichen Bereich liege. Diagnostisch bestehe eine andauernde Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Anteilen nach Extrembelastung sowie eine rezidivierende depressive Störung. Aus den vorliegenden Unterlagen, den Angaben des Klägers sowie der Gewichtung der Diagnosen bestehe kein Anhalt dafür, warum der Kläger aus medizinischen Gründen gehindert gewesen sei, in dem Beruf als Maurer zu arbeiten. Seine Erkrankungen hätten zu Zeiten von Arbeitsunfähigkeit geführt, die jedoch berufsunabhängig gewesen seien. In nicht depressiven Phasen habe keine Einschränkung für das Leistungsvermögen als Maurer vorgelegen. Die aus der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung resultierende Leistungseinschränkung wie Verlust der inneren Ruhe, Misstrauen, aggressive sowie autoaggressive Impulsdurchbrüche, Schlafstörungen und Albträume schlössen eine Maurertätigkeit nicht aus. Weitergehende Leistungseinschränkungen, die lediglich noch Hilfsarbeitertätigkeiten, jedoch nicht Maurertätigkeiten zulassen, seien medizinisch nicht begründbar. Die für den Maurerberuf gestellten mittelschweren geistigen Anforderungen, könne er erfüllen. Durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit könne der Kläger genügen. Lediglich im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein hätten bei akuten Kränkungen oder emotionalen Überlastungen Gefährdungen auftreten können. Derartige psychische Belastungssituationen seien jedoch beim Kläger nie im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit dokumentiert worden. Ihm sei ein Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck oder häufigem Publikumsverkehr möglich gewesen. Sein räumliches Vorstellungsvermögen sei nicht beeinträchtigt. Gleiches gelte auch für die Flexibilität. So habe er in seiner jeweiligen Lebenssituation immer wieder Veränderungen herbeigeführt oder zumindest ausgehalten. Seine Befähigung zur Gruppenarbeit sei zwar eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Aufgrund des jugendlichen Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Inhaftierung spreche sehr viel für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Inhaftierung und der beschriebenen Leistungseinschränkung. Gegen die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs spreche, dass ein eindeutiger Kausalnachweis nicht zu führen ist.
Mit Urteil vom 11. November 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen sei der Kläger trotz der schädigungsbedingten Folgen in der Lage gewesen, den Beruf des Maurers auszuüben. Entgegen seiner Behauptung habe er durchaus über längere Zeiträume beispielsweise seine Tätigkeit als Hausmeister bewältigen können. Auch diese Tätigkeit erfordere eine Fähigkeit zur Konzentration auf bestimmte Arbeitsabläufe. Die Tatsache, dass der Kläger zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen darin gehindert war, seine Ausbildung abzuschließen, könne im Anwendungsbereich des BVG keine Berücksichtigung finden.
Gegen das ihm 17. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Januar 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt und ergänzend ausgeführt: Das Gutachten von Dr. H. sei nicht nachvollziehbar, da sie selbst davon ausgegangen sei, dass durch die Inhaftierung eine wesentliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Nach Ansicht des Klägers sei der Nichtabschluss der Maurerlehre auf die durch die Haft bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Unterlagen wie Zeugnisse oder ähnliches könne er nicht mehr vorlegen.
Der Kläger hat in einem handschriftlich verfassten Schreiben vom 12. April 2012 u.a. wörtlich ausgeführt: "Ich konnte den Beruf Maurer nie mehr ausüben erst durch Krankheit nicht, dann wurde er mir verwehrt." Nach einem Wechsel der Prozessvertretung hat die neue Prozessbevollmächtigte ergänzend ausgeführt: Die Aussagekraft der Gutachterin Dr. H. sei anzuzweifeln, da sie nicht hinreichend neutral sei. So habe sie angegeben, der Kläger sei auf die Opferrolle fixiert und nicht in der Lage, mit emotionalem Abstand über die früheren Traumatisierungen zu berichten. Die Schwere der psychischen Schädigung zeige sich beim Kläger daran, dass er infolge der ersten Haft ein suizidales Verhalten entwickelt habe. So sei es am 11. Januar 1977 zu einem ersten Suizidversuch gekommen. Diese Suizidneigung habe sich im Laufe der dritten Inhaftierung so verschlimmert, dass er bereits im Februar 1977 einen weiteren Suizidversuch unternommen habe. Die chronische Suizidalität sowie die Persönlichkeitsstörung hätten zu einer langfristigen Alltagseinschränkung geführt. An ein normales Leben sei für den Kläger nicht zu denken gewesen. Dass er in Phasen im Anschluss an Inhaftierungen lediglich einfachere handwerkliche Hilfstätigkeiten ausgeübt habe, sei nicht nur auf die erschwerten politischen Bedingungen, sondern auch auf seine schädigungsbedingt verminderte psychische Belastbarkeit zurückzuführen. Auch Prof. Dr. F. habe in seinem Gutachten von einer leichten geistigen Entwicklungsverzögerung berichtet. Durch die haftbedingten Folgen sei es ihm nicht möglich gewesen, die Lehre als Maurer wieder aufzunehmen bzw. abzuschließen. Der Kläger sei auch außerhalb der Haft ständiger Überwachung und Kontrolle und dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, sich staatsfeindlich zu betätigen oder anderweitig strafbar gemacht zu haben Er habe sein Leben in keiner Weise planen können. Im Gegensatz zum Beruf des Hausmeisters müsse der Maurer wesentlich komplexere Aufgabenbereiche bewältigen. Beispielsweise sei das Einrichten und Absichern von Baustellen, die Herstellung von Bauwerken sowie das Einbauen von Isolier- und Dämmstoffen vorzunehmen, was neben handwerklichem Geschick ein hohes Maß an Konzentrationsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit erfordere. Auch müssten zur Durchführung der Tätigkeiten Absprachen mit anderen vorgenommen werden, was wiederum eine Teamfähigkeit und besondere Zuverlässigkeit voraussetze. Der Verantwortungsbereich und das persönliche Anforderungsprofil eines Hausmeisters seien daher weitaus geringer als bei einem Maurer. Die Hausmeistertätigkeit habe der Kläger erst im Jahr 1990 aufgenommen, als sich die psychischen Beschwerden bereits erheblich verschlechtert hatten. Die Annahme der Gutachterin, es hätten keine Leistungseinschränkungen bestanden, die ihn am Erlernen bzw. Ausüben des Maurerberufs gehindert hätten, sei vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Die Aussage der Gutachterin zur Gruppenarbeit sei nicht nachvollziehbar. So benötige der Beruf des Maurers eine weitaus stärker ausgeprägte Teamfähigkeit als dies beim Hausmeister der Fall sei. Nach dem medizinischen Gutachten von Dr. E. vom 28. April 2003 habe sich der Kläger autoaggressiv und fremdaggressiv verhalten, wobei es regelmäßig zu Konflikten im sozialen Umfeld gekommen sei. Dies führe nach Dr. E. dazu, dass er nicht in der Lage sei, einem Beruf auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Gerade die Fortsetzung und Beendigung der Maurerlehre habe jedoch die Fähigkeit vorausgesetzt, kontinuierlich berufliche Leistungen zu erbringen. Die beim Kläger vorhandene Entwicklungsverzögerung könne als prämorbide Krankheitsdisposition gesehen werden, die als wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt zu bewerten sei. Wegen des großen Nachholbedarfs an Bauleistungen hätte der Kläger durchaus eine realistische Chance gehabt, nach 1990 den Beruf des Maurers zu ergreifen, wenn er nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 28. Oktober 2004 Berufsschadensausgleich ab 1. April 1997 nach dem Vergleichseinkommen eines Mauers zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung sowie das angegriffene Urteil für rechtmäßig. In erster Linie hätten den Kläger die Maßnahmen der politischen Verfolgung daran gehindert, den Berufsabschluss als Maurer und eine darauf gerichtete Berufstätigkeit auszuüben. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung sei er bereits 43 Jahre alt gewesen und habe sich den Verhältnissen des Arbeitsmarktes anpassen müssen. Im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit habe sich seine eingeschränkte Konfliktfähigkeit nie bei der Berufsausübung bemerkbar gemacht. Den Kläger treffe im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die objektive Beweislast.
Die Sachverständige Dr. H. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 8. März 2013 ausgeführt: Die vom Kläger aufgeführten Sachverhalte sowie zeitlichen Zusammenhänge habe sie bereits berücksichtigt. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe nicht automatisch zu einer Leistungsunfähigkeit. Es gebe keine spezifischen Berufe, welche aufgrund einer Persönlichkeitsstörung mit einer Berufsunfähigkeit verbunden wären. Unter Beachtung der individuellen Symptomatik und Leidensgeschichte sei es möglich, bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen eine Leistungsunfähigkeit abzuleiten. Dies setzte jedoch eine akute Symptomatik voraus. Retrospektive Bewertungen, wie sie im vorliegenden Fall vorzunehmen wären, seien dagegen nicht möglich. Vielmehr könne die Gutachterin nur die vorliegenden Unterlagen sichten und prüfen, ob zum damaligen Zeitpunkt eine Leistungsunfähigkeit bestanden habe. Der Hinweis auf die Suizidalität und das daraus abgeleitete Unvermögen des Klägers, die Ausbildung zum Maurer abzuschließen und auszuüben, sei nicht tragfähig. Akute Suizidalität hätte beim Kläger jede berufliche Tätigkeit ausgeschlossen. Es ergebe sich aus den Unterlagen, dass nach Abklingen der Symptomatik eine kontinuierliche Berufstätigkeit stabilisierend gewirkt habe. Gleiches gelte für die Team- und Konfliktfähigkeit. Es fänden sich keine Hinweise, dass der Kläger nach einer Haftentlassung oder später unfähig gewesen sei, sich in ein Team zu integrieren. Seine Behauptung, er sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, die Lehre des Maurers zu beenden, bleibe ein bloßer Gedanke. Einen konkreten Arbeitsversuch als Maurer habe es nie gegeben. Die vom Kläger geltend gemachten Entwicklungsverzögerungen bezögen sich auf den Zeitpunkt vor seiner ersten längeren Inhaftierung. Trotz dieser Verzögerungen habe der Kläger die Maurerausbildung zunächst termingerecht absolviert. Eine Debilität bestehe dagegen nicht. Vielmehr sei sein intellektuelles Leistungsvermögen durchschnittlich. Auch sei mitgeteilt worden, die "spielerische Veranlagung" des Klägers habe sich im zweiten und dritten Lehrjahr gebessert. An der bisherigen Einschätzung sei daher festzuhalten.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 hat der Kläger erklärt, er sei mit der Beiziehung seiner Stasi-Akten einverstanden. Weitere Unterlagen über seine Schul- und Lehrjahre habe er nicht. Nach Vertagung des Rechtsstreits hat der Senat die Stasi-Akte des Klägers beigezogen und das umfassende Aktenkonvolut von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – Außenstelle H. – zur Gerichtsakte genommen.
Hierin finden sich auszugsweise folgende Unterlagen:
In einer vom Kläger unterschriebenen Beschuldigtenvernehmung vom 1. Juni 1965 hat er auf Seite 5 ausgeführt:
"1954 kam ich in die Grundschule in T. und wurde 1961 aus der Grundschule mit Abschluss der 6. Klasse entlassen. In den Fächern Deutsch und Russisch hatte ich schlechte Zensuren. Nach meiner Schulentlassung erlernte ich den Beruf eines Maurer in dem VEB E. T. Ich lernte dort 2 Jahre und brach dann die Lehre ab. Ich hatte keine Lust mehr zu diesem Beruf und wollte in die Landwirtschaft. Ich arbeitete dort ca. 4 Monate in der Papierfabrik W." ( )
"In meiner Freizeit beschäftige ich mit meinem Hund oder arbeite in dem Garten. Meine Mutter ist seit längerer Zeit wieder verheiratet. Ich verstehe mich mit dem jetzigen Mann meiner Mutter nicht. Dieser Mann schlug schon meinen Großvater. Mit meinen Großeltern verstehe ich mich."
In einer weiteren Beschuldigtenvernehmung vom 29. Juli 1965 hat der Kläger angegeben:
"Im September 1961 nahm ich im VEB E. T. die Lehre auf, um den Beruf des Maurers zu erlernen. Ich wurde aber den gestellten Anforderungen nicht gerecht und unterbrach die Lehre im Februar 1964, indem ich kündigte und diesen Betrieb verließ."
In einem Entwicklungsbericht über den Kläger vom 12. August 1965 führte die Jugendfürsorgerin aus:
"F. besuchte in T. die G.-S.-Oberschule bis zur 6. Klasse. Er wurde 1961 dort entlassen, nachdem er insgesamt 5 Mal sitzengeblieben war. Seine schulischen Leistungen waren kaum genügend. Gesamtverhalten und Betragen, Fleiß und Mitarbeiten zeigten die Note "4" auf. Während der Schulzeit erhielt F. fast ausschließlich negative Eintragungen." ( )
"Am 1. 9.1961 nahm F. die Lehre im Eisenhüttenwerk T. als Maurer auf. Auch hier trat F. nur negativ in Erscheinung. Er hatte im Lernkollektiv keine Freunde, blieb wiederum der Einzelgänger" ( )
"F. war faul, er bummelte den Unterricht in der Berufsschule, seine Leistungen lagen im Durchschnitt bei "5". F. bestand die Zwischenprüfung nicht. Obwohl ihm das Angebot gemacht wurde, diese – trotz Unzulässigkeit – zu wiederholen, wurde dies von ihm abgelehnt. Das Lehrverhältnis wurde im 3. Lehrjahr gelöst. Im Jahr 1962 unternahm F. mit anderen Jugendlichen den Versuch, die DDR illegal zu verlassen. Dieses Vorkommnis wurde in der Konfliktkommission der BBS des EHW T. ausgewertet. Von der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht wurde abgesehen. Als sich F. vor diesem größeren Kreis zu verantworten hatte, brachte er zum Ausdruck, dass er ungern den Beruf des Maurers ergriffen hätte. Ihm wäre mehr gelegen an einem Beruf an der frischen Luft, wie etwa Viehzüchter oder Schäfer."
In einer Beurteilung vom 11. August 1965 hat der Bauleiter B. angegeben:
"Der Jugendfreund K. zeigte mit Beginn seiner Lehrzeit schon wenig Interesse."
( )
"F. K. hat vom 1.9.1962 bis 20.2.1964 51 Fehltage im theoretischen Unterricht und 42 Fehltage im praktischen Unterricht aufzuweisen." ( )
"Während seiner Anwesenheit, besonders im theoretischen Unterricht hat F. dann noch den Unterricht wiederholt gestört, in dem er z.B. die für den Unterricht ausgegebene Literatur (Verfassung) beschmutzte und mit unsachlichen Bemerkungen versah. Daraufhin wurde die Lösung des Lehrverhältnisses zum Ende des Monats Februar 64 beantragt und vom Rat des Kreises zugestimmt."
In einer Zeugenvernehmung vom 4. August 1965 hat die Mutter des Klägers G. L., geborene K., angegeben:
"Besondere Erziehungsschwierigkeiten mit meinem Sohn habe ich seit Beginn seiner Lehre 1961, weil er seit dieser Zeit desöfteren seine Arbeit bummelte. Er hatte schon zur Erlernung des Maurerhandwerks keine Lust und gab mir und meinem Ehemann Schuld, dass wir nicht entsprechend seinen Wünschen gehandelt hätten, damit er Tierpfleger werden könnte. Seine Vorstellung war immer, eine Tätigkeit zu verrichten, bei der er gute Verdienstmöglichkeiten hat, obwohl er seine Lehre nicht abschloss und beruflos ist." ( )
"Da er mit Unlust den Anforderungen eines Maurerlehrlings nachkam und er ständig bummelte, wurde seine Lehre nach drei Jahren unterbrochen, weil Bedenken bestanden, dass er die Lehre nicht besteht."
Auf einen gerichtlichen Hinweis über den Inhalt der Stasi-Akten hat der Kläger geltend gemacht: Diese Unterlagen dürften nur mit einem zeitkritischen Abstand gewürdigt werden. Es sei unzutreffend, dass die Eltern des Klägers ihn gegen seinen Willen in die Maurerlehre gedrängt hätten. Es habe zwar den Berufswunsch zum Tierpfleger gegeben. Hierbei müsse jedoch die beschränkte Berufswahlfreiheit in der DDR beachtet werden. Die aus den Unterlagen erkennbaren Bummelein, Fehlzeiten und Leistungsdefizite seien durch das Ausbildungsumfeld und das Arbeitsklima hervorgerufen worden. Es mag sein, dass es familiäre Konflikte gegeben habe, diese stünden jedoch mit der Beendigung der Maurerlehre in keinem Zusammenhang. In einer schriftlichen Erklärung von Frau G. L. vom 2. März 2014 hat diese angegeben: Eine Alternative zur Berufsausbildung zum Maurer habe es nicht gegeben. Von daher sei der Kläger auch nicht von seinen Eltern in diesen Beruf gedrängt worden. Nur der erhebliche politische Druck der Stadtsicherheitsorgane habe zur Aufhebung des Lehrvertrages geführt. Innerfamiliäre Konflikte habe es dagegen überhaupt nicht gegeben. Die am 28. Februar vorzeitig beendete Maurerlehre hätte regulär am 31. Juli 1964 ihren Abschluss bekommen. Es sei nicht einsichtig, weshalb der Kläger fünf Monate vor dem planmäßigen Ende diese Ausbildung aufgegeben haben solle.
Der Beklagte hat geltend gemacht: Das Ausbildungsverhältnis habe zum Zeitpunkt der ersten Inhaftierung im Juni 1965 bereits nicht mehr bestanden. Es könne daher nicht zu einem schädigungsbedingten Abbruch der Maurerlehre gekommen seien. Vielmehr seien es politische Gründe gewesen, die zur vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses geführt hätten.
Am 7. Februar 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Halle einen Antrag wegen überlanger Verfahrensdauer gestellt und behauptet, die lange Verfahrensdauer habe seine Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen und führe zu einem Entschädigungsanspruch.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die Gerichtsakte L 5 VU 8/01 sowie Auszüge der Rentenakte und die sog. Stasiakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 rechtmäßig ist, insbesondere, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Bescheid vom 28. Oktober 2004, mit dem er beim Kläger als Vergleichsberuf den Hausmeister festgelegt hat, auf den Beruf des Maurers abzuändern und ein entsprechender BSA zu zahlen ist. Diesen Anspruch hat der Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemacht.
Die vom Kläger angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 30 Abs. 3, 4 Satz 1 und 5 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlass rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch wenn er unanfechtbar geworden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier nicht vor, denn dem Kläger steht kein BSA auf der Grundlage der Vergleichsgruppe des Maurers zu.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, BSA. Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung. Was unter Einkommensminderung bzw. Einkommensverlust zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in § 30 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 5 BVG. Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Das Vergleichseinkommen, das höher sein muss als das derzeitige Einkommen, ist nach § 30 Abs. 5 BVG zu errechnen, d.h. auf statistischer oder tariflicher Grundlage "aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder der Wirtschaftsgruppe, der der Beschäftigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte". Die Fassung des Gesetzes - "ohne die Schädigung" - zeigt, dass der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg von der Zeit an nachgezeichnet werden muss, zu der die Schädigung i.S. des § 1 Abs. 1 BVG stattgefunden hat. Grundsätzlich ist deshalb zur Ermittlung der maßgeblichen Berufsgruppe von dem Beruf auszugehen, aus dem der Beschädigte durch die Schädigung verdrängt worden ist. Dieser Beruf einschließlich der Entwicklung, die ein Nichtbeschädigter in diesem Beruf genommen hätte, ist Vergleichsgrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1998, B 9 V 10/97 R, juris). Maßgeblich ist daher, ob der Kläger unter Berücksichtigung seiner weiteren beruflichen Entwicklung ab Eintritt der Schädigungsfolgen Maurer geworden wäre. Im Falle eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X ist davon auszugehen, dass eine antragsgemäße Einstufung erfolgen kann, wenn ein entsprechender hypothetischer Berufsverlauf entgegen einer früheren bestandskräftigen Ablehnung doch wahrscheinlich ist. Er braucht nicht gewiss zu sein (vgl. BSG a.a.O.). Insoweit gilt für die hypothetische Bestimmung eines Berufswegs nichts anderes als in Erstantragsfällen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG wo es heißt: "wahrscheinlich". Für die Aufhebung eines eine Leistung ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X müssen nur die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein, die hier lediglich Wahrscheinlichkeit voraussetzen (vgl. BSG a.a.O.). Wahrscheinlichkeit ist auch im Sinne des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann. Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die dieser Beurteilung zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen vielmehr erwiesen sein. Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer, d.h. gedachter, Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert. Dafür muss er ab dem Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden, wofür insbesondere die berufliche Entwicklung, die der Betreffende genommen hätte, d.h. welchen Beruf er heute hätte, zu berücksichtigen ist (vgl. BSG a.a.O.).
Bei der Prognose, wie sich die berufliche Entwicklung des Klägers ohne die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen weiter entwickelt hätte, hält es der Senat unter Würdigung der Gesamtumstände für unwahrscheinlich, dass er ohne die haftbedingten Schädigungsfolgen den Beruf des Maurers erlernt und den Ausbildungsberuf des Facharbeiters abgeschlossen hätte.
Zunächst ist es nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. H. eher unwahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Folgen der haftbedingten gesundheitlichen Schädigung dem Kläger die Fortsetzung und den Abschluss der Ausbildung zum Maurer verwehrt haben. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der haftbedingten Gesundheitsschädigung und der Nichtaufnahme der Maurerlehre samt Abschluss ist nicht wahrscheinlich zu machen. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon auszugehen wäre, dass er aus rein politischen Gründen aus der Lehre herausgedrängt worden sei, befand er sich zum Zeitpunkt der ersten schädigungsrelevanten Inhaftierung im Jahr 1965 schon nicht mehr in diesem Lehrverhältnis. Maßgeblich ist daher nur die Frage, ob die seit 1965 aufgetretenen haftbedingten Gesundheitsschäden ihn an der Aufnahme und dem Abschluss der Maurerlehre gehindert haben. Hierbei steht außer Frage, wie die Sachverständige Dr. H. ausgeführt hat, dass der Kläger in psychiatrischen Akutphasen z.B. nach Suizidversuchen zeitweise generell unfähig war, jeder beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dies gilt jedoch nicht nur für eine Tätigkeit als Maurer bzw. für eine Ausbildung zum Maurer, sondern praktisch für jede berufliche Tätigkeit. Die Sachverständige Dr. H. vermochte in ihrem Gutachten beim Kläger schädigungsbedingt weder eine völlige Teamunfähigkeit noch ein unterdurchschnittliches intellektuelles Leistungsvermögen feststellen oder zumindest wahrscheinlich machen. Vielmehr hielt sie den Kläger in Auswertung der medizinischen Befunde für grundsätzlich befähigt, den Beruf des Maurers trotz der schädigungsbedingten Folgen auszuüben. Die Annahme des Klägers, er sei durch die haftbedingten Schädigungen daran gehindert gewesen, den Maurerberuf zu erlernen, bleibt daher lediglich eine auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung abzielende Behauptung, die trotz umfassender Ermittlungen des Senats nicht wahrscheinlich zu machen ist. Überzeugend führte die Sachverständige Dr. H. aus, dass eine Persönlichkeitsstörung regelmäßig nicht dazu führen kann, dass ein Betroffener zwar Hilfstätigkeiten, jedoch keine Arbeiten eines Facharbeiters mehr ausführen könnte. Das Erkrankungsbild einer Persönlichkeitsstörung lässt eine derartige differenzierte Leistungsfähigkeit, z.B. zwischen einem Hausmeister und einem Maurer, nicht zu. Aus den von der Sachverständigen ausgewerteten Unterlagen spricht zudem einiges dafür, dass die beruflichen Tätigkeiten beim Kläger sogar zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes geführt haben. So hat es beim Kläger im beruflichen und privaten Bereich immer wieder weitgehend gesundheitlich unbeeinträchtigte Phasen gegeben. Die Sachverständige geht beim Kläger von einer Leistungsfähigkeit für mittelschwere geistige Tätigkeiten aus, die zur Erlangung des Maurerabschlusses notwendig gewesen wäre. Auch die persönlichen Schreiben des Klägers stützen diese Leistungsbewertung der Sachverständigen. So konnte er sein Anliegen jeweils zielorientiert und ohne signifikante Auffälligkeiten vertreten und sogar auf aktuelle Gesetzesänderungen (vgl. seine Verzögerungsrüge wegen überlanger Verfahrensdauer) durch zielgerichtete und anspruchsorientierte Anträge reagieren. Psychische Belastungssituationen, die allein im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit beim Kläger aufgetreten sind, sind nach Aktenlage und Auswertung durch die Sachverständige nicht dokumentiert. Der Kläger war trotz seiner Erkrankungen fähig, seine Lebenssituationen zu verändern und selbst schwierige Lebenssituationen auszuhalten.
Zudem spricht nach Würdigung der gesamten Aktenlage mehr dafür, dass die Nichtwiederaufnahme der Maurerlehre nach den anerkannten Verfolgungszeiten bis zum Jahr 1990 weniger gesundheitliche, sondern vielmehr andere Gründe gehabt haben dürfte. Der Kläger hat in seiner langen beruflichen Entwicklung und zahlreichen Berufswechseln keinen einzigen Versuch unternommen, in den fast abgeschlossenen Maurerberuf zurückzukehren. Hätte ein solcher Arbeitsversuch stattgefunden, wäre es weit eher möglich gewesen, ggf. eine schädigungsbedingte Einschränkung zur Maurerausbildung nachzuweisen. Hierzu ist es jedoch nie gekommen. Mag dies für die Zeit in der DDR noch wegen der Besonderheiten in der Berufswahl für politisch auffällige Personen - wie ihn - nachvollziehbar sein, kann dies für seine Zeit in der BRD (insbesondere in den Jahren 1977 bis 1981) so nicht gelten. Auch nach Beendigung der Verfolgungszeiten im Jahr 1990 hat es von ihm keine nachgewiesenen Versuche gegeben, eine weiterführende Ausbildung zu absolvieren. Diese Zurückhaltung, sich nochmals einer intensiven theoretischen Wissensverarbeitung zu stellen, erscheint vor dem schulischen Werdegang des Klägers auch nachvollziehbar. So hat er vor der Sachverständigen Dr. H. selbst angeben, dass ihm bereits in der Schule, d.h. zeitlich weit vor den ersten politischen Verfolgungsmaßnahmen der Sicherheitsorgane der DDR, das Lernen schwer gefallen sei und ihm sogar ein vorzeitiger Schulabgang empfohlen worden sei. Sein offenbar wenig ausgeprägtes theoretisches Interesse wird auch nach Auswertung der geprüften Stasi-Unterlagen deutlich. Nach dem Entwicklungsbericht von August 1965 ist er insgesamt fünf Mal sitzengeblieben und wurde in seinen schulischen Leistungen als kaum genügend bewertet. Diese durchweg schwache schulische Einschätzung des Klägers setzte sich bei Beginn der Lehre ab dem 1. September 1961 weiter fort. Auch während der Lehre wurden seine Leistungen als eher mangelhaft bezeichnet. Unabhängig von den genauen Umständen, die zur Auflösung des Lehrvertrages zum Maurer geführt haben, bestehen daher berechtigte Zweifel, ob der Kläger mit diesem wenig ausgeprägten theoretischen Interesse und der offenkundig geringen Motivation zu diesem Lehrabschluss, eine Maurerlehre überhaupt hätte erfolgreich abschließen wollen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund eines von ihm immer wieder geäußerten Berufswunsches zum Tierpfleger, der wegen der besonderen Umstände zu DDR-Zeiten nie erfüllt werden konnte. Die Maurerlehre war daher nach Aktenlage für den Kläger kein Wunschberuf. Es verwundert daher nicht, wenn er diesen "ungeliebten" Beruf nie wieder angestrebt und einen entsprechenden Abschluss zumindest versucht hat. Nach Ende der politischen Verfolgung im Jahr 1990 lag die angefangene Maurerlehre zudem bereits 26 Jahre zurück. Angesichts dieses zeitlich ganz erheblichen Abstands, dem bereits eingetretenen Verlust jeglicher Bindung zu dem ursprünglichen Berufsbild und dem deutlich vorgerückten Alter des Klägers von über 40 Jahren sowie der Umstände, die generell auf seine geringe Motivation zum Lernen hingedeutet haben, ist es nicht wahrscheinlich zu machen, dass die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen durch die erlittenen Haftzeit die wesentliche Ursache dafür waren, die Maurerausbildung nach dem Jahr 1990 nicht fortzusetzen. Diese Annahme kann sich allenfalls auf die anspruchsorientierte Behauptung des Klägers stützen. Objektivierbare Gesichtspunkte lassen sich hierfür nicht finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe (§§ 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG) nicht vorliegen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die Überprüfung eines Bescheides auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches (BSA).
Die Ermittlungen zum Lebenslauf des am ... 1947 geborenen Klägers haben Folgendes ergeben: Nach einem Schulbesuch von 1953 bis 1961 nahm er eine Lehre als Maurer auf. Aufgrund einer systemkritischen Anmerkung, die er während des Berufschulunterrichts in eine Ausgabe der Verfassung der DDR geschrieben hatte, wurden gegen ihn strafrechtlich ermittelt. In diesem Zusammenhang stellte ein Sachverständiger unter dem 8. Juli 1963 fest: Der Kläger sei gegenüber seinen Altersgenossen in der Schule erheblich zurückgeblieben. So leide er an Konzentrationsschwächen einer raschen Ermüdbarkeit, was auf einen frühkindlichen Hirnschaden hindeute. Aufgrund der sittlichen und geistigen Entwicklung zum Zeitpunkt der Tat habe ihm die Reife gefehlt, die Gefährlichkeit seiner Tat einzusehen und hiernach zu handeln.
Dieser Vorfall führte dazu, dass der Kläger von den staatlichen Stellen gedrängt wurde, seine Maurerlehre nicht zu beenden. In der Zeit vom 25. Juni 1965 bis 21. Dezember 1967 (Urteil des Bezirksgerichtes H. vom 20. Oktober 1965), im November 1975 für sechs Wochen (Urteil des Kreisgerichtes Q. vom 23. Dezember 1975) sowie vom 17. November 1976 bis 16. November 1977 (Urteil des Kreisgerichtes M.-Süd vom 20. Januar 1977) und vom 16. Februar 1984 bis 18. April 1984 (Haftbefehl des Kreisgerichtes H. vom 14. Februar 1984) befand sich der Kläger in Haft. Vom 26. Juli 1975 bis 14. November 1975, von Februar 1976 bis November 1976 sowie vom 17. November 1977 bis August 1981 befand er sich nach Ausweisungsverfügungen der staatlichen Organe der DDR in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts M. vom 21. August 1992 wurde das Urteil des Kreisgerichts M.-Süd vom 20. Januar 1977 aufgehoben und der Kläger rehabilitiert. Das Landgericht H. das Landgericht M. erklärten die weiteren Verurteilungen sowie Entscheidungen am 21. Dezember 1993 bzw. am 15. November 1995 für rechtsstaatswidrig.
In der Zeit von 1990 bis 1992 war er als Hausmeister für das Landratsamt Q. tätig. Seit April 1997 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 20. September 1995 hatte er einen Rentenantrag bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt gestellt und zu seinem beruflichen Werdegang angegeben:
September 1961 bis 1964 (Maurerlehrling im Eisenhüttenwerk T.; ohne Abschluss wegen Entlassung/Kündigung),
Juli 1964 bis Juni 1965 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),
Juni 1965 bis Dezember 1967 (Haft),
Januar bis Dezember 1968 (Walzwerker im Eisenhüttenwerk T.),
Januar bis Dezember 1969 (Produktionsarbeiter in der Stoßdämpferherstellung in H.),
Januar 1970 bis Juni 1971 (Transportarbeiter, Blechverarbeitung in T.),
Juli 1971 bis Juli 1975 (Gleisbauer im VEB G. B.),
Juli 1975 (Ausweisung aus der DDR),
August 1975 bis 23. September 1975 (Staplerfahrer, Mineralölwerke F., M.),
Oktober 1975 (arbeitslos),
10. November 1975 bis 14. November 1975 (Tiefbauer, R. S., B.),
15. November 1975 bis 20. April 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-C.)
21. April 1976 bis 7. Mai 1976 (Tiefbauer, O. M., B.),
10. Mai 1976 bis 10. September 1976 (Kabelwickler, AEG T., B.),
15. September bis 21. September 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),
22. September 1976 bis 28. September 1976 (Kabelwickler, Kabelwerke E., B.),
29. September 1976 bis 24. Oktober 1976 (arbeitslos im Zuständigkeitsbereich B.-T.),
25. Oktober 1976 bis 3. November 1976 (Staplerfahrer, F. W. Werkzeugmaschinen B.),
4. November bis 16. November 1976 (Straßenbauer, J. und S., B.),
November 1976 bis November 1977 (Haft),
November 1977 bis Januar 1978 Aufnahmelager M.,
9. Januar 1978 bis 30. April 1978 (Staplerfahrer, V. GmbH, S.),
Mai 1978 bis Dezember 1980 (Anlagenfahrer, Kali Salzbergwerke L.),
Januar bis September 1981 (Staplerfahrer, Fa. S. B.),
August bis September 1981 (Aufnahmelager K.),
5. bis 16. Oktober 1981 (Justierer, VEB Q.),
26. Oktober bis 1. Dezember 1981 (Lackierer, Walzengießerei Q.),
14. bis 31. Dezember 1981 (Bogenfänger, Diagrammdruck Q.),
Januar 1982 (arbeitslos),
17. Februar bis 11. April 1982 (Hausmeister, N. A.),
26. April bis 26. Juli 1982 (Betriebshandwerker, DGH Fruchtsäfte R.),
August 1982 (arbeitslos),
13. September bis 17. November 1982 (Verlader, VEB H. Gipswerke R.),
18. November 1982 bis April 1983 (Haft),
9. Mai bis 18. August 1983 (Möbelarbeiter, VEB M. E.), 16. September bis 30. November 1983 (Arbeiter, VEB Z. O.),
15. Dezember 1983 bis 10. August 1984 (Tapetenwickler, Papierfabrik W.),
September 1984 bis 8. April 1985 (Tiefbauer, VEB K. Q.), 28. Mai bis 23. August 1985 (Farbspitzer, VEB P. T.),
18. September 1985 bis 12. Dezember 1989 (Verlader, T.),
30. Januar bis 28. Februar 1990 (Polierer, O. GmbH H.),
März 1990 bis 27. Mai 1990 (arbeitslos),
28. Mai 1990 bis Juli 1992 (Hausmeister, Landratsamt Q.), 29. Juli bis 31. Dezember 1992 (Schlosser, GFA T.),
Seit 1. Januar 1993 bis 31. August 1995 (arbeitslos),
Seit 1. September 1995 (Tiefbauer, ABM-Maßnahme im B. Stadtverwaltung),
Seit 6. September 1995 (erkrankt).
Mit Bescheid vom 2. April 1998 wurde der Kläger als Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt und als Verfolgungszeiten anerkannt:
März 1964 bis 26. Juli 1975,
15. November 1975 bis 5. Februar 1976,
17. November 1976 bis 16. November 1977,
15. August 1981 bis 02. Oktober 1990.
Der Kläger stellte am 9. August 1994 beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). Nach Einholung medizinischer Unterlagen erstattete Privatdozent Dr. G. ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 17. Dezember 1994 und führte aus: Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er sei schon immer ein Eigenbrödler gewesen, habe sich seit seiner Jugend von anderen zurückgezogen und keine Freundschaften geschlossen. In seinem Kontaktverhalten habe es daher schon immer Probleme gegeben. Rückblickend könne seine Lebensgeschichte als ein ständiges Ringen um die Gestaltung sozialer Kontakte und Beziehungen und gleichzeitig als die Geschichte des Scheiterns dieses Bemühens gesehen werden. In den zahlreichen aus Beziehungskonflikten resultierenden Krisensituationen reagiere der Kläger bis zuletzt fremd- oder autoaggressiv. Dieser Verarbeitungsmodus sei jedoch keine Haftfolge, wie der Kläger vermute. Aktuell seien keine krankheitswertigen Befunde zu erheben. Insbesondere seien weder eine Angst- noch eine phobische Symptomatik festzustellen. Mit Bescheid vom 30. März 1995 lehnte der Beklagte einen Versorgungsanspruch ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1997 zurück und hielt einen Ursachenzusammenhang zwischen den Inhaftierungen und den psychischen Problemen des Klägers für nicht nachgewiesen. Hiergegen richtete sich die am 21 Juni 1997 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangene Klage (S 1 VU 58/97), die mit Urteil vom 20. Januar 2001 abgewiesen wurde. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 5 VU 8/01) ein. Das LSG hatte Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens von Professor Dr. F. vom 13. Januar 2003. Gegenüber dem Sachverständigen hatte der Kläger angegeben: Er sei bei seiner Mutter sowie seinen Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, einen russischen Offizier habe er persönlich nie kennengelernt. Als er fünf Jahre alt war, habe seine Mutter den Stiefvater geheiratet. Ab dem Jahr 1953 habe er die Schule besucht, den Abschluss der sechsten Klasse erreicht, jedoch keine besonders guten Leistungen erzielt. Zum psychischen Befund hat der Sachverständige mitgeteilt: Beim Kläger bestehe eine dysphorisch gereizte Grundstimmung. Er habe weitschweifig und umständlich sowie mit streckenweise deutlich emotionaler Betroffenheit über seine Beschwerden und seine Lebensgeschichte berichtet. Dabei sei es ihm kaum möglich, inneres Erleben sowie Gefühle differenziert zu beschreiben. Im Denken sei er verlangsamt und konzentrationsgemindert. Auffällig sei eine nahezu zwanghafte Beschäftigung mit dem Thema seiner Inhaftierung sowie seiner Lebensbeeinträchtigung durch die Staatssicherheit. Auch bestehe bei ihm eine klare Opferidentität. Auffällig sei eine misstrauische bis fast paranoid anmutende Haltung gegenüber Autoritäten und staatlichen Stellen. Zudem gebe es Hinweise für eine verminderte Frustrationstoleranz sowie gelegentliche Impulskontrollverluste in autoaggressiver sowie in fremdaggressiver Form. Diagnostisch sei von einer Persönlichkeitsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung sowie von Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen, die jeweils auf seine Inhaftierung aus den Jahren 1965 bis 1967 zurückzuführen seien. Schon vor der Inhaftierung habe es bezüglich der Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich Besonderheiten wie ein eigenbrödlerisches und trotziges Verhalten gegeben. Angesichts des frühen Inhaftierungszeitpunkts mit 18 Jahren sei jedoch davon auszugehen, dass er noch keine vollständige Erwachsenenidentität ausgebildet hatte. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich ohne die Haftstrafe eine vergleichbare Persönlichkeitsstörung entwickelt hätte. Die seit Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit sei allenfalls als mittelbare Folge anzusehen und stehe eher im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Spaltungsphänomene, wie sie eine Borderline-Störung voraussetzen würde, seien bei ihm nicht eindeutig nachweisbar. Sollte es während der späteren Haftzeit noch einen Entwicklungsrückstand gegeben haben (so Gutachten aus dem Jahr 1963) dürften sich die verschärften Haftbedingungen mit Isolierung noch schwerwiegender ausgewirkt haben. Das Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich vom 31. März 2004. Zu Gunsten des Klägers wurde eine stärker behindernde Persönlichkeitsstörung mit wesentlichen Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG anerkannt sowie ab dem 1. August 1994 eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 von 100 gewährt (vgl. auch Ausführungsbescheid des Beklagten vom 16. April 2004).
In einem vom Beklagten eingeholten Arztbrief berichtete die Leitende Ärztin Dipl.-Med. K. (N. Anstalten): Der Kläger sei wegen Suizidversuchen wiederholt stationär behandelt worden (1983, 1991, 1995 bis 1996). Er fühle sich als Versager und Verlierer gegenüber dem gesellschaftlichen System. Wegen aktueller Eheprobleme und Auseinandersetzungen mit behördlichen Stellen habe er keine Kraft, eine Therapie anzugehen. Die Entlassung erfolgte am 30. Januar 1996 in unbefriedigendem, jedoch arbeitsfähigem Zustand. Nach einem REHA-Bericht der M.-Klinik F. berichtete Dr. Dr. R. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 27. März bis 17. April 1997. Hiernach sei der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Diagnostisch sei von einer schweren, als dauerhaft einzuschätzende Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline auszugehen. Diese sei durch eine erhebliche psychische bzw. emotionale Instabilität geprägt und von aggressiven sowie autoaggressiv-suizidalen Impulsdurchbrüchen begleitet. Daneben bestehe ein sekundärer Alkoholmissbrauch. Hinzu kämen Einschränkungen des Bewegungsapparates wegen eines chronischen, belastungsabhängigen lumbalen Schmerzsyndroms. Nach Angaben des Klägers komme er nicht mehr zurecht. Zu Hause gäbe es häufige, mitunter von ihm tätlich geführte Auseinandersetzungen mit der zweiten Ehefrau (Heirat: 1983). Beispielsweise habe er ein Gebäude seiner Großeltern angezündet. Auf dem Arbeitsamt habe er z.B. einen Schreibtisch eines Sachbearbeiters umgekippt. Es habe bereits etliche Suizidversuche gegeben. Gerade unter Alkoholeinfluss komme es bei ihm zu Fehlreaktionen. Während der Behandlung habe eine deutlich depressive Verstimmung vorgelegen. Aufgrund der Störung könne der Kläger keine ausreichende Alltagsbeständigkeit und Stabilität herstellen. Für eine Erwerbsfähigkeit fehle es an einer ausreichenden Belastbarkeit. Seit dem Jahr 1997 bezog der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Rentenversicherungsträger beauftragte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. mit einem Gutachten vom 28. April 2003, der zur Frage des Fortbestehens der Erwerbsunfähigkeit mitteilte: Der Kläger habe angegeben, am 2. Juni 2002 überfallen worden zu sein. Er habe einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei wahrscheinlich zeitweise bewusstlos gewesen. Der Überfall habe auch zu Verletzungen an der rechten Schulter geführt. Die erste Ehefrau habe ihn für die Staatssicherheit der DDR bespitzelt. Im Jahr 1965 sei er erstmals bei einem Nervenarzt in Behandlung gewesen. In der Haft sei er teilweise "ausgeflippt" und habe aggressiv reagiert. Auch sei es zu einem Suizidversuch in dieser Zeit gekommen. Während seines Aufenthaltes in der BRD (1976 bis 1977) sei er ständig nervenärztlich bei Dr. P. behandelt worden. Im Jahr 1985 sei es nach einem Suizidversuch zu einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus B. und später häufig zu entsprechenden Aufenthalten in der Psychiatrischen Abteilung in N. gekommen. Aufgrund der psychischen Probleme habe er verstärkt Alkohol getrunken. Dem Kläger sei es nicht gelungen, das Zeitgitter seines Lebenslaufs darzustellen. Er verharre dabei teilweise, wirke während der gesamten Untersuchungssituation äußerst agitiert, teilweise auch zerfahren und unsicher. Das EEG habe einen leichten Herdbefund ergeben, was für eine gewisse hirnorganische Komponente sprechen könnte, die weiter aufzuklären sei. Diagnostisch bestehe eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, eine leicht bis mittelgradige depressive Episode sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. In neurologischer Hinsicht zeigten sich keine eindeutig krankhaften Befunde. In psychischer Hinsicht bestehe ein deutlicher Leidensdruck. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich selbst zu steuern und habe teilweise leichte Störungen in der Konzentration. Er könne aktuell weder in seinem Beruf noch anderweitig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden.
Von Amts wegen nahm der Beklagte eine Prüfung zu den Voraussetzungen eines BSA vor. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Oktober 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger einen BSA und legte als Vergleichsberuf den des Hausmeisters zu Grunde. Darüber hinaus stellte der Beklagte eine besondere berufliche Betroffenheit fest und erhöhte die Gesamt-MdE von 30 auf 40 vom 100 ab dem April 1997.
Am 31. März 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides. Nach seiner Bewertung müsse als Vergleichsberuf nicht der Hausmeister, sondern der des Maurers zu Grunde gelegt werden. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2006 ab. Die begonnene Maurerlehre habe der Kläger aus politischen Gründen und nicht wegen der anerkannten Schädigungsfolgen als Folgen nach dem StrRehaG aufgeben müssen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und geltend gemacht: Er sei ca. ein halbes Jahr vor dem Abschluss seiner Lehre gedrängt worden, diese Berufsausbildung abzubrechen, weil er eine politische Straftat begangen habe. In der Folge habe er keine weitere Möglichkeit gehabt, diese Lehre fortzusetzen bzw. neu zu beginnen. Nicht nur aufgrund politischer Verfolgungsmaßnahmen, sondern aufgrund der rechtsstaatswidrigen Strafverfolgungsmaßnahmen sowie der damit verursachten Gesundheitsstörungen sei er gehindert gewesen, den angestrebten und fast zu Ende geführten Ausbildungsberuf als Maurer abzuschließen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2010 hat der Kläger wörtlich erklärt:
"Nach meiner Inhaftierung habe ich nur Hilfsarbeiten ausgeführt. Ich habe die Arbeitsstelle auch häufig gewechselt. Ich war immer sehr nervös und teilweise auch aggressiv, so dass mir auch gekündigt worden ist. Ich habe nur sehr einfache Tätigkeiten ausgeübt. So habe ich oft Kohle geschippt oder Blätter gezählt. Als ich als Betriebshandwerker bzw. Hausmeister tätig war, habe ich überwiegend geheizt und teilweise auch kleinere Reparaturen ausgeübt, wenn beispielsweise ein Stuhl kaputt war oder ein Kinderfahrrad. Ich habe auch Gartenarbeiten verrichtet. Die einzige Ausbildung, die ich noch absolviert habe, war mein Gabelstaplerschein. Weitere Ausbildungen habe ich dann nicht begonnen. Wenn ich gefragt werde, weshalb meine Tätigkeit als Maurer nicht möglich gewesen sein soll, so kann ich dazu sagen, dass ich kein Durchhaltevermögen gehabt habe und mich auch nur sehr schlecht konzentrieren konnte. Darüber hinaus habe ich auch Kreuzschmerzen gehabt, was auch auf die Haft zurückzuführen ist, da ich dort teilweise nur sitzen musste und nicht liegen durfte."
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrisch-psychosomatischen Fachgutachtens von Frau Dr. H. vom 9. Juli 2010, in dem die Sachverständige ausgeführt hat: Der Kläger habe angegeben, er habe den Führerschein, fahre jedoch aufgrund seiner Nachtblindheit nicht mehr. Als Medikamente nehme er Doxepin, Mirtazapin und seit Jahren Planum ein. In den ersten fünf Lebensjahren sei er bei seiner Mutter und den Großeltern aufgewachsen. Seinen leiblichen Vater, der Offizier der sowjetischen Streitkräfte gewesen sei, habe er persönlich nie kennengelernt. Später habe er versucht, Kontakt zur Familie des Vaters aufzunehmen. Diese Ermittlungen hätten ergeben, dass die väterliche Familie in der Ukraine wohne, jedoch der leibliche Vater inzwischen verstorben sei. Zu den Großeltern habe ein gutes Verhältnis bestanden. Bereits zu dieser Zeit sei er ein Einzelgänger gewesen. Insbesondere habe er nie "so intensive Freunde gehabt". Er sei gern allein, gehe viel in die Natur und nutze seinen Bungalow im Harz. Von 1969 bis 1971 sei er in erster Ehe verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe seien zwei Söhne (1969 und 1971) hervorgegangen. Die Ehe sei wegen einer Außenbeziehung der Ehefrau geschieden worden. Nach der Scheidung sei dem Kläger und der Ehefrau je ein Sohn zugesprochen worden. 1975 habe er seinen Sohn nach einer Ausweisung aus der DDR zurücklassen müssen. Seit 1983 sei er in zweiter Ehe verheiratet. Im Jahr 1983 habe er das Leben noch genossen und anfangs mit den Kindern Spaß gehabt. Mit seiner Frau fahre er regelmäßig zu selbst finanzierten Kuren nach K. Beruflich habe er die POS besucht und 1961 mit Abschluss der achten Klasse beendet. Das Lernen sei ihm schwer gefallen. Die Lehrer hätten ihm den vorzeitigen Schulabgang empfohlen. Im Jahr 1961 habe er eine Maurerlehre begonnen. Wegen einer politisch motivierten Bemerkung, die er in die Verfassung der DDR im Unterricht geschrieben habe, sei er in Haft geraten. Nach der Haftentlassung sei er aus der Lehre gedrängt worden und habe als ungelernte Hilfskraft in einem Walzwerk weiter gearbeitet. In dem Beruf als Maurer habe er keine Arbeit mehr gefunden.
Zum psychischen Befund hat die Sachverständige ausgeführt: Die Stimmungslage des Klägers sei depressiv verbittert. Er zeige ein gesteigertes Misstrauen sowie eine gesteigerte Impulsivität. Sein Antrieb sei dagegen nicht beeinträchtigt. Es bestehe auch kein Anhalt für ein psychotisches sowie psychosenahes Erleben. Der Kläger sei auf seine Opferrolle fixiert und berichtete über frühere Traumatisierungen, ohne emotionalen Abstand gewinnen zu können. Sein Konzentrationsvermögen sei leicht beeinträchtigt. Dem Gesprächsverlauf habe er ausreichend konzentriert folgen können. Nach dem SKT sei von einer leichten kognitiven Leistungsstörung auszugehen. Nach dem MWT-B habe der Kläger einen Intelligenzquotienten von 93 erreicht, was im durchschnittlichen Bereich liege. Diagnostisch bestehe eine andauernde Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Anteilen nach Extrembelastung sowie eine rezidivierende depressive Störung. Aus den vorliegenden Unterlagen, den Angaben des Klägers sowie der Gewichtung der Diagnosen bestehe kein Anhalt dafür, warum der Kläger aus medizinischen Gründen gehindert gewesen sei, in dem Beruf als Maurer zu arbeiten. Seine Erkrankungen hätten zu Zeiten von Arbeitsunfähigkeit geführt, die jedoch berufsunabhängig gewesen seien. In nicht depressiven Phasen habe keine Einschränkung für das Leistungsvermögen als Maurer vorgelegen. Die aus der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung resultierende Leistungseinschränkung wie Verlust der inneren Ruhe, Misstrauen, aggressive sowie autoaggressive Impulsdurchbrüche, Schlafstörungen und Albträume schlössen eine Maurertätigkeit nicht aus. Weitergehende Leistungseinschränkungen, die lediglich noch Hilfsarbeitertätigkeiten, jedoch nicht Maurertätigkeiten zulassen, seien medizinisch nicht begründbar. Die für den Maurerberuf gestellten mittelschweren geistigen Anforderungen, könne er erfüllen. Durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit könne der Kläger genügen. Lediglich im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein hätten bei akuten Kränkungen oder emotionalen Überlastungen Gefährdungen auftreten können. Derartige psychische Belastungssituationen seien jedoch beim Kläger nie im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit dokumentiert worden. Ihm sei ein Arbeiten in Wechselschicht, Nachtschicht sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck oder häufigem Publikumsverkehr möglich gewesen. Sein räumliches Vorstellungsvermögen sei nicht beeinträchtigt. Gleiches gelte auch für die Flexibilität. So habe er in seiner jeweiligen Lebenssituation immer wieder Veränderungen herbeigeführt oder zumindest ausgehalten. Seine Befähigung zur Gruppenarbeit sei zwar eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Aufgrund des jugendlichen Alters des Klägers zum Zeitpunkt der Inhaftierung spreche sehr viel für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Inhaftierung und der beschriebenen Leistungseinschränkung. Gegen die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs spreche, dass ein eindeutiger Kausalnachweis nicht zu führen ist.
Mit Urteil vom 11. November 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen sei der Kläger trotz der schädigungsbedingten Folgen in der Lage gewesen, den Beruf des Maurers auszuüben. Entgegen seiner Behauptung habe er durchaus über längere Zeiträume beispielsweise seine Tätigkeit als Hausmeister bewältigen können. Auch diese Tätigkeit erfordere eine Fähigkeit zur Konzentration auf bestimmte Arbeitsabläufe. Die Tatsache, dass der Kläger zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen darin gehindert war, seine Ausbildung abzuschließen, könne im Anwendungsbereich des BVG keine Berücksichtigung finden.
Gegen das ihm 17. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Januar 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt und ergänzend ausgeführt: Das Gutachten von Dr. H. sei nicht nachvollziehbar, da sie selbst davon ausgegangen sei, dass durch die Inhaftierung eine wesentliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Nach Ansicht des Klägers sei der Nichtabschluss der Maurerlehre auf die durch die Haft bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Unterlagen wie Zeugnisse oder ähnliches könne er nicht mehr vorlegen.
Der Kläger hat in einem handschriftlich verfassten Schreiben vom 12. April 2012 u.a. wörtlich ausgeführt: "Ich konnte den Beruf Maurer nie mehr ausüben erst durch Krankheit nicht, dann wurde er mir verwehrt." Nach einem Wechsel der Prozessvertretung hat die neue Prozessbevollmächtigte ergänzend ausgeführt: Die Aussagekraft der Gutachterin Dr. H. sei anzuzweifeln, da sie nicht hinreichend neutral sei. So habe sie angegeben, der Kläger sei auf die Opferrolle fixiert und nicht in der Lage, mit emotionalem Abstand über die früheren Traumatisierungen zu berichten. Die Schwere der psychischen Schädigung zeige sich beim Kläger daran, dass er infolge der ersten Haft ein suizidales Verhalten entwickelt habe. So sei es am 11. Januar 1977 zu einem ersten Suizidversuch gekommen. Diese Suizidneigung habe sich im Laufe der dritten Inhaftierung so verschlimmert, dass er bereits im Februar 1977 einen weiteren Suizidversuch unternommen habe. Die chronische Suizidalität sowie die Persönlichkeitsstörung hätten zu einer langfristigen Alltagseinschränkung geführt. An ein normales Leben sei für den Kläger nicht zu denken gewesen. Dass er in Phasen im Anschluss an Inhaftierungen lediglich einfachere handwerkliche Hilfstätigkeiten ausgeübt habe, sei nicht nur auf die erschwerten politischen Bedingungen, sondern auch auf seine schädigungsbedingt verminderte psychische Belastbarkeit zurückzuführen. Auch Prof. Dr. F. habe in seinem Gutachten von einer leichten geistigen Entwicklungsverzögerung berichtet. Durch die haftbedingten Folgen sei es ihm nicht möglich gewesen, die Lehre als Maurer wieder aufzunehmen bzw. abzuschließen. Der Kläger sei auch außerhalb der Haft ständiger Überwachung und Kontrolle und dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, sich staatsfeindlich zu betätigen oder anderweitig strafbar gemacht zu haben Er habe sein Leben in keiner Weise planen können. Im Gegensatz zum Beruf des Hausmeisters müsse der Maurer wesentlich komplexere Aufgabenbereiche bewältigen. Beispielsweise sei das Einrichten und Absichern von Baustellen, die Herstellung von Bauwerken sowie das Einbauen von Isolier- und Dämmstoffen vorzunehmen, was neben handwerklichem Geschick ein hohes Maß an Konzentrationsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit erfordere. Auch müssten zur Durchführung der Tätigkeiten Absprachen mit anderen vorgenommen werden, was wiederum eine Teamfähigkeit und besondere Zuverlässigkeit voraussetze. Der Verantwortungsbereich und das persönliche Anforderungsprofil eines Hausmeisters seien daher weitaus geringer als bei einem Maurer. Die Hausmeistertätigkeit habe der Kläger erst im Jahr 1990 aufgenommen, als sich die psychischen Beschwerden bereits erheblich verschlechtert hatten. Die Annahme der Gutachterin, es hätten keine Leistungseinschränkungen bestanden, die ihn am Erlernen bzw. Ausüben des Maurerberufs gehindert hätten, sei vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Die Aussage der Gutachterin zur Gruppenarbeit sei nicht nachvollziehbar. So benötige der Beruf des Maurers eine weitaus stärker ausgeprägte Teamfähigkeit als dies beim Hausmeister der Fall sei. Nach dem medizinischen Gutachten von Dr. E. vom 28. April 2003 habe sich der Kläger autoaggressiv und fremdaggressiv verhalten, wobei es regelmäßig zu Konflikten im sozialen Umfeld gekommen sei. Dies führe nach Dr. E. dazu, dass er nicht in der Lage sei, einem Beruf auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Gerade die Fortsetzung und Beendigung der Maurerlehre habe jedoch die Fähigkeit vorausgesetzt, kontinuierlich berufliche Leistungen zu erbringen. Die beim Kläger vorhandene Entwicklungsverzögerung könne als prämorbide Krankheitsdisposition gesehen werden, die als wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt zu bewerten sei. Wegen des großen Nachholbedarfs an Bauleistungen hätte der Kläger durchaus eine realistische Chance gehabt, nach 1990 den Beruf des Maurers zu ergreifen, wenn er nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 28. Oktober 2004 Berufsschadensausgleich ab 1. April 1997 nach dem Vergleichseinkommen eines Mauers zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung sowie das angegriffene Urteil für rechtmäßig. In erster Linie hätten den Kläger die Maßnahmen der politischen Verfolgung daran gehindert, den Berufsabschluss als Maurer und eine darauf gerichtete Berufstätigkeit auszuüben. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung sei er bereits 43 Jahre alt gewesen und habe sich den Verhältnissen des Arbeitsmarktes anpassen müssen. Im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit habe sich seine eingeschränkte Konfliktfähigkeit nie bei der Berufsausübung bemerkbar gemacht. Den Kläger treffe im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die objektive Beweislast.
Die Sachverständige Dr. H. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 8. März 2013 ausgeführt: Die vom Kläger aufgeführten Sachverhalte sowie zeitlichen Zusammenhänge habe sie bereits berücksichtigt. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe nicht automatisch zu einer Leistungsunfähigkeit. Es gebe keine spezifischen Berufe, welche aufgrund einer Persönlichkeitsstörung mit einer Berufsunfähigkeit verbunden wären. Unter Beachtung der individuellen Symptomatik und Leidensgeschichte sei es möglich, bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen eine Leistungsunfähigkeit abzuleiten. Dies setzte jedoch eine akute Symptomatik voraus. Retrospektive Bewertungen, wie sie im vorliegenden Fall vorzunehmen wären, seien dagegen nicht möglich. Vielmehr könne die Gutachterin nur die vorliegenden Unterlagen sichten und prüfen, ob zum damaligen Zeitpunkt eine Leistungsunfähigkeit bestanden habe. Der Hinweis auf die Suizidalität und das daraus abgeleitete Unvermögen des Klägers, die Ausbildung zum Maurer abzuschließen und auszuüben, sei nicht tragfähig. Akute Suizidalität hätte beim Kläger jede berufliche Tätigkeit ausgeschlossen. Es ergebe sich aus den Unterlagen, dass nach Abklingen der Symptomatik eine kontinuierliche Berufstätigkeit stabilisierend gewirkt habe. Gleiches gelte für die Team- und Konfliktfähigkeit. Es fänden sich keine Hinweise, dass der Kläger nach einer Haftentlassung oder später unfähig gewesen sei, sich in ein Team zu integrieren. Seine Behauptung, er sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, die Lehre des Maurers zu beenden, bleibe ein bloßer Gedanke. Einen konkreten Arbeitsversuch als Maurer habe es nie gegeben. Die vom Kläger geltend gemachten Entwicklungsverzögerungen bezögen sich auf den Zeitpunkt vor seiner ersten längeren Inhaftierung. Trotz dieser Verzögerungen habe der Kläger die Maurerausbildung zunächst termingerecht absolviert. Eine Debilität bestehe dagegen nicht. Vielmehr sei sein intellektuelles Leistungsvermögen durchschnittlich. Auch sei mitgeteilt worden, die "spielerische Veranlagung" des Klägers habe sich im zweiten und dritten Lehrjahr gebessert. An der bisherigen Einschätzung sei daher festzuhalten.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 hat der Kläger erklärt, er sei mit der Beiziehung seiner Stasi-Akten einverstanden. Weitere Unterlagen über seine Schul- und Lehrjahre habe er nicht. Nach Vertagung des Rechtsstreits hat der Senat die Stasi-Akte des Klägers beigezogen und das umfassende Aktenkonvolut von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – Außenstelle H. – zur Gerichtsakte genommen.
Hierin finden sich auszugsweise folgende Unterlagen:
In einer vom Kläger unterschriebenen Beschuldigtenvernehmung vom 1. Juni 1965 hat er auf Seite 5 ausgeführt:
"1954 kam ich in die Grundschule in T. und wurde 1961 aus der Grundschule mit Abschluss der 6. Klasse entlassen. In den Fächern Deutsch und Russisch hatte ich schlechte Zensuren. Nach meiner Schulentlassung erlernte ich den Beruf eines Maurer in dem VEB E. T. Ich lernte dort 2 Jahre und brach dann die Lehre ab. Ich hatte keine Lust mehr zu diesem Beruf und wollte in die Landwirtschaft. Ich arbeitete dort ca. 4 Monate in der Papierfabrik W." ( )
"In meiner Freizeit beschäftige ich mit meinem Hund oder arbeite in dem Garten. Meine Mutter ist seit längerer Zeit wieder verheiratet. Ich verstehe mich mit dem jetzigen Mann meiner Mutter nicht. Dieser Mann schlug schon meinen Großvater. Mit meinen Großeltern verstehe ich mich."
In einer weiteren Beschuldigtenvernehmung vom 29. Juli 1965 hat der Kläger angegeben:
"Im September 1961 nahm ich im VEB E. T. die Lehre auf, um den Beruf des Maurers zu erlernen. Ich wurde aber den gestellten Anforderungen nicht gerecht und unterbrach die Lehre im Februar 1964, indem ich kündigte und diesen Betrieb verließ."
In einem Entwicklungsbericht über den Kläger vom 12. August 1965 führte die Jugendfürsorgerin aus:
"F. besuchte in T. die G.-S.-Oberschule bis zur 6. Klasse. Er wurde 1961 dort entlassen, nachdem er insgesamt 5 Mal sitzengeblieben war. Seine schulischen Leistungen waren kaum genügend. Gesamtverhalten und Betragen, Fleiß und Mitarbeiten zeigten die Note "4" auf. Während der Schulzeit erhielt F. fast ausschließlich negative Eintragungen." ( )
"Am 1. 9.1961 nahm F. die Lehre im Eisenhüttenwerk T. als Maurer auf. Auch hier trat F. nur negativ in Erscheinung. Er hatte im Lernkollektiv keine Freunde, blieb wiederum der Einzelgänger" ( )
"F. war faul, er bummelte den Unterricht in der Berufsschule, seine Leistungen lagen im Durchschnitt bei "5". F. bestand die Zwischenprüfung nicht. Obwohl ihm das Angebot gemacht wurde, diese – trotz Unzulässigkeit – zu wiederholen, wurde dies von ihm abgelehnt. Das Lehrverhältnis wurde im 3. Lehrjahr gelöst. Im Jahr 1962 unternahm F. mit anderen Jugendlichen den Versuch, die DDR illegal zu verlassen. Dieses Vorkommnis wurde in der Konfliktkommission der BBS des EHW T. ausgewertet. Von der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht wurde abgesehen. Als sich F. vor diesem größeren Kreis zu verantworten hatte, brachte er zum Ausdruck, dass er ungern den Beruf des Maurers ergriffen hätte. Ihm wäre mehr gelegen an einem Beruf an der frischen Luft, wie etwa Viehzüchter oder Schäfer."
In einer Beurteilung vom 11. August 1965 hat der Bauleiter B. angegeben:
"Der Jugendfreund K. zeigte mit Beginn seiner Lehrzeit schon wenig Interesse."
( )
"F. K. hat vom 1.9.1962 bis 20.2.1964 51 Fehltage im theoretischen Unterricht und 42 Fehltage im praktischen Unterricht aufzuweisen." ( )
"Während seiner Anwesenheit, besonders im theoretischen Unterricht hat F. dann noch den Unterricht wiederholt gestört, in dem er z.B. die für den Unterricht ausgegebene Literatur (Verfassung) beschmutzte und mit unsachlichen Bemerkungen versah. Daraufhin wurde die Lösung des Lehrverhältnisses zum Ende des Monats Februar 64 beantragt und vom Rat des Kreises zugestimmt."
In einer Zeugenvernehmung vom 4. August 1965 hat die Mutter des Klägers G. L., geborene K., angegeben:
"Besondere Erziehungsschwierigkeiten mit meinem Sohn habe ich seit Beginn seiner Lehre 1961, weil er seit dieser Zeit desöfteren seine Arbeit bummelte. Er hatte schon zur Erlernung des Maurerhandwerks keine Lust und gab mir und meinem Ehemann Schuld, dass wir nicht entsprechend seinen Wünschen gehandelt hätten, damit er Tierpfleger werden könnte. Seine Vorstellung war immer, eine Tätigkeit zu verrichten, bei der er gute Verdienstmöglichkeiten hat, obwohl er seine Lehre nicht abschloss und beruflos ist." ( )
"Da er mit Unlust den Anforderungen eines Maurerlehrlings nachkam und er ständig bummelte, wurde seine Lehre nach drei Jahren unterbrochen, weil Bedenken bestanden, dass er die Lehre nicht besteht."
Auf einen gerichtlichen Hinweis über den Inhalt der Stasi-Akten hat der Kläger geltend gemacht: Diese Unterlagen dürften nur mit einem zeitkritischen Abstand gewürdigt werden. Es sei unzutreffend, dass die Eltern des Klägers ihn gegen seinen Willen in die Maurerlehre gedrängt hätten. Es habe zwar den Berufswunsch zum Tierpfleger gegeben. Hierbei müsse jedoch die beschränkte Berufswahlfreiheit in der DDR beachtet werden. Die aus den Unterlagen erkennbaren Bummelein, Fehlzeiten und Leistungsdefizite seien durch das Ausbildungsumfeld und das Arbeitsklima hervorgerufen worden. Es mag sein, dass es familiäre Konflikte gegeben habe, diese stünden jedoch mit der Beendigung der Maurerlehre in keinem Zusammenhang. In einer schriftlichen Erklärung von Frau G. L. vom 2. März 2014 hat diese angegeben: Eine Alternative zur Berufsausbildung zum Maurer habe es nicht gegeben. Von daher sei der Kläger auch nicht von seinen Eltern in diesen Beruf gedrängt worden. Nur der erhebliche politische Druck der Stadtsicherheitsorgane habe zur Aufhebung des Lehrvertrages geführt. Innerfamiliäre Konflikte habe es dagegen überhaupt nicht gegeben. Die am 28. Februar vorzeitig beendete Maurerlehre hätte regulär am 31. Juli 1964 ihren Abschluss bekommen. Es sei nicht einsichtig, weshalb der Kläger fünf Monate vor dem planmäßigen Ende diese Ausbildung aufgegeben haben solle.
Der Beklagte hat geltend gemacht: Das Ausbildungsverhältnis habe zum Zeitpunkt der ersten Inhaftierung im Juni 1965 bereits nicht mehr bestanden. Es könne daher nicht zu einem schädigungsbedingten Abbruch der Maurerlehre gekommen seien. Vielmehr seien es politische Gründe gewesen, die zur vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses geführt hätten.
Am 7. Februar 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Halle einen Antrag wegen überlanger Verfahrensdauer gestellt und behauptet, die lange Verfahrensdauer habe seine Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen und führe zu einem Entschädigungsanspruch.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die Gerichtsakte L 5 VU 8/01 sowie Auszüge der Rentenakte und die sog. Stasiakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007 rechtmäßig ist, insbesondere, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Bescheid vom 28. Oktober 2004, mit dem er beim Kläger als Vergleichsberuf den Hausmeister festgelegt hat, auf den Beruf des Maurers abzuändern und ein entsprechender BSA zu zahlen ist. Diesen Anspruch hat der Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemacht.
Die vom Kläger angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 30 Abs. 3, 4 Satz 1 und 5 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlass rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch wenn er unanfechtbar geworden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier nicht vor, denn dem Kläger steht kein BSA auf der Grundlage der Vergleichsgruppe des Maurers zu.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, BSA. Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung. Was unter Einkommensminderung bzw. Einkommensverlust zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in § 30 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 5 BVG. Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Das Vergleichseinkommen, das höher sein muss als das derzeitige Einkommen, ist nach § 30 Abs. 5 BVG zu errechnen, d.h. auf statistischer oder tariflicher Grundlage "aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder der Wirtschaftsgruppe, der der Beschäftigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte". Die Fassung des Gesetzes - "ohne die Schädigung" - zeigt, dass der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg von der Zeit an nachgezeichnet werden muss, zu der die Schädigung i.S. des § 1 Abs. 1 BVG stattgefunden hat. Grundsätzlich ist deshalb zur Ermittlung der maßgeblichen Berufsgruppe von dem Beruf auszugehen, aus dem der Beschädigte durch die Schädigung verdrängt worden ist. Dieser Beruf einschließlich der Entwicklung, die ein Nichtbeschädigter in diesem Beruf genommen hätte, ist Vergleichsgrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1998, B 9 V 10/97 R, juris). Maßgeblich ist daher, ob der Kläger unter Berücksichtigung seiner weiteren beruflichen Entwicklung ab Eintritt der Schädigungsfolgen Maurer geworden wäre. Im Falle eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X ist davon auszugehen, dass eine antragsgemäße Einstufung erfolgen kann, wenn ein entsprechender hypothetischer Berufsverlauf entgegen einer früheren bestandskräftigen Ablehnung doch wahrscheinlich ist. Er braucht nicht gewiss zu sein (vgl. BSG a.a.O.). Insoweit gilt für die hypothetische Bestimmung eines Berufswegs nichts anderes als in Erstantragsfällen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG wo es heißt: "wahrscheinlich". Für die Aufhebung eines eine Leistung ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X müssen nur die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein, die hier lediglich Wahrscheinlichkeit voraussetzen (vgl. BSG a.a.O.). Wahrscheinlichkeit ist auch im Sinne des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann. Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die dieser Beurteilung zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen vielmehr erwiesen sein. Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer, d.h. gedachter, Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert. Dafür muss er ab dem Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden, wofür insbesondere die berufliche Entwicklung, die der Betreffende genommen hätte, d.h. welchen Beruf er heute hätte, zu berücksichtigen ist (vgl. BSG a.a.O.).
Bei der Prognose, wie sich die berufliche Entwicklung des Klägers ohne die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen weiter entwickelt hätte, hält es der Senat unter Würdigung der Gesamtumstände für unwahrscheinlich, dass er ohne die haftbedingten Schädigungsfolgen den Beruf des Maurers erlernt und den Ausbildungsberuf des Facharbeiters abgeschlossen hätte.
Zunächst ist es nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. H. eher unwahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Folgen der haftbedingten gesundheitlichen Schädigung dem Kläger die Fortsetzung und den Abschluss der Ausbildung zum Maurer verwehrt haben. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der haftbedingten Gesundheitsschädigung und der Nichtaufnahme der Maurerlehre samt Abschluss ist nicht wahrscheinlich zu machen. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon auszugehen wäre, dass er aus rein politischen Gründen aus der Lehre herausgedrängt worden sei, befand er sich zum Zeitpunkt der ersten schädigungsrelevanten Inhaftierung im Jahr 1965 schon nicht mehr in diesem Lehrverhältnis. Maßgeblich ist daher nur die Frage, ob die seit 1965 aufgetretenen haftbedingten Gesundheitsschäden ihn an der Aufnahme und dem Abschluss der Maurerlehre gehindert haben. Hierbei steht außer Frage, wie die Sachverständige Dr. H. ausgeführt hat, dass der Kläger in psychiatrischen Akutphasen z.B. nach Suizidversuchen zeitweise generell unfähig war, jeder beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dies gilt jedoch nicht nur für eine Tätigkeit als Maurer bzw. für eine Ausbildung zum Maurer, sondern praktisch für jede berufliche Tätigkeit. Die Sachverständige Dr. H. vermochte in ihrem Gutachten beim Kläger schädigungsbedingt weder eine völlige Teamunfähigkeit noch ein unterdurchschnittliches intellektuelles Leistungsvermögen feststellen oder zumindest wahrscheinlich machen. Vielmehr hielt sie den Kläger in Auswertung der medizinischen Befunde für grundsätzlich befähigt, den Beruf des Maurers trotz der schädigungsbedingten Folgen auszuüben. Die Annahme des Klägers, er sei durch die haftbedingten Schädigungen daran gehindert gewesen, den Maurerberuf zu erlernen, bleibt daher lediglich eine auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung abzielende Behauptung, die trotz umfassender Ermittlungen des Senats nicht wahrscheinlich zu machen ist. Überzeugend führte die Sachverständige Dr. H. aus, dass eine Persönlichkeitsstörung regelmäßig nicht dazu führen kann, dass ein Betroffener zwar Hilfstätigkeiten, jedoch keine Arbeiten eines Facharbeiters mehr ausführen könnte. Das Erkrankungsbild einer Persönlichkeitsstörung lässt eine derartige differenzierte Leistungsfähigkeit, z.B. zwischen einem Hausmeister und einem Maurer, nicht zu. Aus den von der Sachverständigen ausgewerteten Unterlagen spricht zudem einiges dafür, dass die beruflichen Tätigkeiten beim Kläger sogar zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes geführt haben. So hat es beim Kläger im beruflichen und privaten Bereich immer wieder weitgehend gesundheitlich unbeeinträchtigte Phasen gegeben. Die Sachverständige geht beim Kläger von einer Leistungsfähigkeit für mittelschwere geistige Tätigkeiten aus, die zur Erlangung des Maurerabschlusses notwendig gewesen wäre. Auch die persönlichen Schreiben des Klägers stützen diese Leistungsbewertung der Sachverständigen. So konnte er sein Anliegen jeweils zielorientiert und ohne signifikante Auffälligkeiten vertreten und sogar auf aktuelle Gesetzesänderungen (vgl. seine Verzögerungsrüge wegen überlanger Verfahrensdauer) durch zielgerichtete und anspruchsorientierte Anträge reagieren. Psychische Belastungssituationen, die allein im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit beim Kläger aufgetreten sind, sind nach Aktenlage und Auswertung durch die Sachverständige nicht dokumentiert. Der Kläger war trotz seiner Erkrankungen fähig, seine Lebenssituationen zu verändern und selbst schwierige Lebenssituationen auszuhalten.
Zudem spricht nach Würdigung der gesamten Aktenlage mehr dafür, dass die Nichtwiederaufnahme der Maurerlehre nach den anerkannten Verfolgungszeiten bis zum Jahr 1990 weniger gesundheitliche, sondern vielmehr andere Gründe gehabt haben dürfte. Der Kläger hat in seiner langen beruflichen Entwicklung und zahlreichen Berufswechseln keinen einzigen Versuch unternommen, in den fast abgeschlossenen Maurerberuf zurückzukehren. Hätte ein solcher Arbeitsversuch stattgefunden, wäre es weit eher möglich gewesen, ggf. eine schädigungsbedingte Einschränkung zur Maurerausbildung nachzuweisen. Hierzu ist es jedoch nie gekommen. Mag dies für die Zeit in der DDR noch wegen der Besonderheiten in der Berufswahl für politisch auffällige Personen - wie ihn - nachvollziehbar sein, kann dies für seine Zeit in der BRD (insbesondere in den Jahren 1977 bis 1981) so nicht gelten. Auch nach Beendigung der Verfolgungszeiten im Jahr 1990 hat es von ihm keine nachgewiesenen Versuche gegeben, eine weiterführende Ausbildung zu absolvieren. Diese Zurückhaltung, sich nochmals einer intensiven theoretischen Wissensverarbeitung zu stellen, erscheint vor dem schulischen Werdegang des Klägers auch nachvollziehbar. So hat er vor der Sachverständigen Dr. H. selbst angeben, dass ihm bereits in der Schule, d.h. zeitlich weit vor den ersten politischen Verfolgungsmaßnahmen der Sicherheitsorgane der DDR, das Lernen schwer gefallen sei und ihm sogar ein vorzeitiger Schulabgang empfohlen worden sei. Sein offenbar wenig ausgeprägtes theoretisches Interesse wird auch nach Auswertung der geprüften Stasi-Unterlagen deutlich. Nach dem Entwicklungsbericht von August 1965 ist er insgesamt fünf Mal sitzengeblieben und wurde in seinen schulischen Leistungen als kaum genügend bewertet. Diese durchweg schwache schulische Einschätzung des Klägers setzte sich bei Beginn der Lehre ab dem 1. September 1961 weiter fort. Auch während der Lehre wurden seine Leistungen als eher mangelhaft bezeichnet. Unabhängig von den genauen Umständen, die zur Auflösung des Lehrvertrages zum Maurer geführt haben, bestehen daher berechtigte Zweifel, ob der Kläger mit diesem wenig ausgeprägten theoretischen Interesse und der offenkundig geringen Motivation zu diesem Lehrabschluss, eine Maurerlehre überhaupt hätte erfolgreich abschließen wollen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund eines von ihm immer wieder geäußerten Berufswunsches zum Tierpfleger, der wegen der besonderen Umstände zu DDR-Zeiten nie erfüllt werden konnte. Die Maurerlehre war daher nach Aktenlage für den Kläger kein Wunschberuf. Es verwundert daher nicht, wenn er diesen "ungeliebten" Beruf nie wieder angestrebt und einen entsprechenden Abschluss zumindest versucht hat. Nach Ende der politischen Verfolgung im Jahr 1990 lag die angefangene Maurerlehre zudem bereits 26 Jahre zurück. Angesichts dieses zeitlich ganz erheblichen Abstands, dem bereits eingetretenen Verlust jeglicher Bindung zu dem ursprünglichen Berufsbild und dem deutlich vorgerückten Alter des Klägers von über 40 Jahren sowie der Umstände, die generell auf seine geringe Motivation zum Lernen hingedeutet haben, ist es nicht wahrscheinlich zu machen, dass die schädigungsbedingten Gesundheitsfolgen durch die erlittenen Haftzeit die wesentliche Ursache dafür waren, die Maurerausbildung nach dem Jahr 1990 nicht fortzusetzen. Diese Annahme kann sich allenfalls auf die anspruchsorientierte Behauptung des Klägers stützen. Objektivierbare Gesichtspunkte lassen sich hierfür nicht finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe (§§ 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG) nicht vorliegen.
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