S 10 R 282/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 282/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 verurteilt, der Klägerin unter Zugrundelegung einer am 17.03.2014 eingetretenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 24.05.1964 geborene Klägerin lebt seit 1973 in der Bundesrepublik Deutschland und war zuletzt von 1985 bis 1989 als Hauswirtschaftshelferin in der Wäscherei eines Altenheimes versicherungspflichtig tätig. Sie bezieht seit dem 01.08.2007 Arbeitslosengeld (Alg) II.

Die Klägerin stellte am 23.05.2012 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine psychiatrische Begutachtung durch Dr. D., der aufgrund einer am 19.07.2012 durchgeführten Untersuchung feststellte, bei der Klägerin bestehe eine derzeitig mittelgradig ausgeprägte rezidivierende Depression und anamnestisch eine posttraumatische Belastungsstörung. Dr. D. kam zu dem Ergebnis, es liege aufgrund dieser Gesundheitsstörungen eine reduzierte psychische Belastbarkeit vor, wobei die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung leichte geistige und körperliche Tätigkeiten ohne wesentlichen Zeitdruck und ohne wesentlichen Publikumsverkehr in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich und mehr ausüben könne. Auf der Grundlage dieser sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Die Klägerin erhob am 23.08.2012 Widerspruch gegen diesen Bescheid und bezog sich zur Begründung auf eine ärztliche Bescheinigung der behandelnden Dipl.-Psych. S. D. vom 04.09.2012, in der ausgeführt wurde, die Klägerin leide an einer gegenwärtig mittelgradigen Episode einer rezidivierenden depressiven Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung und sei aufgrund dieser Erkrankungen nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. E. ein, der aufgrund einer Untersuchung vom 13.12.2012 eine ängstlich, selbstunsicher und vermeidend geprägte Störung der Persönlichkeitsentwicklung lebensbegleitend und eine Migräne diagnostizierte und feststellte, die Klägerin könne noch Tätigkeiten ohne Nachtschichtbedingungen, ohne großen Zeitdruck, ohne intensiven Kundenkontakt mit einfachen intellektuellen Anforderungen regelmäßig und vollschichtig ausüben, wobei es sich am Besten um Arbeiten mit einem hohen Routineanteil handeln sollte. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 07.03.2013 mit der Begründung zurück, die Klägerin könne noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten leidensangepasster Art regelmäßig und in einem zeitlichen Umfang von täglich 6 Stunden und geringfügig mehr ausüben. Mit diesem Restleistungsvermögen könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 18.03.2013 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit lägen vor, weil sie z. Z. gesundheitlich nicht in der Lage sei, einer körperlich leichten und geistig einfachen Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von 3 Stunden täglich nachzugehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 zu verurteilen, ihr unter Zugrundelegung einer am 17.03.2014 eingetretenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht voll erwerbsgemindert, da sie körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich und mehr ausüben könne. Soweit das Gericht ein psychiatrisches Gutachten der Sachverständigen B. Vortkamp eingeholt habe, sei dieses nicht verwertbar, da es unter Beteiligung einer weiteren Ärztin erstellt worden sei und aus dem Gutachten nicht hervorgehe, welche Daten jeweils von der Sachverständigen und von der Hilfsperson erhoben und ausgewertet worden seien.

Das Gericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Psychiaterin Dr. K., des Allgemeinmediziners Dr. G., der Dipl.-Psych. S. D., des Augenarztes Dr. Seipolt sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. Henke eingeholt. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben ist darüber hinaus Beweis erhoben worden durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens der B. V. aufgrund Untersuchungen vom 17.03. und 24.03.2014 und einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Frau V. vom 12.06.2014 zu der Frage, in welcher Art und Weise Frau Dr. H. an der Erstellung des Gutachtens mitgewirkt hat. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Begutachtung wird auf Blatt 44 bis 87 und 91 bis 93 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), als die Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit hat.

Nach § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs 1 S 2 SGB VI). Volle Erwerbsminderung liegt nach § 43 Abs 2 S 2 SGB VI vor, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein; dagegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert, da sie aufgrund ihrer Gesundheitsstörungen seit März 2014 gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme fest.

Danach leidet die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich als verzögerte Reaktion auf während der Kindheit und der Jugend regelmäßig erlebte massive Misshandlungen und sexuelle Übergriffe durch den Vater entwickelt hat. Auf dem Boden der posttraumatischen Belastungsreaktion hat sich bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung entwickelt, wobei zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch die Sachverständige B. V. eine mittelgradige depressive Episode vorlag. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin eine ängstliche Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Anspannung, Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet ist.

Aufgrund dieser Erkrankungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht maßgeblich eingeschränkt. Die Klägerin kann aufgrund der verminderten Belastbarkeit nur noch geistig einfache Arbeiten mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbe- wusstsein und Zuverlässigkeit verrichten. Im Hinblick auf die erhöhte psychovegetative Labilität und die verminderte Stresstoleranz sind ihr Arbeiten unter Wechselschicht- und Nachtschichtbedingungen, unter besonderem Zeitdruck und mit häufigem Publikumsverkehr nicht möglich. Die Belastbarkeit der Klägerin ist z. Z. so erheblich eingeschränkt, dass auch unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich besteht. Dies ergibt sich daraus, dass die Stresstoleranz der Klägerin als sehr gering zu beurteilen ist und ihre Fähigkeit, alltägliche Konflikte auszuhalten und adäquat zu bewältigen, erheblich reduziert ist. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin eine erhöhte affektive Irritierbarkeit, eine erhebliche psychovegetative Labilität und eine verminderte Belastbarkeit für Konzentrationsaufgaben. Die Fähigkeit, sich im Rahmen einer Erwerbstätigkeit flexibel auf ungewohnte Situationen oder neue Aufgaben einzustellen, ist eingeschränkt. Aufgrund ihrer eingeschränkten psychophysischen Belastbarkeit und ihrer störungsimmanent begrenzten Kompensationsmöglichkeit würde die Klägerin durch die Ausübung einer 3-stündigen oder länger dauernden Erwerbstätigkeit überfordert, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes führen würde.

Die Kammer folgt hinsichtlich dieser Feststellungen der Sachverständigen B. V ... Die von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen zu den Erkrankungen der Klägerin und die vor dem Hintergrund der Erkrankungen vorgenommene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung war für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Die Sachverständige hat sich detailliert mit den einzelnen Krankheitsbildern und den geltend gemachten Beschwerden der Klägerin auseinandergesetzt, Art und Schwere der daraus resultierenden Funktionsstörungen dargelegt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen in sozialmedizinischer Hinsicht nachvollziehbar beschrieben. Ihre sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird bestätigt durch die Psychiaterin Dr. K., bei der die Klägerin in der Zeit von November 2005 bis Januar 2012 langjährig in Behandlung war. Dr. Klocker führt in ihrem Befundbericht aus, dass die Klägerin an rezidivierenden depressiven Episoden und Anteilen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung leide und im Rahmen der langjährigen Behandlung lediglich eine Stabilisierung auf reduziertem Niveau mit fortbestehender Minderbelastbarkeit erreichbar gewesen sei. Dementsprechend sei die Klägerin auch bei der letzten Untersuchung vor ihrem Umzug im Januar 2012 krankheitsbedingt nicht ausreichend belastbar gewesen für eine vollschichtige Tätigkeit. Die die Klägerin anschließend seit Februar 2012 behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. H. führt in ihrem vom Gericht eingeholten Befundbericht ebenfalls aus, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, vollschichtig einer Tätigkeit nachzugehen. Sie könne allenfalls eine leichte Tätigkeit mit einer tatsächlichen Arbeitszeit unter 3 Stunden mit entsprechenden Pausen ohne Zeitdruck und ohne Publikumsverkehr ausüben. Schließlich bestätigt die langjährig behandelnde Psychotherapeutin S. D. in ihrem Befundbericht die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung und die Einschätzung der Sachverständigen B. V., dass die Klägerin nicht in der Lage ist, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Danach ist es im Rahmen der langjährigen psychotherapeutischen Behandlung nicht gelungen, eine ausreichende psychische und körperliche Belastbarkeit herzustellen. Da schon die normalen Alltagssituationen die Klägerin regelmäßig in psychophysische Überforderungssituationen bringen würden, wäre nach der Einschätzung der Psychotherapeutin D. bereits eine Teilzeittätigkeit eine so starke Überforderung für die Klägerin, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine psychische und/oder körperliche Dekompensation die Folge wäre.

Die von der Sachverständigen B. V. vorgenommene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird zur Überzeugung der Kammer durch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. D. und des Dr. E. nicht widerlegt. Zum Einen geht das Gericht von einem seit den gutachterlichen Untersuchungen durch Frau V. und Dr. H. vom 17.03.2014 bzw. 24.03.2014 nachgewiesenen unter 3-stündigem Leistungsvermögen aus, während die Untersuchungen bei Dr. D. und Dr. E. im Juli 2012 bzw. im Dezember
2012 stattfanden. Zum Anderen hält das Gericht die sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen sowohl des Dr. D. als auch des Dr. E. für nicht überzeugend, weil nicht alle psychiatrischen Erkrankungen der Klägerin berücksichtigt worden sind. Die posttraumatische Belastungsstörung wird bei Dr. D. lediglich als anamnestische Diagnose angegeben, während sie in dem Gutachten des Dr. E. keine Erwähnung und Berücksichtigung gefunden hat. Dagegen hat die Sachverständige B. V. überzeugend dargelegt, dass die typischen Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung wie das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flash-backs), in Träumen und Alpträumen, situative Ängste sowie eine erhöhte Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit bei der Klägerin vorliegen würden, so dass von einer unvollständig remittierten posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen sei. Zudem fehlt in dem Gutachten des Dr. E. darüber hinaus die Berücksichtigung der bei der Klägerin langjährig bestehenden rezidivierenden depressiven Störung, die in der Vergangenheit bereits zu mehreren mehrmonatigen stationären Behandlungen geführt hat und sowohl im Rahmen der Begutachtung durch Dr. D., als auch bei der gutachterlichen Untersuchung durch B. V. im Ausprägungsgrad einer mittelgradigen depressiven Episode diagnostiziert worden ist. Die Sachverständige B. V. hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die langjährige bestehende depressive Störung in der sozialmedizinischen Beurteilung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben könne, auch wenn zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. E. im Juli 2012 die depressive Symptomatik remittiert gewesen sei.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das psychiatrische Gutachten der B. V. in prozessualer Hinsicht in vollem Umfang verwertbar, obwohl die vom Gericht ernannte Sachverständige die Ärztin Dr. H.bei der Erstellung des Gutachtens hinzugezogen hat. § 407 a Abs 2 S 2 letzter Halbsatz ZPO, der nach § 118 Abs 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, erlaubt einem vom Gericht ernannten Sachverständigen, sich zur Erledigung des Gutachtenauftrages anderer Personen, dh auch anderer Ärzte zu bedienen. Erforderlich ist insoweit, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige die volle persönliche Verantwortung für das Gutachten übernimmt. Dies hat die Sachverständige B. V. uneingeschränkt getan, indem sie das Gutachten mit dem Zusatz "aufgrund eigener Exploration und Urteilsbildung" eigenhändig unterschrieben hat (vgl. Meyer-Keller Komm. zum SGG § 118 Rn 11g mwN). Zudem hat die Sachverständige B. V. entsprechend der Vorschrift des § 407 a Abs 2 S 2 ZPO den Umfang der Mitarbeit der Ärztin Dr. H. angegeben und diese namhaft gemacht, indem sie am Ende des Gutachtens ausgeführt hat, das Gutachten sei unter Mitarbeit der Ärztin Frau H. erstellt worden, die als ärztliche Hilfskraft bei der Anamneseerhebung, den Testauswertungen und den Befunddokumentationen hinzugezogen worden sei.

Schließlich hat die Sachverständige B. V. auch nicht die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten, was zur Folge hätte, dass das Gutachten nicht verwertet werden könnte. Nach der zu § 407 a Abs 2 ZPO ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, wird die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, dass der beauftragte Sachverständige seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert hat (vgl. BSG vom 05.05.2009, Az.: B 13 R 535/08 B mwN). Bei der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens ist es daher erforderlich, dass der Sachverständige eine persönliche Begegnung mit dem Probanden und ein explorierendes Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführt (BSG vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 36/12 B; BSG vom 05.05.2009, Az.: B 13 R 535/09 B).

Aus den Ausführungen der Sachverständigen B. V. in ihrer vom Gericht eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ergibt sich, dass sie die das Gutachten prägenden Zentralaufgaben selbst wahrgenommen und nicht auf die Mitarbeiterin Dr. H. delegiert hat. Danach fand im Rahmen des Untersuchungstermins vom 24.03.2014 eine längere persönliche Begegnung der Sachverständigen B. V. mit der Klägerin und ein ausführliches Explorationsgespräch statt. Die Sachverständige hat eine Befragung der Klägerin zum Beschwerdebild und zur Entwicklung der Beschwerden durchgeführt, eine biographische Anamnese unter konfliktdynamischen Aspekten erhoben und den psychopathologischen Befund unter Einbeziehung des klinischen Eindruckes, der Verhaltensbeobachtung und der beziehungsdiagnostischen Wahrnehmung erhoben. Zudem wurde die Interpretation der Testergebnisse und deren Bewertung im Gesamt-Kontext ausschließlich durch die Sachverständige B. Vortkamp vorgenommen. Somit hat die Sachverständige einen unverzichtbaren Kern von ihr selbst
zu erbringender Zentralaufgaben selbst wahrgenommen und nicht delegiert, so dass die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 407 a Abs 2 ZPO eingehalten wurden. Aufgrund der Angaben der Klägerin im Untersuchungstermin vom 21.08.2014, dass die Begutachtung durch Frau V. so abgelaufen sei, wie dies von Frau V. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme dargestellt worden sei, bestehen seitens des Gerichts keine Zweifel, dass die Angaben der Sachverständigen zutreffend sind und die von der Sachverständigen zu erbringenden Zentralaufgaben nicht auf die mitarbeitende Ärztin Dr. H. übertragen worden sind. Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, es müsse im Einzelnen nachvollziehbar sein, welche Daten von welcher der beteiligten Personen jeweils erhoben und ausgewertet worden seien, werden Anforderungen gestellt, die sich weder aus dem Gesetz herleiten lassen, noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 407 Abs 2 S 2 ZPO entsprechen. Aus dem Gutachten muss sich nicht ergeben, welche einzelnen anamnestischen Angaben, welche einzelnen Befunde und welche einzelnen Daten jeweils von der Sachverständigen bzw. von der hinzugezogenen ärztlichen Hilfskraft erhoben worden sind. Vielmehr ist nach § 407 a Abs 2 S 2 ZPO lediglich der Umfang der Tätigkeit der mitarbeitenden Person unter dem Gesichtspunkt anzugeben, ob eine persönliche Begegnung der Sachverständigen mit dem Probanden und ein explorierendes Gespräch stattgefunden hat, was als unverzichtbarer Bestandteil der Übernahme der vollen Verantwortung für das Gutachten anzusehen ist. Die Sachverständige B. V. hat nicht nur dargelegt, dass eine persönliche Begegnung in Gestalt eines ausführlichen Explorationsgespräches stattgefunden hat, sondern hat darüber hinaus substantiiert den Inhalt und den Umfang der von ihr durchgeführten Exploration dargelegt, so dass nachvollziehbar geworden ist, dass sie den unverzichtbaren Kern der von ihr selbst zu erbringenden zentralen Aufgaben selbst wahrgenommen und nicht delegiert hat. Damit hat die Sachverständige das Gutachten innerhalb der nach § 407 a Abs 2 S 2 ZPO gezogenen Grenzen erstellt, so dass das Gutachten uneingeschränkt verwertbar ist.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Nach § 102 Abs 2 S 1 SGB VI sind Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit zu leisten. Die in § 102 Abs 1 S 4 SGB VI geregelte Ausnahme, wonach Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, greift nicht ein. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Unwahrscheinlichkeit der Behebung einer Leistungsminderung im Sinne des § 102 Abs 1 S 4 SGB VI erst dann angenommen werden, wenn alle therapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft bzw. nicht erfolgversprechend sind. Die Sachverständige B. V. hat jedoch Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die noch nicht durchgeführt worden sind und langfristig zu einer Besserung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit der Klägerin führen können. Sie hat insbesondere die Durchführung einer psychotraumatologischen Behandlung in einem stationären oder teilstationären Setting in einer spezialisierten Einrichtung empfohlen. Der Umstand, dass die Erfolgsaussichten dieser Behandlungsmaßnahmen nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden können, führt nicht zur Annahme der Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungseinschränkung, da aufgrund des gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses Unsicherheiten der Prognose zu Lasten der Klägerin gehen (BSG vom 29.03.2006, Az.: B 13 RJ 31/05 R).

Der Beginn der Erwerbsminderungsrente ergibt sich aus § 101 Abs 1 SGB VI, wonach befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats geleistet werden. Aufgrund der seit dem 17.03.2014 nachgewiesenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.10.2014 zu leisten. Da die Sachverständige bei Inanspruchnahme einer psychotraumatologischen Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung und einer anschließenden intensivierten psychotherapeutischen ambulanten Behandlung von einem Behandlungserfolg bei der Klägerin erst nach Ablauf von zwei Jahren ausgeht, war die Rente bis zum 30.09.2016 zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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