Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 25/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 258/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Keine befreiende Wirkung bei Zahlung der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 S. 2 BKV an Treuhänderin duch Beklagte bei Nichtbeachtung der Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO.
2. Die Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 S. 2 BKV hat Arbeitsentgeltcharakter. Es sind daher die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO auf sie im Fall der Insolvenz des Übergangsleistungsberechtigten anzuwenden und durch die Beklagte - den Unfallversicherungsträger- anzuwenden.
2. Die Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 S. 2 BKV hat Arbeitsentgeltcharakter. Es sind daher die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO auf sie im Fall der Insolvenz des Übergangsleistungsberechtigten anzuwenden und durch die Beklagte - den Unfallversicherungsträger- anzuwenden.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14. Oktober 2011 aufgehoben. Der Bescheid vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.01.2011 wird hinsichtlich der Bestimmung des Zahlungsempfängers aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.077,84 EUR nebst Zinsen hieraus zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte noch einen Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung in Höhe von 3.077,84 EUR hat, die die Beklagte ihm für die Zeit vom 07.05.2009 bis zum 06.05.2010 gemäß Bescheid vom 21.07.2010 zuerkannt, aber in voller Höhe an die Beigeladene ausgezahlt hat.
Der 1973 geborene Kläger war von Beruf Bäckermeister. Aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 (Rhinopathie) Anlage 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) musste der Kläger zum 06.05.2009 seinen Beruf als Bäcker endgültig aufgeben. Am 07.05.2009 begann er eine Umschulung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel, welche er am 8. Juli 2011 erfolgreich abschloss. Ab dem 07.05.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger monatliches Übergangsgeld in Höhe von zunächst 990,00 EUR, ab dem 01.05.2010 in Höhe von 1.014,00 EUR.
Der Kläger lebte in eheähnlicher Gemeinschaft und hatte ein im Jahr 2003 geborenes Kind, ein weiteres wurde im September 2010 geboren.
Der Kläger hatte im April 2005 beim Insolvenzgericht Insolvenz angemeldet und am 28.04.2005 beim Amtsgericht D – Insolvenzgericht – einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Gleichzeitig hatte er eine Erklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) abgegeben, womit er sich bereit erklärte, seine pfändbaren Forderungen aus laufenden Bezügen für den Zeitraum von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein persönliches Vermögen an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten. Gemäß Beschluss des Amtsgerichts D vom 18.07.2005 war ein Insolvenzverfahren über das Privatvermögen des Klägers eröffnet worden. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts D vom 20.06.2007 wurde im Schlusstermin festgestellt, dass der Kläger Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. seit dem 18.07.2005, die dann im Beschluss einzeln aufgezählten Obliegenheiten erfülle. Unter 2. wurde die Beigeladene als Treuhänderin bestellt. Auf die Treuhänderin gingen danach die pfändbaren Bezüge des Klägers nach Maßgabe der Abtretungserklärung vom 28.04.2005 über. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts D vom 02.10.2007 aufgehoben. Danach sei im Schlusstermin am 20.06.2007 Restschuldbefreiung angekündigt worden, der Ankündigungsbeschluss sei rechtskräftig. Die Wohlverhaltensphase gemäß § 287 Abs. 2 InsO habe mit der Eröffnung des Verfahrens am 18.07.2005 begonnen und betrage sechs Jahre.
Mit Schreiben vom 14.07.2010 fragte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen an, wie mit den für den Kläger bewilligten Übergangsleistungen in Höhe von 3.077,84 EUR verfahren werden sollte.
Die Beigeladene antwortete mit Schreiben vom 19.07.2010, dass es ihrer Ansicht nach der Billigkeit entspreche, die bestehende Einmalzahlung in Höhe von 3.077,84 EUR der Pfändung vollständig zu unterwerfen. Da es sich bei dem zugunsten des Klägers entstandenen Guthaben aus Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKV gemäß den Angaben der Beklagten um eine einmalige jährliche Leistung handle und nicht um wiederkehrende Leistungen, ergebe sich eine Pfändbarkeit des Betrags aus § 850i Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO), § 54 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I). Danach seien Ansprüche auf einmalige Geldleistungen pfändbar, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspreche. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ermöglichten insoweit eine Beurteilung, in welchem Maße er auf Sozialleistungen angewiesen sei. Der Kläger habe mit Schreiben vom 16. September 2009 mitgeteilt, dass er ab dem 16. Mai 2009 ein monatliches Übergangsgeld in Höhe von 990,00 EUR von der Beklagten erhalte. Die Beigeladene gehe daher davon aus, dass der Kläger für den Übergangszeitraum bereits laufende unpfändbare Geldleistungen erhalten habe, um die Folgen der Erwerbsminderung hinreichend zu kompensieren.
Mit Bescheid vom 21.07.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als laufende Leistung, die spätestens 5 Jahre nach dem Ausscheiden aus der gefährdenden Tätigkeit endet. Für den Zeitraum vom 07.05.2009 bis 06.05.2010 (erstes Laufjahr) wurde die Gesamtzahlung berechnet. Gleichzeitig wurde im Bescheid auf der zweiten Seite im vierten Absatz mitgeteilt, dass das bestehende Guthaben komplett einbehalten werde und an die Beigeladene zur Verteilung an die Gläubiger des Klägers ausgezahlt werde.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Februar 2011 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.
Nach Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 die Klage abgewiesen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV werde ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zu einer Höhe des Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gewährt. Der Betrag sei mit befreiender Wirkung an die Beigeladene gezahlt worden. Da es sich um eine einmalige Leistung, nicht um wiederkehrende zahlbare Einkünfte gehandelt habe, habe es sich nicht um Arbeitseinkommen gehandelt. Daher seien auch die Pfändungsfreigrenzen von § 850c ZPO hier nicht anwendbar.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 09.12.2011 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Zu Unrecht sei die Übergangsleistung durch die Beklagte an die Beigeladene ausgezahlt worden. Die Beklagte habe nicht mit befreiender Wirkung an die Beigeladene geleistet. Der Kläger habe weiterhin Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung für das Jahr 2009/2010 gegen die Beklagte, da es sich um eine arbeitsentgeltartige Leistung gehandelt habe, die nach § 850c ZPO zu behandeln sei und damit durch die Beklagte die Pfändungsfreigrenzen zu beachten seien.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2014 ist die vormalige Treuhänderin, Rechtsanwältin B , D , zum Verfahren beigeladen worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 08.11.2011 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 hinsichtlich der Bestimmung des Zahlungsempfängers aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.077,84 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen der ersten Instanz für zutreffend und vertritt die Auffassung, dass sie mit befreiender Wirkung gegenüber der Beigeladenen geleistet hat.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
Am 03.07.2014 hat ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses mit den Beteiligten stattgefunden.
Dem Senat lagen die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte der ersten Instanz vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sämtliche Beteiligte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden ist aufzuheben und der Klage stattzugeben. Der Bescheid vom 21.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung in Höhe von 3.077,84 EUR an sich. Die Beklagte hat diesen Betrag nicht mit befreiender Wirkung an die Beigeladene gezahlt.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die Bestimmung des Zahlungsempfängers und als allgemeine Leistungsklage auf Zahlung der Übergangsleistung anzusehen. Die Bestimmung des Zahlungsempfängers durch Bescheid ist schon aus formellen Gründen aufzuheben. Eine Ermächtigung zur Entscheidung durch Bescheid gibt es nicht. Die Erklärung ist vielmehr als zivilrechtliche Drittschuldnererklärung gegenüber dem Gläubiger zu sehen.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Übergangsleistungen ist § 3 Abs. 2 BKV. Danach haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird 1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder 2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
Vorliegend hat die Beklagte als Übergangsleistung die zweite Alternative, d.h. die wiederkehrenden, Leistungen gewählt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BKV). Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Bescheid vom 21.07.2010, in welchem die Beklagte ausführt: "Bei der Ermessensentscheidung über die Art (Einmalzahlung oder laufende Zahlung), Dauer (Höchstdauer 5 Jahre) und Höhe (Höchstbetrag = Vollrente = 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes für Arbeitnehmer oder der Versicherungssumme für Unternehmer) der Übergangsleistung haben wir uns von folgenden Überlegungen leiten lassen: Eine einmalige Übergangsleistung kommt insbesondere bei einem Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben in Betracht. Da Sie zukünftig wieder im Erwerbsleben tätig sein wollen, gewähren wir Ihnen vom 07.05.2009, dem Tag nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit, eine laufende Zahlung als Übergangsleistung, die spätestens fünf Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit endet." Dass die Beklagte von einer laufenden Zahlung ausging, ergibt sich auch aus der von ihr vorgenommenen Berechnung der Übergangsleistung nach § 3 BKV, die in der Anlage zum Bescheid mit übersandt wurde. Hierin hat die Beklagte die Summe des fiktiven Einkommens des Klägers der Summe des realen Einkommens jeweils für das Jahr zwischen dem 07.05.2009 und dem 06.05.2010 gegenübergestellt und dann die Übergangsleistung für das 1. Jahr errechnet. Diese Berechnungsweise entspricht nicht der 1. Alternative des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV, so dass auch hieran erkennbar wird, dass die Beklagte die 2. Alternative des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV wählen wollte. Auch nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKVO um eine monatlich wiederkehrende Zahlung (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2011, B 2 U 12/10 R, Rdnr. 29) im Unterschied zum Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld (1. Alt.).
Die im Bescheid gleichzeitig verfügte Einbehaltung des bestehenden Guthabens in Höhe von 3.077,84 EUR und Auszahlung an die Beigeladene ist rechtswidrig. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Übergangsleistung einzubehalten und an die Beigeladene auszuzahlen, da sie aufgrund des Arbeitsentgeltcharakters der Übergangsleistung die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO hätte beachten müssen. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO sind die Vorschriften der §§ 850, 850c, e, f Abs. 1, g bis i ZPO im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar. Aus Sicht des Senats ist entscheidendes Kriterium der hier gewählten Übergangsleistung ihr Entgeltersatzcharakter. Sie ist demnach wie Arbeitseinkommen zu behandeln, so dass § 850c ZPO Anwendung findet und nicht § 850i ZPO (vgl. BSG, Urteil v. 18.02.2010 – B 14 AS 76/08R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 27, sowie BSG, Urteil v. 18.09.2012 - B 2 U 15/11 R- RdNr. 22 ). Im Urteil vom 18.09.2012 – Az.: B 2 U 15/11 R, Rdnr. 22 – hat das BSG ausgeführt, dass die Übergangsleistung keine Leistung mit Schadensersatzfunktion ist (mit Verweis auf BSG, Urteil vom 22.03.2011 – B 2 U 12/10 R – BSGE 108, 28 RdNr. 23 ff.). Vielmehr verfolge die Leistung eine präventive Zielrichtung, nämlich das Vermeiden von Gesundheitsschäden. Daneben folge aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Leistung auch Entgeltersatzfunktion habe (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 76/08 R). Der Arbeitsentgeltcharakter der Übergangsleistung ergibt sich zum einen daraus, dass die Übergangsleistung ja als monatliche Leistung zusätzlich zum Übergangsgeld gezahlt werden kann. Dabei fällt das Übergangsgeld jedoch deutlich niedriger aus als das bis dahin bezogene Arbeitsentgelt. Um den Betroffenen zu motivieren, dauerhaft eine neue Erwerbsquelle zu finden, soll neben dem Übergangsgeld durch die monatliche Übergangsleistung die Lebenssituation des Betroffenen so verbessert werden, dass er annähernd wie mit seinem bisherigen Einkommen gestellt wird. Der Arbeitsentgeltcharakter ergibt sich für den Senat auch daraus, dass § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV auf der anderen Seite die einmalige Zahlung vorsieht, die beispielsweise bei einem Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben gewährt werden kann. Diese Leistung hat dann keinen Arbeitsentgeltcharakter im Sinne einer monatlichen Zahlung, auch wenn sie ihren Ursprung und ihre Höhe im Arbeitsverhältnis findet. Auf sie ist dann § 850c ZPO nicht anwendbar. Aus Sicht des Senats ist aufgrund des Entgeltersatzcharakters der hier gewährten Übergangsleistung auf diese § 850c ZPO und nicht 850i ZPO anzuwenden.
Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagte aufgrund von Verwaltungspraktikabilitätserwägungen den monatlichen Zahlbetrag grundsätzlich erst nach Ablauf des Übergangsleistungsjahres errechnet (Gegenüberstellung des realen Einkommens und des fiktiven Einkommens), und dann in einem einmaligen Betrag an die Berechtigten auszahlt. Denn sofern eine Nachzahlung in einem Betrag erfolgt, wird daraus nicht automatisch eine einmalige Geldleistung i.S.v. § 850i ZPO, sondern es bleibt auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV eine laufende Leistung, die lediglich in einem Betrag zur Auszahlung ansteht (vgl. LG Bielefeld, Beschluss vom 21.10.2004 – Az.: 23 T 705/04, Rdnr. 7).
Gemäß § 850c Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Satz 2 ZPO in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung ist Arbeitseinkommen stets unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als 930 EUR monatlich beträgt (Grundfreibetrag) und 350 EUR für eine weitere Person, der der Kläger Unterhalt schuldet. Die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO liegt danach für den Kläger im streitigen Zeitraum im Jahr 2009/2010 bei 1.280 EUR monatlich (Summe des Grundfreibetrags in Höhe von 930 EUR und des Freibetrages für eine Person für sein im Jahr 2003 geborenes Kind in Höhe von 350 EUR). Bezieht man die Übergangsleistung, die sich monatlich aus den 3.077,84 EUR errechnet, mit ein, das sind 256,49 EUR, und addiert diese zu den 990,00 EUR, die der Kläger als Übergangsgeld erhalten hat, hinzu, so ergibt sich ein Betrag von 1.246,49 EUR. Mithin bleibt dieser Betrag unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Das Kindergeld, welches für das Kind des Klägers gezahlt wurde, gilt als Einkommen des Kindes und wird nicht zum Einkommen des Klägers hinzugerechnet. Danach ist der gesamte Betrag im streitigen Zeitraum unterhalb der Pfändungsfreigrenze des § 850c geblieben.
Auf den weiteren Vortrag des Klägers kommt es nicht an. Anzumerken ist hierzu nur: Entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers verbleibt es während der Wohlverhaltensphase dabei, dass grundsätzlich gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO die pfändbaren Forderungen auf die Treuhänderin, hier die Beigeladene, übergehen. Nachdem vorliegend die Restschuldbefreiung noch nicht erteilt war, und der Kläger sich noch in der Sechsjahresfrist seit der Erklärung, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einem vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtrete, hatte grundsätzlich die Beigeladene Anspruch auf die pfändbaren Forderungen des Klägers. Sofern die Beklagte daher geprüft hat, inwiefern der Anspruch auf Übergangsleistung an die Beigeladene zu zahlen ist, hat sie dies zu Recht getan, allerdings hätte im Ergebnis der Betrag nicht an die Beigeladene überwiesen werden dürfen, sondern hätte dem Kläger ausgezahlt werden müssen.
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte die 3.077,84 EUR nicht mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kläger an die Beigeladene ausgezahlt. Daher sind die Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 auf S. 2 zur Auszahlung an die Beigeladene aufzuheben und der Kläger hat noch Anspruch auf Auszahlung des Übergangsgeldes aus dem Bescheid vom 21.07.2010 für 2009/2010 an sich. Seine Berufung hat mithin Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da es zur Frage, ob die Übergangsleistung bezüglich der Anwendung der Pfändungsfreigrenzen wie Arbeitsentgelt zu behandeln ist und damit unter § 850c ZPO fallend zu bewerten ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Schmidt Korneli Dr. Scholz
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte noch einen Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung in Höhe von 3.077,84 EUR hat, die die Beklagte ihm für die Zeit vom 07.05.2009 bis zum 06.05.2010 gemäß Bescheid vom 21.07.2010 zuerkannt, aber in voller Höhe an die Beigeladene ausgezahlt hat.
Der 1973 geborene Kläger war von Beruf Bäckermeister. Aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 (Rhinopathie) Anlage 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) musste der Kläger zum 06.05.2009 seinen Beruf als Bäcker endgültig aufgeben. Am 07.05.2009 begann er eine Umschulung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel, welche er am 8. Juli 2011 erfolgreich abschloss. Ab dem 07.05.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger monatliches Übergangsgeld in Höhe von zunächst 990,00 EUR, ab dem 01.05.2010 in Höhe von 1.014,00 EUR.
Der Kläger lebte in eheähnlicher Gemeinschaft und hatte ein im Jahr 2003 geborenes Kind, ein weiteres wurde im September 2010 geboren.
Der Kläger hatte im April 2005 beim Insolvenzgericht Insolvenz angemeldet und am 28.04.2005 beim Amtsgericht D – Insolvenzgericht – einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Gleichzeitig hatte er eine Erklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) abgegeben, womit er sich bereit erklärte, seine pfändbaren Forderungen aus laufenden Bezügen für den Zeitraum von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein persönliches Vermögen an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten. Gemäß Beschluss des Amtsgerichts D vom 18.07.2005 war ein Insolvenzverfahren über das Privatvermögen des Klägers eröffnet worden. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts D vom 20.06.2007 wurde im Schlusstermin festgestellt, dass der Kläger Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. seit dem 18.07.2005, die dann im Beschluss einzeln aufgezählten Obliegenheiten erfülle. Unter 2. wurde die Beigeladene als Treuhänderin bestellt. Auf die Treuhänderin gingen danach die pfändbaren Bezüge des Klägers nach Maßgabe der Abtretungserklärung vom 28.04.2005 über. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts D vom 02.10.2007 aufgehoben. Danach sei im Schlusstermin am 20.06.2007 Restschuldbefreiung angekündigt worden, der Ankündigungsbeschluss sei rechtskräftig. Die Wohlverhaltensphase gemäß § 287 Abs. 2 InsO habe mit der Eröffnung des Verfahrens am 18.07.2005 begonnen und betrage sechs Jahre.
Mit Schreiben vom 14.07.2010 fragte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen an, wie mit den für den Kläger bewilligten Übergangsleistungen in Höhe von 3.077,84 EUR verfahren werden sollte.
Die Beigeladene antwortete mit Schreiben vom 19.07.2010, dass es ihrer Ansicht nach der Billigkeit entspreche, die bestehende Einmalzahlung in Höhe von 3.077,84 EUR der Pfändung vollständig zu unterwerfen. Da es sich bei dem zugunsten des Klägers entstandenen Guthaben aus Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKV gemäß den Angaben der Beklagten um eine einmalige jährliche Leistung handle und nicht um wiederkehrende Leistungen, ergebe sich eine Pfändbarkeit des Betrags aus § 850i Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO), § 54 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I). Danach seien Ansprüche auf einmalige Geldleistungen pfändbar, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspreche. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ermöglichten insoweit eine Beurteilung, in welchem Maße er auf Sozialleistungen angewiesen sei. Der Kläger habe mit Schreiben vom 16. September 2009 mitgeteilt, dass er ab dem 16. Mai 2009 ein monatliches Übergangsgeld in Höhe von 990,00 EUR von der Beklagten erhalte. Die Beigeladene gehe daher davon aus, dass der Kläger für den Übergangszeitraum bereits laufende unpfändbare Geldleistungen erhalten habe, um die Folgen der Erwerbsminderung hinreichend zu kompensieren.
Mit Bescheid vom 21.07.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als laufende Leistung, die spätestens 5 Jahre nach dem Ausscheiden aus der gefährdenden Tätigkeit endet. Für den Zeitraum vom 07.05.2009 bis 06.05.2010 (erstes Laufjahr) wurde die Gesamtzahlung berechnet. Gleichzeitig wurde im Bescheid auf der zweiten Seite im vierten Absatz mitgeteilt, dass das bestehende Guthaben komplett einbehalten werde und an die Beigeladene zur Verteilung an die Gläubiger des Klägers ausgezahlt werde.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Februar 2011 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.
Nach Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 die Klage abgewiesen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV werde ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zu einer Höhe des Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gewährt. Der Betrag sei mit befreiender Wirkung an die Beigeladene gezahlt worden. Da es sich um eine einmalige Leistung, nicht um wiederkehrende zahlbare Einkünfte gehandelt habe, habe es sich nicht um Arbeitseinkommen gehandelt. Daher seien auch die Pfändungsfreigrenzen von § 850c ZPO hier nicht anwendbar.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 09.12.2011 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Zu Unrecht sei die Übergangsleistung durch die Beklagte an die Beigeladene ausgezahlt worden. Die Beklagte habe nicht mit befreiender Wirkung an die Beigeladene geleistet. Der Kläger habe weiterhin Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung für das Jahr 2009/2010 gegen die Beklagte, da es sich um eine arbeitsentgeltartige Leistung gehandelt habe, die nach § 850c ZPO zu behandeln sei und damit durch die Beklagte die Pfändungsfreigrenzen zu beachten seien.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2014 ist die vormalige Treuhänderin, Rechtsanwältin B , D , zum Verfahren beigeladen worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 08.11.2011 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 hinsichtlich der Bestimmung des Zahlungsempfängers aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.077,84 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen der ersten Instanz für zutreffend und vertritt die Auffassung, dass sie mit befreiender Wirkung gegenüber der Beigeladenen geleistet hat.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
Am 03.07.2014 hat ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses mit den Beteiligten stattgefunden.
Dem Senat lagen die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte der ersten Instanz vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sämtliche Beteiligte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden ist aufzuheben und der Klage stattzugeben. Der Bescheid vom 21.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung in Höhe von 3.077,84 EUR an sich. Die Beklagte hat diesen Betrag nicht mit befreiender Wirkung an die Beigeladene gezahlt.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die Bestimmung des Zahlungsempfängers und als allgemeine Leistungsklage auf Zahlung der Übergangsleistung anzusehen. Die Bestimmung des Zahlungsempfängers durch Bescheid ist schon aus formellen Gründen aufzuheben. Eine Ermächtigung zur Entscheidung durch Bescheid gibt es nicht. Die Erklärung ist vielmehr als zivilrechtliche Drittschuldnererklärung gegenüber dem Gläubiger zu sehen.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Übergangsleistungen ist § 3 Abs. 2 BKV. Danach haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird 1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder 2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
Vorliegend hat die Beklagte als Übergangsleistung die zweite Alternative, d.h. die wiederkehrenden, Leistungen gewählt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BKV). Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Bescheid vom 21.07.2010, in welchem die Beklagte ausführt: "Bei der Ermessensentscheidung über die Art (Einmalzahlung oder laufende Zahlung), Dauer (Höchstdauer 5 Jahre) und Höhe (Höchstbetrag = Vollrente = 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes für Arbeitnehmer oder der Versicherungssumme für Unternehmer) der Übergangsleistung haben wir uns von folgenden Überlegungen leiten lassen: Eine einmalige Übergangsleistung kommt insbesondere bei einem Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben in Betracht. Da Sie zukünftig wieder im Erwerbsleben tätig sein wollen, gewähren wir Ihnen vom 07.05.2009, dem Tag nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit, eine laufende Zahlung als Übergangsleistung, die spätestens fünf Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit endet." Dass die Beklagte von einer laufenden Zahlung ausging, ergibt sich auch aus der von ihr vorgenommenen Berechnung der Übergangsleistung nach § 3 BKV, die in der Anlage zum Bescheid mit übersandt wurde. Hierin hat die Beklagte die Summe des fiktiven Einkommens des Klägers der Summe des realen Einkommens jeweils für das Jahr zwischen dem 07.05.2009 und dem 06.05.2010 gegenübergestellt und dann die Übergangsleistung für das 1. Jahr errechnet. Diese Berechnungsweise entspricht nicht der 1. Alternative des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV, so dass auch hieran erkennbar wird, dass die Beklagte die 2. Alternative des § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV wählen wollte. Auch nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKVO um eine monatlich wiederkehrende Zahlung (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2011, B 2 U 12/10 R, Rdnr. 29) im Unterschied zum Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld (1. Alt.).
Die im Bescheid gleichzeitig verfügte Einbehaltung des bestehenden Guthabens in Höhe von 3.077,84 EUR und Auszahlung an die Beigeladene ist rechtswidrig. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Übergangsleistung einzubehalten und an die Beigeladene auszuzahlen, da sie aufgrund des Arbeitsentgeltcharakters der Übergangsleistung die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO hätte beachten müssen. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO sind die Vorschriften der §§ 850, 850c, e, f Abs. 1, g bis i ZPO im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar. Aus Sicht des Senats ist entscheidendes Kriterium der hier gewählten Übergangsleistung ihr Entgeltersatzcharakter. Sie ist demnach wie Arbeitseinkommen zu behandeln, so dass § 850c ZPO Anwendung findet und nicht § 850i ZPO (vgl. BSG, Urteil v. 18.02.2010 – B 14 AS 76/08R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 27, sowie BSG, Urteil v. 18.09.2012 - B 2 U 15/11 R- RdNr. 22 ). Im Urteil vom 18.09.2012 – Az.: B 2 U 15/11 R, Rdnr. 22 – hat das BSG ausgeführt, dass die Übergangsleistung keine Leistung mit Schadensersatzfunktion ist (mit Verweis auf BSG, Urteil vom 22.03.2011 – B 2 U 12/10 R – BSGE 108, 28 RdNr. 23 ff.). Vielmehr verfolge die Leistung eine präventive Zielrichtung, nämlich das Vermeiden von Gesundheitsschäden. Daneben folge aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Leistung auch Entgeltersatzfunktion habe (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 76/08 R). Der Arbeitsentgeltcharakter der Übergangsleistung ergibt sich zum einen daraus, dass die Übergangsleistung ja als monatliche Leistung zusätzlich zum Übergangsgeld gezahlt werden kann. Dabei fällt das Übergangsgeld jedoch deutlich niedriger aus als das bis dahin bezogene Arbeitsentgelt. Um den Betroffenen zu motivieren, dauerhaft eine neue Erwerbsquelle zu finden, soll neben dem Übergangsgeld durch die monatliche Übergangsleistung die Lebenssituation des Betroffenen so verbessert werden, dass er annähernd wie mit seinem bisherigen Einkommen gestellt wird. Der Arbeitsentgeltcharakter ergibt sich für den Senat auch daraus, dass § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV auf der anderen Seite die einmalige Zahlung vorsieht, die beispielsweise bei einem Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben gewährt werden kann. Diese Leistung hat dann keinen Arbeitsentgeltcharakter im Sinne einer monatlichen Zahlung, auch wenn sie ihren Ursprung und ihre Höhe im Arbeitsverhältnis findet. Auf sie ist dann § 850c ZPO nicht anwendbar. Aus Sicht des Senats ist aufgrund des Entgeltersatzcharakters der hier gewährten Übergangsleistung auf diese § 850c ZPO und nicht 850i ZPO anzuwenden.
Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagte aufgrund von Verwaltungspraktikabilitätserwägungen den monatlichen Zahlbetrag grundsätzlich erst nach Ablauf des Übergangsleistungsjahres errechnet (Gegenüberstellung des realen Einkommens und des fiktiven Einkommens), und dann in einem einmaligen Betrag an die Berechtigten auszahlt. Denn sofern eine Nachzahlung in einem Betrag erfolgt, wird daraus nicht automatisch eine einmalige Geldleistung i.S.v. § 850i ZPO, sondern es bleibt auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV eine laufende Leistung, die lediglich in einem Betrag zur Auszahlung ansteht (vgl. LG Bielefeld, Beschluss vom 21.10.2004 – Az.: 23 T 705/04, Rdnr. 7).
Gemäß § 850c Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Satz 2 ZPO in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung ist Arbeitseinkommen stets unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als 930 EUR monatlich beträgt (Grundfreibetrag) und 350 EUR für eine weitere Person, der der Kläger Unterhalt schuldet. Die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO liegt danach für den Kläger im streitigen Zeitraum im Jahr 2009/2010 bei 1.280 EUR monatlich (Summe des Grundfreibetrags in Höhe von 930 EUR und des Freibetrages für eine Person für sein im Jahr 2003 geborenes Kind in Höhe von 350 EUR). Bezieht man die Übergangsleistung, die sich monatlich aus den 3.077,84 EUR errechnet, mit ein, das sind 256,49 EUR, und addiert diese zu den 990,00 EUR, die der Kläger als Übergangsgeld erhalten hat, hinzu, so ergibt sich ein Betrag von 1.246,49 EUR. Mithin bleibt dieser Betrag unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Das Kindergeld, welches für das Kind des Klägers gezahlt wurde, gilt als Einkommen des Kindes und wird nicht zum Einkommen des Klägers hinzugerechnet. Danach ist der gesamte Betrag im streitigen Zeitraum unterhalb der Pfändungsfreigrenze des § 850c geblieben.
Auf den weiteren Vortrag des Klägers kommt es nicht an. Anzumerken ist hierzu nur: Entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers verbleibt es während der Wohlverhaltensphase dabei, dass grundsätzlich gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO die pfändbaren Forderungen auf die Treuhänderin, hier die Beigeladene, übergehen. Nachdem vorliegend die Restschuldbefreiung noch nicht erteilt war, und der Kläger sich noch in der Sechsjahresfrist seit der Erklärung, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einem vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtrete, hatte grundsätzlich die Beigeladene Anspruch auf die pfändbaren Forderungen des Klägers. Sofern die Beklagte daher geprüft hat, inwiefern der Anspruch auf Übergangsleistung an die Beigeladene zu zahlen ist, hat sie dies zu Recht getan, allerdings hätte im Ergebnis der Betrag nicht an die Beigeladene überwiesen werden dürfen, sondern hätte dem Kläger ausgezahlt werden müssen.
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte die 3.077,84 EUR nicht mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kläger an die Beigeladene ausgezahlt. Daher sind die Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 auf S. 2 zur Auszahlung an die Beigeladene aufzuheben und der Kläger hat noch Anspruch auf Auszahlung des Übergangsgeldes aus dem Bescheid vom 21.07.2010 für 2009/2010 an sich. Seine Berufung hat mithin Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da es zur Frage, ob die Übergangsleistung bezüglich der Anwendung der Pfändungsfreigrenzen wie Arbeitsentgelt zu behandeln ist und damit unter § 850c ZPO fallend zu bewerten ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Schmidt Korneli Dr. Scholz
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