L 3 AS 94/15 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 94/15 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 94/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Derjenige, der eine Freiheitsstrafe verbüßt und sich deshalb in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhält, ist unabhängig von gewährten Vollzugslockerungen grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (Anschluss an BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 81/09 R).
2. Im Sächsischen Strafvollzugsgesetz ist an keiner Stelle eine allgemeine Pflicht der Anstalt zur finanziellen Unterstützung des Gefangenen geregelt. Vielmehr werden Leistungen durch die Anstalt grundsätzlich in Form von Sach- und Dienstleistungen erbracht. Dies bedeutet, dass jeder Gefangene seinen Bedarf, soweit er nicht durch Sach- oder Dienstleistungen der Anstalt gedeckt ist, grundsätzlich aus eigenen Mitteln finanzieren muss. Für Aufwendungen, die einem Gefangenen durch seinen Aufenthalt außerhalb der Anstalt entstehen, gilt grundsätzlich nichts anderes.
3. Ein Strafgefangener, der im Einzelfall von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, kann jedenfalls dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach dem SGB XII haben.
4. Zur Hilfebedürftigkeit eines Strafgefangenen.
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 26. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ein Darlehen für entstandene und noch entstehende Aufwendungen zu erhalten.

Der 1959 geborene, verheiratete Antragsteller befindet sich seit dem 27. Februar 1991 in Haft, seit Januar 2013 in der Justizvollzugsanstalt B (im Folgenden: JVA). Nach seinen Angaben verbüßt er eine lebenslange Freiheitsstrafe; die besondere Schwere der Schuld sei festgestellt. Das Landgericht K habe mit Beschluss vom 17. Dezember 2006 die Mindestbüßungsdauer auf 20 Jahre festgesetzt. Die JVA hat auf Anfrage mitgeteilt, dass dem Antragsteller seit dem 28. März 2014 insgesamt 40 begleitete Ausgänge im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen (Sächsisches Strafvollzugsgesetz – SächsStVollzG) und seit dem 22. August 2014 insgesamt 16 Langzeitausgänge im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 3 SächsStVollzG gewährt worden sind. Mit Justizministerialschreiben vom 29. Januar 2015 habe die Aufsichtsbehörde einer Gewährung von Freigang zugestimmt. Der Antragsteller stehe seither dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung. Freigang werde angeordnet, wenn ein freies Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 23 Abs. 1 SächsStVollzG begründet worden sei. Dies sei beim Antragsteller bislang nicht der Fall.

Die Agentur für Arbeit D lehnte mit Bescheid vom 21. August 2014 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab.

Der Antragsteller beantragte am 28. Oktober 2014 beim Antragsgegner, einem zugelassenen kommunalen Träger im Sinne der §§ 6a, 6d des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), einen Kredit in Höhe von 1.000,00 EUR zum Kauf von Winterbekleidung, für Weihnachtsgeld zum Einkauf von Weihnachtsgeschenken sowie für Fahrkosten zur Förderung sozialer Kontakte (unter anderem zu Familienangehörigen) und zur Klärung von Schuldenfragen.

Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 7. November 2014 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2015 zurück. Die daraufhin erhobene Klage wird beim Sozialgericht D unter dem Az. S 32 AS 177/15 geführt.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2014, beim Sozialgericht eingegangen am 7. Januar 2015, hat der Antragsteller beantragt, "die mir zustehende Grundsicherung des Sozialgesetzbuch I – II – III [ ] zu überweisen". Einen Antragsgegner hat er nicht benannt. Er befinde sich unschuldig in Haft. In naher Zukunft werde es ein entsprechendes Verfahren geben. Der Antragsteller hat Aufwendungen geltend gemacht für Reisekosten in Höhe von 958,75 EUR, für eine Winterjacke für 156,00 EUR und für Telefonkosten in Höhe von 60,00 EUR. In Bezug auf die mit dem Schreiben geforderte unverzügliche Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde "gegen die Menschen der einzelnen Behörden" hat er eine Forderung von 31,00 EUR täglich und insgesamt 1.426,00 EUR geltend gemacht. Da er sich innerhalb der vorgetragenen Zeiten [gemeint sind wohl die Ausgangstage] keine Ernährung habe kaufen können, hat er ein Darlehen in Höhe von 3.500,00 EUR beantragt. Weiter hat er die Freigabe eine 50 m² großen Wohnung und hierzu die Übernahme der Miete und der Mietkaution in Höhe von "etwa" 1.500,00 EUR, "die Gewährung einer Krankenversicherung und vor allem Rechtsschutz in meinem Urlaub und Ausgängen" sowie die Überweisung von Schadensersatz in Höhe von 4.221,75 EUR beantragt.

Das Sozialgericht hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. Januar 2015 verschiedene rechtliche Hinweise erteilt und ihn zudem aufgefordert, zum einen Belege oder Rechnungen für die geltend gemachten Ausgaben vorzulegen sowie zum anderen seine Bedürftigkeit darzulegen und glaubhaft zu machen und diesbezüglich zu seinen Vermögensverhältnissen vorzutragen.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2015 hat der Antragsteller erklärt, er stelle erneut "mit heutigem Antrag [ ] im Härtefall, Eilantrag, auf unverzügliche Auszahlung eines Betrages in Höhe von 5095,- Euro". In den Einzelposten sich Aufwendungen für den Kauf von Winterbekleidung in Höhe von 725,00 EUR, für den Kauf von sonstiger Bekleidung, Bettwäsche und Trockentücher in Höhe von 210,00 EUR, für die Suche nach Wohnraum (Kaution, Miete, usw.) in Höhe von 1.200,00 EUR sowie für den Kauf einer Wohnungserstausstattung und für die Einzugsrenovierung in Höhe von 3.000,00 EUR geltend gemacht worden, was einen Gesamtbetrag in Höhe von 5.135,00 EUR ergibt. Weiter hat er beantragt, ihm zu bescheiden, warum ein Gefangener, der sich im Freigang, Freigängerhaus, Ausgang und Urlaub befinde, vom Bundesland Sachsen keine Grundsicherung erhalte.

Das Sozialgericht hat den Antrag, den es als gegen den zuständigen SGB II-Leistungsträger gerichtet angesehen hat, mit Beschluss vom 26. Januar 2015 abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er sich in einer Einrichtung des richterlich angeordneten Freiheitsentzuges befinde und nicht eine mindestens dreistündige tägliche Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausübe. Im Übrigen habe wegen der fehlenden Angaben nicht geprüft werden können, ob der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sei. Auch bestünden Zweifel, ob ein Anordnungsgrund gegeben sei.

Der Antragsteller hat im Schreiben vom 22. Januar 2015 und im undatierten, am 3. Februar 2015 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben im Wesentlichen seinen Resozialisierungsanspruch und seine Freiheitsgrundrechte betont. Er hat unter anderem die Verletzung verschiedener Grundrechte gerügt.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 hat der Antragsteller ausdrücklich Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. Januar 2015 eingelegt und ein Darlehen in Höhe von 5.000,00 EUR begehrt. Er trägt ergänzend und vertiefend zu seinem Anspruch auf Resozialisierung und Wiedereingliederung sowie den daraus folgenden Leistungsansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern vor. Dem Schreiben sind zahlreiche Unterlagen beigefügt gewesen, unter anderem Fahrkarten und Verdienstbescheinigungen der JVA.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen in Höhe von 5.000,00 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält an seiner bisherigen Rechtsaufassung zum Leistungsausschluss des Antragstellers fest und verweist ergänzend auf das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 24. Februar 2011 (Az. B 14 AS 81/09 R).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinne ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – L 3 AS 1428/13 B ER – JURIS-Dokument Rdnr. 17, m. w. N.).

Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 6. März 2014 – L 3 KG 2/13 B ER – JURIS-Dokument Rdnr. 36, m. w. N.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen oder glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 6. März 2014, a. a. O.; Keller, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 86b Rdnr. 27a).

In diesem Sinne hat der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nicht auf der Grundlage des SGB II gegenüber dem Antragsgegner in seiner Eigenschaft als SGB II-Leistungsträger (a). Gegenüber anderen in Betracht kommenden Anspruchsgegnern ist zum Teil der Anordnungsanspruch und zum Teil auch der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (b bis d).

a) Gemäß § 19a Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) können nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen werden. Der Antragsgegner als kommunales Jobcenter ist sachlich und örtlich zuständig für die Erbringung dieser Leistungen (vgl. § 19a Abs. 2 Satz 2 SGB I i. V. m. § 36 SGB II).

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen (erwerbsfähige Leistungsberechtigte), die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nummer 1), erwerbsfähig sind (Nummer 2), hilfebedürftig sind (Nummer 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nummer 4). Leistungen nach dem SGB II erhält gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung (zu den in Betracht kommenden Fallkonstellationen: BT-Drs. 16/1410 S. 20) gleichgestellt. Auf die Dauer des voraussichtlichen Aufenthalten in einer stationären Einrichtung kommt es, vorbehaltlich der Sonderregelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II, nicht an (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 20). Hiervon wiederum abweichend erhält gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

Bezogen auf den Antragsteller bedeutet dies, dass er seit Ende Januar 2015 zwar ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Er ist insbesondere erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB II. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auf Grund der mit Justizministerialschreiben vom 29. Januar 2015 erteilten Zustimmung zur Gewährung von Freigang steht der Antragsteller seither dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Er unterfallt jedoch dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Satz 2 SGB II, weil er sich wegen seiner Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt aufhält, die einer stationären Einrichtung gleichgestellt ist.

Zwar hat das Bundessozialgericht zu § 7 Abs. 4 SGB II in der ursprünglichen, bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II a. F. im Kontext der Abgrenzung von SGB II und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) danach zu bestimmen ist, ob durch die Unterbringung in der Einrichtung die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 16/07 R – BSGE 99, 88 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 7 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 16/08 RFEVS 61, 241 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 14). Hiervon ausgehend hat es für einen Kläger, der sich im Maßregelvollzug befunden hat und ab Mai 2005 von der zuständigen Staatsanwaltschaft Vollzugslockerungen zur Arbeitssuche und Arbeitsaufnahme bewilligt bekommen hat, den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II a. F. verneint (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009, a. a. O., Rdnr. 15). Diese Rechtsprechung ist zum Teil auch auf die seit 1. August 2006 geltende Fassung von § 7 Abs. 4 SGB II (vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 2009 [BGBl. I S. 558]) übertragen worden, in der nunmehr die Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung in § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II ausdrücklich aufgenommen ist. Danach sei der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II n. F. nicht einschlägig, sofern die Strafhaft im offenen Vollzug erfolgt (vgl. SG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2010 – S 42 SO 480/10 ER – SAR 2011, 17 = Dokument Rdnr. 24) oder Freigang gewährt wird (vgl. Hackethal, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 7 Rdnr. 65).

Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 24. Februar 2011 aber nunmehr entschieden, dass sich derjenige, der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhält und unabhängig von gewährten Vollzugslockerungen grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 81/09 R – SozR 4-4200 § 7 Nr.24 = SGb 2012, 172 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz). Es hat offen gelassen, ob der funktionale, "erwerbszentrierte" Einrichtungsbegriff (vgl. Spellbrink/C. Becker, in: Eicher, SGB II [3. Aufl., 2013], § 7 Rdnr. 122 ff.; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. II/2015, Februar 2015], § 7 Rdnr. 230, 251) nach der Gesetzesänderung zum 1. August 2006 "weiterer Modifizierungen" bedarf. Jedenfalls würden die Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Rahmen des § 7 Abs. 4 SGB II eine Sonderstellung einnehmen. Es komme deshalb bei den Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nicht mehr darauf an, ob sie nach ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von vornherein ausschlössen. Die Weichenstellung zwischen den Leistungssystemen erfolge in diesem Fall ausnahmsweise nicht anhand der objektiven Struktur der Einrichtung im Einzelfall, sondern generalisiert für alle unter § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II fallenden Einrichtungen, weil sich der Aufenthalt in diesen Einrichtungen wesentlich von dem Aufenthalt in anderen stationären Einrichtungen unterschieden. Insbesondere bedürfe es in einer JVA für jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer vorherigen, im Ermessen stehenden Gestattung durch die Anstalt. Für die Frage, ob SGB II-Leistungen bezogen werden könnten, komme es deshalb auch nicht darauf an, ob Vollzugslockerungen gewährt würden. Nur soweit einem Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II die Aufnahme eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses erlaubt werde, könne er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II wiederum leistungsberechtigt sein (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, a. a. O., Rdnr. 25).

Die Voraussetzungen des Rückausnahmetatbestandes in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Antragsteller nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut ist die tatsächliche Ausübung einer entsprechenden Erwerbstätigkeit ("erwerbstätig ist") und nicht nur die Absicht, eine solche Erwerbstätigkeit ausüben zu wollen, Tatbestandsvoraussetzung (vgl. Valgolio, a. a. O., Rdnr. 253). Auch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde vom 29. Januar 2015, die dem Antragsteller eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht, ersetzt nicht die fehlende tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

b) Die Bundesagentur für Arbeit ist für die vorliegend vom Antragsteller begehrten Leistungen, die er in verschiedenen Schreiben erwähnt hat, nicht zuständig.

Gemäß § 19 Abs. 1 SGB I können nach dem Recht der Arbeitsförderung Berufsberatung und Arbeitsmarktberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung, Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, zur Berufswahl und Berufsausbildung, zur beruflichen Weiterbildung, zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, zum Verbleib in Beschäftigung und der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sowie Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei Weiterbildung und Insolvenzgeld in Anspruch genommen werden. Gemäß § 3 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) sind Leistungen der Arbeitsförderung Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels (Aktive Arbeitsförderung) und des Vierten Kapitels (Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld). Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels und Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung (vgl. § 3 Abs. 2 SGB III). Entgeltersatzleistungen sind Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung, Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit, Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall und Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (vgl. § 3 Abs. 4 SGB III). Zuständig sind die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 19 Abs. 2 SGB I).

Ausgehend hiervon unterfallen die Aufwendungen, für die der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ein Darlehen begehrt, sämtlichst nicht dem Recht der Arbeitsförderung, sodass eine Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit nicht gegeben ist.

c) Ebenfalls ist weder eine Zuständigkeit der JVA noch des Freistaates Sachsen als Träger dieser Einrichtung gegeben.

Die Rechtsgrundlagen für den Vollzug der Freiheitsstrafe (Vollzug) und des Strafarrests in Justizvollzugsanstalten (Anstalten) finden sich im Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen (Sächsisches Strafvollzugsgesetz – SächsStVollzG) vom 16. Mai 2013 (SächsGVBl. S. 250). Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 SächsStVollzG werden Anstalten und Abteilungen eingerichtet, die den unterschiedlichen vollzuglichen Anforderungen Rechnung tragen. Aufsichtsbehörde für die Anstalten ist das Staatsministerium der Justiz und für Europa (vgl. § 114 Abs. 1 SächsStVollzG). Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (vgl. § 2 Satz 1 SächsStVollzG). Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen (vgl. § 2 Satz 2 SächsStVollzG). Dies soll durch eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet werden (vgl. § 2 Satz 3 SächsStVollzG). Der Vollzug wirkt von Beginn an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hin (vgl. § 3 Abs. 2 SächsStVollzG). Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen (vgl. § 3 Abs. 4 SächsStVollzG). Der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 1 SächsStVollzG). Den Gefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 3 SächsStVollzG). Die Gefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten zu beheben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 SächsStVollzG). Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere eine Schuldenregulierung herbeizuführen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 SächsStVollzG).

Wie diesen allgemeinen Vorgaben entsprochen werden soll, ist insbesondere in den Vorschriften über Sozialtherapie, psychologische Intervention und Psychotherapie (vgl. §§ 17 und 18 SächsStVollzG), arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit (vgl. §§ 19 bis 24 SächsStVollzG), Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel, andere Formen der Telekommunikation und Pakete (vgl. §§ 25 bis 37 SächsStVollzG), Lockerungen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Anstalt (vgl. §§ 38 bis 41 SächsStVollzG), Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehende Betreuung (vgl. §§ 42 bis 45 SächsStVollzG) und Grundversorgung und Freizeit (vgl. §§ 46 bis 54 SächsStVollzG) geregelt. Zur Umsetzung sind die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel bereitzustellen, die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen und die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen (z. B. dem Gefangenen gegenüber zu erteilende Erlaubnisse) zu schaffen.

An keiner Stelle ist jedoch eine allgemeine Pflicht der Anstalt zur finanziellen Unterstützung des Gefangenen geregelt. Vielmehr werden Leistungen durch die Anstalt grundsätzlich in Form von Sach- und Dienstleistungen erbracht. So wird die Anstaltskleidung (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SächsStVollzG) zur Verfügung gestellt sowie gereinigt und instandgesetzt (argumentum e contrario zu § 52 Abs. 2 SächsStVollzG). Es wird eine Anstaltsverpflegung ausgegeben, die in Zusammensetzung und Nährwert den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen hat. Ferner wird auf ärztliche Anordnung besondere Verpflegung gewährt, und es soll den Gefangenen ermöglicht werden, Gebote ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft zu befolgen (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SächsStVollzG).

Dies bedeutet, dass jeder Gefangene seinen Bedarf, soweit er nicht durch Sach- oder Dienstleistungen der Anstalt gedeckt ist, grundsätzlich aus eigenen Mitteln finanzieren muss. So haben beispielsweise die Gefangenen für Reinigung und Instandsetzung eigener Kleidung auf ihre Kosten zu sorgen (vgl. § 52 Abs. 2 SächsStVollzG). Die Aufwendungen für den Einkauf, der den Gefangenen zu ermöglichen ist, ist nach Maßgabe von § 53 Abs. 2 und 3 SächsStVollzG vom Haus-, Taschen- und Eigengeld der Gefangenen zu bestreiten. Die Pflicht, den nicht von der Anstalt gedeckten Bedarf aus eigenen Mitteln zu decken, ergibt sich auch aus verschiedenen Sonderregelungen. So tragen die Gefangenen die Kosten der Telefongespräche, des Schriftwechsels und des Paketversandes (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 SächsStVollzG). Nur wenn sie dazu nicht in der Lage sind, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 2 Satz 2, § 37 Abs. 6 Satz 2 SächsStVollzG). Zeitungen und Zeitschriften dürfen die Gefangenen "auf eigene Kosten" in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SächsStVollzG).

Für Aufwendungen, die einem Gefangenen durch seinen Aufenthalt außerhalb der Anstalt entstehen, gilt grundsätzlich nichts anderes. Lediglich in § 43 Abs. 4 SächsStVollzG findet sich eine Sonderregelug. Danach kann bedürftigen Gefangenen eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden. Nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Regelung gilt diese aber nur für die Entlassung aus der Strafhaft (und über die Verweisungsregelung in § 117 Abs. 1 SächsStVollzG für die Entlassung aus Strafarrest), nicht aber für die Fälle, in denen Ausgang oder Freigang (vgl. in § 38 Abs. 1 SächsStVollzG) gewährt wird.

d) Der Umstand, dass der Antragsteller seinen Anspruch nicht mit Erfolg auf das SGB II, das SGB III oder das Sächsische Strafvollzugsgesetz stützen und gegen die zur Ausführung des jeweiligen Gesetzes zuständige Stelle richten kann, bedeutet allerdings nicht, dass er dem Grunde nach nicht den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Darlehens haben könnte.

(1) Es ist zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums begründen (vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 = NJW 2010, 505 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 133, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13NJW 2014, 3425 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 74, m. w. N.). Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014, a. a. O.; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11BVerfGE 132, 134 ff. = SozR 4-3520 § 3 Nr. 2 = ZFSH/SGB 2012, 450ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 63). Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, a. a. O., jeweils Rdnr. 134; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, a. a. O.). Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, a. a. O.).

In Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber ein umfassendes System von bedarfsorientierten und bedürftigkeitsgeprüften, aus Steuergeldern finanzierten Sozialleistungen geschaffen.

Die grundlegende Vorschrift ist § 19 SGB XII. So ist gemäß § 19 Abs. 1 SGB XII Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel (§§ 27 bis 40 SGB XII) Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Eine wortgleiche Definition der Leistungsberechtigten findet sich in § 27 Abs. 1 SGB XII. Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt (vgl. § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII) umfasst den Regelbedarf (vgl. §§ 27a bis 29 SGB XII), die zusätzlichen Bedarfe (vgl. §§ 30 bis 33 SGB XII), die Bedarfe für Bildung und Teilhabe (vgl. §§ 34 bis 34b SGB XII) sowie die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. §§ 35 bis 36 SGB XII). Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit (vgl. §§ 47 bis 52 SGB XII), Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (vgl. §§ 53 bis 60 SGB XII), Hilfe zur Pflege (vgl. §§ 61 bis 66 SGB XII), Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (vgl. §§ 67 bis 69 SGB XII) und Hilfen in anderen Lebenslagen (vgl. §§ 70 bis 74 SGB XII) geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

Für die Personengruppe der erwerbsfähigen Leistungsberechtigte (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB) hat der Gesetzgeber das Grundsicherungsrechts des SGB II geschaffen, das als lex specialis dem SGB XII grundsätzlich vorgeht (vgl. die Sonderregelung für Leistungsberechtigte nach dem SGB II in § 21 SGB XII). Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind vorbehaltlich von Ausnahme- und Sonderregelungen (vgl. z. B. § 7 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB II, § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II) auch Ausländer. Für bestimmte Gruppen von Ausländern gilt das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Im Übrigen haben Ausländer nach Maßgabe von § 23 SGB XII Anspruch auf Sozialhilfe.

Für den Antragsteller bedeutet dies, dass er als Strafgefangener, der im Einzelfall von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, jedenfalls dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach dem SGB XII haben kann. Die grundsätzlich bestehende Anspruchsberechtigung nach dem SGB XII ergibt sich im Übrigen mittelbar auch aus der Regelung über die örtliche Zuständigkeit in § 98 Abs. 4 SGB XII.

In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist auch grundsätzlich anerkannt, dass Personen, die sich in Strafhaft befinden, Ansprüche nach dem SGB XII haben können (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 24/12 R – SozR 4-3500 § 67 Nr. 1; Bay. LSG, Beschluss vom 17. September 2009 – L 18 SO 111/09 B ER – JURIS-Dokument; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. September 2009 – L 15 SO 41/09 B PKH – FEVS 61, 333 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2010 – L 23 SO 46/10 B ER – info also 2010, 182 f.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2011 – L 20 SO 76/08 – JURIS-Dokument). Ob im Ergebnis ein Anspruch zuerkannt wird, hängt zum einen von der begehrten Leistung und damit verbunden von der entscheidungserheblichen Anspruchsgrundlage sowie zum anderen von den Umständen des Einzelfalles ab.

(2) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist (vgl. § 97 Abs. 1 SGB XII). Örtliche Träger der Sozialhilfe sind in Sachsen die Landkreise und Kreisfreien Städte oder von ihnen gebildete Zweckverbände (vgl. § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 10 Abs. 1 des Sächsischen Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches [SächsAGSGB] vom 6. Juni 2002 [SächsGVBl. S. 168], zuletzt geänd. durch Gesetz vom 2. April 2014 [SächsGVBl. S. 230]). Örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten (vgl. § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Die Sonderregelung der § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII über die örtliche Zuständigkeit für stationäre Leistungen (zum Begriff: § 13 SGB XII) ist nicht einschlägig, weil der Kläger keine stationäre Leistung begehrt. Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gilt unter anderem § 98 Abs. 1 und 2 SGB XII entsprechend (vgl. § 98 Abs. 4 SGB XII). Zuständige Behörde für Leistungsansprüche des Antragstellers nach dem SGB XII ist somit ebenfalls der Antragsgegner, nunmehr aber in seiner Eigenschaft als örtlicher Träger der Sozialhilfe.

(3) Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Antragsteller einen Darlehensanspruch nach dem SGB XII in Bezug auf eine der von ihm begehrten Ausgabeposten hat, kann allerdings im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, weil der Antragsteller jedenfalls nicht seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht hat.

Hilfe zum Lebensunterhalt setzt voraus, dass die Person ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, bestreiten kann (vgl. § 19 Abs. 1 SGB XII, § 27 Abs. 1 SGB XII). Eigene Mittel sind insbesondere das eigene Einkommen und Vermögen (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB XII; vgl. auch § 19 Abs. 1 SGB XII). Auch § 19 Abs. 3 SGB XII wird für die dort aufgeführten Hilfen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgestellt.

In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 26. Februar 2015 zum Prozesskostenhilfeantrag gab der Antragsteller unter anderem an, dass er eine Unfallrente in Höhe von 180,00 EUR monatlich beziehe und über ein Konto bei der Postbank verfüge. Die Kontodaten und den Kontostand teilte er nicht mit. Ferner legte er im Beschwerdeverfahren eine Verdienstbescheinigung für die Monate Juni 2014 bis Oktober 2014 und zwei Lohnscheine vor. Danach bezog er für Arbeiten in der JVA in diesem Zeitraum netto zwischen 154,42 EUR (Oktober 2014) und 254,76 EUR (Juli 2014). Außerdem gab er im Prozesskostenhilfeverfahren unkonkretisiert an, dass er Schulden in Höhe von 4 Mio. EUR und neue Schulden wegen Fahrkosten habe.

Auf der Grundlage dieser vagen, kaum durch Belege untersetzen Angaben lassen sich bei einer summarischen Prüfung nicht ansatzweise die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers beurteilen. So ist nicht nur der Kontostand des Kontos bei der Postbank unbekannt, sondern auch, wohin die Unfallrente fließt und was mit den in der Vergangenheit gezahlten Leistungen geschehen ist.

Ferner sind Konten, die in der JVA für den Antragsteller in der JVA geführt werden müssten, nicht angegeben. Auf Grund der langjährigen Strafhaft ist die Annahme nicht fernliegend, dass der Antragsteller in dieser Zeit in der JVA gearbeitet (vgl. hierzu § 22 SächsStVollzG) und zumindest einen Teil der Vergütung gespart haben könnte. In soweit ergibt sich aus den strafvollzugsrechtlichen Vorschriften Folgendes:

Gefangene können, unabhängig von eigenen Konten oder Vermögenswerten und unabhängig von einem etwaigen Anspruch auf Familienunterhalt, in verschiedener Weise in der JVA über eigenes Einkommen und Vermögen verfügen.

Gelder der Gefangenen werden gemäß § 58 Abs. 1 SächsStVollzG auf Hausgeld- und Eigengeldkonten in der Anstalt geführt.

Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Gefangenen bei Strafantritt in die Anstalt mitbringen und die sie während der Haftzeit erhalten, und den Teilen der Vergütung, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden (vgl. § 56 Abs. 1 SächsStVollzG). Die Gefangenen können nach Maßgabe von § 56 Abs. 2 SächsStVollzG über das Eigengeld verfügen.

Das Hausgeld wird entweder aus einem bestimmten Anteil der Vergütung gebildet (vgl. § 59 Abs. 1 SächsStVollzG) oder für Gefangene, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte haben, aus diesen Einkünften als angemessenes monatliches Hausgeld festgesetzt (vgl. § 59 Abs. 2 SächsStVollzG). Eine Vergütung erhalten Gefangene nach Maßgabe von § 55 SächsStVollzG unter anderem für Arbeit. Die Gefangenen dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes verfügen (vgl. § 59 Abs. 4 Satz 1 SächsStVollzG).

Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich Lockerungen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden (vgl. § 60 Satz 1 SächsStVollzG). Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden (vgl. § 60 Satz 2 SächsStVollzG). Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar (vgl. § 60 Satz 3 SächsStVollzG).

Schließlich wird Gefangenen, die ohne eigenes Verschulden nicht über ausreichendes Arbeitsentgelt oder über ausreichende Ausbildungsbeihilfe verfügen, auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 SächsStVollzG).

Diesem Einkommen und Vermögen eines Gefangenen stehen unter anderem seine Ausgaben nach Maßgabe der strafvollzugsrechtlichen Vorschriften gegenüber. So haben Gefangene bestimmte Kosten grundsätzlich selbst zu tragen, wie zum Beispiel die bereits oben erwähnten Kosten für Kommunikation und Zeitschriften. Für bestimmte Kosten, die im Zusammenhang mit ihrer Inhaftierung entstehen, sind oder können Gefangene herangezogen werden. Dies sind unter anderem die Kostentragung der Ausführung (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 SächsStVollzG), der Haftkostenbeitrag (vgl. § 61 SächsStVollzG), die Kostenbeteiligung für notwendige medizinische Leistungen (vgl. § 63 Abs. 2 und 3 SächsStVollzG), die Kostentragung für ärztliche Behandlungen zur sozialen Eingliederung (vgl. § 65 SächsStVollzG) oder die Kostentragung für Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch (vgl. § 80 SächsStVollzG).

Entsprechende Regelungen fanden sich bereits im [Bundes]Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Strafvollzugsgesetz – StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, ber. S. 2088, ber. BGBl. 1977 I S. 436).

Die unzureichende Glaubhaftmachung zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und damit zur sozialhilferechtlichen Hilfebedürftigkeit hat zum einen zur Folge, dass ein Anordnungsanspruch in Bezug auf einen Darlehensanspruch des Antragstellers nach dem SGB XII nicht glaubhaft gemacht ist. Damit ist vorliegend zugleich verbunden, dass auch der Anordnungsgrund, das heißt die Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, nicht glaubhaft gemacht ist. Der wiederholte bloße Vortrag des Antragstellers, er sei auf öffentliche Leistungen angewiesen, kann die gesetzlich geforderte Glaubhaftmachung nicht ersetzen. Auf eine fundiert Darstellung und Glaubhaftmachung der Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist auch nicht im Hinblick darauf, dass sich der Antragsteller in Strafhaft befindet, zu verzichten. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür festzustellen, dass die Strafhaft dem Antragsteller die Erfüllung dieser Anforderungen in verfahrensrechtlich relevanter Weise erschweren oder gar unmöglich machen würde.

e) Im Hinblick darauf, dass nach den obigen Ausführungen derzeit offensichtlich kein Anspruch gegen einen anderen in Betracht kommenden Anspruchsgegner glaubhaft gemacht ist, hat das Gericht davon abgesehen, einen anderen Leistungsträger oder eine andere Behörde beizuladen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

3. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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