Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1684/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 887/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 80 vom Hundert (v. H.) im Rahmen eines Überprüfungs- und Verschlimmerungsverfahrens streitig.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger erlitt am 16.07.1971 einen Arbeitsunfall. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Berufsgenossenschaft Chemie (nachfolgend einheitlich: Beklagte) stellte nach Einholung diverser Gutachten mit Bescheid vom 27.04.1976 als Unfallfolgen "spastische, armbetonte unvollständige Halbseitenlähmung rechts mit zentraler Gesichtsnervschwäche rechts und leichter Sprechstörung, Meniskusentfernung rechts" fest und bewilligte Verletztenrente ab 16.07.1971 nach einer MdE um 100 v. H., ab 03.09.1973 nach einer MdE um 50 v. H. und ab 01.12.1973 nach einer MdE um 40 v. H.
Sodann holte die Beklagte im Rahmen eines Rentenüberprüfungsverfahrens weitere Gutachten ein und sah von einer Heraufsetzung der der Verletztenrente zu Grunde liegenden MdE ab.
In einem weiteren Rentenüberprüfungsverfahren holte die Beklagte das neurologische Gutachten des Prof. Dr. A., Abteilung Neurologie der Universität C., vom 05.01.1979 und das chirurgische Gutachten des Dr. B., Department für Chirurgie der Universität C., vom 19.01.1979 ein. Prof. Dr. A. diagnostizierte eine latente Hemiparese rechts, eine dysarthrische Sprachstörung, eine organische Wesensänderung beziehungsweise ein organisches Psychosyndrom sowie eine Hirnleistungsschwäche und schätzte die MdE auf 50 v. H. Eine Besserung sei nach dem bisherigen Verlauf kaum mehr zu erwarten. Dr. B. beschrieb eine mäßige Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Oberschenkels, eine vordere Schublade am rechten Kniegelenk sowie ein angegebenes Unsicherheitsgefühl beim Treppenherabgehen als Folge einer traumatischen Meniskusschädigung mit nachfolgender Meniscektomie des rechten Kniegelenks und schätzte die MdE auf 15 v. H. ein. Unter Berücksichtigung der MdE auf neurologischem Fachgebiet betrage die Gesamt-MdE 50 v. H. Eine Nachuntersuchung sei von chirurgischer Seite nicht notwendig. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 24.07.1979 als Folgen des Arbeitsunfalls "leichte, latente Halbseitenlähmung rechts; Sprachstörung mit Polterkomponente; organische Wesensänderung mit Verlangsamung; Neigung zu depressiver Verstimmung und Hirnleistungsschwäche mit vorzeitiger Ermüdbarkeit; Merk- und Konzentrationsschwäche sowie Affektlabilität. Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Oberschenkels, vordere Schublade am rechten Kniegelenk nach Meniskusentfernung rechts" fest und bewilligte Verletztenrente ab 03.09.1973 nach einer MdE um 60 v. H.
Daraufhin erfolgte ein weiteres Rentenüberprüfungsverfahren, in dem die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Dres. D. und E., Abteilung Neurologie der Universität C., vom 16.10.1981 einholte. Die Gutachter schätzten die MdE auf Grund der neurologisch-psychiatrischen Schädigung mit 70 v. H. ein. Hierbei handele es sich um eine Dauerschädigung. Eine Verbesserung sei nicht mehr zu erwarten. Berücksichtigt werde insbesondere die erhebliche psychoorganische Veränderung sowie die für den Kläger und seine Umwelt belastende Wesensänderung mit vermehrter Reizbarkeit in Form von Aggressivität. Die übrigen Unfallfolgen in Form von Gleichgewichtsstörung, latenter Hemiparese rechts und Dysarthrie stünden im Vergleich zu dieser schwerwiegenden Persönlichkeitsänderung, die es dem Kläger nicht erlaube, ein eigenständiges Leben zu führen, im Hintergrund. Die von chirurgischer Seite beschriebene Schädigung mit einer dafür angesetzten MdE um 15 v. H. bestehe nach wie vor. Zusammenfassend sei eine Gesamt-MdE um 80 v. H. angemessen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 06.11.1981 gaben die Sachverständigen an, seit der letzten maßgebenden Begutachtung seien Veränderungen in den Verhältnissen nicht eingetreten. Diese Verhältnisse seien von Ihnen anders beurteilt worden. In einer weiteren Stellungnahme vom 30.11.1981 führten die Gutachter aus, die MdE um 80 v. H. bestehe seit Beginn der Arbeitsfähigkeit des Klägers. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22.12.1981 unter Aufrechterhaltung der bereits festgestellten Unfallfolgen Verletztenrente ab 01.01.1977 nach einer MdE um 80 v. H.
Zwecks Prüfung, ob eine stationäre Behandlung oder sonstige Behandlungsmaßnahmen wegen der Unfallfolgen notwendig sind, holte die Beklagte das nervenärztliche Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Umweltmediziners Dr. D. vom 16.09.1996 ein. Der Gutachter diagnostizierte ein schweres Schädelhirntrauma mit Contusio Cerebri mit anhaltender psyeudoneurasthener Schwäche und ängstlich depressiv gefärbtem hirnorganischen Psychosyndrom, ursprünglich narbenbedingte postkontusionelle Kopfschmerzen, zwischenzeitlich überlagert auch analgetika-induziert, und ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom. Nach wie vor seien eine latente Hemisymptomatik rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom vom Ausmaß einer Wesensänderung und eine pseudo-vulväre Dysarthrie nachzuweisen. Stärker als früher stelle sich zwischenzeitlich ein depressives Syndrom dar, welches teilweise extrem ängstlich gefärbt und auch mit Panikattakten in den letzten Jahren verbunden gewesen sei. Wegen Suizidalität seien geschlossene stationäre Behandlungen notwendig gewesen. Das Wirbelsäulensyndrom sei unfallunabhängig. Nach wie vor liege eine MdE um 80 v. H. vor. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer wieder psychiatrische Auffälligkeiten in verstärktem Maße aufgetreten seien, rechtfertige keine MdE-Erhöhung.
Zwecks Prüfung, ob laufende Behandlungsmaßnahmen unfallbedingt erforderlich sind, holte die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 29.10.2007 ein. Der Gutachter diagnostizierte eine Hemisymptomatik rechts und ein hirnorganisches Psychosyndrom nach Contusio Cerebri sowie eine organische affektive Störung. Diagnostisch gehe er weiterhin von einer kognitiven Beeinträchtigung und organisch bedingten affektiven Störung aus. Wesentliche neue Aspekte im Vergleich zu den Vorgutachten seien nicht festzustellen. An der bisherigen MdE-Einstufung sei festzuhalten.
Der Kläger beantragte am 31.03.2008 die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 28.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 ab. Die hiergegen am 01.10.2008 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene, unter dem Aktenzeichen S 10 U 3433/08 geführte, Klage nahm der Kläger am 22.10.2009 zurück.
Der Kläger beantragte am 18.01.2010 erneut die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE. Die Beklagte holte den Befundbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums C. vom 11.05.2010 ein und zog deren Arztbrief vom 08.03.2005 bei. Sie holte ferner die Befundberichte des Urologen G. vom 26.05.2010 sowie 13.04.2011 ein und zog dessen Arztbriefe vom 20.09.2009, 22.11.2009 sowie 14.05.2010 bei. Aktenkundig wurde außerdem der H-Arzt-Bericht des Orthopäden Dr. H. vom 01.03.2012. Im Rahmen eines auf die Gewährung einer physiotherapeutischen Heilbehandlung gerichteten, unter dem Aktenzeichen S 2 U 721/12 geführten, Klageverfahrens holte das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das orthopädische Gutachten des Orthopäden und Rheumatologen Dr. I. vom 14.11.2012 ein. Der Sachverständige führte darin aus, weder das von ihm diagnostizierte lokale Zervicalsyndrom bei deutlich degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule ohne radikuläre Symptomatik mit mäßiggradigen Funktionseinbußen noch die von ihm diagnostizierte linksseitige Thorakolumbalskoliose bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen ohne wesentliche Funktionseinbußen und ohne neurologische Auffälligkeiten seien unfallbedingt. Aktenkundig wurde sodann der Arztbrief des Orthopäden Dr. K. vom 31.08.2011.
Der Kläger beantragte am 25.02.2013 eine Überprüfung und Neufeststellung.
Die Beklagte lehnte die Anträge vom 18.01.2010 und 25.02.2013 mit Bescheid vom 17.10.2013 ab. Es ergäben sich keine Hinweise, dass bei Erlass des Bescheides vom 22.12.1981 das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weshalb dieser Bescheid nicht zurückzunehmen sei. Ebenso wenig könne dem Gutachten des Dr. I. entnommen werden, dass im Vergleich der bei dieser Untersuchung erhobenen Befunde mit den im Bescheid vom 22.12.1981 anerkannten Unfallfolgen eine wesentliche Änderung in den der Rentengewährung zu Grunde liegenden Verhältnissen eingetreten sei. Hiergegen erhob der Kläger am 21.11.2013 Widerspruch. Er führte zur Begründung aus, bei der MdE um 80 v. H. frage es sich, welcher Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch allgemein zugänglich sein solle. Aber auch die zwischenzeitliche Entwicklung dürfte eine MdE um 100 v. H. nahelegen. Ein aktuelles Gutachten bezogen auf den Jetzt-Zeitpunkt liege offenbar nicht vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 26.05.2014 Klage zum SG erhoben. Es sei nicht dargetan worden, warum nicht die Folgen des Arbeitsunfalls mitursächlich für die aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden seien. Eine abstrakte Schadensberechnung ergebe eine MdE um 100 v. H. Stattgefunden hätten ein Schädelbasisbruch und eine Quetschung des Gehirns. Eine Halbseitenlähmung rechts sei gleichfalls davon getragen worden. Es bestünden schwere psychische Störungen. Ein Suizidversuch habe bereits stattgefunden. Es bestünden ständige Kopfschmerzen. Ohne Schmerzmittel könne er nicht mehr leben. Die Schmerzmittel wiederum hätten schwere Nebenwirkungen. Es bestehe eine Inkontinenz. Es erscheine ausgeschlossen, dass noch eine Erwerbsfähigkeit verbleibe, weshalb die MdE bei 100 v. H. liegen müsse.
Das SG hat Dres. L. und M., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums C., unter dem 04.11.2014 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Sie haben ausgeführt, der Kläger leide unfallbedingt an einer organisch-bedingten affektiven Störung. Differenzialdiagnostisch könne hier auch eine organische Persönlichkeitsstörung in Erwägung gezogen werden. Es handele sich demnach um eine psychische Störung als Folge einer organischen, cerebralen Störung. Psychopathologisch hätten sich zuletzt eine gute Stimmung, ein unauffälliger Handlungsantrieb, ein leicht reizbarer und labiler Affekt, sowie eine im Gespräch etwas verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit bei unauffälliger Mnestik gezeigt. Das formale Denken sei geordnet, jedoch auf den Arbeitsunfall und die psychischen Beschwerden eingeengt. Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, Ängste oder eine Zwangssymptomatik zeigten sich nicht. Eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung bestehe nicht. Aus diesen Diagnosen ergäben sich beim Kläger immer wieder wiederkehrende Phasen gedrückter Stimmung bei insgesamt schwankender Stimmungslage sowie wiederkehrende Phasen verminderten Antriebs, impulshafter Handlungen, von Reizbarkeit sowie von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Jedenfalls seit 2012 zeige sich ein unverändertes psychopathologisches Bild und damit zusammenfassend keine wesentliche Änderung.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2015 die Klage abgewiesen. Es ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers seit der letzten Begutachtung durch Dr. F ... Eine solche sei auch nicht konkret vorgetragen worden. Vielmehr hätten Dres. L. und M. einen seit damals unveränderten Gesundheitszustand bestätigt. Dr. F. wiederum habe bestätigt, dass sich der Gesundheitszustand seit den vorherigen Begutachtungen, in denen die MdE auf 80 v. H. eingeschätzt worden sei, nicht geändert habe. Damit liege keine wesentliche Änderung seit Erlass des Bescheides vom 22.12.1981 vor. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Überprüfung könne der Kläger keine höhere Rente verlangen. Die Beklagte habe sich bei der Festlegung der MdE um 80 v. H. auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Prof. Dr. N. gestützt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schätzung der MdE zum damaligen Zeitpunkt bestünden nicht. Vielmehr werde diese Einschätzung nachvollziehbar auch von Folgegutachten geteilt.
Gegen den ihm am 11.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 09.03.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Er hat zur Begründung ausgeführt, die Verhältnisse hätten sich verschlechtert. Außerdem sei die MdE um 80 v. H. zu gering angesetzt gewesen. In der Tat frage es sich, welcher Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der schweren Verletzung noch vorhanden sein solle. Offenbar setze sich die MdE aus 70 v. H. neurologisch und 15 v. H. orthopädisch zusammen. Da eine wechselseitige Verstärkung zu befürchten sei, sei die MdE um 100 v. H. längst erreicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2015 abzuändern/aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2014 zu verurteilen, ihm Verletztenvollrente statt einer Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung auf den Inhalt der Akten und des aus ihrer Sicht zutreffenden Gerichtsbescheides des SG.
Der Kläger hat zunächst die Einholung eines Gutachtens auf eigenes Kostenrisiko beantragt, allerdings den vom Senat sodann angeforderten Kostenvorschuss nicht eingezahlt. Daraufhin hat der Senat dies dem anwaltlich vertretenen Kläger mitgeteilt und dargelegt, es sei beabsichtigt in der Sache ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, sofern ein entsprechendes Einverständnis vorgelegt werde. Sodann haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 04.02.2015, mit dem die auf die teilweise Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22.12.1981 und die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie die dementsprechende Aufhebung des dies ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 17.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 gerichtete kombinierte Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG abgewiesen worden ist.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihren Bescheid vom 22.12.1981 teilweise zurückzunehmen oder aufzuheben und dem Kläger Verletztenrente nach einer höheren MdE als 80 v. H. zu gewähren.
Ermächtigungsgrundlagen für eine Rücknahme oder Aufhebung dieses Bescheides sind §§ 44 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist bei der Feststellung der sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, richtenden MdE eine solche Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gilt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris Rz. 12 unter Hinweis auf BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R - juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris).
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend ausgeführt, weshalb die Beklagte im vorliegenden Verfahren zu Recht ihren Bescheid vom 22.12.1981 weder teilweise zurückgenommen noch teilweise aufgehoben hat und die dem Kläger gewährte Rente weiterhin nach einer MdE um 80 v. H. gewährt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Der Senat ist der Ansicht, dass sich die Beklagte bei Erlass ihres Bescheides vom 22.12.1981 rechtmäßig auf die überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. A. vom 05.01.1979, des Dr. B. vom 19.01.1979 sowie der Dres. D. und E. vom 16.10.1981 gestützt hat.
Ferner ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere unter Berücksichtigung der Gutachten des Dr. D. vom 16.09.1996, des Dr. F. vom 29.10.2007 und des Dr. I. vom 14.11.2012 sowie der sachverständigen Zeugenauskunft der Dres. M. und O. vom 04.11.2014 keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen. Nach dem Gutachten des Dr. D. vom 16.09.1996 befand sich der Kläger schon damals in einem relativ stabilen Zustand und rechtfertigte die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer wieder psychiatrische Auffälligkeiten in verstärktem Maße auftraten, keine Erhöhung der nach wie vor 80 v. H. betragenden MdE. Dr. F. stellte in seinem Gutachten vom 29.10.2007 keine wesentlich neuen Aspekte im Vergleich zu den Vorgutachten fest und hielt an der bisherigen MdE-Einstufung fest. Auch aus dem Gutachten des Dr. I. vom 14.11.2012 ergeben sich keine Abweichungen zu Vorgutachten. Ferner decken sich die von Dres. M. und O. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.11.2014 beschriebenen Gesundheitsstörungen im Wesentlichen mit den im Bescheid vom 22.12.1981 festgestellten Unfallfolgen. Sie gaben ferner an, dass sich jedenfalls seit 2012 ein unverändertes psychopathologisches Bild und damit zusammenfassend keine wesentliche Änderung gezeigt hat.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des SG eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Substantiierte Einwendungen gegen die auch aus Sicht des Senats überzeugenden Ausführungen der Beklagten und des SG hat der Kläger nicht erhoben. Im Gegensatz zu der Ansicht des Klägers ist bei ihm tatsächlich noch ein Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden und liegt bei der Einzel-MdE um 70 v. H. auf neurologischem Fachgebiet und der Einzel-MdE um 15 v. H. auf orthopädischem Fachgebiet keine eine Gesamt-MdE um 100 v. H. bedingende wechselseitige Verstärkung vor. So ist es dem Kläger immerhin möglich gewesen, trotz seiner Gesundheitsstörungen eine Ausbildung zum Bürokaufmann zu durchlaufen und seither bei der Lebenshilfe R. in der Verwaltung berufstätig zu sein.
Nach alledem lässt sich beim Kläger keine höhere MdE als 80 v. H. rechtfertigen.
Daher war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem ursprünglich vom Kläger nach § 109 SGG gestellten Antrag, Dr. P. als Sachverständigen zu hören, hatte der Senat nicht nachzugehen, da der Kläger an diesem Beweisantrag in seinem späteren Schriftsatz, mit dem er sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat, nicht mehr festgehalten hat. Hieran ändert auch der in der Berufungsschrift formelhaft wiedergegebene Zusatz, hilfsweise werde unter anderem für den Fall des § 124 Abs. 2 SGG an etwa künftig noch gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten, nichts. Denn ein schon gestellter Beweisantrag muss grundsätzlich im Sinne seiner Warnfunktion bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung im Rahmen des Einverständnisses hierzu ausdrücklich aufrecht erhalten werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 160 Rz. 18c).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 80 vom Hundert (v. H.) im Rahmen eines Überprüfungs- und Verschlimmerungsverfahrens streitig.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger erlitt am 16.07.1971 einen Arbeitsunfall. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Berufsgenossenschaft Chemie (nachfolgend einheitlich: Beklagte) stellte nach Einholung diverser Gutachten mit Bescheid vom 27.04.1976 als Unfallfolgen "spastische, armbetonte unvollständige Halbseitenlähmung rechts mit zentraler Gesichtsnervschwäche rechts und leichter Sprechstörung, Meniskusentfernung rechts" fest und bewilligte Verletztenrente ab 16.07.1971 nach einer MdE um 100 v. H., ab 03.09.1973 nach einer MdE um 50 v. H. und ab 01.12.1973 nach einer MdE um 40 v. H.
Sodann holte die Beklagte im Rahmen eines Rentenüberprüfungsverfahrens weitere Gutachten ein und sah von einer Heraufsetzung der der Verletztenrente zu Grunde liegenden MdE ab.
In einem weiteren Rentenüberprüfungsverfahren holte die Beklagte das neurologische Gutachten des Prof. Dr. A., Abteilung Neurologie der Universität C., vom 05.01.1979 und das chirurgische Gutachten des Dr. B., Department für Chirurgie der Universität C., vom 19.01.1979 ein. Prof. Dr. A. diagnostizierte eine latente Hemiparese rechts, eine dysarthrische Sprachstörung, eine organische Wesensänderung beziehungsweise ein organisches Psychosyndrom sowie eine Hirnleistungsschwäche und schätzte die MdE auf 50 v. H. Eine Besserung sei nach dem bisherigen Verlauf kaum mehr zu erwarten. Dr. B. beschrieb eine mäßige Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Oberschenkels, eine vordere Schublade am rechten Kniegelenk sowie ein angegebenes Unsicherheitsgefühl beim Treppenherabgehen als Folge einer traumatischen Meniskusschädigung mit nachfolgender Meniscektomie des rechten Kniegelenks und schätzte die MdE auf 15 v. H. ein. Unter Berücksichtigung der MdE auf neurologischem Fachgebiet betrage die Gesamt-MdE 50 v. H. Eine Nachuntersuchung sei von chirurgischer Seite nicht notwendig. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 24.07.1979 als Folgen des Arbeitsunfalls "leichte, latente Halbseitenlähmung rechts; Sprachstörung mit Polterkomponente; organische Wesensänderung mit Verlangsamung; Neigung zu depressiver Verstimmung und Hirnleistungsschwäche mit vorzeitiger Ermüdbarkeit; Merk- und Konzentrationsschwäche sowie Affektlabilität. Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Oberschenkels, vordere Schublade am rechten Kniegelenk nach Meniskusentfernung rechts" fest und bewilligte Verletztenrente ab 03.09.1973 nach einer MdE um 60 v. H.
Daraufhin erfolgte ein weiteres Rentenüberprüfungsverfahren, in dem die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Dres. D. und E., Abteilung Neurologie der Universität C., vom 16.10.1981 einholte. Die Gutachter schätzten die MdE auf Grund der neurologisch-psychiatrischen Schädigung mit 70 v. H. ein. Hierbei handele es sich um eine Dauerschädigung. Eine Verbesserung sei nicht mehr zu erwarten. Berücksichtigt werde insbesondere die erhebliche psychoorganische Veränderung sowie die für den Kläger und seine Umwelt belastende Wesensänderung mit vermehrter Reizbarkeit in Form von Aggressivität. Die übrigen Unfallfolgen in Form von Gleichgewichtsstörung, latenter Hemiparese rechts und Dysarthrie stünden im Vergleich zu dieser schwerwiegenden Persönlichkeitsänderung, die es dem Kläger nicht erlaube, ein eigenständiges Leben zu führen, im Hintergrund. Die von chirurgischer Seite beschriebene Schädigung mit einer dafür angesetzten MdE um 15 v. H. bestehe nach wie vor. Zusammenfassend sei eine Gesamt-MdE um 80 v. H. angemessen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 06.11.1981 gaben die Sachverständigen an, seit der letzten maßgebenden Begutachtung seien Veränderungen in den Verhältnissen nicht eingetreten. Diese Verhältnisse seien von Ihnen anders beurteilt worden. In einer weiteren Stellungnahme vom 30.11.1981 führten die Gutachter aus, die MdE um 80 v. H. bestehe seit Beginn der Arbeitsfähigkeit des Klägers. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22.12.1981 unter Aufrechterhaltung der bereits festgestellten Unfallfolgen Verletztenrente ab 01.01.1977 nach einer MdE um 80 v. H.
Zwecks Prüfung, ob eine stationäre Behandlung oder sonstige Behandlungsmaßnahmen wegen der Unfallfolgen notwendig sind, holte die Beklagte das nervenärztliche Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Umweltmediziners Dr. D. vom 16.09.1996 ein. Der Gutachter diagnostizierte ein schweres Schädelhirntrauma mit Contusio Cerebri mit anhaltender psyeudoneurasthener Schwäche und ängstlich depressiv gefärbtem hirnorganischen Psychosyndrom, ursprünglich narbenbedingte postkontusionelle Kopfschmerzen, zwischenzeitlich überlagert auch analgetika-induziert, und ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom. Nach wie vor seien eine latente Hemisymptomatik rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom vom Ausmaß einer Wesensänderung und eine pseudo-vulväre Dysarthrie nachzuweisen. Stärker als früher stelle sich zwischenzeitlich ein depressives Syndrom dar, welches teilweise extrem ängstlich gefärbt und auch mit Panikattakten in den letzten Jahren verbunden gewesen sei. Wegen Suizidalität seien geschlossene stationäre Behandlungen notwendig gewesen. Das Wirbelsäulensyndrom sei unfallunabhängig. Nach wie vor liege eine MdE um 80 v. H. vor. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer wieder psychiatrische Auffälligkeiten in verstärktem Maße aufgetreten seien, rechtfertige keine MdE-Erhöhung.
Zwecks Prüfung, ob laufende Behandlungsmaßnahmen unfallbedingt erforderlich sind, holte die Beklagte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 29.10.2007 ein. Der Gutachter diagnostizierte eine Hemisymptomatik rechts und ein hirnorganisches Psychosyndrom nach Contusio Cerebri sowie eine organische affektive Störung. Diagnostisch gehe er weiterhin von einer kognitiven Beeinträchtigung und organisch bedingten affektiven Störung aus. Wesentliche neue Aspekte im Vergleich zu den Vorgutachten seien nicht festzustellen. An der bisherigen MdE-Einstufung sei festzuhalten.
Der Kläger beantragte am 31.03.2008 die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 28.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2008 ab. Die hiergegen am 01.10.2008 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene, unter dem Aktenzeichen S 10 U 3433/08 geführte, Klage nahm der Kläger am 22.10.2009 zurück.
Der Kläger beantragte am 18.01.2010 erneut die Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE. Die Beklagte holte den Befundbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums C. vom 11.05.2010 ein und zog deren Arztbrief vom 08.03.2005 bei. Sie holte ferner die Befundberichte des Urologen G. vom 26.05.2010 sowie 13.04.2011 ein und zog dessen Arztbriefe vom 20.09.2009, 22.11.2009 sowie 14.05.2010 bei. Aktenkundig wurde außerdem der H-Arzt-Bericht des Orthopäden Dr. H. vom 01.03.2012. Im Rahmen eines auf die Gewährung einer physiotherapeutischen Heilbehandlung gerichteten, unter dem Aktenzeichen S 2 U 721/12 geführten, Klageverfahrens holte das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das orthopädische Gutachten des Orthopäden und Rheumatologen Dr. I. vom 14.11.2012 ein. Der Sachverständige führte darin aus, weder das von ihm diagnostizierte lokale Zervicalsyndrom bei deutlich degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule ohne radikuläre Symptomatik mit mäßiggradigen Funktionseinbußen noch die von ihm diagnostizierte linksseitige Thorakolumbalskoliose bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen ohne wesentliche Funktionseinbußen und ohne neurologische Auffälligkeiten seien unfallbedingt. Aktenkundig wurde sodann der Arztbrief des Orthopäden Dr. K. vom 31.08.2011.
Der Kläger beantragte am 25.02.2013 eine Überprüfung und Neufeststellung.
Die Beklagte lehnte die Anträge vom 18.01.2010 und 25.02.2013 mit Bescheid vom 17.10.2013 ab. Es ergäben sich keine Hinweise, dass bei Erlass des Bescheides vom 22.12.1981 das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weshalb dieser Bescheid nicht zurückzunehmen sei. Ebenso wenig könne dem Gutachten des Dr. I. entnommen werden, dass im Vergleich der bei dieser Untersuchung erhobenen Befunde mit den im Bescheid vom 22.12.1981 anerkannten Unfallfolgen eine wesentliche Änderung in den der Rentengewährung zu Grunde liegenden Verhältnissen eingetreten sei. Hiergegen erhob der Kläger am 21.11.2013 Widerspruch. Er führte zur Begründung aus, bei der MdE um 80 v. H. frage es sich, welcher Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch allgemein zugänglich sein solle. Aber auch die zwischenzeitliche Entwicklung dürfte eine MdE um 100 v. H. nahelegen. Ein aktuelles Gutachten bezogen auf den Jetzt-Zeitpunkt liege offenbar nicht vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 26.05.2014 Klage zum SG erhoben. Es sei nicht dargetan worden, warum nicht die Folgen des Arbeitsunfalls mitursächlich für die aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden seien. Eine abstrakte Schadensberechnung ergebe eine MdE um 100 v. H. Stattgefunden hätten ein Schädelbasisbruch und eine Quetschung des Gehirns. Eine Halbseitenlähmung rechts sei gleichfalls davon getragen worden. Es bestünden schwere psychische Störungen. Ein Suizidversuch habe bereits stattgefunden. Es bestünden ständige Kopfschmerzen. Ohne Schmerzmittel könne er nicht mehr leben. Die Schmerzmittel wiederum hätten schwere Nebenwirkungen. Es bestehe eine Inkontinenz. Es erscheine ausgeschlossen, dass noch eine Erwerbsfähigkeit verbleibe, weshalb die MdE bei 100 v. H. liegen müsse.
Das SG hat Dres. L. und M., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums C., unter dem 04.11.2014 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Sie haben ausgeführt, der Kläger leide unfallbedingt an einer organisch-bedingten affektiven Störung. Differenzialdiagnostisch könne hier auch eine organische Persönlichkeitsstörung in Erwägung gezogen werden. Es handele sich demnach um eine psychische Störung als Folge einer organischen, cerebralen Störung. Psychopathologisch hätten sich zuletzt eine gute Stimmung, ein unauffälliger Handlungsantrieb, ein leicht reizbarer und labiler Affekt, sowie eine im Gespräch etwas verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit bei unauffälliger Mnestik gezeigt. Das formale Denken sei geordnet, jedoch auf den Arbeitsunfall und die psychischen Beschwerden eingeengt. Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, Ängste oder eine Zwangssymptomatik zeigten sich nicht. Eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung bestehe nicht. Aus diesen Diagnosen ergäben sich beim Kläger immer wieder wiederkehrende Phasen gedrückter Stimmung bei insgesamt schwankender Stimmungslage sowie wiederkehrende Phasen verminderten Antriebs, impulshafter Handlungen, von Reizbarkeit sowie von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Jedenfalls seit 2012 zeige sich ein unverändertes psychopathologisches Bild und damit zusammenfassend keine wesentliche Änderung.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2015 die Klage abgewiesen. Es ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers seit der letzten Begutachtung durch Dr. F ... Eine solche sei auch nicht konkret vorgetragen worden. Vielmehr hätten Dres. L. und M. einen seit damals unveränderten Gesundheitszustand bestätigt. Dr. F. wiederum habe bestätigt, dass sich der Gesundheitszustand seit den vorherigen Begutachtungen, in denen die MdE auf 80 v. H. eingeschätzt worden sei, nicht geändert habe. Damit liege keine wesentliche Änderung seit Erlass des Bescheides vom 22.12.1981 vor. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Überprüfung könne der Kläger keine höhere Rente verlangen. Die Beklagte habe sich bei der Festlegung der MdE um 80 v. H. auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Prof. Dr. N. gestützt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schätzung der MdE zum damaligen Zeitpunkt bestünden nicht. Vielmehr werde diese Einschätzung nachvollziehbar auch von Folgegutachten geteilt.
Gegen den ihm am 11.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 09.03.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Er hat zur Begründung ausgeführt, die Verhältnisse hätten sich verschlechtert. Außerdem sei die MdE um 80 v. H. zu gering angesetzt gewesen. In der Tat frage es sich, welcher Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der schweren Verletzung noch vorhanden sein solle. Offenbar setze sich die MdE aus 70 v. H. neurologisch und 15 v. H. orthopädisch zusammen. Da eine wechselseitige Verstärkung zu befürchten sei, sei die MdE um 100 v. H. längst erreicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 4. Februar 2015 abzuändern/aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2014 zu verurteilen, ihm Verletztenvollrente statt einer Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung auf den Inhalt der Akten und des aus ihrer Sicht zutreffenden Gerichtsbescheides des SG.
Der Kläger hat zunächst die Einholung eines Gutachtens auf eigenes Kostenrisiko beantragt, allerdings den vom Senat sodann angeforderten Kostenvorschuss nicht eingezahlt. Daraufhin hat der Senat dies dem anwaltlich vertretenen Kläger mitgeteilt und dargelegt, es sei beabsichtigt in der Sache ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, sofern ein entsprechendes Einverständnis vorgelegt werde. Sodann haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 04.02.2015, mit dem die auf die teilweise Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22.12.1981 und die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie die dementsprechende Aufhebung des dies ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 17.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 gerichtete kombinierte Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG abgewiesen worden ist.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihren Bescheid vom 22.12.1981 teilweise zurückzunehmen oder aufzuheben und dem Kläger Verletztenrente nach einer höheren MdE als 80 v. H. zu gewähren.
Ermächtigungsgrundlagen für eine Rücknahme oder Aufhebung dieses Bescheides sind §§ 44 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist bei der Feststellung der sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, richtenden MdE eine solche Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gilt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris Rz. 12 unter Hinweis auf BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R - juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris).
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend ausgeführt, weshalb die Beklagte im vorliegenden Verfahren zu Recht ihren Bescheid vom 22.12.1981 weder teilweise zurückgenommen noch teilweise aufgehoben hat und die dem Kläger gewährte Rente weiterhin nach einer MdE um 80 v. H. gewährt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Der Senat ist der Ansicht, dass sich die Beklagte bei Erlass ihres Bescheides vom 22.12.1981 rechtmäßig auf die überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. A. vom 05.01.1979, des Dr. B. vom 19.01.1979 sowie der Dres. D. und E. vom 16.10.1981 gestützt hat.
Ferner ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere unter Berücksichtigung der Gutachten des Dr. D. vom 16.09.1996, des Dr. F. vom 29.10.2007 und des Dr. I. vom 14.11.2012 sowie der sachverständigen Zeugenauskunft der Dres. M. und O. vom 04.11.2014 keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen. Nach dem Gutachten des Dr. D. vom 16.09.1996 befand sich der Kläger schon damals in einem relativ stabilen Zustand und rechtfertigte die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer wieder psychiatrische Auffälligkeiten in verstärktem Maße auftraten, keine Erhöhung der nach wie vor 80 v. H. betragenden MdE. Dr. F. stellte in seinem Gutachten vom 29.10.2007 keine wesentlich neuen Aspekte im Vergleich zu den Vorgutachten fest und hielt an der bisherigen MdE-Einstufung fest. Auch aus dem Gutachten des Dr. I. vom 14.11.2012 ergeben sich keine Abweichungen zu Vorgutachten. Ferner decken sich die von Dres. M. und O. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.11.2014 beschriebenen Gesundheitsstörungen im Wesentlichen mit den im Bescheid vom 22.12.1981 festgestellten Unfallfolgen. Sie gaben ferner an, dass sich jedenfalls seit 2012 ein unverändertes psychopathologisches Bild und damit zusammenfassend keine wesentliche Änderung gezeigt hat.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des SG eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Substantiierte Einwendungen gegen die auch aus Sicht des Senats überzeugenden Ausführungen der Beklagten und des SG hat der Kläger nicht erhoben. Im Gegensatz zu der Ansicht des Klägers ist bei ihm tatsächlich noch ein Erwerbsrest auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden und liegt bei der Einzel-MdE um 70 v. H. auf neurologischem Fachgebiet und der Einzel-MdE um 15 v. H. auf orthopädischem Fachgebiet keine eine Gesamt-MdE um 100 v. H. bedingende wechselseitige Verstärkung vor. So ist es dem Kläger immerhin möglich gewesen, trotz seiner Gesundheitsstörungen eine Ausbildung zum Bürokaufmann zu durchlaufen und seither bei der Lebenshilfe R. in der Verwaltung berufstätig zu sein.
Nach alledem lässt sich beim Kläger keine höhere MdE als 80 v. H. rechtfertigen.
Daher war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem ursprünglich vom Kläger nach § 109 SGG gestellten Antrag, Dr. P. als Sachverständigen zu hören, hatte der Senat nicht nachzugehen, da der Kläger an diesem Beweisantrag in seinem späteren Schriftsatz, mit dem er sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat, nicht mehr festgehalten hat. Hieran ändert auch der in der Berufungsschrift formelhaft wiedergegebene Zusatz, hilfsweise werde unter anderem für den Fall des § 124 Abs. 2 SGG an etwa künftig noch gestellten Beweisanträgen ausdrücklich als solchen festgehalten, nichts. Denn ein schon gestellter Beweisantrag muss grundsätzlich im Sinne seiner Warnfunktion bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung im Rahmen des Einverständnisses hierzu ausdrücklich aufrecht erhalten werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 160 Rz. 18c).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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