L 2 SF 1275/15 EK

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 1275/15 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt H., für die Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) geltend. Er stützt sein Begehren auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer auf das vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gewesene Klageverfahren S 21 AS 1176/13.

Mit dieser am 26.2.2013 erhobenen Klage begehrte der Kläger vom Jobcenter Landkreis E. (im Folgenden nur Jobcenter) die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.650 EUR für die Ersatzbeschaffung einer Kücheneinrichtung und für Vorhänge nach einem Umzug innerhalb des Hauses. Das SG-Verfahren endete durch Urteil vom 17.9.2014.

Der Verfahrensablauf stellte sich wie folgt dar: Das Jobcenter nahm am 28.3.2013 zur Klage Stellung und legte die Verwaltungsakten vor. Am 4.4.2013 erteilte das SG den Hinweis, dass der Rechtsstreit zu einem Erörterungstermin vorgemerkt sei, ältere Verfahren seien vorrangig. Am 1.8.2013 und 20.8.2013 forderte das SG den Kläger in Vorbereitung des Erörterungstermins auf, genauere und klarstellende Angaben zu den Einrichtungsgegenständen zu machen. Hierauf antwortete der Kläger am 19.8.2013 und 28.8.2013, was das SG am 2.9.2013 dem Jobcenter zur Stellungnahme binnen 4 Wochen weiterleitete. Auf die Erinnerung des SG vom 15.10.2013 teilte das Jobcenter telefonisch mit, dass vor Abgabe der Stellungnahme zur Überprüfung, ob Anschaffungen getätigt worden seien, ein Hausbesuch beim Kläger vorgesehen sei (Aktenvermerk vom 28.10.2013). Am 28.11.2013 erinnerte das SG das Jobcenter nochmals an die Stellungnahme, die am 28.11.2013 einging. Darin teilte das Jobcenter mit, dass der Kläger dem ursprünglich für den Hausbesuch am 11.11.2013 vereinbarten Termin durch E-Mail am 6.11.2013 widersprochen habe. Es sei unklar, welche Küchenmöbel der Kläger seit dem Umzug am 1.11.2012 benutze. Den daraufhin für sachdienlich gehaltenen Erörterungstermin lud das SG am 9.12.2013 zum 20.12.2013. Im Erörterungstermin wurde vereinbart, dass der Kläger Fotos und Zeichnungen zum Nachweis seines Bedarfes für Küche und Fenster vorlegt.

Der Kläger legte am 8.1.2014 ein Foto, das im Wesentlichen einen Herd und daneben eine Spüle abbildet, sowie einen Grundrissplan der Wohnung vor. Unter dem gleichen Datum leitete das SG dies zur Stellungnahme binnen 4 Wochen an das Jobcenter weiter. Nach Kammerwechsel Anfang Februar 2014 erinnerte das SG den Beklagten am 17.2.2014. Das Jobcenter bot dem Kläger mit Schreiben vom 20.2.2014 (Eingang beim SG am 24.2.2014) für die Anschaffung von Vorhängen 67 EUR pauschal an und hielt hinsichtlich der Küche das Foto nicht für aussagekräftig. Das Angebot lehnte der Kläger am 5.3.2014 ab und bemängelte die Nachfristgewährung an das Jobcenter. Am 6.3.2014 leitete das SG die Antwort des Klägers dem Jobcenter zur Kenntnis weiter und merkte den Rechtsstreit zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid vor. Auf Anforderung des Jobcenters übersandte das SG die Verwaltungsakten am 21.3.2014 auf 2 Wochen. Die Rücksendung der Verwaltungsakten verzögerte sich auf den 2.5.2014, nachdem diese dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) in einem weiteren Verfahren vorgelegt werden mussten. Zwischenzeitlich forderte das SG den Kläger am 16.4.2014 zur Vorlage von aussagekräftigen Fotos und weiterer Auskunft über das Vorhandensein eines Kühlschranks und die Funktionsfähigkeit des Herdes auf. Der Kläger teilte am 29.4.2014 eine starke Funktionseinschränkung hinsichtlich des Backraums und der entsprechenden Kochplatten sowie defekte Herdschalter mit, ohne dies näher zu bezeichnen. Gleichzeitig erhob er Verzögerungsrüge und bemängelte, dass das SG die Trödelei des Jobcenters zulasse. Er legte weitere Fotos von der Küche und zum Beleg der Notwendigkeit von Vorhängen vor. Diese Unterlagen leitete das SG dem Jobcenter am 30.4.2014 zur Stellungnahme binnen 4 Wochen und verbunden mit der Frage weiter, ob Kosten für den Herd übernommen werden könnten. Unter dem 16.6.2014 erinnerte das SG das Jobcenter an die Abgabe der Stellungnahme. Dieses hielt an seiner Auffassung fest, dass nur die Pauschale für die Vorhänge i.H.v. 67 EUR übernommen werden könne. Am 25.6.2014 fragte das SG beim Kläger an, ob er das Teilanerkenntnis annehme und den Rechtsstreit für erledigt erkläre, ansonsten wurde ein Gerichtsbescheid angekündigt. Mit Fax vom 29.6.2014 lehnte der Kläger die Annahme des Teilanerkenntnis ab und stimmte einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zu. Unter dem 1.7.2014 teilte das SG dem Kläger mit, dass der Rechtsstreit zum Termin vorgemerkt sei. Am 30.7.2014 verfügte das SG die Terminierung zum 17.9.2014, in dem durch Urteil entschieden wurde. Mit Urteil vom 17.9.2014 sprach das SG dem Kläger entsprechend den Teilanerkenntnissen des Jobcenters (67 EUR für Vorhänge am 20.2.2014 und 90 EUR für die Erstausstattung mit einem Kühlschrank im Termin) 157 EUR als Kosten der Erstausstattung zu und wies die Klage im Übrigen ab.

Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.3.2015 - L 12 AS 4232/14). Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen (Beschluss vom 11.8.2015 - B 14 AS 111/15 B).

II.

1. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ist für die erhobene Entschädigungsklage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. den §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -), da es sich beim Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

2. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mit der Klage vertretene Standpunkt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vertretbar erscheint oder anders formuliert, bei summarischer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsmittels besteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl.; § 73a Rn. 7, 7a mwN); im tatsächlichen Bereich müssen Tatsachen erweisbar sein; ein günstiges Beweisergebnis darf nicht unwahrscheinlich sein. Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber eine nur entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88- BVerfGE 81, 347 und Beschluss vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 2237/09-; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr. 19; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvR 1263/11- und vom 20. März 2012 - 1 BvR 3069/11-).

Nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung besteht für die Entschädigungsklage keine hinreichende Erfolgsaussicht, weil die Dauer des Ausgangsverfahrens nicht als überlang zu werten sein dürfte.

Der Kläger hat die Entschädigungsklage zulässig auf das sozialgerichtliche Ausgangsverfahren S 21 AS 1176/13 beschränkt (BSG, Urteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 1/13 R - juris Rn. 21; vgl. auch Senatsbeschluss vom 21.10.2014 - L 2 SF 3771/14 EK mit Hinweis auf Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4.12.2013 - L 11 SF 398/13 EK AS und Beschluss vom 30.6.2014 - L 11 SF 364/12 VE AS). Streitgegenständlich ist damit nur die Dauer des Klageverfahrens vor dem SG, nicht jedoch die des Berufungsverfahrens vor dem LSG.

Nach § 198 Abs. 1 GVG (in der seit 3.12.2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 ÜGG) wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt in der Regel 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens 6 Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens 6 Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG).

Der Antragsteller hat die danach erforderliche Verzögerungsrüge am 29.4.2014 wirksam erhoben und auch die "Wartefrist" des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG gewahrt, nachdem er erst am 7.4.2015 die Klage auf Entschädigung erhoben hat. Zwischen Verzögerungsrüge und Klagerhebung liegen mehr als sechs Monate. Auch ist die Klagefrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG gewahrt, da das BSG erst nach Klageerhebung am 7.4.2015 durch Beschluss vom 11.8.2015 über die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers abschlägig entschieden hat, wodurch Rechtskraft eingetreten ist (§ 160a Abs. 4 S. 3 SGG).

Der Erfolgsaussicht der Klage steht jedoch entgegen, dass das Verfahren S 21 AS 1176/13 nicht als überlang anzusehen sein dürfte.

Das gerügte Verfahren vor dem SG hat vom 26.2.2013 bis zum 17.9.2014, somit 1 Jahr und knapp 7 Monate gedauert.

Eine allgemeingültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, wann ein Verfahren unangemessen lange dauert - insbesondere als feste Jahresgrenze oder Monatsgrenze - angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214; Scholz, Sozialgerichtsbarkeit 2000, S.19, 21; Roller, DRiZ 2012 Heft 6 Beilage, S. 7; BSG Beschluss vom 16.12.2013 – B 10 ÜG 13/13 B –, juris Rn. 6 f). Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist - wie in allen übrigen Verfahren - auch bei Gerichtsverfahren, die Ansprüche aus dem SGB II betreffen, im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. BSG, Urteil vom 3.9.2014 – B 10 ÜG 2/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 3, Rn. 23; BVerfG Beschluss vom 27.9.2011 – 1 BvR 232/11 - Rn. 16 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S.22).

Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL), der sich der Senat anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtssuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist.

Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles, sowie die Bedeutung des Rechtsstreits. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.

Insgesamt dürfte die Verfahrensdauer von knapp 19 Monaten nicht als überlang zu werten sein, zumal davon eine angemessene Vorbereitungs -und Bedenkzeit des Gerichts in Abzug zu bringen ist, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden können. Diese Zeit beläuft sich auf bis zu 12 Monaten je Instanz vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - , juris), die hier nicht vorliegen.

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze ist hinsichtlich der Schwierigkeit des Verfahrens, die sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Umständen resultieren kann, im Hinblick auf das beim SG anhängig gewesene Klageverfahren auf Erstausstattung nach Wohnungswechsel von einem durchschnittlichen Verfahren auszugehen.

Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe Roderfeld in Marx/Roderfeld Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, Handkommentar 2012, § 198 GVG Rn. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben. Bezogen auf das vorliegende Verfahren ist hier festzustellen, dass Streitgegenstand des Klageverfahrens beim SG die finanzielle Unterstützung zur Ausstattung der Wohnung mit Vorhängen und für die Benutzbarkeit der Küche war. Angesichts der behaupteten Einsehbarkeit der Wohnung und des nicht Vorhandenseins eines Kühlschranks und eingeschränkten Betriebsfähigkeit des Herdes und Backofens kann von einem gesteigerten Interesse an einer baldigen Entscheidung ausgegangen werden, weil es sich um die behauptete Befriedigung elementarer Wohnbedürfnisse handelte.

Des weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. Das heißt auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO Seite 10/11 mit verschiedenen Beispielen; Roderfeld aaO Rdnr. 12). Dem Verhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren kommt unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung einer Verzögerung ganz wesentliches Gewicht zu (BSG, Urteil vom 3.9.2014, a.a.O. Rn. 39).

Staatliches Fehlverhalten bei der Förderung des Verfahrens durch das SG lässt sich nicht feststellen. Bearbeitungslücken sind nicht zu verzeichnen. Der knapp 4-monatige Stillstand zu Beginn des Verfahrens ist als Wartefrist für den in Aussicht gestellten Erörterungstermin im Hinblick auf vorrangige ältere Verfahren angemessen und vom Kläger hinzunehmen. Auch hat das SG das Verfahren in angemessener Weise gefördert. Eine mutwillige Verschleppungsabsicht des Jobcenters, wie sie der Kläger moniert, ist einerseits nicht erkennbar, da dem Jobcenter als Behörde eine gewisse Bearbeitungszeit auch in gerichtlichen Verfahren zuzugestehen ist. Andererseits hat sich das SG hinsichtlich der dem Jobcenter eingeräumten Fristen zur Stellungnahme und der im Laufe des Verfahrens erforderlich gewordenen 4 Erinnerungen vom 15.10.2013, 28.11.2013, 17.2.2014 und 16.6.2014 im Rahmen des üblichen Geschäftsablaufs bewegt, indem es dem Jobcenter 4-Wochen-Fristen zur Stellungnahme eingeräumt und dann Erinnerungen ausgesprochen hat, die zur unverzüglichen Erledigung durch das Jobcenter geführt haben. Zudem sind die Erinnerungen vom 15.10.2013 und vom 28.11.2013 dem Verhalten des Klägers zuzuschreiben, der den zuvor auf den 11.11.2013 vereinbarten Termin zum Hausbesuch zur Ermittlung seines strittigen Bedarfs, den das Jobcenter sachgerecht vor der Abgabe der Stellungnahme abwarten wollte, kurzfristig doch wieder am 6.11.2013 abgesagt hat. Eine Verletzung der richterlichen Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (vgl. BSG, Urteil vom 3.9.2014 a.a.O. Rn. 49), kann in der Verfahrensführung des SG nicht erkannt werden. Soweit der Kläger sich durch die ihm kürzer eingeräumte Äußerungsfrist gegenüber dem Jobcenter ungleich behandelt sieht, ist dies unerheblich, weil es für ihn keinen Schaden begründet, sondern eher zur Beschleunigung des Verfahrens führt. Die gegenüber dem Jobcenter verkürzte Fristsetzung in der Verfügung vom 20.8.2013 auf 2 Wochen und im Schreiben vom 16.4.2014 auf 3 Wochen liegt zudem in der Sache begründet. So wurde der Kläger vom SG lediglich zu einer klarstellenden Mitteilung von in seiner Sphäre liegenden Tatsachen und zur Vorlage eines Fotos aufgefordert. Zudem hätte der Kläger jederzeit die Möglichkeit gehabt eine Fristverlängerung zu beantragen, wohingegen er jedoch immer unverzüglich vor Fristablauf auf die Schreiben des SG reagiert hat. Welcher Nachteil dem Kläger daraus entstanden sein soll, ist nicht ersichtlich.

Als wesentlichen Beitrag für die Dauer des Verfahrens wertet der Senat jedoch das Verhalten des Klägers. Er hätte es in der Hand gehabt, dass das Verfahren schon im November oder Dezember 2013 seinen Abschluss hätte finden können. Letztlich ist der Kläger mit seinem Begehren in beiden Instanzen erfolglos geblieben, weil er seinen Bedarf für die begehrten Leistungen über die ihm auf Grund der beiden Teilanerkenntnisse des Jobcenters zugesprochenen Bedarfe hinaus nicht nachgewiesen hat. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, den vereinbarten Hausbesuch stattfinden zu lassen. So hätte sich das Jobcenter vor Ort einen Eindruck über den tatsächlichen Bedarf verschafft und den Bedarf für einen Kühlschrank als Erstausstattung schon zu dem Zeitpunkt anerkennen können. So haben auch das nicht aussagekräftige Foto - am 8.1.2014 übersandt - und die unpräzisen Angaben zur Funktionsfähigkeit des Herdes (vom 29.4.2013) dazu geführt, dass immer noch weitere Unterlagen und Auskünfte zum Einschätzen der Vorort-Situation beim Kläger erforderlich wurden. Die Dauer des Verfahrens ist daher zu einem wesentlichen Teil dem Verhalten des Klägers zuzuschreiben.

Aus diesen Gründen hat das Klageverfahren keine Aussicht auf Erfolg und ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Entschädigungsklage abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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