L 10 U 4327/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 2683/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4327/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26.09.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls über den 30.03.2011 hinaus sowie deren Höhe streitig.

Die am 1956 geborene Klägerin arbeitet als Verkäuferin in einem Handarbeitsladen. Am 12.02.2009 stürzte die Klägerin bei ihrer abendlichen Rückkehr von dieser, bei der Beklagten versicherten Tätigkeit auf dem Weg von ihrem Kraftfahrzeug zur Haustür wegen Eisglätte, fiel nach hinten und verdrehte sich dabei den rechten Unterschenkel. Der Durchgangsarzt Dr. H. , Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie im Kreiskrankenhaus L. , diagnostizierte im Rahmen der Erstversorgung bei der Klägerin eine offene distale Unterschenkeltrümmerfraktur rechts. Im Zuge der Primärversorgung am Unfalltag erfolgte eine Plattenosteosynthese am Wadenbein sowie eine gelenküberschreitende Fixateur-Extern-Osteosynthese des Unterschenkels mit Naht der offenen Wunde.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H. im Juli 2009, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin, ein erstes Rentengutachten. Bei radiologisch noch nicht abgeschlossener Konsolidierung, Schonhinken rechts, Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk (OSG) und unteren Sprunggelenk (USG) rechts, Umfangs- und Kraftminderung des rechten Beins und belastungsabhängigen Schmerzen im Knöchelbereich bewertete Dr. H. die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit bis 31.12.2009 mit 20 v.H. Hierauf gestützt bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 13.10.2009 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 ab 05.05.2009. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass die Rente als vorläufige Entschädigung bei Änderung der Unfallfolgen jederzeit neu festgestellt werden könne und über ihr Widerspruchsrecht belehrt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Nachdem sich im Rahmen der radiologischen Kontrollen eine mangelhafte knöcherne Durchbauung der Schienbeinfraktur gezeigt hatte, war zur Vermeidung einer sogenannten Pseudarthrose im August 2009 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen eine Fibula-pro-Tibia-Beckenkammspongiosaplastik am rechten distalen Unterschenkel erfolgt. Im Auftrag der Beklagten erstattete Dr. H. auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin im November 2010 ein weiteres Rentengutachten zur erstmaligen Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit. Er stellte eine knöcherne Durchbauung mit ausgeprägter Kallusbildung im Bereich der distalen Tibia und eine komplette Konsolidierung des Frakturbereiches fest. Bei der Klägerin zeigte sich noch geringes Schonhinken rechts, Bewegungseinschränkungen im OSG und USG rechts, eine leichte Umfangsvermehrung im Innenknöchelbereich, eine Kraftminderung des rechten Beines sowie eine anhaltende Schwellneigung des rechten OSG. Die MdE betrage noch 10 v.H. Nach Anhörung entzog die Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2011 die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats März 2011 und lehnte eine Rentengewährung auf unbestimmte Zeit ab. Die Klägerin legte hiergegen am 09.03.2011 Widerspruch ein und "erweiterte" diesen Widerspruch mit Schreiben vom 21.03.2011 auch auf den Bescheid vom 13.10.2009 (Eingang bei der Beklagten: 24.03.2011). Der Reha-Berater habe ihr empfohlen, keinen Widerspruch gegen den ersten Rentenbescheid vom 13.10.2009 einzulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.03.2011 zurück. Nach überzeugendem Gutachten des Dr. H. sei die MdE lediglich mit 10 v.H. einzuschätzen. Mit weiterem Widerspruchsbescheid gleichen Datums wies die Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2009 zurück. Der Bescheid vom 13.10.2009 sei am selben Tag zur Post aufgegeben worden und gelte als am 16.10.2009 bekanntgegeben. Der Widerspruch der Klägerin sei indes erst am 24.03.2011 bei der Beklagten eingetroffen und damit nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist.

Gegen diese beiden Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 18.05.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und die "rückwirkende" Erhöhung der MdE auf 30 v.H. geltend gemacht. Es habe sich nach dem ersten, eine MdE von 20 v.H. feststellenden Gutachten eine Pseudarthrose eingestellt; dies habe eine Operation durch die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen mit anschließender Versteifung des Schienbeins/Wadenbeins erforderlich gemacht, wofür eine wesentlich höhere MdE zu gewähren sei. Leider habe man sie nicht darauf aufmerksam gemacht, hierfür einen Verschlimmerungsantrag zu stellen.

Das Sozialgericht hat eine Begutachtung auf unfallchirurgischem Gebiet durch Dr. B. , Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie des Kreiskrankenhauses R. , veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin im August 2011, bei vollständiger knöcherner Konsolidierung der Frakturen und bei radiologisch fehlenden Nachweisen für eine posttraumatische Arthrose sowohl in den Hüft- und Kniegelenken wie auch am betroffenen rechten oberen Sprunggelenk eine Schwellneigung, eine Beweglichkeitseinschränkung im OSG und USG und im Großzehengrundgelenk, eine mäßige Kraftminderung des rechten Beins, einen Belastungsschmerz, Gefühlsstörungen in der Narbe am Innenknöchel und am Fußrücken und eine störende Narbe am rechten Beckenkamm festgestellt. Am Hüft- wie auch Kniegelenk haben sich unauffällige knöcherne Verhältnisse ohne Arthrosen gezeigt. Der Sachverständige hat die MdE ab 30.11.2010 mit 10 v.H. eingeschätzt. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 26.09.2012, im Wesentlichen gestützt auf die Bewertungen im Gutachten des Dr. B. , welche, so das Sozialgericht, in Übereinstimmung mit der entsprechenden Literatur stünden, die Klage abgewiesen. Soweit die Klägerin auch die Überprüfung des Bescheides vom 13.10.2009 begehre, handele es sich um ein gesondertes Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Gegen den ihr am 29.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.10.2012 Berufung eingelegt. Sie bestreite nicht die in sämtlichen Gutachten beschriebene, hervorragende Konsolidierung des Trümmerbruchs. Die Beschwerden wären indes auf das gezielt veranlasste Zusammenwachsen des Schienbeins mit dem Wadenbein zurückzuführen. Sie sei seit dem Unfall 2009 in permanenter Behandlung und habe bezüglich der Grundbeschwerden/-behinderung keine Besserung erfahren. Eine Besserung gegenüber dem ursprünglichen, mit einer MdE von 20 v.H. bewerteten Zustand sei nicht eingetreten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26.09.2012 sowie den Bescheid vom 03.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 und den Bescheid vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. ab 05.05.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz, die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie das Gutachten des Dr. B ...

Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. B. nach Aktenlage eingeholt, in welcher der Sachverständige unter Berücksichtigung eines von der Klägerin vorgelegten Befundberichts über eine Computertomographie des rechten Unterschenkels an seiner bisherigen Beurteilung festgehalten hat.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Streitgegenständlich ist vorliegend zum einen der Bescheid vom 03.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011, mit dem die Beklagte die als vorläufige Entschädigung bewilligte Rente entzog und zugleich die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit ablehnte. Bestandteil des Berufungsverfahrens ist indes auch das klägerische Begehren, den Bescheid vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 dahingehend abzuändern, dass bereits ab 05.05.2009 eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. gezahlt wird. Über diesen Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ausdrücklich nicht entschieden. Es hat vielmehr ausgeführt, soweit die Klägerin eine "Überprüfung" des Bescheides vom 13.10.2009 begehre, handle es sich um ein gesondertes Verfahren nach § 44 SGB X. Die Klägerin kann insoweit nicht auf eine Urteilsergänzung nach § 140 SGG verwiesen werden. Denn Grundvoraussetzung für eine Urteilsergänzung ist stets, dass das Gericht über den Rechtsstreit in vollem Umfang entscheiden wollte, versehentlich aber nicht erschöpfend entschieden hat (BSG, Beschluss vom 02.04.2014, B 3 KR 3/14 B, SozR 4-1500 § 140 Nr. 2, auch zum Nachfolgenden). Von diesem Fall des versehentlichen Übergehens eines Teils des Klagebegehrens ist der Fall zu unterscheiden, in dem ein Gericht in einem Vollurteil bewusst über einen Teil des Klagebegehrens nicht entschieden und auf diese Weise gegen das in § 123 SGG enthaltene Gebot der umfassenden Entscheidung über die vom Kläger erhobenen Ansprüche verstoßen hat. Dieses bewusste Ausklammern eines Teils des Streitgegenstandes aus einem Vollurteil, d.h. ohne Beschränkung auf ein Teilurteil, wird von der Regelung des § 140 SGG über die Möglichkeit der Urteilsergänzung nicht erfasst. Das versehentliche Übergehen eines Klageanspruchs ist dadurch gekennzeichnet, dass das Gericht den Streitgegenstand zwar korrekt bestimmt, also die im Verlauf des Klageverfahrens gestellten Klageanträge zutreffend ausgelegt hat, bei der abschließenden Entscheidung aber irrtümlich einen aus der Sicht des Gerichts entscheidungsbedürftigen Punkt aus den Augen verloren, also schlicht übergangen hat. Im Gegensatz dazu steht das hier vorliegende bewusste Ausklammern eines Anspruchs aus der den gesamten Rechtsstreit abschließenden, also ein Vollurteil darstellenden Entscheidung, weil das Gericht, aus welchen Gründen auch immer, davon ausging, über diesen speziellen Punkt nicht mehr entscheiden zu dürfen bzw. zu müssen. Obgleich die Klägerin vorliegend durchgehend sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im sich anschließenden Klageverfahren eine rückwirkende Erhöhung der MdE auf 30 v.H. auch und gerade unter Abänderung des Bescheides vom 13.10.2009 begehrt hat, hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid keine Entscheidung über die gegen den Bescheid vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 gerichtete Klage getroffen und gemeint, es handle sich insoweit um ein gesondertes (Verwaltungs-)Verfahren nach § 44 SGB X. Es hat stattdessen der Klägerin einen sinngemäßen Antrag dahingehend unterstellt, dass sie (nur) eine Verurteilung der Beklagten zur (Weiter-)Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von mindestens 20 v.H. unter Aufhebung des Bescheides vom 03.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 begehre. Das Sozialgericht hat danach unzulässiger Weise von der hier möglicherweise prozessual sinnvolleren Vorgehensweise auf das Klägerbegehren geschlossen - dies allerdings entgegen dem erklärten Begehren der Klägerin. Dieser Rechtsirrtum des Sozialgerichts, der auf einer unzutreffenden Auslegung des geltend gemachten Klagebegehrens beruht, ist indes, so das Bundessozialgericht (a.a.O.), typischer Grund für eine bewusste Ausklammerung eines Teils des Klagebegehrens aus der einen Rechtsstreit (eigentlich) abschließenden Entscheidung durch ein Vollurteil. In einem solchen Fall ist es dann Sache der Berufungsinstanz, entsprechend § 133 BGB durch eigene Auslegung des Klägervorbringens in der ersten Instanz zu ermitteln, welchen Anspruch der Kläger wirklich erhoben hat und über dieses Begehren im Berufungsverfahren zu entscheiden. Für eine Urteilsergänzung ist dann kein Raum. Dementsprechend verfährt der Senat vorliegend und legt einen dem tatsächlichen Willen der Klägerin - wie er sich aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers darbietet und im Berufungsvorbringen der Klägerin nochmals manifest worden ist - entsprechenden Antrag zugrunde.

Die zulässige Berufung hat indes keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat zunächst den am 24.03.2011 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2009 zutreffend mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2011 als unzulässig verworfen. Der am 24.03.2011 eingegangene Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2009 ist verfristet. Denn die Klägerin legte den Widerspruch nicht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vom 13.10.2009 ein. Zwar findet sich weder auf dem Bescheid vom 13.10.2009 noch auf der in der Akte befindlichen Verfügung zur Rentengewährung ein Absendevermerk. Ein zeitnaher Zugang des Bescheids wird indes noch nicht einmal von der Klägerin bestritten. Vielmehr hat diese in der Klagebegründung mitgeteilt, der Berufshelfer der Beklagten habe ihr bei seinem Besuch am 08.10.2009 (laut Aktenvermerk des Berufshelfers erfolgte sein Besuch am 07.10.2009) - zu diesem Zeitpunkt lag der Bescheid noch nicht vor - empfohlen, keinen Widerspruch gegen die angekündigte Rentengewährung ab 05.05.2009 einzulegen. Deshalb habe sie von der Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 13.10.2009 abgesehen. Damit räumt aber die Klägerin selbst ein, den Bescheid vom 13.10.2009 erhalten zu haben. Dabei trägt sie auch nicht vor, den Bescheid deutlich nach dem 13.10.2009 erhalten zu haben, und sie bestreitet auch nicht den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid errechneten Zugangszeitpunkt 16.10.2009. Der Senat geht deshalb davon aus, dass eine Bekanntgabe jedenfalls im Oktober 2009 erfolgte. Andernfalls wäre auch eine Nachfrage der Klägerin bezüglich des angekündigten Bescheides zu erwarten gewesen. Angesichts einer Bekanntgabe des Bescheides deutlich vor dem Jahr 2011 kann das exakte Zugangsdatum offenbleiben; denn am 24.03.2011 war die Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG unter jedem denkbaren Gesichtspunkt abgelaufen. Anhaltspunkte für Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten (§ 67 SGG), liegen nicht vor. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe von einer fristgerechten Einlegung des Widerspruchs abgesehen, weil der Berufshelfer ihr hiervon abgeraten habe, begründet dies keine unverschuldete Fristversäumnis. Es liegt in der Natur der Sache und ist nicht zu beanstanden, dass ein Mitarbeiter einer Behörde, die dem Rechtsstaatsprinzip gehorchend zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln verpflichtet ist, keinen Anlass sieht, zur Einlegung eines Rechtsbehelfs zu raten, wenn, wie vorliegend, keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der behördlichen Entscheidung vorliegen und auch ansonsten keine besonderen Umstände gegeben sind. Soweit die Klägerin die Verletzung einer Informationspflicht geltend macht, ändert dies nichts an der versäumten Widerspruchsfrist.

Auch soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 03.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2011 richtet, bleibt sie ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente über den 31.03.2011 hinaus, weil sie nicht in einem Umfang von wenigstens 20 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Die Beklagte war daher berechtigt, die bislang gewährte vorläufige Entschädigung zu entziehen und zugleich die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit abzulehnen. Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sowie die Maßstäbe für die Bemessung des Grades der unfallbedingten MdE dargelegt und ist, gestützt auf das Gutachten des Dr. B. , zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die bei der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vorliegenden Gesundheitsstörungen jedenfalls für die Zeit ab 01.04.2011 keine MdE von wenigstens 20 v.H. rechtfertigen können. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren sowie die dortige Beweiserhebung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Als Folge des Unfalls vom 12.02.2009 liegen bei der Klägerin eine schmerzhafte Schwellneigung der rechten Sprunggelenksregion mit eingeschränkter Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk sowie im Großzehengrundgelenk, eine Minderung der groben Kraft des rechten Beines, Gefühlsstörungen im Narbenbereich über dem Innenknöchel und am Fußrücken, Parästhesien in der Narbe am rechten Beckenkamm und ein leichtgradig gestörtes Gangbild vor. Diese Unfallfolgen stehen aufgrund des Gutachtens des Dr. B. vom August 2011 auch für den Senat fest und sind zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig. Dagegen liegt bei der Klägerin keine Arthrose im Hüftgelenk bzw. Kniegelenk vor. Der von Dr. B. erhobene Röntgenbefund hat unauffällige knöcherne Verhältnisse belegt; es haben keine Arthrosen bestanden. Die von der Klägerin beklagten Überlastungsbeschwerden an Hüft- und Kniegelenk sind im Übrigen rückläufig, nachdem die Klägerin in der Zwischenzeit beim Muskelaufbau erhebliche Fortschritte gemacht hat, so Dr. B ...

Soweit die Klägerin eine höhere Bewertung mit der zumindest vorübergehenden Pseudarthrose begründet, steht dem entgegen, so Dr. B. , dass durch die Spongiosaplastik der erwünschte Effekt, nämlich das Zusammenwachsen von Schienbein und Wadenbein im Bereich der ehemaligen Pseudarthrose erfolgte und dadurch eine rasche Stabilisierung des ehemaligen Knochenbruches, der nur pseudarthrotisch ausgeheilt war, erreicht wurde. So lagen bereits zum Zeitpunkt der zweiten Begutachtung im Rentenverfahren durch Dr. H. wieder stabile Verhältnisse vor.

Auch die Synostose selbst kann, entgegen der Auffassung der Klägerin, keine Bewertung mit mehr als 10 v.H. rechtfertigen. So kam es bei der Klägerin im Gefolge der Fibula-pro-Tibia-Operation zu einem unkomplizierten Heilungsverlauf. Die Tibiafraktur stabilisierte sich in der üblichen Zeit und die eingebrachte Spongiosa wurde knöchern eingebaut, ohne dass die mögliche Komplikation eines Ermüdungsbruches der distalen Fibula eingetreten wäre, so Dr. B. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme gegenüber dem Senat. Bei vollständiger knöcherner Durchbauung der Tibiafraktur mit computertomographisch nachgewiesener kompletter Synostose zwischen Tibia und Fibula am rechten Unterschenkel liegt auch wieder ein regelrechter Kraftfluss vor. Bei damit regelrechter Funktion von Schien- und Wadenbein sind die Auswirkungen der Synostose auf das physiologische Verhalten im Bereich des tibiofibulären Gelenks am rechten oberen Sprunggelenk von untergeordneter Bedeutung, so nachvollziehbar Dr. B. (a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Die Folgen der reduzierten Elastizität im tibiofibulären Gelenk für das obere Sprunggelenk aufgrund der Synostose sind praktisch nicht messbar und fallen im Hinblick auf die bereits berücksichtigte Beweglichkeitseinschränkung im oberen Sprunggelenk nicht ins Gewicht. Die Synostose ist deshalb, so nach alledem schlüssig und nachvollziehbar der Sachverständige, für die Gesamtbeurteilung der MdE ohne relevanten Einfluss.

Nachdem aber andererseits die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks als vorliegend maßgebliche Funktionsbeeinträchtigung noch nicht einmal ein Ausmaß, wie es isoliert betrachtet eine MdE von wenigstens 10 v.H. rechtfertigen könnte, erreicht (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 678), geschweige denn die für eine MdE von 20 v.H. zu fordernde komplette Versteifung vorliegt, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auch unter Einbeziehung der Schwellneigung, der Kraftminderung des rechten Beins sowie des Belastungsschmerzes - diesbezüglich hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass mangels Vorliegen einer unüblichen Schmerzsymptomatik diese in der MdE-Bewertung der einzelnen Funktionsstörungen miteinbezogen ist - mit einer Gesamtbewertung von 10 v.H. zutreffend bewertet, so Dr. B ...

Es lag damit jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. H. im Rahmen der zweiten Begutachtung im November 2010 aufgrund der stattgehabten Stabilisierung bei der Klägerin keine MdE von wenigstens 20 v.H. mehr vor, weshalb die Beklagte durch einheitlichen Verwaltungsakt vom 03.03.2011 die vorläufige Entschädigung entziehen und zugleich die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit ablehnen konnte. Da die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2009 eine lediglich vorläufige Rentengewährung verfügte, greift vorliegend die Spezialermächtigung des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII, die in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 SGB X verdrängt (BSG, Urteil vom 16.03.2010, B 2 U 2/09 R in SozR 4-2700 § 62 Nr. 1). Der Vorläufigkeitsvorbehalt, welcher der Feststellung des Rentenanspruchs durch den Zusatz "als vorläufige Entscheidung" beigefügt war, schließt ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf diesen Verwaltungsakt insoweit aus, als dessen Regelung auf der Tatsache der noch nicht abschließend einschätzbaren MdE beruht. Soweit in § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII weiterhin die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit gefordert wird, bedeutet dies die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung über das subjektiv-öffentliche Recht eines Versicherten auf Rente (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese Entscheidung kann auch - wie vorliegend - negativ ausfallen, also zu der Feststellung führen, dass ein Rentenanspruch nicht besteht, weil die MdE den Wert von 20 v.H. nicht erreicht. Dabei ist, ohne dass dies angesichts der hier eingetretenen Besserung der Gesundheitsstörungen eine Rolle spielen würde, ohne Belang, ob eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist (§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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