L 15 SO 103/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 SO 6/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 103/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Bewilligung von Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt und von Beihilfen für die Zeit seit dem 21. April 2008, in der er sich in Sicherungsverwahrung befand und befindet.

Der 1959 geborene, also jetzt 56 Jahre alte Kläger, der den Beruf des Porzellanmalers erlernt und ein Studium in der Fachrichtung Industrie-Design bis zum Vordiplom absolviert hat, war vom 08. Juni 1998 bis 23. Dezember 2007 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) inhaftiert. Ab dem 24. Dezember 2007 befindet er sich dort in Sicherungsverwahrung.

Am 07. März 2008 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt und einmaliger Beihilfen (für Wohnungseinrichtung, Kleidung und "Ähnliches"). Er gab an, sich selbst versorgen zu wollen, da er seine Strafe verbüßt habe. Er sei jetzt schlechter versorgt als ein Strafgefangener. Die JVA unterbinde die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, z.B. als Künstler, Designer.

Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 27. März 2008 an die JVA und bat um eine fachliche Stellungnahme zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs des Klägers. In ihrer Antwort vom 11. April 2008 teilte die JVA mit, es bestünde kein Leistungsanspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), da die erforderliche Hilfe dem Kläger gemäß den §§ 71 - 75 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) gewährt werde.

Mit Schreiben vom 21. April 2008, eingegangen am 23. April 2008, teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er den Antrag auf Sozialhilfe erst "heute", also am 21. April 2008 stelle.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2008 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt während der Dauer der Sicherungsverwahrung ab. Er führte aus, dass nach § 130 StVollzG die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend auch für die Sicherungsverwahrung gelten würden. Damit obliege die Versorgung des Klägers in jeder Hinsicht der für die Anwendung bzw. Ausgestaltung dieses Gesetzes zuständigen Behörde bzw. Anstalt. Dies betreffe sowohl etwaige finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt wie das Taschengeld als auch Bekleidung und die Ausstattung der Unterkunft und aller sonstigen Lebensbereiche für die Dauer der Sicherungsverwahrung. Gleichzeitig sei damit die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen.

Mit dem am 10. November 2008 bei dem Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass das Strafvollzugsgesetz nicht zur Anwendung kommen dürfe, da er seine Strafe abgesessen habe. Die Bedingungen der Sicherungsverwahrung seien dieselben wie die in der Haft, dies sei verfassungswidrig. Der einzige Unterschied zu einem in Freiheit Lebenden dürfe nur sein, dass er, der Kläger, die JVA nicht verlassen dürfe, ansonsten müsse er leben können wie alle anderen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2008 hat der Beklagte den Widerspruch mit der gleichen Begründung wie der des angefochtenen Bescheides zurückgewiesen.

Mit der am 05. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Anwendung des Strafvollzugsgesetzes für ihn sei mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Es bedeute eine erneute Strafe für ihn, obwohl er seine Strafhaft abgesessen habe. Man müsse ihm ein Leben – mindestens - auf Sozialhilfeniveau ermöglichen.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 teilte der Kläger mit, dass er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden sei. Er begehrte, zu der Verhandlung vorgeführt zu werden.

Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. März 2012 wurde das persönliche Erscheinen des Klägers vom Sozialgericht nicht angeordnet.

Mit Urteil vom 21. März 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Sozialhilfe sei gegenüber den Ansprüchen nach dem Strafvollzugsgesetz subsidiär. Dieses sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 04. Mai 2011 (Az. 2 BvR 2333/08 u.a.) noch bis zum 31. Mai 2013 anzuwenden. Der Kläger müsse sich mit seinem Anliegen auf Einhaltung des Abstandsgebotes an die für ihn zuständige Vollzugsbehörde wenden. Da das Strafvollzugsgesetz dem Kläger Ansprüche auf volle Verpflegung (§ 21 StVollzG), Ausstattung mit Bettwäsche und Bekleidung (§ 20 StVollzG), eine wohnliche Ausstattung seines Haftraumes unter Berücksichtigung seiner persönlichen Bedürfnisse (§§ 131, 144 StVollzG) sowie auf Taschengeld (§ 133 StVollzG) gegenüber der Vollzugsbehörde einräume, deren Ausgestaltung im Einzelnen sich nunmehr an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu orientieren habe, bleibe für gleichartige Leistungen der Bedarfsdeckung durch Mittel der nachrangigen Sozialhilfe entgegen der Auffassung des Klägers kein Raum.

Gegen das am 30. März 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. April 2012 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Er begehre eine erneute Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Berlin. Er habe keine Teilnahmemöglichkeit an der Verhandlung erhalten, da die JVA ihm dies nicht ermöglicht habe. Die Sicherungsverwahrung in bisheriger Form sei verfassungswidrig. Alle Beschränkungen, außer dass er sich nicht außerhalb der JVA bewegen dürfe, seien verfassungswidrig. Für die Sozialhilfe seien entsprechend die geeigneten Gesetze für ihn anwendbar. Welche Gesetze dies im Einzelfall seien, könne er nicht im Detail erwähnen und auflisten, hierzu sei ein Rechtsanwalt notwendig, der ihm aber im Rahmen von nicht bewilligter PKH verweigert worden sei. Er wolle erreichen, dass er finanziell unterstützt werde, so als sei er draußen in Freiheit.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30. September 2015 hat der Kläger vorgetragen, keine Arbeit im Rahmen der Sicherungsverwahrung angenommen zu haben, weil diese zu schlecht bezahlt sei. Hinzu komme, dass einem als Sicherungsverwahrtem keinerlei Respekt entgegengebracht werde und man entsprechend schlecht behandelt würde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit ab dem 21. April 2008 sowie Beihilfen für die Anschaffung von Möbeln, Gebrauchsgegenständen und Bekleidung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Der Senat hat eine Anfrage an die JVA gestellt. In ihrer Antwort vom 14. August 2014 hat diese mitgeteilt, dass der Kläger Sicherheitsverwahrter und in der Einrichtung für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in der JVA untergebracht sei. Die Einrichtung befinde sich bis zum Umzug in das neue Gebäude derzeit noch in der Teilanstalt V der JVA. Dort seien im Hinblick auf die neuen gesetzlichen Maßgaben für die Sicherungsverwahrung umfangreiche bauliche und konzeptionelle Veränderungen vorgenommen worden. Der Umzug in den am 04. Juli 2014 übergebenen Neubau erfolge zeitnah nach erfolgreich durchgeführtem Probelauf. Die Ausgestaltung der Unterbringung, so auch die materielle Ausstattung, werde seit dem 01. Juni 2013 maßgeblich durch das Berliner Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (SVVollzG Bln) geregelt.

Seit dem Inkrafttreten des SVVollzG Bln sei die Selbstversorgung in der Einrichtung möglich. Die organisatorischen Voraussetzungen, um eine Selbstverpflegung zu ermöglichen, seien bereits im Altbau geschaffen worden. Je zehn Sicherungsverwahrte könnten eine gemeinschaftliche Küche benutzen. Diese Küchen seien ausgestattet mit Herd, Mikrowelle, Kühlschrank und Gefrierschrank usw. Kochgeschirr müssten die Sicherungsverwahrten derzeit selbst vorhalten. Im neuen Haus werde eine umfassende Grundausstattung mit Kochgeschirr vorhanden sein, die Zimmer der Verwahrten dann mit einem eigenen Kühlschrank ausgestattet. Das Kochen erfolge jedoch weiterhin in gemeinschaftlichen Küchen für je zehn Verwahrte, die Küchen seien umfassender und mit modernsten Elektrogeräten ausgestattet.

Einkauf für die Selbstversorgung sei wöchentlich gewährleistet und erfolge über einen mit der JVA kooperierenden Lieferanten, der alle zum täglichen Bedarf erforderlichen Lebensmittel etc. anbiete. Außerdem könnten Backwaren über die Bäckerei der JVA bestellt werden. Zusätzlich sei es möglich, Lebensmittel in Ausführungen einzukaufen und mit in die Anstalt zu bringen. Hierzu bestehe auch für den Kläger die Möglichkeit, da ihm Ausführungen gewährt würden.

Die Untergebrachten dürften sich gemäß § 58 Abs. 1 SVVollzG Bln selbst verpflegen, hierfür hätten sie die Kosten selbst zu tragen. Die Sicherungsverwahrten erhielten nach dieser Vorschrift monatlich (rückwirkend) einen finanziellen Zuschuss zur Selbstversorgung in Höhe der durch die nicht in Anspruch genommene Gemeinschaftsverpflegung ersparten Aufwendungen. Dies seien 5,00 Euro pro Tag. Der Kläger sei seit dem 01. Juni 2013 Selbstversorger und erhalte nach den vorgenannten Maßgaben monatlich einen Zuschuss von ca. 150,00 Euro für seine Verpflegung. Darüber hinaus erhalte er ein monatliches Taschengeld i. H. v. ca. 100,00 Euro. Dieses sei frei verfügbar und anteilig für die Selbstversorgung zu verwenden, sofern der Zuschuss nicht ausreiche. Von dem frei verfügbaren Teil der Einkünfte müssten die Untergebrachten jedoch auch den weiteren persönlichen Bedarf bestreiten, insbesondere Körperpflegemittel und andere Artikel des täglichen Bedarfs, Tabak, Gebühren für den Sat – TV – Empfang oder Telefonkosten.

Den Sicherungsverwahrten stünden vielfältige, nach Können und Interessen differenzierte Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Einrichtung sowie in den Arbeitsbetrieben der JVA zur Verfügung. In den Arbeitsbetrieben würden regelmäßig freie Arbeitsstellen angeboten. Es würden darüber hinaus eigene ergotherapeutische Arbeitsplätze in einer Korbflechterei und Fahrradwerkstatt in der Einrichtung angeboten. Die Beschäftigung in den ergotherapeutischen Werkstätten werde mit einer finanziellen Anerkennung gemäß § 60 Abs. 1 SVVollzG Bln vergütet.

Der Kläger sei seit Jahren ohne Arbeit und wolle ohne eine besondere Begründung nicht arbeiten. Es lägen keine Erkenntnisse vor, aus denen ersichtlich wäre, weshalb der Kläger nicht zur Arbeit in der Lage wäre. Die Vergütung erfolge entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit in verschiedenen Vergütungsstufen, es seien zusätzliche Leistungszulagen möglich. Die mittlere Vergütung, die bei Sicherungsverwahrten bei gleicher Arbeit grundsätzlich höher liege als bei Strafgefangenen, betrage derzeit 21,24 Euro brutto pro Arbeitstag, in Lohnstufe 5 würden beispielsweise 26,55 Euro brutto pro Arbeitstag bezahlt, ca. 1,5 Prozent des Bruttolohnes würden zur Wahrung von Ansprüchen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit dorthin abgeführt.

Nach den dortigen Erkenntnissen verfüge der Kläger über keine weiteren Einkünfte oder Vermögen außerhalb der Zuwendungen nach dem SVVollzG Bln. Finanzielle Verpflichtungen des Klägers, die Teil seiner Mittel binden würden, seien nicht bekannt geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2012 und der Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Soweit der Kläger begehrt hat, die Sache wegen der nicht erfolgten Ermöglichung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung an das Sozialgericht zurückzuverweisen, so gibt es hierfür keine Rechtsgrundlage. Eine Zurückverweisung ist gemäß § 159 SGG nur möglich, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Zuständigkeit des Bezirksamts Tempelhof–Schöneberg als Vertreter des Landes Berlin ergibt sich aus Nummer 4 Abs. 3 der Ausführungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit für die Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII (AV ZustSoz).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 19 Abs. 1, 27 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 2011 bzw. § 19 Abs. 1 Satz 1, 27ff SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), kann der Kläger, der grundsätzlich erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ist, wegen der Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II nicht erhalten, da er sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befindet.

§ 19 Abs. 1 bzw. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lauten bzw. lauteten:Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 03. September 2009 bezüglich der Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im erstinstanzlichen Verfahren (Az. L 15 SO 41/09 B PKH) ausgeführt hat, entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass grundsätzlich auch für Personen, die sich im Vollzug einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung befinden, sozialhilferechtliche Leistungsansprüche in Betracht kommen können. Es kommt aber im Einzelfall darauf an, ob der Zweck bzw. die Eigenart des Vollzuges die Hilfeleistung ausschließen, ob der mit der Hilfeleistung verfolgte Zweck auch während der Freiheitsentziehung erreicht werden kann und schließlich, ob der geltend gemachte Bedarf anderweitig, etwa durch den Vollzugsträger, gedeckt wird, denn Sozialhilfe wird grundsätzlich nur nachrangig gewährt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04. November 1976 – V C 7.76, dokumentiert in juris und in BVerwGE 51, 281; Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes – OVG – Nordrhein-Westfalen vom 06. November 2008, Az. 12 A 2587/07, dokumentiert in juris). Dieser Grundsatz ist in § 2 SGB XII normiert, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich allein durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Obwohl sich im Vergleich zu dem eben zitierten Beschluss des Senats vom 03. September 2009 zwischenzeitlich eine Änderung insoweit ergeben hat, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 04. Mai 2011 (Az. 2 BvR 2333/08 u. a., dokumentiert in juris und in BVerfGE 128, 326) grundlegende Ausführungen zur Frage der Verfassungsgemäßheit der Sicherungsverwahrung gemacht hat, ist ein Anspruch des Klägers auf Sozialhilfeleistungen nicht gegeben. Das BVerfG hat ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung nur zu rechtfertigen ist, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der "äußeren" Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten, als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug ("Abstandsgebot") – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.

Ein Anspruch des Klägers auf – ggf. ergänzende – Sozialleistungen ergäbe sich nur, wenn ihm die notwendigen Leistungen nicht gewährt werden würden. Dies ist jedoch der Fall, da die Ansprüche des Klägers erfüllt worden sind und erfüllt werden bzw. er bestimmte Bedarfe, die möglicherweise noch nicht gedeckt sind, durch Aufnahme einer Arbeit decken könnte.

Es bestand und besteht für den Kläger ein Anspruch auf bedarfsdeckende Leistungen nach dem StVollzG (dort die §§ 131ff) und nach Inkrafttreten des SVVollzG Bln zum 01. Juni 2013 aus diesem, und zwar dort aus den §§ 51ff. Der Senat verweist auf den Beschluss des Kammergerichts (KG) Berlin vom 19. Dezember 2013, Az. 2 Ws 514/13 u. a., dokumentiert in juris, wonach der Vollzug der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich den gesetzlichen Anforderungen der Umsetzung des Abstandsgebots entspricht. Das Kammergericht hat dies bereits angenommen für die Zeit, in der der Neubau für die Sicherungsverwahrten, der im September 2014 in Betrieb genommen wurde, noch nicht fertiggestellt war. Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf den genannten Beschluss des Kammergerichts Bezug.

Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Geldleistungen zur Sicherstellung der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Die Anfrage an die Leitung der JVA ergab durch deren Antwort vom 14. August 2014, dass dem Kläger monatlich ca. 150 Euro für seine Verpflegung zur Verfügung stehen. Gemäß § 28 SGB XII in Verbindung mit § 5 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG) war zum Stand 1. Januar 2011 für die Abteilung 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke) ein Bedarf von 128,46 Euro ermittelt worden, der zum 01. Januar 2013 auf 135,63 Euro fortgeschrieben wurde und aktuell 141,66 Euro beträgt. Damit ist der Bedarf des Klägers für Nahrungsmittel gedeckt.

Soweit bis zum In-Kraft-Treten des SVVollzG Bln zum 01. Juni 2013 nicht die Möglichkeit zur Selbstversorgung bestand, besteht auch für den davor liegenden Zeitraum kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, weil der Bedarf an Nahrungsmitteln durch die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung gedeckt wurde und der Wunsch des Klägers auf Selbstversorgung im Nachhinein nicht mehr erfüllt werden kann.

Auch einen Anspruch auf Erstausstattung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB XII besteht für den Kläger nicht. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten sowie Erstausstattungen für Bekleidung (u.a.) gesondert erbracht. Nach Abs. 2 des § 31 SGB XII werden einer Person, die Sozialhilfe beansprucht, auch wenn keine Regelsätze zu gewähren sind, für einmalige Bedarfe nach Abs. 1 Leistungen erbracht, wenn sie diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig decken kann. In diesem Falle kann das Einkommen berücksichtigt werden, das sie innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben (so das Gesetz, richtig müsste es "erwirbt" heißen), in dem über die Leistung entschieden worden ist.

Der Kläger hat diese Leistungen beantragt. Obwohl das Abstandsgebot gemäß dem oben zitierten Beschluss des Kammergerichts bereits vor Bezug des Neubaus gewahrt war und sich die Situation nach Bezug des Neubaus der JVA wesentlich verbessert hat, bestehen möglicherweise noch Bedarfe, die nicht gedeckt werden, und zwar bzgl. der Bekleidung und bzgl. der Einrichtung des Zimmers des Klägers.

Nach § 57 SVVollzG Bln dürfen die Untergebrachten eigene Kleidung tragen und eigene Wäsche benutzen. Auf Antrag stellt die Einrichtung den Untergebrachten Kleidung und Wäsche zur Verfügung und ordnet diese persönlich zu.

Nach § 53 SVVollzG Bln dürfen die Untergebrachten ihr Zimmer mit eigenen Gegenständen ausstatten, oder diese dort aufbewahren.

Durch die Einrichtung wird im Neubau ein 20 m² großes Zimmer zur Verfügung gestellt, dass mit einem Bett, einem Schrank mit integriertem Kühlschrank, einem Schreibtisch und einer Sitzgelegenheit ausgestattet ist. Einen Sessel hat sich der Kläger laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung selbst beschafft.

Da nach dem Urteil des BVerfG vom 04. Mai 2001, aaO., juris Rdnr. 115, das Leben im Maßregelvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen ist, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, besteht ein Anspruch auf persönliche Bekleidung – soweit dieser Anspruch bei dem Kläger nicht schon erfüllt ist – dem Grunde nach. Wäre der Kläger nach der Haft nicht in Sicherungsverwahrung genommen, sondern aus der Haft entlassen worden, hätte er auch einen Anspruch auf eine Erstausstattung mit Bekleidung gehabt (vgl. von Boetticher/Münder in LPK SGB XII, 10. Auflage, § 31 Rdnr. 9). Auch dürfte es den allgemeinen Lebensverhältnissen entsprechen, ein "gemütliches" Sitzmöbelstück zu haben. Allerdings greift hier der Grundsatz der Selbsthilfe. Sofern der Kläger die Arbeitsmöglichkeiten nutzen würde, würde er auch in die Lage versetzt, sich selbst persönliche Gegenstände und Kleidungsstücke anzuschaffen. Er würde dann gemäß § 60 Abs. 2 SVVollzG Bln über ein Arbeitseinkommen in Höhe von 16 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), zurzeit also 453,60 Euro (283,00 Euro x 16 %), verfügen, nach den von der JVA in ihrem Schreiben vom 14. August 2014 mitgeteilten Löhnen mindestens 460,20 Euro brutto, ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche (21,24 Euro x 5 Tage x 13 Wochen./. 3). Dieses könnte er einsetzen, um sich persönliche Dinge und Bekleidung zu verschaffen, und zwar innerhalb von sechs Monaten, wie es § 31 Abs. 2 SGB XII vorsieht.

Die Aufnahme einer Arbeit ist dem Kläger auch zumutbar. Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung gegenteiliges vorgetragen hat, folgt ihm der Senat nicht. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB XII sind Leistungsberechtigte zur Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit verpflichtet, soweit sie hierdurch Einkommen erzielen können. Allerdings darf nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB XII den Leistungsberechtigten eine Tätigkeit nicht zugemutet werden, wenn ein [sonstiger] wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund liegt jedoch für den Kläger nicht vor. Zwar kann aus der Missachtung gesetzlicher Bestimmungen über Entgeltgrenzen bzw. Mindestlöhne und auch wegen Lohnwuchers die Unzumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme folgen (vgl. zu dem im Vergleich zu § 11 SGB XII ähnlich, aber umfangreicher und im Hinblick auf den Personenkreis der Erwerbsfähigen im Sinne des § 8 SGB II formulierten § 10 SGB II Rixen in Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage, § 10 Rdnrn. 42, 78 und 79), diese Grundsätze können für den Kläger jedoch nicht in gleicher Weise herangezogen werden wie für Personen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sind. Der Kläger steht wegen der Tatsache, dass er sich in Sicherungsverwahrung befindet, dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er kann nur unter bestimmten Bedingungen, die garantieren, dass er die Arbeit nicht nutzt, um erneut straffällig zu werden oder sich der Sicherungsverwahrung zu entziehen, beschäftigt werden. Die Ausgestaltung dieser Arbeit muss daher eine andere sein als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, und sie obliegt dem Gesetzgeber. Der Gesetzgeber des SVVollzG Bln hat als zumutbare Arbeit eine solche angesehen, für die ein Entgelt (lediglich) in der in § 60 Abs. 2 SVVollzG genannten Höhe gezahlt wird. Sofern der Kläger mit der Höhe dieses Arbeitsentgelts nicht zufrieden ist, müsste er dies in dem Verhältnis zu der für den Justizvollzug zuständigen Senatsverwaltung bzw. auf dem hierfür vorgesehenen Rechtsweg klären, nicht jedoch im Rahmen eines Verfahrens gegen den Sozialhilfeträger. Im Übrigen hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass er die Aufnahme der Arbeit generell ablehnt, da er dort schlecht behandelt würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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