L 16 R 15/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 R 1034/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 15/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. November 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten.

Die Klägerin ist 1960 geboren, als staatlich anerkannte Erzieherin an einer Grundschule bei der Senatsverwaltung für (vormals Sport) beschäftigt und bei der Beklagten rentenversichert. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert und leidet seit 2005 an einer beidseitigen Schwerhörigkeit; auf das Attest ihres behandelnden Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. L vom 5. Februar 2007 wird verwiesen.

Die Klägerin wandte sich mit der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe des Dr. L vom 31. August 2006, auf der als Versicherung die Beigeladene eingetragen war, ausweislich der Empfangsbestätigung über Hörgeräte vom 30. November 2006 spätestens in diesem Monat an die Firma Hörgeräte Akustik F & K (nachfolgend Hörgeräteakustiker). Auf der Empfangsbestätigung hatte die Klägerin zugleich erklärt, als gesetzlich Krankenversicherte über das zuzahlungsfreie Angebot informiert worden und mit Zuzahlungen für die von ihr ausgewählten Hörsysteme bzw. für eventuell anfallende Reparaturen einverstanden zu sein. Der Hörgeräteakustiker fertigte am 4. Januar 2007 einen Anpassbericht über die beidohrige Versorgung der Klägerin mit dem Hörgerätetyp Phonak Eleva 211 dAZ, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, nachdem die Klägerin bereits am 15. Dezember 2006 auf dem Verordnungsvordruck bestätigt hatte, die verordnete Hörhilfe erhalten zu haben. Der behandelnde Arzt bescheinigte unter dem 12. Januar 2007 auf der Verordnung die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Geräte. Am 26. Januar 2007 unterbreitete der Hörgeräteakustiker der Klägerin einen Kostenvoranschlag über Eigenanteilskosten in Höhe von 3.160,86 EUR (Gesamtkosten 4.384,86 EUR abzüglich Kassenleistung in Höhe von 1.224 EUR). Nach Aufnahme eines seitens des Hörgeräteakustikers vermittelten Kredits am 31. Oktober 2007 ("KaufKredit-Vertrag" der KBank) erwarb die Klägerin die Hörgeräte (Rechnung des Hörgeräteakustikers vom 31. Oktober 2007).

Bereits am 27. März 2007 hatte die Klägerin unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Antragsformulars, Beifügung des Anpassungsberichts vom 4. Januar 2007 sowie des Attests des Dr. L vom 5. Februar 2007, ferner des Kostenvoranschlags (Eigenanteil) des Hörgeräteakustikers vom 26. Januar 2007 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten beantragt. Sie gab an, ohne die Hörgeräte hätte sie im Rahmen ihrer Berufsausübung als Erzieherin die Stimmen der Kinder in der Schule nicht zuordnen können und auch während Gesprächen mit Kollegen öfter nachfragen müssen. Ihr sei mit den Hörgeräten ein Stück Lebensqualität wiedergegeben worden.

Mit Bescheid vom 17. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung der über dem Festbetrag der Krankenkassen liegenden Kosten für die Anschaffung einer Hörhilfe ab. Der sozialmedizinische Dienst hätte festgestellt, die speziell auf sie angepassten Hörhilfen seien zwar zum Ausgleich der Behinderung erforderlich, dienten aber nicht ausschließlich der Ausübung eines Beruf, der spezielle Anforderungen an das Hörvermögen stelle, sondern für jeden Bereich des täglichen Lebens sowie für jedwede Form der Berufsausübung. Der Bedarf für eine bestmögliche Hörgeräteversorgung bestehe bereits aus medizinischen Gründen.

Im anschließenden Klageverfahren hat das SG Potsdam (SG) die HNO-Fachärztin Dr. H zur Sachverständigen bestellt; auf das (nach einer Untersuchung der Klägerin am 25. Juni 2012) am 22. Juli 2012 erstatteten Gutachten wird wegen der Feststellungen der Sachverständigen verwiesen. So dann hat das SG den Hörgeräteakustiker zu einer Stellungnahme aufgefordert, die dieser am 18. Juni 2013 abgegeben hat. Hierauf wird ebenfalls verwiesen.

Die Beigeladene hat gegenüber dem Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer auf dessen Schreiben vom 2. November 2007 am 5. November 2007 die Übernahme von 648,40 EUR für das Hilfsmittel rechts bzw. links 564,40 EUR erklärt. Am selben Tag (5. November 2007) hat sie auch gegenüber der Klägerin die Übernahme der "vertraglich vereinbarten Kosten" für die beiden Hörgeräte in Höhe von 1.212,80 EUR verfügt. Der Hörgeräteakustiker sei verpflichtet, ihr für diesen Betrag zwei Hörgeräte eigenanteilsfrei anzubieten. Mehrkosten für ein höherwertiges Gerät würden nicht erstattet.

Das SG hat mit Urteil vom 21. November 2013 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2007 verurteilt, der Klägerin die Kosten für Hörhilfen in Höhe von 3.160,86 EUR zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei begründet. Die Beklagte sei sowohl als originär zuständiger Rehabilitationsträger im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtet, der Klägerin die Mehrkosten für das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, als auch als erstangegangener Rehabilitationsträger für den Anspruch der Klägerin zuständig. Vor dem entsprechenden Antrag sei auch keine Versorgungsanzeige bei der Beigeladenen eingegangen.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, der erste Kontakt mit dem Begehren der Klägerin habe gegenüber der Beigeladenen stattgefunden. Der am 27. März 2007 bei der Beklagten gestellte förmliche Antrag wäre damit nur wiederholend zum unteilbaren Versichertenbegehren gestellt worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Die Beigeladene hat geltend gemacht, vor November 2007 keine Kenntnis von dem Versorgungsbegehren der Klägerin gehabt zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen insbesondere auf das Sachverständigengutachten vom 22. Juli 2012 Bezug genommen.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (vgl. § 36 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V) übersteigenden Kosten der von ihr beschafften Hörgeräte, und zwar entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Letzteres ergibt sich aus der durch § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – eröffneten Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Verfahrensgegenstand ist insofern nicht nur im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 17. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2007, sondern auch die für das Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen maßgebende und erst nach Klageerhebung (vgl § 96 Abs 1 SGG) bekanntgegebene Entscheidung vom 5. November 2007.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin die Kosten für die gegenständlichen Hörhilfen in Höhe von 3.160,86 EUR zu erstatten. Zwar macht die Klägerin den Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung für die selbst finanzierte, beidseitige Versorgung mit Hörgeräten zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs-, (Verpflichtungs-) und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) geltend. Sie hat aber weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag (§ 36 SGB V) nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung.

Ein solcher Anspruch besteht zunächst nicht gegen die Beklagte, da diese im Außenverhältnis zur Klägerin für das Leistungsbegehren nicht zuständig geworden ist. Insofern normiert § 15 Abs. 1 Satz 4 iVm Satz 2 Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) zwar trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen gegen den zuständigen Rehabilitationsträger iS des § 15 Abs. 1 SGB IX iVm § 14 SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R – juris Rn 28). Der hiernach zuständige Träger ist aber nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene. Denn auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, aaO Rn. 32 ff.) ist davon auszugehen, dass Versicherte, wie die Klägerin, die mit einem Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer für die Krankenkassen (vor einem etwaigen Antrag beim Rentenversicherungsträger) in Kontakt treten und diesem – wie hier – eine vertragsärztliche Verordnung vorlegen, damit gleichzeitig einen Antrag nach § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften – (SGB IV) stellen, weil ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für rehabilitationsrechtliche Leistungsanträge im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung besteht (BSG, aaO Rn 42). Zwar kann die Erstantragstellung in Fällen dieser Art rechtlich gleichwertig in der Übergabe einer vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker oder erst in dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse bzw. in der Antragstellung des Versicherten bei der Beklagten liegen; sind die tatsächlichen Voraussetzungen aller drei Möglichkeiten erfüllt, sind sie nach Maßgabe ihrer zeitlichen Priorität gegeneinander abzugrenzen (BSG, aaO Rn 36). Insoweit ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass Hörgeräteakustiker ausnahmsweise von Versicherten, denen ein freies Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch zu nehmenden Rehabilitationsträgers zusteht, allein in dieser Funktion – und nicht gleichzeitig als Repräsentant des Krankenversicherungsträgers – aufgesucht werden, so dass Raum für eine (Erst-) Antragstellung insbesondere bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt (BSG, aaO Rn 43). Anhaltspunkte für einen solchen – nach der Gesamtheit der in diesem Sinne rechtlich relevanten Zeichen zu objektivierenden – Willen der Klägerin sind jedoch nicht ersichtlich. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin. Vielmehr hat sich die Klägerin hier gerade mit der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe, auf dem die Beigeladene als gesetzliche Krankenversicherung und insofern Kostenträger eingetragen und die durch ihren behandelnden Vertragsarzt ausgestellt worden war, mit dem Ziel der Hörgeräteversorgung an den Hörgeräteakustiker gewandt, der dementsprechend bereits auf dem Kostenvoranschlag vom 26. Januar 2007 den pauschalen, von der Krankenkasse zumindest pauschal zu tragenden Festbetrag von den Gesamtkosten abzog. Mithin ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit der Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung einer Hörhilfe spätestens im November 2007 nach der Rechtsprechung des BSG (aaO Rn 42; vgl auch BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris Rn 20, mit der der 3. Senat noch explizit offen gelassen hatte, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, den erforderlichen Antrag nach § 19 Satz 1 SGB IV gestellt hat. Wie das BSG weiter ausgeführt hat, besteht aus der Sicht des Versicherten ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für Leistungsanträge im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung. In der Folge des selbst gesetzten Rechtsscheins muss sich – hier die Beigeladene – behandeln lassen, als handele es sich bei dem von ihr mit den eigenen Verfahrenspflichten belasteten Leistungserbringer, in deren Hände die Rehabilitationsträger die Versorgung mit Hörgeräten "outgesourced" hätten (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 20), um eine zur Antragsentgegennahme zuständige Stelle iS des § 16 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I (vgl BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, aaO Rn 42 mwN). Denn wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 35).

Der Antrag der Klägerin richtete sich nach der Auslegungsregel des § 2 Abs. 2 SGB I auf eine möglichst weitgehende Sicherung ihrer sozialen Rechte iS einer bestmöglichen Versorgung mit Hörgeräten nach Maßgabe der Vorschriften der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Eine solche Auslegung schließt zugleich die Aufspaltung des Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, also einen Antrag auf Bewilligung der Festbeträge für die Hörgeräte und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung, von vornherein aus (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – aaO Rn 21). Hiernach ist die Beigeladene im Außenverhältnis zur Klägerin aufgrund eines einheitlichen Leistungsantrags für das Versorgungsbegehren insgesamt und endgültig zuständig geworden. Dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs von vornherein aus.

Die Klägerin hat jedoch auch gegen die Beigeladene auf der Grundlage der insoweit in Betracht kommenden Vorschriften der § 33 Abs. 1 Satz 1 iVm § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V bzw. § 15 Abs. 1 Satz 4 iVm Satz 3 SGB IX keinen Erstattungsanspruch. Dahinstehen kann hier, ob es sich bei dem zugrunde liegenden Bedarf um eine krankenversicherungsrechtliche Primärversorgung im Sinne eines unmittelbaren Behinderungsausgleichs – ggf. auch mit digitalen Hörgeräten (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 31) – oder einen erforderlichen Ausgleich der Behinderungsfolgen im Beruf der Klägerin als Erzieherin, wofür nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens insbesondere die Feststellungen der Sachverständigen im Gutachten vom 22. Juli 2012 sprechen dürften. Denn die Klägerin hat den Beschaffungsweg nicht eingehalten.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 iVm § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V hat die Krankenkasse dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 iVm Satz 3 SGB IX ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Diese Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die danach für beide Erstattungsnormen erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung ist hier mangels vorheriger Ablehnung der Hilfsmittel-Leistung nicht gegeben. Weder hat die Klägerin der Beigeladenen eine Frist für die Beschaffung der Hörhilfen bzw. die Leistungsbewilligung gesetzt noch handelte es sich um eine unaufschiebbare Leistung, nachdem die ohrenärztliche Verordnung bereits vom 31. August 2006 datierte. Selbst verschafft ist ein Hilfsmittel zwar nicht schon mit deren Auswahl (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 44) bzw. in Fällen vergleichbarer Art mit einer probeweisen Hörgeräteüberlassung. Anders als die Klägerin meint, fand das sie bindende – endgültige – Verpflichtungsgeschäft jedoch spätestens am 31. Oktober 2007 statt, nachdem ihr die Hörgeräte bereits am 15. Dezember 2006 – unter Eigentumsvorbehalt – zum dauerhaften Gebrauch übergeben worden waren. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich unter erklärter Inkaufnahme eines Eigenanteils (entsprechend der Erklärung vom 30. November 2006) für den angepassten Gerätetyp entschieden. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Weder bestehen Anhaltspunkte für eine ggf hiervon abweichend vorzunehmende Auslegung ihrer Willenserklärungen noch dafür, dass die bindenden Vertragserklärungen am 31. Oktober 2007 noch nicht oder unter einer aufschiebenden Bedingung abgegeben worden wären. Insbesondere haben die seinerzeitigen Vertragsparteien nicht lediglich einen Kauf auf Probe iS des § 454 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geschlossen. Denn die Probephase war spätestens am 4. Januar 2007 mit der endgültigen Anpassung der ausgewählten Hörgeräte abgeschlossen. Hiergegen spricht im Übrigen, dass die Klägerin selbst angegeben hat, sie wäre sich zu diesem Zeitpunkt ihrer Kaufentscheidung bewusst gewesen, dass sie möglicherweise die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten würde selbst tragen müssen. Soweit der Klägerin aufgrund des zeitgleich abgeschlossenen Darlehensvertrages iS eines Verbraucherdarlehens nach § 492 BGB ein Widerrufsrecht (vgl § 495 BGB) zustand, mit der Folge, dass sie im Falle eines – von ihr tatsächlich nicht ausgeübten – Widerrufs auch an den Kaufvertrag nicht mehr gebunden gewesen wäre (vgl § 355 Abs 1 Satz 1 BGB), ergibt sich hieraus nichts Abweichendes. Denn erst die Ausübung des Widerrufsrechts wandelt den Vertrag ex nunc in ein Abwicklungsverhältnis um (vgl § 357 BGB), während die widerrufliche Erklärung des Verbrauchers in Bezug auf den Darlehensvertrag sowie der zugrunde liegende Vertrag mit der Folge eines unbedingten Erfüllungsanspruchs gültig sind (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 355 Rn 4).

Vor der Selbstbeschaffung des Hilfsmittels durch die Klägerin im Sinne eines unbedingten und endgültigen Verpflichtungsgeschäfts hatte eine Leistungsversagung durch den zuständigen Rehabilitationsträger – die Beigeladene hat nach den Feststellungen des Senats erst mit dem als Bescheid auszulegenden Schreiben vom 5. November 2007 die Übernahme über dem Festbetrag liegender Kosten abgelehnt, während es auf den Zeitpunkt der Ablehnung durch die Beklagte (hier mit Bescheid vom 17. April 2007) mangels Zuständigkeit nicht ankommt – nicht stattgefunden (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 43). Zwar hat der Hörgeräteakustiker auf Veranlassung des SG mit seinem Schreiben vom 18. Juni 2013 mitgeteilt, erst nach Zusage der Kostenübernahme in Höhe der Festbeträge seitens der Beigeladenen die sehr ausführliche Hörgeräteversorgung vorgenommen zu haben. Weder wurde dies allerdings durch die Angabe konkreter Daten nachgewiesen noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine entsprechende Regelung seitens der Beigeladenen vor der Selbstbeschaffung durch die Klägerin ergangen wäre, da ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und nach der Einlassung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung Hinweise für ein früheres Tätigwerden der Beigeladenen nicht bestehen. Dahinstehen kann dagegen, ob die Beschränkung der Leistungen der Beigeladene auf den Festbetrag für die Klägerin möglicherweise "absehbar" (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 4) war, worauf der Kostenvoranschlag vom 26. Januar 2007 hindeuten könnte, ob die Beigeladene bereits vor der Selbstbeschaffung mit dem Leistungsbegehren befasst war oder ob sie die theoretische Möglichkeit gehabt hätte, den einheitlichen Leistungsantrag von November 2006 zu bescheiden bzw. schließlich, ob die vom BSG gerügte Externalisierung des gesamten Vorgangs der Leistungserbringung iS einer am "lean management" orientierten Handhabung zu Lasten der Versicherten die Gefahr der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges in sich birgt. Denn zwingende Gründe etwa unter Heranziehung des Rechtsgedankens des Systemversagens (vgl hierzu etwa BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R – juris Rn 17 ff; Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R – juris) oder des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wonach die Verletzung von Pflichten, die dem Sozialleistungsträger gegenüber den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegen, für Leistungsberechtigte einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen kann (vgl ausführlich BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93SozR 3-2600 § 58 Nr 2, juris Rn 9 ff), vom Erfordernis einer nach den bundesrechtlichen Regelungen in § 13 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 SGB V bzw. § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX notwendigen, der Selbstbeschaffung kausal zugrunde liegenden, rechtswidrigen Ablehnung durch den zuständigen Rehabilitationsträger (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 43, 45) abzusehen, sind nicht gegeben. Insofern müsste offensichtlich oder jedenfalls plausibel vorgetragen sein, dass das in Rede stehende Verfahren der Hörgeräteversorgung es der Klägerin unmöglich gemacht hätte, vor der Selbstbeschaffung auf eine Entscheidung der Beigeladenen zu drängen bzw. dass die Beigeladene pflichtwidrig der Klägerin gegenüber Anlass zur Selbstbeschaffung gegeben hätte. Dies ist indes nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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