Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 3166/13 WA
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 365/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 217/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. April 2015 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2007 als Zuschuss streitig.
Die am ... 1958 geborene Klägerin stand seit 14. August 2006 beim Rechtsvorgänger des Beklagten, der ARGE SGB II Mansfelder Land (nachfolgend einheitlich: Beklagter), im Leistungsbezug. Bei Erstantragstellung gab sie an, neben einer Kapitallebensversicherung bei der H.-M.Versicherung mit monatlichem Beitrag von 50 EUR (AG ..., Beginn 1. Oktober 2005, eingezahlt 550 EUR mit Kapitalabfindung von 11.741 EUR am 1. Oktober 2023), einer Riester-Rentenversicherung bei der H.-M. Versicherung mit monatlichem Beitrag von 10 EUR (LV ..., Beginn 1. Oktober 2005, eingezahlt 517,56 EUR zum Stand 31. Dezember 2005 und Rückkaufswert 2.521,53 EUR bei Vertragsende) und einen Bausparvertrag bei der LBS (Nr ... mit einem Kontostand von 178,94 EUR am 31. Dezember 2005 und monatlichen Zahlungen von 10 EUR) sowie zusammen mit ihrem getrenntlebenden Ehemann (im Folgenden: Ehemann) zu gleichen Teilen über ein Grundstück in L. E., B ..., zu verfügen. Dieses ist 250 m² groß und mit einem Reihenhaus mit einer Wohnfläche von 110 m² bebaut. Die Klägerin gab an, dass es zum Verkauf stünde und legte einen Makler-Allein-Vertrag vor, gültig vom 1. November 2005 bis 1. November 2006 mit einer Kaufpreisforderung von 50.000 EUR. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 teilte der Makler mit, dass das Hausgrundstück nicht habe verkauft werden können, da die Kaufpreisforderung zu hoch gewesen sei. Danach erfolgten für ca. zwei Jahre keine Verkaufsbemühungen. Der Ehemann der Klägerin versuchte einen Kredit zu erhalten, um der Klägerin den geschätzten Anteil am Haus in Höhe von 10.000 EUR auszahlen und das Haus selbst bewohnen zu können. Aufgrund von wiederholter Arbeitslosigkeit des Ehemannes gelang die Kreditaufnahme nicht. Die W. Bausparkasse erklärte sich mit Angebot vom 14. Januar 2008 zur Darlehensgewährung bereit, wenn der Ehemann u.a. nachweise, dass er keinen Unterhalt zu zahlen habe. Dem stimmte die Klägerin nicht zu und verzichtete nicht auf ihren Unterhalt. Im Weiteren versuchte die Klägerin im Rahmen des Scheidungsverfahrens einen neuen Makler-Allein-Auftrag zu vergeben. Auch weitere Verkaufsversuche mit geringeren Verkaufsvorstellungen, wie z.B. dem Verkaufspreis von 20.000 EUR, scheiterten. Wegen der Einzelheiten des Ablaufs wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte Band I sowie der Gerichtsakte, insbesondere des Protokolls der mündlichen Verhandlung (Blatt 169 bis 170) Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte zunächst Leistungen als Zuschuss gewährte, bewilligte er mit Bescheid vom 6. März 2007 unter Anrechnung von Einkommen Leistungen i.H.v. monatlich 186,88 EUR als Darlehen für den Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2007. Zur Begründung gab er an, dass die Klägerin nachgewiesen habe, dass der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde.
Am 29. Mai 2007 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag für den hier streitgegenständlichen Zeitraum und gab an, monatlich über Einkommen aus einer Berufsunfähigkeitsrente der Deutschen Rentenversicherung über 463,62 EUR ab 1. Juli 2007 und aus Unterhalt über 48,57 EUR sowie Erwerbseinkommen im Juli und August 2007 zu verfügen. Hierauf bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2007 Leistungen i.H.v. monatlich 188,77 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 als Zuschuss.
Mit Bescheid vom 2. August 2007 nahm der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 3. Juli 2007 ab dem 1. September 2007 ganz zurück. Zur Begründung führte er aus: Der aufzuhebende Bescheid sei nicht korrekt gewesen, denn die Bewilligung hätte gemäß § 9 Abs. 4 SGB II darlehensweise erfolgen müssen. Nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) dürfe ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise unter gewissen Einschränkungen (Abs. 2) mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Vertrauen sei in der Regel schutzwürdig, wenn Vermögensdispositionen getroffen worden seien, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Es seien weder im Leistungsverfahren entscheidungsrelevante Gründe vorgetragen worden noch seien nach Aktenlage Anhaltspunkte für ein schutzwürdiges Vertrauen ersichtlich. Bei der Entscheidung sei von Ermessen Gebrauch gemacht und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien gebührend berücksichtigt worden. Er sei verpflichtet, wirtschaftlich im Sinne der Bundeshaushaltsordnung zu handeln. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag bewilligte er Leistungen im Vergleich zum Bescheid vom 3. Juli 2007 unveränderter Höhe für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2007 als Darlehen.
"Gegen den Bescheid vom 02.08.2007" legte die Klägerin am 18. August 2007 Widerspruch ein und forderte "die Zurücksetzung in den Zustand des Verwaltungsbescheides vom 30.07.2007 (d.h. Aufhebung des Darlehensbescheides zugunsten des Bescheides Sicherung des Lebensunterhaltes)", auch wenn ihr hierbei ein Schreibfehler unterlaufen ist (gemeint war der Bescheid vom 3. Juli 2007). Zur Begründung trug sie vor: Für das Haus in der B. in E. habe sich nach wie vor kein Käufer gefunden. Der Wert der Immobilie belaufe sich auf ca. 20.000 EUR. Ihr Ehemann sei arbeitslos und bewohne demnächst wieder das Gebäude, bekäme aber keinen Kredit, um ihren Anteil von 10.000 EUR auszuzahlen. Sie habe auch keine Möglichkeit, das Gebäude komplett zu übernehmen und zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007 wies der Beklagte den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 02.08.2007" "wegen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen" als unbegründet zurück. Das Grundstück sei infolge des Auszugs und der angestrebten Verwertung nicht mehr als geschütztes, sondern als verwertbares Vermögen zu bewerten. Anzurechnen seien derzeit 10.000 EUR. Eine sofortige Verwertung sei zurzeit ausgeschlossen.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2007 Klage erhoben.
Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Sozialgericht ein Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte vom 27. August 2009 eingeholt. Danach belief sich der Marktwert zum Bewertungsstichtag 1. November 2006 auf 23.600 EUR. Wegen des weiteren Inhalts des Gutachtens wird auf Bl. 38 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Hinsichtlich nachfolgender Bewilligungsabschnitte hat der Beklagte Leistungen zunächst als Darlehen bewilligt, nach Einholung des Verkehrswertgutachtens mit Änderungsbescheiden vom 11. Januar 2010 jedoch Leistungen als Zuschuss zuerkannt. Am 24. Mai 2013 haben die Klägerin und ihr nunmehr geschiedener Ehemann das Grundstück für 14.000 EUR verkauft. Das Verfahren hat durch Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 9. August 2010 bis zur Wiederaufnahme am 18. Juli 2013 geruht.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Der Widerspruch habe sich sowohl gegen den Aufhebungsbescheid als auch gegen die bloß darlehensweise Bewilligung gerichtet. Es sei daher davon auszugehen, dass der Widerspruchsbescheid auch beide Ausgangsbescheide umfasse. Das Grundstück sei mangels Nachfrage derzeit nicht veräußerbar und daher nicht verwertbar. Es sei fragwürdig, ob 23.600 EUR zu erzielen seien. Es müsse berücksichtigt werden, dass weitere Mängel nicht auszuschließen seien und die notwendig gemeinsame Willensbildung der Miteigentümer ein weiteres Verkaufshindernis darstelle. Zudem sei der Zustand des Hauses immer schlechter geworden und es habe letztlich durch das undichte Dach hinein geregnet. Der tatsächlich erzielte Kaufpreis von 14.000 EUR stelle den Wert dar. Die Klägerin hat letztlich nur die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 02. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007, nicht die des Leistungsbescheides über die Darlehensgewährung vom gleichen Tag beantragt.
Der Beklagte hat vorgetragen: Der Widerspruch betreffe nur den Darlehensbescheid. Der Aufhebungsbescheid würde jedoch im Falle des Obsiegens der Klägerin von Amts wegen abgeändert. Es läge den Freibetrag von 8.100 EUR übersteigendes Vermögen vor. Zwar sei die Marktlage schlecht, allerdings könne nicht von einer fehlenden Verwertbarkeit an sich ausgegangen werden. Es sei ungeklärt, wo die Opfergrenze zu einer wirtschaftlichen Verwertung zu sehen sei. Auch sei zu überprüfen und nachzuweisen, welche Möglichkeiten sich durch Beleihung oder Vermietung des Objekts ergeben könnten. Erst nach Erzielung eines Erlöses könne eine klare Entscheidung getroffen werden. Bis dahin habe es beim Darlehen zu verbleiben. Durch die Berufsunfähigkeitsrente sei die Klägerin auch hinsichtlich der Kranken- und Rentenversicherung abgesichert, sodass ihr keine Nachteile entstünden. Bis zur Veräußerung sei von 23.600 EUR als möglichem Erlös auszugehen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass Vermögen solange beim Anspruch zu berücksichtigen sei, wie es vorhanden sei.
Mit Urteil vom 13. April 2015 hat das Sozialgericht den Rücknahmebescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 1 und 2 SGB X lägen nicht vor. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 3. Juli 2007 sei nicht rechtswidrig gewesen. Das Vermögen der Klägerin habe den Freibetrag von 8.100 EUR nicht überstiegen. Der tatsächliche Verkaufspreis sei aussagekräftiger als die Schätzung durch den Gutachterausschuss. Ihm hätten Angaben zum Kaufpreis vergleichbarer Grundstücke in der Nachbarschaft nicht vorgelegen.
Gegen das ihm am 11. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 5. Juni 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Klägerin habe eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob eine Erwerbsminderung auf Dauer gegeben gewesen sei, die zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II führe. Dann hätte nicht der Beklagte, sondern der beizuladende Sozialhilfeträger Leistungen zu erbringen. Zur Bestimmung des Verkehrswertes habe auf das Verkehrswertgutachten zurückgegriffen werden können, wie das BSG entschieden habe [Urteil vom 27. Januar 2009, Aktenzeichen (Az.) B 14 AS 42/07 R]. Die Verwertung sei weder unwirtschaftlich gewesen noch habe sie eine besondere Härte dargestellt. Folge man der Rechtsauffassung des Sozialgerichts, würden das Verkaufsrisiko und ein eventuell fehlendes Verkaufsgeschick auf die Allgemeinheit übergehen. Zudem verwundere es, dass der Senat nach Hinweis des Einzelrichters auf § 44 SGB II die "dolo agit" – Einrede selbst aufnehme. Nach Sicht des Beklagten verbiete sich dieses. Ein solcher Antrag sei seitens der Klägerin nicht gestellt worden. Es werde dazu auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2005 zum Az. L 3 AS 208/49, Rnr. 49ff. (gemeint ist wohl: LSG Sachsen, Urteil vom 24. Mai 2012 zum Az. L 3 AS 208/11) sowie auf Burkizcak in Juris Praxiskommentar, 4. Auflage 2015, § 44 Rnr. 11ff. verwiesen. Da es sich um eine Antragsvorschrift handele und insoweit eine Verbescheidung durch den Beklagten erforderlich sei, fehle es mangels Antrag im bisherigen Verfahren an einem entsprechenden Vorverfahren nach §§ 77ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) und somit an einer Prüfungsmöglichkeit im hiesigen Verfahren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 151 Abs.1 SGG). Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Die zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle nur noch hinsichtlich des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 geführte Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Klageziel ist die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 und die damit verbundene Rückwandlung des Darlehens in einen Zuschuss aufgrund des Leistungsbescheides vom 3. Juli 2007.
Der hier streitgegenständliche Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist sowohl formell rechtmäßig (dazu unter a.) als auch materiell-rechtlich rechtmäßig (dazu unter b.).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 02. August 2007. Die Klage war in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nur auf die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007, nicht des Leistungsbescheides vom selben Tag, gerichtet. Ob daher der Beklagte von Amts wegen über die Aufhebung des Darlehensbescheides gemäß § 44 SGB X zu entscheiden hat, kann dahinstehen, da kein materiell-rechtlicher Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 besteht.
a.) Der Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist formell rechtmäßig.
Es sind bis zur Beschränkung des Antrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle lediglich auf Aufhebung des Rücknahmebescheides beide Bescheide vom 2. August 2007 Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin in ihrem Widerspruch vom 15. August 2007 ausgeführt hat, sie lege Widerspruch "gegen den Bescheid vom 02.08.2007" ein. Als Prozesshandlung und Willenserklärung ist es notwendig und möglich, diese auszulegen und § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) heranzuziehen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 11. Auflage 2014, Vor § 60, Rn. 11a - mit Nachweisen zur Rechtsprechung - in Verbindung mit Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 83 Rn. 2). Danach ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am Wortlaut zu haften. Maßgebend ist, wie die Erklärung nach den Gesamtumständen zu verstehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 60 Rn. 11a). Im hier zu beurteilenden Fall, hat die Klägerin ausdrücklich erklärt, sie begehre die "Zurücksetzung in den Zustand des Verwaltungsbescheides vom 30.07.2007 (d.h. Aufhebung des Darlehensbescheides zugunsten des Bescheides Sicherung des Lebensunterhaltes)." Auch wenn im Widerspruchsschreiben vor diesem Satz steht, der Widerspruch sei gegen "den Bescheid" eingelegt worden, so stellen beide Bescheide vom 2. August 2007 doch in den Wirkungen für die Klägerin eine Einheit dar hinsichtlich der Bewilligung des Darlehens und Aufhebung des Zuschusses. Der Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 verweist ausdrücklich nur bezogen auf die Höhe des Leistungsanspruchs auf den weiteren Bescheid vom gleichen Tag ("Die Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs bitte ich dem beigefügten Bescheid zu entnehmen."). Dass hier nur eine darlehensweise Leistungsbewilligung nach Ansicht des Beklagten in Betracht kommen konnte, ergibt sich schon aus dem 2. Satz der Begründung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2008. Insofern stellt der "Leistungsbescheid" von diesem Tag in dieser Hinsicht nur eine Wiederholung dar und regelt lediglich – die hier nie bestrittene - Höhe des Anspruchs. Über die nach Beklagtenansicht gegebenen Voraussetzungen der Rücknahme entscheidet auch der Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007.
Zwar hatte der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 24 SGB X vor Erlass der Bescheide vom 2. August 2007 zur Rücknahme der Bewilligung als Zuschuss und Umwandlung in ein Darlehen angehört, jedoch sind ihr in den Bescheiden alle maßgebenden Gesichtspunkte mitgeteilt worden und sie hatte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ausreichend Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, was sie auch mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 15. August 2007 getan hat. Damit war der Anhörungsmangel im Vorverfahren geheilt, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X.
Daher wurde auch ein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt.
b.) Der angegriffene Rücknahmebescheid ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig, da die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss hat.
Die Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 2007, mit dem Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 2007 als Zuschuss bewilligt worden sind, ist rechtmäßig, da dieser Bescheid rechtswidrig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen als Zuschuss aufgrund verwertbaren Vermögens. Die Aufhebung ab September 2007 ist rechtmäßig, schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin besteht nicht.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Der Bescheid vom 3. Juli 2007 stellt einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt dar, da die Klägerin keinen Anspruch auf zuschussweise Leistungsgewährung hat.
Zwar erfüllt die Klägerin die notwendigen grundlegenden Voraussetzungen zur Beanspruchung von Leistungen nach dem SGB II, wie sie im § 7 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit den §§ 8 und 9 SGB II festgelegt sind. Die Klägerin hat das 15., aber im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht das 66. Lebensjahr (vgl. § 7a SGB II) vollendet, ist erwerbsfähig.
Entgegen der Ansicht des Beklagten war hier auch nicht der örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe notwendig beizuladen, da die Klägerin in der streitigen Zeit erwerbsfähig gewesen ist. Die Klägerin hat eine Berufsunfähigkeitsrente bezogen, jedoch keine wegen voller Erwerbsminderung. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin hat im hier streitigen Zeitraum die Grenze des § 8 Abs. 1 SGB II überschritten, wonach erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein zu können. Ausweislich des Bescheides der Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 28. Mai 2008 konnte dem Antrag der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 5. Dezember 2007 nicht entsprochen werden, da diese ein vorhandenes Leistungsvermögen habe, dass die regelmäßige Ausübung von Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden pro Woche täglich im Rahmen einer 5 - Tage-Woche ermögliche. Zudem hat der Beklagte am 14. August 2008 eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes eingeholt, wonach die Klägerin täglich drei bis unter sechs Stunden arbeiten könne. Der Senat hat keinen Zweifel an den bestandskräftigen Feststellungen des Trägers der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Erwerbsfähigkeit im Sinne der genannten Vorschrift im streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach § 9 Abs. 1 SGB II wegen des vorhandenen Vermögens der Klägerin besteht nicht.
Zwar schloss das vorhandene Einkommen die Hilfebedürftigkeit nicht aus. Hinsichtlich des Einkommens wird auf die Berechnungen des Beklagten im Bescheid vom 2. August 2007 Bezug genommen, wonach nach Anrechnung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Erwerbseinkommen und den Unterhaltsleistungen des Ehemannes noch ein Leistungsanspruch in Höhe von 188,77 EUR verblieben ist. Auch wenn der Beklagte vorliegend das Einkommen der Klägerin fehlerhaft bereinigt hat, weil nach Wegfall des Erwerbseinkommens ab August 2007 die Versicherungspauschale und die Riesterrente vom Einkommen der Klägerin aus Rente abzusetzen gewesen wären, führt dies nicht zur Hilfebedürftigkeit.
Der Leistungsanspruch als Zuschuss ist durch verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II ausgeschlossen (dazu unter aa.), das die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt (dazu unter bb.).
aa.) Das Hausgrundstück, das im streitgegenständlichen Zeitraum hälftig im Eigentum der Klägerin gestanden hat, stellt verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II a.F. dar. In der ab 1. August 2006 bis 31.Dezember 2007 geltenden Fassung ist definiert: Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (sog. "Versilbern"; ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007, Az. B 14/7b AS 46/06 R; BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 , Az. B 14 AS 158/11 R). Der Begriff "Verwertbarkeit" enthält eine tatsächliche Komponente, weil solche Vermögensgegenstände nicht verwertbar sind, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa, weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind (BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007, a.a.O. Rn. 12), und auch keine andere Verwertungsmöglichkeit ersichtlich ist. Ein Aspekt dieser tatsächlichen Verwertbarkeit ist die für sie benötigte Zeit, hinsichtlich der ggf. eine Prognose erforderlich ist. Für diese Prognose ist auf den bevorstehenden Bewilligungszeitraum abzustellen; eine Festlegung für darüber hinausgehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten (ständige Rechtsprechung: BSG vom 6. Dezember 2007, a.a.O., Rn. 15; BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 zum Az. B 14 AS 42/07; BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 zum Az. B 14 AS 2/09 R; BSG vom 18. September 2014, Az. B 14 AS 58/13 R, Rn. 15, zitiert nach juris).
Das im hälftigen Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück stellt verwertbares Vermögen dar. Es ist nicht ersichtlich, dass es im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hätte verwertet werden können. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass hier trotz des Maklerauftrags kein Käufer zu finden gewesen sei. Eine Art Vermögensschutz kann nicht dadurch hergestellt werden, dass überzogene Kaufpreisforderungen gestellt werden, die sich dann nicht realisieren lassen (Makler-Allein-Auftrag von 2005 mit Preisvorstellungen von 50.000 EUR, Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009 mit Verkehrswert von 23.600 EUR und Verkauf in 2013 zu einem Preis von 14.000 EUR). Gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Verwertbarkeit des Hauses spricht auch nicht, dass die Klägerin nicht Alleineigentümerin des Hauses war. Die damals getrenntlebenden Eheleute hatten sich entschlossen, das Haus zu verkaufen. Auch wenn im vorliegenden Verfahren die Klägerin auf die Zustimmung ihres Ehemannes angewiesen war, kann ein Vermögensschutz auch nicht aus dem Grund angenommen werden, weil der Ehemann wegen wiederholter Arbeitslosigkeit vergebens versucht hat, einen Kredit für den Erwerb des Hauses zu erhalten, um der Klägerin 10.000 EUR anteilig auszuzahlen. Gerade im Gegenteil ist davon auszugehen, dass diese Versuche der Kreditaufnahme zeigen, dass das Haus auch verwertbares Vermögen war. Bei der Frage der Verwertbarkeit sind nur auf auf das Grundstück selbst bezogene Verwertungshindernisse und nicht in der Person des Erwerbers liegende abzustellen. Es kann nicht darauf ankommen, ob der Verkauf tatsächlich nicht zustande kommt, weil potentielle Erwerber den Erwerb dann doch nicht realisieren können, aus welchen Gründen auch immer. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass der Ehemann in der Zeit der erfolglosen Versuche der Kreditaufnahme dem Verkauf nicht zugestimmt hätte, wenn sich ein Käufer gefunden hätte. Jedoch hat man in dieser Zeit gar nicht nach einem Käufer gesucht (Angabe der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2017).
Zudem stellt der hälftige Miteigentumsanteil auch kein nicht zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dar, wonach als Vermögen nicht zu berücksichtigen sind ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum dort nicht mehr gewohnt und der Wille des Ehemannes, dort einzuziehen zu wollen, genügt nicht, zumal es auf die Person der Klägerin ankommt.
bb.) Das Vermögen der Klägerin beträgt mindestens 11.800 EUR (hälftiger Wert des Hauses gemäß Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009). Die Klägerin verfügt neben dem hälftigen Anteil am Haus noch über eine Kapitallebensversicherung, Riester-Rentenversicherung und einen Bausparvertrag. Die Riesterrente stellt geschütztes und damit nicht anzurechnendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II dar. Auf den tatsächlichen Wert der Kapitallebensversicherung und des Bausparvertrages kommt es hier nicht an, da der hälftige Wert des Miteigentums am Haus den Freibetrag übersteigt.
Hinsichtlich des Wertes des hälftigen Eigentumsanteils am Haus ist auf das Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009 mit dem Verkehrswert von 23.600 EUR abzustellen.
Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 bis 2 SGB II gilt: Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.
Im Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II liegen keine näheren Angaben über den Wert des Hauses vor. Auf den von der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann gewünschten Wert von 50.000 EUR kann nicht abgestellt werden, da er sich seit 2005 nicht am Markt realisiert hat, wie auch der beauftragte Makler in seinem Schreiben vom 11. Oktober 2006 mitgeteilt hat.
Hier liegt zeitnah zum streitgegenständlichen Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2007 das in 2009 erstellte Verkehrswertgutachten vor, auf das im Ergebnis auch abzustellen ist. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn zur Bestimmung des Verkehrswertes für § 12 Abs. 4 SGB II auf ein Verkehrswertgutachten, auf das auch zur Bestimmung nach § 194 Baugesetzbuch (BauGB) abgestellt wird, auch wenn solche Gutachten nicht die einzig denkbare Möglichkeit zur Ermittlung des Verkehrswertes darstellen. Die Wertermittlung nach § 194 BauGB i.V.m. der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (vom 6. Dezember 1988, BGBl. I, 2209 ‹WertV›) enthält allgemein anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken; ihre Anwendbarkeit ist nicht auf die Gutachterausschüsse nach §§ 192, 193 BauGB beschränkt und es ist nicht ersichtlich, dass mit dem Verkehrswert in § 12 Abs. 4 SGB II ein anderer Wert gemeint ist (so auch BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 zum Az. B 14 AS 42/07 R, Rn. 39, zitiert nach juris).
Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Art Gutachten nicht auch grundsätzlich zur Bestimmung des Vermögenswertes, der mit der Freibetragsgrenze des § 12 Abs. 2 SGB II zu vergleichen ist, herangezogen werden kann. Das Gutachten ist in sich schlüssig und überzeugend. Es sind nach Angaben der Gutachter auch die Verkaufsmöglichkeiten am örtlichen Markt in die Verkehrswertbestimmung eingeflossen. Auch wenn laut des Gutachtens nur eine Begutachtung von außen erfolgt ist und hinsichtlich des Zustandes im Haus lediglich die Angaben des Ehemannes zugrunde lagen, ist doch der Aussagegehalt des Gutachtens nie zeitnah ernsthaft von der Klägerin bestritten worden. Auch wenn sie angegeben hat, es seien den Gutachtern nicht die erzielten Verkaufserlöse in der unmittelbaren Nachbarschaft bekannt gewesen, ist dieser Vortrag als unsubstantiiert zurückzuweisen, da nicht durch Nachweise belegt mitgeteilt wird, wie hoch diese Verkaufserlöse waren und ob sich die Häuser in einem vergleichbaren Zustand befunden haben. Zudem ist die Klägerin immer selbst von einem hälftigen Wert von 10.000 EUR ausgegangen, wie sich sowohl ihrem Widerspruchsschreiben vom 18. August 2007 als auch dem in der Verwaltungsakte befindlichen Schriftwechsel im Scheidungsverfahren entnehmen lässt.
Gegen die Heranziehung des Verkehrswertgutachtens spricht auch nicht, dass sich der darin ermittelte Wert von 23.600 EUR im Laufe der Zeit trotz glaubhafter Vermittlungsbemühungen nicht hat realisieren lassen. Denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2017 angegeben, im hier streitgegenständlichen Zeitraum gar keine Verkaufsanstrengungen unternommen zu haben, da der Ehemann ihren Anteil am Haus habe erwerben wollen. So seien nach ihren Angaben zeitlich nach dem ersten Makler-Allein-Auftrag für ca. zwei Jahre keine Verkaufsanstrengungen erfolgt. Selbst wenn nach diesen zwei Jahren ein weiterer Makler beauftragt worden ist und zu einem Preis von 20.000 EUR das Haus auch nicht hat verkauft werden können, besagt dies nichts über die Verkaufsmöglichkeiten in der hier streitgegenständlichen Zeit, auf die es entscheidend ankommt.
Letztlich kann auch nicht auf den in 2013 erzielten Verkaufserlös von insgesamt 14.000 EUR abgestellt werden. Die Klägerin hat auf Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2013 angegeben, dass es zur Zeit des Verkaufs bereits in das Haus aufgrund von Dachschäden hinein geregnet habe. Dies war so nach Aktenlage vorher nicht bekannt. Selbst wenn die Undichtigkeit bereits vorher bestanden haben sollte, kann aufgrund der damit einhergehenden fortschreitenden Schädigung des Hauses nicht von dem Verkaufspreis von 14.000 EUR im Mai 2013 auf den Wert des Hauses im September 2007 geschlossen werden. Die Zeitspanne zwischen diesen beiden Daten ist zu lang.
Der Wert des hälftigen Eigentumsanteils sowie die übrigen Vermögenswerte übersteigen den Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 SGB II um mindestens 3.700 EUR.
Nach der Vorschrift des § 12 Abs. 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen
1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 9.750 Euro nicht übersteigen,
1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind,
2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet,
3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250 Euro nicht übersteigt,
4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.
Da die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum am 16. September 2007 ihr 49. Lebensjahr vollendet hat, steht ihr ein Freibetrag von 8.100 EUR (49 x 150 EUR + 750 EUR), bis 15. September 2007 von 7.950 EUR (48 x 150 EUR + 750 EUR) zu und ihr gesamtes verwertbares Vermögen ist insoweit geschützt als es diesen Betrag nicht übersteigt.
cc) Ob der Klägerin die sofortige Verwertung des Hauses nicht möglich im Sinne des § 9 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 23 Abs. 5 SGB II war und daher nur eine darlehensweise Bewilligung zu erfolgen hätte, muss hier nicht entschieden werden. Ein Anspruch der Klägerin auf darlehensweise Leistungsgewährung steht nicht im Streit.
Das Sozialgericht hat daher den streitgegenständlichen Rücknahmebescheid zu Unrecht aufgehoben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 188,77 EUR in der Zeit vom September 2007 bis Dezember 2007 als Zuschuss. Sie verfügt mindestens über ein Vermögen von 11.800 EUR (Anteil am Haus) und zudem noch über die Kapitallebensversicherung und den Bausparvertrag bei der LBS. Der angegriffene Bescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist daher sowohl formell als auch materiell-rechtlich rechtmäßig.
Der Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2007 durch den Bescheid vom 2. August 2007 steht auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X entgegen. Der Beklagte hat die zuschussweise Leistungsbewilligung für die Zukunft unter Ausübung von Ermessen aufgehoben, hier ab September 2007. Die Klägerin hat daher die Leistungen nicht verbraucht und auch nicht vorgetragen, dass sie Vermögensdispositionen getroffen hat, die nicht rückgängig zu machen sind. Anhaltspunkte dafür ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.
Der Aufhebungsbescheid vom 2. August 2007 hebt daher rechtmäßig den Leistungsbescheid vom 3. Juli 2007 auf und der Beklagte dringt mit seinem Berufungsbegehren vollständig durch.
2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach dem Ausgang der Hauptsache, vgl. § 193 SGG. Der Rechtsmittelführer, der Beklagte, hat im Berufungsverfahren obsiegt und ist daher nicht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin insgesamt zu erstatten. Das Verbot der Reformatio in peius gilt nicht hinsichtlich der Kostenentscheidung (vgl. dazu BSG vom 26. Juni 2007 zum Az. B 1 KR 34/06 R, Rn. 38, zitiert nach juris; BSG vom 10. September 1987 zum Az. 10 RAr 10/86, Rn. 19, zitiert nach juris; BVerwG vom 23. Mai 1962 zum Az. V C 62.61, Rn. 17, zitiert nach juris). Daher ist es auch unschädlich, dass die Klägerin selbst keine Berufung eingelegt hat, sondern nur der Beklagte.
3. Gründe die Revision im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen bestehen nicht. Die entscheidungserheblichen Fragen können sowohl mit dem Gesetz als auch mit den bereits ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung beantwortet werden.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2007 als Zuschuss streitig.
Die am ... 1958 geborene Klägerin stand seit 14. August 2006 beim Rechtsvorgänger des Beklagten, der ARGE SGB II Mansfelder Land (nachfolgend einheitlich: Beklagter), im Leistungsbezug. Bei Erstantragstellung gab sie an, neben einer Kapitallebensversicherung bei der H.-M.Versicherung mit monatlichem Beitrag von 50 EUR (AG ..., Beginn 1. Oktober 2005, eingezahlt 550 EUR mit Kapitalabfindung von 11.741 EUR am 1. Oktober 2023), einer Riester-Rentenversicherung bei der H.-M. Versicherung mit monatlichem Beitrag von 10 EUR (LV ..., Beginn 1. Oktober 2005, eingezahlt 517,56 EUR zum Stand 31. Dezember 2005 und Rückkaufswert 2.521,53 EUR bei Vertragsende) und einen Bausparvertrag bei der LBS (Nr ... mit einem Kontostand von 178,94 EUR am 31. Dezember 2005 und monatlichen Zahlungen von 10 EUR) sowie zusammen mit ihrem getrenntlebenden Ehemann (im Folgenden: Ehemann) zu gleichen Teilen über ein Grundstück in L. E., B ..., zu verfügen. Dieses ist 250 m² groß und mit einem Reihenhaus mit einer Wohnfläche von 110 m² bebaut. Die Klägerin gab an, dass es zum Verkauf stünde und legte einen Makler-Allein-Vertrag vor, gültig vom 1. November 2005 bis 1. November 2006 mit einer Kaufpreisforderung von 50.000 EUR. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 teilte der Makler mit, dass das Hausgrundstück nicht habe verkauft werden können, da die Kaufpreisforderung zu hoch gewesen sei. Danach erfolgten für ca. zwei Jahre keine Verkaufsbemühungen. Der Ehemann der Klägerin versuchte einen Kredit zu erhalten, um der Klägerin den geschätzten Anteil am Haus in Höhe von 10.000 EUR auszahlen und das Haus selbst bewohnen zu können. Aufgrund von wiederholter Arbeitslosigkeit des Ehemannes gelang die Kreditaufnahme nicht. Die W. Bausparkasse erklärte sich mit Angebot vom 14. Januar 2008 zur Darlehensgewährung bereit, wenn der Ehemann u.a. nachweise, dass er keinen Unterhalt zu zahlen habe. Dem stimmte die Klägerin nicht zu und verzichtete nicht auf ihren Unterhalt. Im Weiteren versuchte die Klägerin im Rahmen des Scheidungsverfahrens einen neuen Makler-Allein-Auftrag zu vergeben. Auch weitere Verkaufsversuche mit geringeren Verkaufsvorstellungen, wie z.B. dem Verkaufspreis von 20.000 EUR, scheiterten. Wegen der Einzelheiten des Ablaufs wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte Band I sowie der Gerichtsakte, insbesondere des Protokolls der mündlichen Verhandlung (Blatt 169 bis 170) Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte zunächst Leistungen als Zuschuss gewährte, bewilligte er mit Bescheid vom 6. März 2007 unter Anrechnung von Einkommen Leistungen i.H.v. monatlich 186,88 EUR als Darlehen für den Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2007. Zur Begründung gab er an, dass die Klägerin nachgewiesen habe, dass der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde.
Am 29. Mai 2007 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag für den hier streitgegenständlichen Zeitraum und gab an, monatlich über Einkommen aus einer Berufsunfähigkeitsrente der Deutschen Rentenversicherung über 463,62 EUR ab 1. Juli 2007 und aus Unterhalt über 48,57 EUR sowie Erwerbseinkommen im Juli und August 2007 zu verfügen. Hierauf bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2007 Leistungen i.H.v. monatlich 188,77 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 als Zuschuss.
Mit Bescheid vom 2. August 2007 nahm der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 3. Juli 2007 ab dem 1. September 2007 ganz zurück. Zur Begründung führte er aus: Der aufzuhebende Bescheid sei nicht korrekt gewesen, denn die Bewilligung hätte gemäß § 9 Abs. 4 SGB II darlehensweise erfolgen müssen. Nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) dürfe ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise unter gewissen Einschränkungen (Abs. 2) mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Vertrauen sei in der Regel schutzwürdig, wenn Vermögensdispositionen getroffen worden seien, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Es seien weder im Leistungsverfahren entscheidungsrelevante Gründe vorgetragen worden noch seien nach Aktenlage Anhaltspunkte für ein schutzwürdiges Vertrauen ersichtlich. Bei der Entscheidung sei von Ermessen Gebrauch gemacht und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien gebührend berücksichtigt worden. Er sei verpflichtet, wirtschaftlich im Sinne der Bundeshaushaltsordnung zu handeln. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag bewilligte er Leistungen im Vergleich zum Bescheid vom 3. Juli 2007 unveränderter Höhe für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2007 als Darlehen.
"Gegen den Bescheid vom 02.08.2007" legte die Klägerin am 18. August 2007 Widerspruch ein und forderte "die Zurücksetzung in den Zustand des Verwaltungsbescheides vom 30.07.2007 (d.h. Aufhebung des Darlehensbescheides zugunsten des Bescheides Sicherung des Lebensunterhaltes)", auch wenn ihr hierbei ein Schreibfehler unterlaufen ist (gemeint war der Bescheid vom 3. Juli 2007). Zur Begründung trug sie vor: Für das Haus in der B. in E. habe sich nach wie vor kein Käufer gefunden. Der Wert der Immobilie belaufe sich auf ca. 20.000 EUR. Ihr Ehemann sei arbeitslos und bewohne demnächst wieder das Gebäude, bekäme aber keinen Kredit, um ihren Anteil von 10.000 EUR auszuzahlen. Sie habe auch keine Möglichkeit, das Gebäude komplett zu übernehmen und zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007 wies der Beklagte den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 02.08.2007" "wegen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen" als unbegründet zurück. Das Grundstück sei infolge des Auszugs und der angestrebten Verwertung nicht mehr als geschütztes, sondern als verwertbares Vermögen zu bewerten. Anzurechnen seien derzeit 10.000 EUR. Eine sofortige Verwertung sei zurzeit ausgeschlossen.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2007 Klage erhoben.
Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Sozialgericht ein Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte vom 27. August 2009 eingeholt. Danach belief sich der Marktwert zum Bewertungsstichtag 1. November 2006 auf 23.600 EUR. Wegen des weiteren Inhalts des Gutachtens wird auf Bl. 38 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Hinsichtlich nachfolgender Bewilligungsabschnitte hat der Beklagte Leistungen zunächst als Darlehen bewilligt, nach Einholung des Verkehrswertgutachtens mit Änderungsbescheiden vom 11. Januar 2010 jedoch Leistungen als Zuschuss zuerkannt. Am 24. Mai 2013 haben die Klägerin und ihr nunmehr geschiedener Ehemann das Grundstück für 14.000 EUR verkauft. Das Verfahren hat durch Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 9. August 2010 bis zur Wiederaufnahme am 18. Juli 2013 geruht.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Der Widerspruch habe sich sowohl gegen den Aufhebungsbescheid als auch gegen die bloß darlehensweise Bewilligung gerichtet. Es sei daher davon auszugehen, dass der Widerspruchsbescheid auch beide Ausgangsbescheide umfasse. Das Grundstück sei mangels Nachfrage derzeit nicht veräußerbar und daher nicht verwertbar. Es sei fragwürdig, ob 23.600 EUR zu erzielen seien. Es müsse berücksichtigt werden, dass weitere Mängel nicht auszuschließen seien und die notwendig gemeinsame Willensbildung der Miteigentümer ein weiteres Verkaufshindernis darstelle. Zudem sei der Zustand des Hauses immer schlechter geworden und es habe letztlich durch das undichte Dach hinein geregnet. Der tatsächlich erzielte Kaufpreis von 14.000 EUR stelle den Wert dar. Die Klägerin hat letztlich nur die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 02. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007, nicht die des Leistungsbescheides über die Darlehensgewährung vom gleichen Tag beantragt.
Der Beklagte hat vorgetragen: Der Widerspruch betreffe nur den Darlehensbescheid. Der Aufhebungsbescheid würde jedoch im Falle des Obsiegens der Klägerin von Amts wegen abgeändert. Es läge den Freibetrag von 8.100 EUR übersteigendes Vermögen vor. Zwar sei die Marktlage schlecht, allerdings könne nicht von einer fehlenden Verwertbarkeit an sich ausgegangen werden. Es sei ungeklärt, wo die Opfergrenze zu einer wirtschaftlichen Verwertung zu sehen sei. Auch sei zu überprüfen und nachzuweisen, welche Möglichkeiten sich durch Beleihung oder Vermietung des Objekts ergeben könnten. Erst nach Erzielung eines Erlöses könne eine klare Entscheidung getroffen werden. Bis dahin habe es beim Darlehen zu verbleiben. Durch die Berufsunfähigkeitsrente sei die Klägerin auch hinsichtlich der Kranken- und Rentenversicherung abgesichert, sodass ihr keine Nachteile entstünden. Bis zur Veräußerung sei von 23.600 EUR als möglichem Erlös auszugehen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass Vermögen solange beim Anspruch zu berücksichtigen sei, wie es vorhanden sei.
Mit Urteil vom 13. April 2015 hat das Sozialgericht den Rücknahmebescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 1 und 2 SGB X lägen nicht vor. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 3. Juli 2007 sei nicht rechtswidrig gewesen. Das Vermögen der Klägerin habe den Freibetrag von 8.100 EUR nicht überstiegen. Der tatsächliche Verkaufspreis sei aussagekräftiger als die Schätzung durch den Gutachterausschuss. Ihm hätten Angaben zum Kaufpreis vergleichbarer Grundstücke in der Nachbarschaft nicht vorgelegen.
Gegen das ihm am 11. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 5. Juni 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Klägerin habe eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob eine Erwerbsminderung auf Dauer gegeben gewesen sei, die zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II führe. Dann hätte nicht der Beklagte, sondern der beizuladende Sozialhilfeträger Leistungen zu erbringen. Zur Bestimmung des Verkehrswertes habe auf das Verkehrswertgutachten zurückgegriffen werden können, wie das BSG entschieden habe [Urteil vom 27. Januar 2009, Aktenzeichen (Az.) B 14 AS 42/07 R]. Die Verwertung sei weder unwirtschaftlich gewesen noch habe sie eine besondere Härte dargestellt. Folge man der Rechtsauffassung des Sozialgerichts, würden das Verkaufsrisiko und ein eventuell fehlendes Verkaufsgeschick auf die Allgemeinheit übergehen. Zudem verwundere es, dass der Senat nach Hinweis des Einzelrichters auf § 44 SGB II die "dolo agit" – Einrede selbst aufnehme. Nach Sicht des Beklagten verbiete sich dieses. Ein solcher Antrag sei seitens der Klägerin nicht gestellt worden. Es werde dazu auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2005 zum Az. L 3 AS 208/49, Rnr. 49ff. (gemeint ist wohl: LSG Sachsen, Urteil vom 24. Mai 2012 zum Az. L 3 AS 208/11) sowie auf Burkizcak in Juris Praxiskommentar, 4. Auflage 2015, § 44 Rnr. 11ff. verwiesen. Da es sich um eine Antragsvorschrift handele und insoweit eine Verbescheidung durch den Beklagten erforderlich sei, fehle es mangels Antrag im bisherigen Verfahren an einem entsprechenden Vorverfahren nach §§ 77ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) und somit an einer Prüfungsmöglichkeit im hiesigen Verfahren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 151 Abs.1 SGG). Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Die zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle nur noch hinsichtlich des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 geführte Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Klageziel ist die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 und die damit verbundene Rückwandlung des Darlehens in einen Zuschuss aufgrund des Leistungsbescheides vom 3. Juli 2007.
Der hier streitgegenständliche Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist sowohl formell rechtmäßig (dazu unter a.) als auch materiell-rechtlich rechtmäßig (dazu unter b.).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 02. August 2007. Die Klage war in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nur auf die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007, nicht des Leistungsbescheides vom selben Tag, gerichtet. Ob daher der Beklagte von Amts wegen über die Aufhebung des Darlehensbescheides gemäß § 44 SGB X zu entscheiden hat, kann dahinstehen, da kein materiell-rechtlicher Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 besteht.
a.) Der Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist formell rechtmäßig.
Es sind bis zur Beschränkung des Antrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle lediglich auf Aufhebung des Rücknahmebescheides beide Bescheide vom 2. August 2007 Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin in ihrem Widerspruch vom 15. August 2007 ausgeführt hat, sie lege Widerspruch "gegen den Bescheid vom 02.08.2007" ein. Als Prozesshandlung und Willenserklärung ist es notwendig und möglich, diese auszulegen und § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) heranzuziehen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 11. Auflage 2014, Vor § 60, Rn. 11a - mit Nachweisen zur Rechtsprechung - in Verbindung mit Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 83 Rn. 2). Danach ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am Wortlaut zu haften. Maßgebend ist, wie die Erklärung nach den Gesamtumständen zu verstehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 60 Rn. 11a). Im hier zu beurteilenden Fall, hat die Klägerin ausdrücklich erklärt, sie begehre die "Zurücksetzung in den Zustand des Verwaltungsbescheides vom 30.07.2007 (d.h. Aufhebung des Darlehensbescheides zugunsten des Bescheides Sicherung des Lebensunterhaltes)." Auch wenn im Widerspruchsschreiben vor diesem Satz steht, der Widerspruch sei gegen "den Bescheid" eingelegt worden, so stellen beide Bescheide vom 2. August 2007 doch in den Wirkungen für die Klägerin eine Einheit dar hinsichtlich der Bewilligung des Darlehens und Aufhebung des Zuschusses. Der Rücknahmebescheid vom 2. August 2007 verweist ausdrücklich nur bezogen auf die Höhe des Leistungsanspruchs auf den weiteren Bescheid vom gleichen Tag ("Die Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs bitte ich dem beigefügten Bescheid zu entnehmen."). Dass hier nur eine darlehensweise Leistungsbewilligung nach Ansicht des Beklagten in Betracht kommen konnte, ergibt sich schon aus dem 2. Satz der Begründung des Rücknahmebescheides vom 2. August 2008. Insofern stellt der "Leistungsbescheid" von diesem Tag in dieser Hinsicht nur eine Wiederholung dar und regelt lediglich – die hier nie bestrittene - Höhe des Anspruchs. Über die nach Beklagtenansicht gegebenen Voraussetzungen der Rücknahme entscheidet auch der Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007.
Zwar hatte der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 24 SGB X vor Erlass der Bescheide vom 2. August 2007 zur Rücknahme der Bewilligung als Zuschuss und Umwandlung in ein Darlehen angehört, jedoch sind ihr in den Bescheiden alle maßgebenden Gesichtspunkte mitgeteilt worden und sie hatte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ausreichend Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, was sie auch mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 15. August 2007 getan hat. Damit war der Anhörungsmangel im Vorverfahren geheilt, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X.
Daher wurde auch ein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt.
b.) Der angegriffene Rücknahmebescheid ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig, da die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss hat.
Die Rücknahme des Bescheides vom 3. Juli 2007, mit dem Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 2007 als Zuschuss bewilligt worden sind, ist rechtmäßig, da dieser Bescheid rechtswidrig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen als Zuschuss aufgrund verwertbaren Vermögens. Die Aufhebung ab September 2007 ist rechtmäßig, schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin besteht nicht.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Der Bescheid vom 3. Juli 2007 stellt einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt dar, da die Klägerin keinen Anspruch auf zuschussweise Leistungsgewährung hat.
Zwar erfüllt die Klägerin die notwendigen grundlegenden Voraussetzungen zur Beanspruchung von Leistungen nach dem SGB II, wie sie im § 7 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit den §§ 8 und 9 SGB II festgelegt sind. Die Klägerin hat das 15., aber im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht das 66. Lebensjahr (vgl. § 7a SGB II) vollendet, ist erwerbsfähig.
Entgegen der Ansicht des Beklagten war hier auch nicht der örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe notwendig beizuladen, da die Klägerin in der streitigen Zeit erwerbsfähig gewesen ist. Die Klägerin hat eine Berufsunfähigkeitsrente bezogen, jedoch keine wegen voller Erwerbsminderung. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin hat im hier streitigen Zeitraum die Grenze des § 8 Abs. 1 SGB II überschritten, wonach erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein zu können. Ausweislich des Bescheides der Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 28. Mai 2008 konnte dem Antrag der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 5. Dezember 2007 nicht entsprochen werden, da diese ein vorhandenes Leistungsvermögen habe, dass die regelmäßige Ausübung von Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden pro Woche täglich im Rahmen einer 5 - Tage-Woche ermögliche. Zudem hat der Beklagte am 14. August 2008 eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes eingeholt, wonach die Klägerin täglich drei bis unter sechs Stunden arbeiten könne. Der Senat hat keinen Zweifel an den bestandskräftigen Feststellungen des Trägers der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Erwerbsfähigkeit im Sinne der genannten Vorschrift im streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach § 9 Abs. 1 SGB II wegen des vorhandenen Vermögens der Klägerin besteht nicht.
Zwar schloss das vorhandene Einkommen die Hilfebedürftigkeit nicht aus. Hinsichtlich des Einkommens wird auf die Berechnungen des Beklagten im Bescheid vom 2. August 2007 Bezug genommen, wonach nach Anrechnung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Erwerbseinkommen und den Unterhaltsleistungen des Ehemannes noch ein Leistungsanspruch in Höhe von 188,77 EUR verblieben ist. Auch wenn der Beklagte vorliegend das Einkommen der Klägerin fehlerhaft bereinigt hat, weil nach Wegfall des Erwerbseinkommens ab August 2007 die Versicherungspauschale und die Riesterrente vom Einkommen der Klägerin aus Rente abzusetzen gewesen wären, führt dies nicht zur Hilfebedürftigkeit.
Der Leistungsanspruch als Zuschuss ist durch verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II ausgeschlossen (dazu unter aa.), das die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt (dazu unter bb.).
aa.) Das Hausgrundstück, das im streitgegenständlichen Zeitraum hälftig im Eigentum der Klägerin gestanden hat, stellt verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II a.F. dar. In der ab 1. August 2006 bis 31.Dezember 2007 geltenden Fassung ist definiert: Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (sog. "Versilbern"; ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007, Az. B 14/7b AS 46/06 R; BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 , Az. B 14 AS 158/11 R). Der Begriff "Verwertbarkeit" enthält eine tatsächliche Komponente, weil solche Vermögensgegenstände nicht verwertbar sind, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa, weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind (BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007, a.a.O. Rn. 12), und auch keine andere Verwertungsmöglichkeit ersichtlich ist. Ein Aspekt dieser tatsächlichen Verwertbarkeit ist die für sie benötigte Zeit, hinsichtlich der ggf. eine Prognose erforderlich ist. Für diese Prognose ist auf den bevorstehenden Bewilligungszeitraum abzustellen; eine Festlegung für darüber hinausgehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten (ständige Rechtsprechung: BSG vom 6. Dezember 2007, a.a.O., Rn. 15; BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 zum Az. B 14 AS 42/07; BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 zum Az. B 14 AS 2/09 R; BSG vom 18. September 2014, Az. B 14 AS 58/13 R, Rn. 15, zitiert nach juris).
Das im hälftigen Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück stellt verwertbares Vermögen dar. Es ist nicht ersichtlich, dass es im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hätte verwertet werden können. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass hier trotz des Maklerauftrags kein Käufer zu finden gewesen sei. Eine Art Vermögensschutz kann nicht dadurch hergestellt werden, dass überzogene Kaufpreisforderungen gestellt werden, die sich dann nicht realisieren lassen (Makler-Allein-Auftrag von 2005 mit Preisvorstellungen von 50.000 EUR, Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009 mit Verkehrswert von 23.600 EUR und Verkauf in 2013 zu einem Preis von 14.000 EUR). Gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Verwertbarkeit des Hauses spricht auch nicht, dass die Klägerin nicht Alleineigentümerin des Hauses war. Die damals getrenntlebenden Eheleute hatten sich entschlossen, das Haus zu verkaufen. Auch wenn im vorliegenden Verfahren die Klägerin auf die Zustimmung ihres Ehemannes angewiesen war, kann ein Vermögensschutz auch nicht aus dem Grund angenommen werden, weil der Ehemann wegen wiederholter Arbeitslosigkeit vergebens versucht hat, einen Kredit für den Erwerb des Hauses zu erhalten, um der Klägerin 10.000 EUR anteilig auszuzahlen. Gerade im Gegenteil ist davon auszugehen, dass diese Versuche der Kreditaufnahme zeigen, dass das Haus auch verwertbares Vermögen war. Bei der Frage der Verwertbarkeit sind nur auf auf das Grundstück selbst bezogene Verwertungshindernisse und nicht in der Person des Erwerbers liegende abzustellen. Es kann nicht darauf ankommen, ob der Verkauf tatsächlich nicht zustande kommt, weil potentielle Erwerber den Erwerb dann doch nicht realisieren können, aus welchen Gründen auch immer. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass der Ehemann in der Zeit der erfolglosen Versuche der Kreditaufnahme dem Verkauf nicht zugestimmt hätte, wenn sich ein Käufer gefunden hätte. Jedoch hat man in dieser Zeit gar nicht nach einem Käufer gesucht (Angabe der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2017).
Zudem stellt der hälftige Miteigentumsanteil auch kein nicht zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dar, wonach als Vermögen nicht zu berücksichtigen sind ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum dort nicht mehr gewohnt und der Wille des Ehemannes, dort einzuziehen zu wollen, genügt nicht, zumal es auf die Person der Klägerin ankommt.
bb.) Das Vermögen der Klägerin beträgt mindestens 11.800 EUR (hälftiger Wert des Hauses gemäß Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009). Die Klägerin verfügt neben dem hälftigen Anteil am Haus noch über eine Kapitallebensversicherung, Riester-Rentenversicherung und einen Bausparvertrag. Die Riesterrente stellt geschütztes und damit nicht anzurechnendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II dar. Auf den tatsächlichen Wert der Kapitallebensversicherung und des Bausparvertrages kommt es hier nicht an, da der hälftige Wert des Miteigentums am Haus den Freibetrag übersteigt.
Hinsichtlich des Wertes des hälftigen Eigentumsanteils am Haus ist auf das Verkehrswertgutachten vom 27. August 2009 mit dem Verkehrswert von 23.600 EUR abzustellen.
Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 bis 2 SGB II gilt: Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.
Im Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II liegen keine näheren Angaben über den Wert des Hauses vor. Auf den von der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann gewünschten Wert von 50.000 EUR kann nicht abgestellt werden, da er sich seit 2005 nicht am Markt realisiert hat, wie auch der beauftragte Makler in seinem Schreiben vom 11. Oktober 2006 mitgeteilt hat.
Hier liegt zeitnah zum streitgegenständlichen Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2007 das in 2009 erstellte Verkehrswertgutachten vor, auf das im Ergebnis auch abzustellen ist. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn zur Bestimmung des Verkehrswertes für § 12 Abs. 4 SGB II auf ein Verkehrswertgutachten, auf das auch zur Bestimmung nach § 194 Baugesetzbuch (BauGB) abgestellt wird, auch wenn solche Gutachten nicht die einzig denkbare Möglichkeit zur Ermittlung des Verkehrswertes darstellen. Die Wertermittlung nach § 194 BauGB i.V.m. der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (vom 6. Dezember 1988, BGBl. I, 2209 ‹WertV›) enthält allgemein anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken; ihre Anwendbarkeit ist nicht auf die Gutachterausschüsse nach §§ 192, 193 BauGB beschränkt und es ist nicht ersichtlich, dass mit dem Verkehrswert in § 12 Abs. 4 SGB II ein anderer Wert gemeint ist (so auch BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 zum Az. B 14 AS 42/07 R, Rn. 39, zitiert nach juris).
Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Art Gutachten nicht auch grundsätzlich zur Bestimmung des Vermögenswertes, der mit der Freibetragsgrenze des § 12 Abs. 2 SGB II zu vergleichen ist, herangezogen werden kann. Das Gutachten ist in sich schlüssig und überzeugend. Es sind nach Angaben der Gutachter auch die Verkaufsmöglichkeiten am örtlichen Markt in die Verkehrswertbestimmung eingeflossen. Auch wenn laut des Gutachtens nur eine Begutachtung von außen erfolgt ist und hinsichtlich des Zustandes im Haus lediglich die Angaben des Ehemannes zugrunde lagen, ist doch der Aussagegehalt des Gutachtens nie zeitnah ernsthaft von der Klägerin bestritten worden. Auch wenn sie angegeben hat, es seien den Gutachtern nicht die erzielten Verkaufserlöse in der unmittelbaren Nachbarschaft bekannt gewesen, ist dieser Vortrag als unsubstantiiert zurückzuweisen, da nicht durch Nachweise belegt mitgeteilt wird, wie hoch diese Verkaufserlöse waren und ob sich die Häuser in einem vergleichbaren Zustand befunden haben. Zudem ist die Klägerin immer selbst von einem hälftigen Wert von 10.000 EUR ausgegangen, wie sich sowohl ihrem Widerspruchsschreiben vom 18. August 2007 als auch dem in der Verwaltungsakte befindlichen Schriftwechsel im Scheidungsverfahren entnehmen lässt.
Gegen die Heranziehung des Verkehrswertgutachtens spricht auch nicht, dass sich der darin ermittelte Wert von 23.600 EUR im Laufe der Zeit trotz glaubhafter Vermittlungsbemühungen nicht hat realisieren lassen. Denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2017 angegeben, im hier streitgegenständlichen Zeitraum gar keine Verkaufsanstrengungen unternommen zu haben, da der Ehemann ihren Anteil am Haus habe erwerben wollen. So seien nach ihren Angaben zeitlich nach dem ersten Makler-Allein-Auftrag für ca. zwei Jahre keine Verkaufsanstrengungen erfolgt. Selbst wenn nach diesen zwei Jahren ein weiterer Makler beauftragt worden ist und zu einem Preis von 20.000 EUR das Haus auch nicht hat verkauft werden können, besagt dies nichts über die Verkaufsmöglichkeiten in der hier streitgegenständlichen Zeit, auf die es entscheidend ankommt.
Letztlich kann auch nicht auf den in 2013 erzielten Verkaufserlös von insgesamt 14.000 EUR abgestellt werden. Die Klägerin hat auf Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2013 angegeben, dass es zur Zeit des Verkaufs bereits in das Haus aufgrund von Dachschäden hinein geregnet habe. Dies war so nach Aktenlage vorher nicht bekannt. Selbst wenn die Undichtigkeit bereits vorher bestanden haben sollte, kann aufgrund der damit einhergehenden fortschreitenden Schädigung des Hauses nicht von dem Verkaufspreis von 14.000 EUR im Mai 2013 auf den Wert des Hauses im September 2007 geschlossen werden. Die Zeitspanne zwischen diesen beiden Daten ist zu lang.
Der Wert des hälftigen Eigentumsanteils sowie die übrigen Vermögenswerte übersteigen den Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 SGB II um mindestens 3.700 EUR.
Nach der Vorschrift des § 12 Abs. 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen
1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 9.750 Euro nicht übersteigen,
1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind,
2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet,
3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250 Euro nicht übersteigt,
4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.
Da die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum am 16. September 2007 ihr 49. Lebensjahr vollendet hat, steht ihr ein Freibetrag von 8.100 EUR (49 x 150 EUR + 750 EUR), bis 15. September 2007 von 7.950 EUR (48 x 150 EUR + 750 EUR) zu und ihr gesamtes verwertbares Vermögen ist insoweit geschützt als es diesen Betrag nicht übersteigt.
cc) Ob der Klägerin die sofortige Verwertung des Hauses nicht möglich im Sinne des § 9 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 23 Abs. 5 SGB II war und daher nur eine darlehensweise Bewilligung zu erfolgen hätte, muss hier nicht entschieden werden. Ein Anspruch der Klägerin auf darlehensweise Leistungsgewährung steht nicht im Streit.
Das Sozialgericht hat daher den streitgegenständlichen Rücknahmebescheid zu Unrecht aufgehoben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 188,77 EUR in der Zeit vom September 2007 bis Dezember 2007 als Zuschuss. Sie verfügt mindestens über ein Vermögen von 11.800 EUR (Anteil am Haus) und zudem noch über die Kapitallebensversicherung und den Bausparvertrag bei der LBS. Der angegriffene Bescheid vom 2. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 ist daher sowohl formell als auch materiell-rechtlich rechtmäßig.
Der Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2007 durch den Bescheid vom 2. August 2007 steht auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X entgegen. Der Beklagte hat die zuschussweise Leistungsbewilligung für die Zukunft unter Ausübung von Ermessen aufgehoben, hier ab September 2007. Die Klägerin hat daher die Leistungen nicht verbraucht und auch nicht vorgetragen, dass sie Vermögensdispositionen getroffen hat, die nicht rückgängig zu machen sind. Anhaltspunkte dafür ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.
Der Aufhebungsbescheid vom 2. August 2007 hebt daher rechtmäßig den Leistungsbescheid vom 3. Juli 2007 auf und der Beklagte dringt mit seinem Berufungsbegehren vollständig durch.
2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach dem Ausgang der Hauptsache, vgl. § 193 SGG. Der Rechtsmittelführer, der Beklagte, hat im Berufungsverfahren obsiegt und ist daher nicht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin insgesamt zu erstatten. Das Verbot der Reformatio in peius gilt nicht hinsichtlich der Kostenentscheidung (vgl. dazu BSG vom 26. Juni 2007 zum Az. B 1 KR 34/06 R, Rn. 38, zitiert nach juris; BSG vom 10. September 1987 zum Az. 10 RAr 10/86, Rn. 19, zitiert nach juris; BVerwG vom 23. Mai 1962 zum Az. V C 62.61, Rn. 17, zitiert nach juris). Daher ist es auch unschädlich, dass die Klägerin selbst keine Berufung eingelegt hat, sondern nur der Beklagte.
3. Gründe die Revision im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen bestehen nicht. Die entscheidungserheblichen Fragen können sowohl mit dem Gesetz als auch mit den bereits ergangenen Entscheidungen der Rechtsprechung beantwortet werden.
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