L 7/10 AL 465/03

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1/7 AL 3474/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7/10 AL 465/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 3/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 21. Januar 2000.

Der im Jahr 1940 geborene Kläger war seit dem 12. August 1985 bei der C. AG beschäftigt. In der Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. März 1997 war er in den USA bei der Firma C1. als Leitender Angestellter (Vice President Marketing) tätig. Dem lag eine Vereinbarung mit der Firma C. zugrunde, deren Einzelheiten in einem Schreiben des Unternehmens vom 17. Juni 1992 festgehalten sind. Danach werde - wie mit ihm besprochen - der Kläger mit Wirkung vom 1. Juli 1992 in die USA versetzt. Das Beschäftigungsverhältnis änderte sich vom Zeitpunkt der Versetzung an gemäß nachstehenden Bedingungen und beigefügten Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland. Mit der C1. sei abgestimmt, dass der Kläger dort für die Dauer seiner Versetzung als Vice President Marketing and Sales tätig werde. Für ihn gälten alle gesetzlichen und betrieblichen Regelungen wie für Mitarbeiter der C1., soweit keine ausdrückliche andere Regelung getroffen sei. Beim gegenwärtigen Stand der Planung werde davon ausgegangen, dass die Dauer der Versetzung in die USA drei Jahre betragen werde. Vom Zeitpunkt der Versetzung an erhalte der Kläger von der C1. ein jährliches Gehalt in Höhe von 130.000 Dollar brutto. Die Erstattung von Krankheitskosten erfolge nach Maßgabe der Medical Plans der C1.

Nach den damals geltenden "Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland" unterstand der Mitarbeiter der C. AG, der für die Tätigkeit bei der ausländischen Gesellschaft versetzt wurde, der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft für die Dauer der Versetzung zu ihr, soweit sich nicht aus besonderen Bestimmungen ein Weisungsrecht der C. AG ergab. Hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses zur C. AG war vorgesehen, dass das Beschäftigungsverhältnis für die Dauer der Versetzung ruhte. Die C. AG konnte jedoch den Mitarbeiter – nach Abstimmung mit der ausländischen Gesellschaft – an anderer Stelle in der Organisation des Hauses C. im In- oder Ausland einsetzen, wenn das Firmeninteresse dies erforderte. Darüber hinaus war der Mitarbeiter verpflichtet, im Rahmen seiner Tätigkeit alle wesentlichen Veränderungen des Marktes sowie der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklung im Einsatzland zu beobachten und die C. AG davon zu unterrichten. Die Dauer der Versetzung zur ausländischen Gesellschaft rechnete als Dienstzeit bei der C. AG, wenn der Mitarbeiter nach Abschluss seiner Tätigkeit im Ausland unverzüglich zur C. AG zurückkehrte. Die bei der C. AG von der Dienstzeit abhängigen Rechte, insbesondere hiervon abhängige Anwartschaften auf soziale Leistungen, wurden durch die Versetzung zur ausländischen Gesellschaft nicht beeinträchtigt. Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur ausländischen Gesellschaft richtete sich nach dem jeweiligen Landesrecht bzw. dem Dienstvertrag zur ausländischen Gesellschaft. Kündigte der Mitarbeiter sein Beschäftigungsverhältnis zur ausländischen Gesellschaft oder schied er im Einvernehmen mit dieser aus, so galt dies gleichzeitig auch als Kündigung bzw. einvernehmliche Beendigung des ruhenden Beschäftigungsverhältnisses zur C. AG, sofern mit der C. AG nichts anderes vereinbart wurde. Beide Beschäftigungsverhältnisse endeten dann zum gleichen Zeitpunkt. Kündigte die ausländische Gesellschaft das mit ihr bestehende Beschäftigungsverhältnis, so galt dies nicht als Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zur C. AG. Hatte ein Verhalten eines Mitarbeiters zur Kündigung durch die ausländische Gesellschaft geführt, so musste sich der Mitarbeiter dieses Verhalten auch bei der Beurteilung einer Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zur C. AG entgegenhalten lassen. Wenn die Tätigkeit des Mitarbeiters bei der ausländischen Gesellschaft aus Gründen beendet wurde, die weder von ihm noch von der C. AG beeinflusst werden konnten, war der Mitarbeiter verpflichtet, sich unverzüglich mit der C. AG in Verbindung zu setzen. Wenn der Mitarbeiter nach Vertragsablauf oder im Einvernehmen mit der C. AG nach Deutschland zurückkehrte, sollte er bei der C. AG wieder eine Stellung erhalten, die hinsichtlich Verantwortungsbereich, Einkommen und Anforderungen seinen im In- und Ausland gesammelten Erfahrungen und seinen Leistungen weitgehend entsprach.

Nach zweimaliger Verlängerung der Versetzung war der Kläger seit dem 1. April 1997 wieder in Deutschland für die Firma C. AG tätig. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber am 25. Juni 1998 zum 30. November 1998 meldete sich der Kläger am 13. November 1998 mit Wirkung zum 1. Dezember 1998 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte die Beklagte durch Bewilligungsbescheid vom 3. Dezember 1998 ab 1. Dezember 1998 in Höhe von 688,45 DM wöchentlich und für längstens 971 Tage. Bei dieser Entscheidung war die Beklagte von den Angaben der C. AG in der Arbeitsbescheinigung vom 17. November 1998 ausgegangen, denen zufolge der Kläger in der Zeit vom 12. August 1985 bis zum 30. November 1998 als Leitender Angestellter beschäftigt gewesen sei; die Dauer der Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit betrage 13 Jahre.

Mit Bescheiden vom 28. Juli 1999 machte die Beklagte gegenüber der C. AG gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die Erstattung des dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. Mai 1999 gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung geltend. Mit ihrem Widerspruch legte die C. AG dar, dass der Kläger während der Zeit seiner Zugehörigkeit zum C-Konzern (12. August 1985 bis 30. November 1998) überwiegend bei ausländischen C-Gesellschaften beschäftigt gewesen sei. Hinsichtlich der Vier-Jahresfrist des § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG sei er in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. März 1997 Mitarbeiter der C1. gewesen. Sein dortiges Arbeitsverhältnis habe den amerikanischen Sozialversicherungs- und Steuerbestimmungen unterlegen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Kläger mit Wirkung zum 1. April 1997 bei der C. AG beschäftigt gewesen. Eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung im Sinne von § 128 Abs. 1 AFG habe demnach erst ab 1. April 1997 bestanden. Bis zu seinem Ausscheiden am 30. November 1998 habe der Kläger folglich keine 720 Tage in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Während die Beklagte dem Widerspruch der C. AG stattgab (Bescheid vom 11. Oktober 2001), hob sie ihre Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes vom 3. Oktober 1998 durch Bescheid vom 17. Januar 2000 ab 26. November 1999 ganz auf. Der Arbeitgeber habe mit Schreiben vom 2. September 1999 mitgeteilt, dass in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. März 1997 eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) nicht vorgelegen habe. Der Kläger hätte leicht erkennen können, dass der Bewilligungsbescheid rechtswidrig gewesen sei, da bei einer Beschäftigung vom 1. April 1997 bis zum 30. November 1998 keine Anspruchsdauer von 720 Kalendertagen entstanden wäre.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Januar 2000 Widerspruch erhoben. Da die Beklagte die Meinung vertrat, dass die Leistungsaufhebung nicht hätte rückwirkend zum 26. November 1999 aufgehoben werden können, änderte sie den Aufhebungsbescheid vom 17. Januar 2000 insoweit ab, als die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung erst ab 21. Oktober 2000 aufgehoben werde (Bescheid vom 5. Dezember 2000). Nach nochmaliger Anhörung des Klägers zu der bevorstehenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligung im Ermessenswege (Anhörungsschreiben vom 2. August 2001, Antwortschreiben des Klägers vom 15. August 2001) wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001 als unbegründet zurück. Während seiner Tätigkeit in den USA sei der Kläger nicht beitragspflichtiger Arbeitnehmer im Sinne von § 168 AFG gewesen. Im Falle der befristeten Entsendung finde nach § 173 a AFG für die Beitragspflicht zur BA die Vorschrift über die Ausstrahlung in § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) Anwendung. Regelungen in Abkommen über soziale Sicherheit berührten die Beitragspflicht zur BA nur insoweit, als sich der sachliche Geltungsbereich (hier: des deutsch-amerikanischen Abkommens über soziale Sicherheit) auch auf die Arbeitslosenversicherung erstrecken würde. Dieses Abkommen regele jedoch ausschließlich den Versicherungszweig der Rentenversicherung und nicht den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Bei einer Beschäftigung im Ausland unterliege ein Arbeitnehmer im Wege der Ausstrahlung der deutschen Vorschrift über die Sozialversicherung, wenn es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handele und die Dauer der Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt sei. Eine Entsendung im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses liege nur vor, wenn der im Ausland Beschäftigte organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibe, dem Weisungsrecht des inländischen Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit unterstehe und sich der Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers gegen den inländischen Arbeitgeber richte. Wesentliches Indiz sei dabei, gegen wen der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch bestehe. Zur Fortführung des in der Bundesrepublik begründeten Sozialversicherungsverhältnisses im Rahmen der Ausstrahlung reiche ein im Inland bestehendes sog. Rumpfarbeitsverhältnis nicht aus. Abreden über das Ruhen der Hauptpflichten auf Arbeitsleistung und die Zahlung von Arbeitsentgelt sowie das "automatische" Wiederaufleben der Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag bei Rückkehr ins Inland seien Kriterien für ein solches Rumpfarbeitsverhältnis. Keine Ausstrahlung liege dann vor, wenn das Beschäftigungsverhältnis bei einer ausländischen Tochtergesellschaft den Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Gestaltungsmerkmale ausweise und das bisherige inländische Arbeitsverhältnis in den Hintergrund trete (z. B. ruhe). Dieser Sachverhalt liege hier vor. Mit Schreiben vom 17. Juni 1992 habe die C. AG dem Kläger erklärt, dass er in die Firma C1. organisatorisch eingegliedert werde und deren Weisungsrecht unterliege. Das Beschäftigungsverhältnis mit der C. AG ruhe für die Zeit des Auslandsaufenthaltes. Dies gehe auch aus den "Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland" hervor. Da die Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. März 1997 nicht der Beitragspflicht zur BA unterlegen habe, habe der Kläger durch die anwartschaftszeitbegründenden Tätigkeiten in Deutschland vom 1. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 und vom 1. April 1997 bis zum 30. November 1998 nach § 127 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) lediglich eine Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld von 360 Kalendertagen erworben. Sein am 1. Januar 1998 entstandener Anspruch sei daher mit Ablauf des 25. November 1999 erschöpft gewesen. Der rechtswidrige begünstigende Bewilligungsbescheid, durch den eine Anspruchsdauer von ursprünglich 971 Tagen festgesetzt worden sei, dürfe nach § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nur dann nicht zurückgenommen werden, wenn der Kläger auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig sei. Das Vertrauen sei nur dann in der Regel schutzwürdig, wenn er eine Vermögensdisposition getroffen habe, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Die Entscheidung, ob eine Rücknahme zu erfolgen habe, sei nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände des Einzelfalles zu treffen. Auf das Anhörungsschreiben vom 2. August 2001 sei vom Kläger mitgeteilt worden, dass er auf die Zahlung von Arbeitslosengeld wegen der Beiträge zur Lebensversicherung und zur Krankenkasse angewiesen sei. Bedürftigkeit liege aufgrund der Aufhebungsentscheidung offensichtlich nicht vor. Selbst wenn der Kläger auf den Bestand der Arbeitslosengeldbewilligung für 971 Kalendertage vertraut habe, könne er sich nicht auf die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens berufen. Bei der Interessenabwägung, die bei der Vertrauensschutzprüfung zu erfolgen habe, sei davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beseitigung der rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung höher einzustufen sei als das Interesse des Klägers an deren Fortbestand. Die bloße Erwartung des Klägers, das Arbeitslosengeld in jedem Fall bis zur Erschöpfung der bewilligten Anspruchsdauer beziehen zu können, sei wegen des Charakters der Lohnersatzleistung nicht als Tatbestandsmerkmal des berechtigten Vertrauens ausgestaltet.

Auf die am 17. Oktober 2001 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Bescheide vom 17. Januar 2000 und 5. Dezember 2000 sowie den Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass vorliegend von einem Beschäftigungsverhältnis des Klägers auch in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. März 1997 auszugehen sei. Dagegen spreche nicht, dass in der Anlage zum Schreiben der C. AG vom 17. Juni 1992 davon die Rede sei, der Mitarbeiter der C. AG unterstehe der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft für die Dauer der Versetzung. Naturgemäß werde das Weisungsrecht des inländischen Arbeitgebers in einer durch den Auslandseinsatz bedingten gelockerten Form weitergeführt. Es verstehe sich von selbst, dass konkrete Weisungen nur vor Ort erteilt werden könnten. Auch die Bestimmung, dass das Beschäftigungsverhältnis zur C. AG für die Dauer der Versetzung ruhe, spreche nicht gegen dessen Weiterbestand. Die Wirkung des Ruhens bestehe in rechtlicher Hinsicht nur darin, dass der Anspruch nicht erfüllt zu werden brauche bzw. nicht durchgesetzt werden könne. Schließlich könne die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf das Widerspruchsschreiben der C. AG vom 2. September 1999 verweisen. Die darin enthaltenen Ausführungen, wonach eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung des Klägers erst ab 1. April 1997 bestanden habe, seien vor dem Hintergrund der Einleitung eines Erstattungsverfahrens nach § 128 AFG gegen die C. AG zu sehen. Die Rechtsansicht der C. AG, die die Beklagte übernommen habe, sei motiviert durch das Bestreben, der Erstattungspflicht nach § 128 AFG zu entgehen. Für eine Ausstrahlung nach § 4 Abs. 1 SGB IV spreche auch, dass nach den "Bestimmungen für die Versetzung ins Ausland" die von der Dienstzeit abhängigen Rechte, insbesondere hiervon abhängige Anwartschaften auf soziale Leistungen durch die Versetzung zur ausländischen Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden sollten. Auch die Bescheinigung für die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften auf in die Vereinigten Staaten von Amerika entsendeten Arbeitnehmer (der Kläger werde klar und unmissverständlich als "entsandt" bezeichnet) spreche für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 SGB IV. Im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Klägers in den USA sei im Übrigen davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber insoweit von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht habe. Der Kläger sei grundsätzlich verpflichtet gewesen, der Versetzung in die USA Folge zu leisten. Der damit – möglicherweise – entstehende Wertungswiderspruch, einerseits privatrechtlich dem Direktionsrecht Folge leisten zu müssen, andererseits sozialversicherungsrechtlich Schutz zu verlieren, könne nicht zu Lasten des Versicherten gehen. Schließlich spreche auch die Arbeitsbescheinigung der C. AG für das Vorliegen der Ausstrahlung, weil darin eine Beschäftigung des Klägers vom 12. August 1985 bis zum 31. November 1998 angegeben worden sei.

Gegen dieses ihr am 28. April 2003 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 26. Mai 2003 eingegangenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, dass der Kläger nicht im Rahmen eines im Inland stehenden Beschäftigungsverhältnisses entsandt worden sei. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb seien die Eingliederung des Beschäftigten in diesem Betrieb und die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend. Vorliegend sei der Kläger in den USA nicht für seinen Arbeitgeber im Inland, sondern für einen anderen Arbeitgeber, und zwar die C1. als Vice President Marketing and Sales tätig gewesen. Er habe der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft und in keiner Weise dem Weisungsrecht der inländischen C. AG unterstanden. Für eine lediglich durch den Auslandseinsatz bedingte, gelockerte Form des Weisungsrechts bestünden keinerlei Anhaltspunkte. Völlig unberücksichtigt gelassen habe das SG im Übrigen auch die Tatsache, dass sich der Arbeitsentgeltanspruch des Klägers während seines Auslandsaufenthaltes ausschließlich gegen die C1. gerichtet habe. Das Beschäftigungsverhältnis zur inländischen C. AG habe während der Dauer des Auslandseinsatzes geruht. Vorliegend habe es sich nur noch um ein sog. "Rumpfarbeitsverhältnis" gehandelt. Würden die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis aber nicht vom inländischen Unternehmen erfüllt, so liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein Fall der Ausstrahlung vor (Urteil des BSG vom 7. November 1996 – 12 RK 79/94). Die Praxis der C. AG, Beschäftigungszeiten im Ausland in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung wie Beschäftigungszeiten bei der C. AG zu behandeln, ändere nichts daran, dass die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht vom inländischen Unternehmen erfüllt worden seien. Schließlich sei ohne Belang, dass es sich bei dem Unternehmen in den USA um ein Tochterunternehmen der C. AG handele.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
zum Beweis dafür, dass der Kläger weiterhin der Weisungsausübung und dem Direktionsrecht der C. AG Deutschland unterworfen war, Zeugnis des Geschäftsführers D. der Firma C. Solar GmbH D-Stadt zu laden über die C. Solar GmbH, D-Straße, D-Stadt sowie Dr. E., E Straße, E-Stadt, Schweiz, einzuholen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, vorliegend sei auch die Besonderheit zu beachten, dass, selbst wenn er während der Beschäftigung im Ausland dem Weisungsrecht der C1. unterlegen hätte, dies nur eine Weiterführung des Weisungsrechts der C. AG in D-Stadt bzw. der C. Solar GmbH in D-Stadt gewesen sei. Die C1. habe nämlich in voller Weisungsabhängigkeit des deutschen Unternehmens gestanden. Auch in dem internen Schreiben der C. AG vom 23. November 1998 heiße es im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass von einer Betriebszugehörigkeit von 13 Jahren ausgegangen werde. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass er Vertrauensschutz genieße. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 und 3 SGB X lägen nicht vor. Er habe keinerlei Kenntnis von der Unrichtigkeit des Bewilligungsbescheides gehabt.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2001 zu Unrecht aufgehoben. Diese sind rechtmäßig, weil die Beklagte zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 SGB X ausgegangen ist. Der Kläger hatte aufgrund der von ihm zurückgelegten Anwartschaftszeit begründenden Tätigkeiten in Deutschland vom 1. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 und vom 1. April 1997 bis zum 30. November 1998 lediglich eine Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld von 360 Kalendertagen erworben (§ 127 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 SGB III), sodass sein am 1. Januar 1998 entstandener Anspruch mit Ablauf des 25. November 1999 erschöpft war.

Entgegen der Auffassung des SG war die vom Kläger in den USA bei der Firma C1. zurückgelegte Zeit nicht anwartschaftsbegründend. Er unterlag nicht der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG. Diese vorliegend noch anwendbare Vorschrift galt räumlich grundsätzlich nur für Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen sind (§ 3 Nr. 1 SGB IV). Eine Ausnahme enthält lediglich die Ausstrahlungsregelung des § 4 Abs. 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift gelten, soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, diese auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Sinn der Vorschrift ist, dass den Arbeitnehmern in der Sozialversicherung keine Nachteile entstehen, wenn sie – durch die zunehmende internationale Verflechtung der Wirtschaft bedingt – im Ausland beschäftigt werden. Daher bestimmt sie, dass Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich des SGB bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs entsandt werden, ihren Versicherungsschutz nicht verlieren. Voraussetzung für die Annahme einer Ausstrahlung ist es jedoch, wie aus der Begründung zu Art. 1 § 4 des Entwurfs eines SGB IV hervorgeht, dass der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses trotz der Tätigkeit im Ausland weiterhin im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs liegt (Bundestags-Drucks. 7/4122, Seite 30).

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, liegt der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei der Ausstrahlung (ebenso wie bei der Einstrahlung gemäß § 5 SGB IV) unabhängig davon, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen ist, regelmäßig bei dem Betrieb, bei dem über die Arbeitsleistung hinaus wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb sind dabei einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen Betrieb und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend (BSG, Urteil vom 7. November 1996 12 RK 79/94 – SozR 3-2400, § 5 Nr. 2; ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. Oktober 2002 – VIII R 67/99BFHE 201, 40). Nach beiden Kriterien ist vorliegend die Beschäftigung im Betrieb der Firma C1. zuzuordnen.

Der Kläger war in den Betrieb der Firma C1. eingegliedert. Er unterstand grundsätzlich der Geschäftsleitung dieses Unternehmens für die Dauer der Versetzung. Das Beschäftigungsverhältnis zu der Firma C. AG ruhte demgegenüber für die Dauer der Versetzung. Dafür spricht auch, dass sich die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur ausländischen Gesellschaft grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesrecht, mithin demjenigen der USA, bzw. dem Dienstvertrag zur ausländischen Gesellschaft richtete. An der Eingliederung in das dortige Unternehmen ändert sich nichts dadurch, dass die C. AG den Kläger – "nach Abstimmung" mit der ausländischen Gesellschaft – an anderer Stelle in der Organisation des Hauses C. im In- oder Ausland einsetzen konnte, wenn das Firmeninteresse dies erforderte, und auch nicht der Umstand, dass der Mitarbeiter verpflichtet war, im Rahmen seiner Tätigkeit alle wesentlichen Veränderungen des Marktes sowie der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklung im Einsatzland zu beobachten und die C. AG davon zu unterrichten. Die Eingliederung in das amerikanische Unternehmen wird dadurch nicht aufgehoben.

Dasselbe gilt für den Umstand, wenn – wie der Kläger vorträgt – die Firma C1. in Weisungsabhängigkeit des deutschen Unternehmens gestanden hatte, er mithin - auch - der zentralen Leitung der D-Stadter C. Solar GmbH unterstanden hätte. Einer Einvernahme der vom Kläger benannten Zeugen D. und Dr. E. dazu bedurfte es nicht. Ist eine Weisungsabhängigkeit nämlich nicht nur - wie vorliegend - zum ausländischen, sondern auch in Bezug zum inländischen Unternehmen vorhanden, so ist der Tatsache, dass die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den ausländischen Betrieb erfolgte, besonderes Gewicht beizumessen. Dann jedenfalls ist davon auszugehen, dass der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses nicht im Inland, sondern im Ausland liegt.

Da schließlich die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich die Gründe für ihre Ermessensentscheidung dargelegt hat und diese nicht zu beanstanden sind, sind die angefochtenen Bescheide insgesamt unter Anwendung des § 45 SGB X zu Recht ergangen. Mit Erlass des Bescheides vom 5. Dezember 2000 hat sie insbesondere den Schutz des Vertrauens des Klägers berücksichtigt und die Leistungsaufhebung lediglich für die Zukunft verfügt. Für einen noch weitergehenden Vertrauensschutz bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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