L 4 KR 4/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1116/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 3. November 2016 bis 21. Juni 2017.

Die 1955 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin war zuletzt bis 29. Februar 2016 als Arbeiterin in der Produktion von Kunststoffteilen versicherungspflichtig beschäftigt. Bereits seit dem 18. Januar 2016 war sie arbeitsunfähig erkrankt wegen unter anderem Kniebeschwerden aufgrund einer Kniegelenksendoprothese, Fibromyalgie und Bandscheibenproblemen. Die Beklagte gewährte der Klägerin Krankengeld ab 29. Februar 2016 von EUR 61,66 netto kalendertäglich.

Zuletzt bescheinigte Arzt für Orthopädie Dr. L. mit einer Folgebescheinigung am 18. Oktober 2016 Arbeitsunfähigkeit für die Zeit bis 2. November 2016 (Mittwoch). Die darauffolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datiert vom 7. November 2016 (Montag).

Mit Bescheid vom 11. November 2016 stellte die Beklagte das Ende der Gewährung von Krankengeld mit Ablauf des 2. November 2016 fest. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin sei seit dem 7. November 2016 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld bei ihr versichert.

Hiergegen legte die Klägerin am 17. November 2016 Widerspruch ein und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. L. vom 17. November 2016 für die Zeit ab dem 4. November 2016 sowie eine Äußerung dieses Arztes vom 24. Januar 2017, wonach zwischen dem 3. und 6. November 2016 unzweifelhaft Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bestanden habe, vor. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie sei weiterhin arbeitsunfähig erkrankt. Ihr könne nicht angelastet werden, dass ihr erst am 7. November 2016 wieder die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei. Sie habe – wie von der Rechtsprechung gefordert – alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine Feststellung ihrer Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Dr. L. sei in der 44. Kalenderwoche urlaubsabwesend gewesen. Sie habe sich deshalb am 3. November 2016 in die Behandlung von Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. O.-F. begeben und dort ihre Beschwerden geschildert. Sie habe um entsprechende Befunderhebung gebeten. Ihr sei jedoch mitgeteilt worden, dass dies am 3. November 2016 nicht möglich sei. Sie solle am 7. November 2016 wieder zu Dr. L. gehen.

In der Folgezeit legte die Klägerin weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr. L. vor. Aktenkundig ist zuletzt eine am 23. Januar 2017 bis 6. Februar 2017 ausgestellte Bescheinigung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2017 (zugestellt am 3. März 2017) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Klägerin habe vor Ablauf der letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um eine erneute Bescheinigung zu erlangen. Ihr sei die Urlaubsabwesenheit von Dr. L. bekannt gewesen. Sie hätte sich deshalb rechtzeitig um einen Vertretungstermin kümmern oder die Bescheinigung vor der Urlaubsabwesenheit von Dr. L. verlängern lassen müssen.

Am 3. April 2017 erhob die Klägerin zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und trug ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag vor, weil Dr. L. urlaubsabwesend gewesen sei, habe sie am 3. November 2016 ihre Hausärztin Dr. O.-F. aufgesucht und ihre gesundheitlichen Beschwerden geschildert und um Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gebeten. Dr. O.-F. könne dies bezeugen. Diese habe die Ausstellung einer Bescheinigung abgelehnt, weil ihr aus terminlichen Gründen eine Behandlung nicht möglich gewesen sei. Dr. O.-F. habe sie auf Dr. L. nach seiner Urlaubsrückkehr verwiesen. Die Obliegenheit der Versicherten, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen, umfasse nicht die Verlängerung der Bescheinigung noch vor deren Ablauf. Auch sei sie in ihrer Arztwahl frei. Sie habe nicht die Vertretung von Dr. L. aufsuchen müssen. Es genüge, wenn sie lediglich einen Vertragsarzt aufsuche. Sei der aufgesuchte Arzt terminlich verhindert, könne dies dem Versicherten nicht vorgeworfen werden. Entgegen der Zeugenaussage von Dr. O.-F. (dazu unten) habe sich die Klägerin am 3. November 2016 in der Praxis vorgestellt. Die Sprechstundengehilfinnen von Dr. O.-F. könnten dies bezeugen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte Dr. O.-F. schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese teilte am 4. September 2017 mit, die Klägerin habe sich am 3. November 2016 nicht in ihrer Sprechstunde befunden.

Mit Urteil vom 13. November 2017 wies das SG die Klage ab. Der angefochtene Bescheid vom 11. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe über den 2. November 2016 hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der letzte Krankengeldbewilligungsabschnitt habe am 2. November 2016 geendet. Am Tag der erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit, am 7. November 2016, sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nachgeholt werden könne, liege nicht vor. Die Klägerin habe nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um ihre Ansprüche zu wahren. Hierzu gehöre nach der Rechtsprechung ein rechtzeitiger persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. Ein solcher habe nicht stattgefunden. Anhaltspunkte, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen sein könnte, seien nicht ersichtlich und würden auch nicht geltend gemacht, zumal sie in der Lage gewesen sei, die Praxis von Dr. O.-F. aufzusuchen. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch seien nicht erfüllt. Ebenso wenig bestünde ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Januar 2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die unterbliebene ärztliche Feststellung ihrer Arbeitsunfähigkeit am 3. November 2016 liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Sie habe sich an diesem Tag in der Praxis von Dr. O.-F. vorgestellt. Dort sei ihr von den medizinischen Fachangestellten, die als Zeuginnen benannt würden, mitgeteilt worden, dass eine Behandlung am 3. November 2016 nicht möglich sei. Zur Wahrung der Voraussetzungen für die Weiterbewilligung von Krankengeld sei ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt nicht erforderlich. Außerdem handele es sich bei den Sprechstundengehilfinnen um Erfüllungsgehilfinnen der Ärztin, so dass es sich bei dem Kontakt mit diesen Personen um einen von der Rechtsprechung geforderten Arzt-Patienten-Kontakt handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2017 zu verurteilen, ihr Krankengeld für die Zeit vom 3. November 2016 bis 21. Juni 2017 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 25. April 2018 erörtert. Auf Befragung hat die Klägerin angegeben, Frau Dr. O.-F. sei die Vertreterin ihres Hausarztes Dr. Mahler, der sich damals ebenfalls im Urlaub befunden habe. Dass Dr. L. im Urlaub sein würde, habe sie seit dem Tag der Ausstellung der Bescheinigung am 18. Oktober 2016 gewusst. Am 3. November 2016, als sie die Praxis von Dr. O.-F. aufgesucht habe, habe sie die Ärztin nicht gesehen. Die Arzthelferinnen hätten ihr gesagt, dass eine Vorsprache bei Dr. O.-F. an diesem Tag nicht möglich sei.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten im Erörterungstermin auf die Absicht hingewiesen, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 SGG statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch nicht der Zulassung, weil die Klägerin Krankengeld von insgesamt mehr als EUR 750,00 begehrt.

3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 8 m.w.N.). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 SGB V in der seit 23. Juli 2015 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 15 Buchst. a GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1211) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nach Satz 2 jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs, also nicht nur die Arbeitsunfähigkeit, sondern auch die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, müssen bei zeitlich befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 8/07 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R –juris, Rn. 13). Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld hat. Will ein Versicherter seine Mitgliedschaft als Beschäftigter in der gesetzlichen Krankenversicherung über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus durch einen Anspruch auf Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhalten, muss er seine Arbeitsunfähigkeit für jeden Krankengeldbewilligungsabschnitt erneut rechtzeitig ärztlich feststellen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R – juris, Rn. 16).

Bei der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach die Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V strikt zu handhaben (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 R – juris, Rn. 19; zuletzt BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 20). Der Gesetzgeber hat mit der Änderung in § 46 SGB V durch das GKV-VSG diese Rechtslage und die Rechtsprechung des BSG ausdrücklich bestätigt und hierzu nur eine Erleichterung bezweckt (Bundestags-Drucksache 18/4095, S. 80), so dass diese Rechtsprechung ohne Einschränkung auch für die hier geltende Fassung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V Anwendung findet (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2017 – L 11 KR 4869/16 –, nicht veröffentlicht und Urteil vom 15. Mai 2018 – L 11 KR 4179/17 – juris, Rn. 20).

b) Die Mitgliedschaft der Klägerin als Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) blieb über den Bezug von Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur bis zum 2. November 2016 erhalten. Nach dieser Vorschrift bleibt die Mitgliedschaft unter anderem erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht. Am Tag der erneuten ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, dem 7. November 2016, war die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Denn eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin war vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts am 2. November 2016 nicht erneut ärztlich festgestellt worden. Die den Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit Ablauf des 2. November 2016, dem letzten Tag der von Dr. L. am 18. Oktober 2016 befristet festgestellten Arbeitsunfähigkeit.

Ein Sachverhalt, bei dem die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise hätte nachgeholt werden können, ist vorliegend nicht gegeben. Die Rechtsprechung des BSG hat trotz der gebotenen grundsätzlich strikten Anwendung des § 46 SGB V in engen Grenzen Ausnahmen zugelassen, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (zusammenfassend m.w.N. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 22). Derartiges hat das BSG bejaht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten, im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes. In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat das BSG außerdem eine Ausnahme anerkannt, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit getan hat, daran aber trotz Arzt-Patienten-Kontakts durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung des Arztes, eine AU-Bescheinigung nicht auszustellen, gehindert worden ist - unabhängig von den Gründen für das Zustandekommen dieser Fehlentscheidung (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 26). Dem Anspruch auf Krankengeld eines Versicherten steht eine nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen, wenn 1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um a) die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Anspruch auf Krankengeld erfolgt ist erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Ansprüche auf Krankengeld durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), und 3. er – zusätzlich – seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht (BSG a.a.O., Rn. 34).

Keiner der genannten Fälle lag hier vor. Die Klägerin war weder handlungs- oder geschäftsunfähig noch hat sie alles in ihrer Macht Stehende getan, eine rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erwirken. Nach den eigenen Angaben der Klägerin hat sie am 3. November 2016 Dr. O.-F. ihre Beschwerden nicht geschildert. Sie hatte lediglich Kontakt zu den Sprechstundengehilfinnen. Die genannte Ausnahmerechtsprechung des BSG greift jedoch nur ein, wenn ein zur Diagnostik und Behandlung befugter Arzt persönlich aufsucht und ihm seine Beschwerden geschildert werden (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 34; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 2018 – L 11 KR 4179/17 – juris, Rn. 24). Die Vorsprache beim Praxispersonal genügt nicht. Nur im Fall eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts ist davon auszugehen, dass der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan an, um seine Ansprüche zu waren. Die Klägerin wurde an einem solchen Arzt-Patienten-Kontakt auch nicht durch ein dem Vertragsarzt vorzuwerfendes, der Beklagten zuzurechnendes Fehlverhalten gehindert. Es oblag vielmehr ihr sich rechtzeitig um einen Termin bei der Vertretung ihres Hausarztes oder des Dr. L. zu kümmern. Bereits seit 18. Oktober 2016 war ihr nicht nur das Auslaufen der Bescheinigung zum 2. November 2016, sondern auch die Urlaubsabwesenheit des Dr. L. bekannt. Es bestand damit genug Zeit, für den 3. November 2016 einen Termin bei einem Vertragsarzt – z.B. dem Vertreter des Dr. L. – zu vereinbaren, um diesem seine Beschwerden zu schildern.

c) Es besteht auch kein nachgehender Leistungsanspruch für die Dauer von einem Monat aus § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Dies war vorliegend nicht der Fall.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved