S 29 AS 63/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 63/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte R und R wird abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Antragstellern zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld).

Die Antragsteller leben in einem gemeinsamen Haushalt. Die Antragsteller zu 3) bis 5) sind die gemeinsamen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2). Sowohl die Antragstellerin zu 1) als auch der Antragsteller zu 2) erzielen Erwerbseinkommen. Mit Bescheid vom 22.04.2005 wurde den Antragstellern zu 1) bis 5) Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für den Monat Mai 2005 in Höhe von insgesamt 255,21 Euro bewilligt. Für die Antragsteller zu 1) und 2) wurde jeweils ein Bedarf in Höhe von 311,00 Euro zuzüglich eines Fünftels der Unterkunftskosten anerkannt. Bei Anrechnung des Erwerbseinkommens der Antragsteller zu 1) und 2) auf den Bedarf, wurde für diese ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit in Höhe von 55,50 bzw. 214,23 Euro berücksichtigt. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 25.04.2005 Widerspruch ein. Für die Folgemonate wurden jeweils Bescheide auf derselben Berechnungsgrundlage erlassen. Auch gegen die Bescheide für Juni und Juli 2005 legten die Antragsteller Widerspruch ein.

Am 00.00.0000 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Eilbedürftig sei die Sache schon alleine deshalb, weil die Bescheide der Antragsgegnerin fehlerhaft seien und hieraus weniger Leistungen für die Antragsteller resultierten, als ihnen tatsächlich zustünden. Die Leistungen nach dem SGB II seien gerade so hoch, dass sie den Bedarf der Antragsteller decken sollten. Bereits seit April 2005 bestehe eine Versorgungslücke, die die Antragsteller nicht mehr aus eigenen Mitteln decken könnten. Bei der Ermittlung der Ansprüche der Antragsteller müsse sowohl vom Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1) als auch vom Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 2) zusätzlich ein Betrag in Höhe von 15,33 Euro als Werbungskostenpauschale abgezogen werden. Hinzu komme ein Betrag von monatlich 32,90 Euro für die Kfz-Haftpflichtversicherung des Antragstellers zu 2). Außerdem müsse auch beim Antragsteller zu 2) eine Pauschale von 30,00 Euro für private Versicherungen abgezogen werden. Letzteres erfolge bislang nur bei der Antragstellerin zu 1).

Die Antragsteller beantragen,

1.ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte R und R zu gewähren.

2.Die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach den gesetzlichen Vorgaben zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Durch die bloße Behauptung einer Versorgungslücke sei noch keine Notlage glaubhaft gemacht. Der Antrag scheine vielmehr darauf gerichtet, alsbald über die Widersprüche zu entscheiden. Diesbezüglich sei man ohnehin um eine zeitnahe Entscheidung bemüht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. 1.Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.

Prozesskostenhilfe ist nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag zu gewähren, soweit die Antragsteller nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen können, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet bereits deshalb aus, weil der Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter 2. verwiesen.

2.Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg, er ist unbegründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Dies ist der Fall, wenn den Antragstellern gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch (so genannte Anordnungsanspruch) zusteht, dessen vorläufige Durchsetzung dringlich ist (so genannter Anordnungsgrund). Die vorläufige Befriedigung des Anspruchs anzuordnen kommt dabei aber nur in Betracht, wenn den Antragstellern sonst unzumutbare Nachteile entstünden (Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu ermitteln (Landessozialgericht NRW, Beschluss vom 21.04.2005, AZ: L 9 B 6/05 SO ER). Anordungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Es kann dahinstehen, ob den Antragstellern ein Anordnungsanspruch zusteht. Denn sie haben keinen Anordnungsgrund als Ausdruck einer besonderen Eilbedürftigkeit der Durchsetzung ihres Begehrens glaubhaft gemacht. Ein solcher setzt die Unzumutbarkeit voraus, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Sofern die Antragsteller Leistungen für Zeiträume vor dem 21.09.2005 begehren, fehlt es schon aus grundsätzlichen Erwägungen am Anordnungsgrund. Der einstweilige Rechtsschutz dient der Abwendung einer gegenwärtigen Notlage. Diese besteht grundsätzlich erst ab Stellung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht (LSG NRW, Beschluss vom 19.07.2005, AZ: L 19 B 31/05 AS ER):

Für die Zeiträume nach Antragstellung ist ein akute Notlage nicht ersichtlich. Die Bedarfe der minderjährigen Antragsteller zu 3) bis 5) sind vollumfänglich gedeckt. Einzig hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) werden Abzüge vom anzusetzenden Einkommen in Höhe von zusätzlich 15,33 bzw. 78,23 Euro monatlich begehrt. Hierzu ist anzumerken, dass höhere Absetzungsbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB II nicht im vollen Umfange sich als höhere Leistungen für die Antragsteller niederschlagen würden. Denn der Freibetrag für Erwerbstätige nach § 30 SGB II fiele dann geringer aus. Aufgrund letzteren Freibetrages kann hier auch dahinstehen, ob, wie von den Antragstellern angenommen, im Wege der einstweiligen Anordnung überhaupt Leistungen in Höhe der 100-prozentigen Bedarfe nach dem SGB II zugesprochen werden können oder ob dies eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellte (vgl. ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.1988, AZ: 8 B 1057/88; Beschluss vom 10.05.2002, AZ: 12 B 423/02; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2005, AZ: L 19 B 33/05 AS ER). Die den Antragstellern zu 1) und 2) aufgrund ihres Erwerbseinkommens eingeräumten Freibeträge für Erwerbstätige stellen sicher, dass diese nicht in akute Not geraten. Sie liegen deutlich höher als die von den Antragstellern zusätzlich begehrten Leistungen. Der Freibetrag nach § 30 SGB II dient dazu Anreize zu schaffen, eine Erwerbstätigigkeit aufzunehmen. Dem Erwerbstätigen soll auf Dauer mehr verbleiben, als wenn er keinerlei Erwerbstätigkeit nachginge. Anders als nach § 21 SGB II zu gewährenden Mehrbedarfsbeträgen steht dem Freibetrag kein tatsächlicher erhöhter Bedarf an Lebenshaltungskosten gegenüber. Denn mit der Erzielung von Erwerbseinkommen verbundene Werbungskosten sind schon nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II zu berücksichtigen. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bezüglich Leistungen nach dem SGB II, kann es aber nur um die Sicherung des Existenzminimums gehen. Dieses ist hier nicht berührt, denn den Antragstellern zu 1) und 2) stehen erheblich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als der Vielzahl von Hilfeempfängern, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und allein von den Leistungen nach dem SGB II leben müssen. Es ist ihnen zumutbar diese Beträge vorübergehend zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse zu verwenden.

Soweit die Antragsteller der Meinung sind, über das Existenzminimum hinausgehende Beträge beanspruchen zu können, sind sie auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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