Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 4504/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 6424/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Dezember 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. Januar 2007 - unter Anrechnung bereits erfolgter und bewilligter Zahlungen - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 650,00 EUR zu gewähren. Die einstweilige Anordnung wird - unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit - zeitlich begrenzt bis 30. Juni 2007.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags- und im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Mietkosten in tatsächlicher Höhe anstelle des von der Antragsgegnerin gewährten niedrigeren Betrages.
Der am 1958 geborene Antragsteller bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Er ist als schwer behinderter Mensch anerkannt; der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 80 seit Mai 2005. Trotz seiner Behinderung ist er bis jetzt noch in der Lage, mindestens leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 3- bis 6-stündig an 5 Tagen in der Woche zu verrichten. Er hat kein Einkommen und verfügt auch nicht über Vermögen. Bis August 2006 bewohnte er alleine eine ca. 60 m² große Mietwohnung in B.M., für die er (ohne Nebenkosten) monatlich 260,00 EUR zu zahlen hatte.
Bereits in einem im Dezember 2004 ergangenen Bewilligungsbescheid wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien und er deshalb zur Senkung dieser Kosten verpflichtet sei. Ab 01.07.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller deshalb nur noch die aus ihrer Sicht angemessenen Leistungen. Vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) schlossen der Antragsteller und die Antragsgegnerin im Verfahren S 5 AS 2216/05 einen Vergleich, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, auch für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 Kosten der Unterkunft und Heizung in ungekürzter Höhe zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 21.12.2005 und Widerspruchsbescheid vom 21.04.2006 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 in Höhe von 619,92 EUR. Sie anerkannte Kosten der Unterkunft nur noch in Höhe von insgesamt 274,92 EUR als angemessen (216,- EUR Kaltmiete + 36,- EUR Heizkosten + 20,- EUR Kosten für Wasser/Abwasser + 2,92 EUR Nebenkosten). Dagegen erhob der Antragsteller am 02.05.2006 Klage beim SG (S 9 AS 1640/06), über die noch nicht entschieden ist.
Nachdem Mietrückstände in Höhe von 818,- EUR aufgelaufen waren, kündigte der Vermieter der Wohnung in B.M. das Mietverhältnis mit dem Antragsteller und erhob außerdem Räumungsklage. Daraufhin bewilligte das Sozialamt M.-T.-K. dem Antragsteller ein Darlehen über 818,- EUR, das sie an den Anwalt des Vermieters ausbezahlte (Gesprächsnotiz vom 11.05.2006, Bl. 410 der Verwaltungsakte). Das Mietverhältnis für die Wohnung endete schließlich zum 31.12.2006.
Der Antragsteller teilte der Antragsgegnerin am 03.07.2006 telefonisch mit, dass er die Anmietung einer neuen Wohnung beabsichtige. Mit einem am 21.07.2006 eingegangenen Schreiben (Bl. 446 der Verwaltungsakte) führte er ferner aus, da die Miete für die jetzige Wohnung nicht bezahlt werde, sei wohl ein Umzug unumgänglich, da ein vollstreckbarer Räumungstitel zum 31.12.2006 vorliege. Wie bereits angekündigt, werde er in B. eine Wohnung im Betreuten Wohnen in Folge seiner Schwerbehinderung anmieten. Die Wohnung unterliege dem städtischen Wohnungsbau und sei nur mit Wohnberechtigungsschein zu beziehen. Die Zusage habe er erhalten. Die Kaltmiete betrage 252 EUR für 45 m² und 75 EUR für Nebenkosten inkl. Heizung. Er bitte um Prüfung der Angemessenheit der Wohnung. Dem Schreiben des Antragstellers war eine Mietbescheinigung, der Mietvertrag und eine Kopie des Wohnberechtigungsscheines für eine Wohnung bis 45 m² beigefügt. Mit einem am 01.08.2006 eingegangenen Schreiben bat er um sofortige Erledigung der Angemessenheitsprüfung.
Eine Antwort auf diese Schreiben erhielt der Antragsteller nicht. Es findet sich in der Akte der Antragsgegnerin allerdings ein Vermerk vom 03.08.2006 zu "BG 1445" (das ist die Nummer der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers). Dieser Vermerk enthält den Namen des Antragstellers, eine Telefonnummer sowie die Worte "F.W.er" und "Angemessenheit ok." Die Antragsgegnerin, die für die Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung keine schriftliche Zusicherung abgab, bewilligte mit Bescheid vom 03.07.2006 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2006 Leistungen zunächst in Höhe von wiederum monatlich 619,92 EUR. Auch gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 als unbegründet zurück.
Am 01.08.2006 unterzeichnete der Antragsteller dann einen Mietvertrag für eine 45 m² große 2-Zimmer-Wohnung in einer Betreuten Seniorenanlage in B. Der Mietpreis für diese Wohnung beträgt monatlich 252,- EUR, auf die Betriebskosten ist eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 70,- EUR zu zahlen und als Mietkaution ist ein Betrag von 504,- EUR zu entrichten. In den Nebenkosten sind auch Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Am 01.09.2006 zog der Antragsteller in die neue Wohnung ein. Die Beklagte änderte daraufhin ihre bisherige Leistungsbewilligung ab und gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 09.08.2006 für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.12.2006 monatliche Leistungen nur noch in Höhe von 611,77 EUR. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kaltmiete 203,00 EUR Heizkosten 36,00 EUR Nebenkosten 27,77 EUR Zwischensumme 266,77 EUR Regelleistung 345,00 EUR Gesamtsumme 611,77 EUR
Mit einem weiteren Bescheid vom 09.08.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme von Umzugskosten ab und ebenfalls mit Bescheid vom 09.08.2006 gewährte sie dem Antragsteller ein Darlehen über 504, EUR zur Zahlung der Mietkaution. Gleichzeitig rechnete sie die Regelleistung ab 01.09.2006 in Höhe von monatlich 30,- EUR gegen die Darlehenssumme auf. Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Widerspruch ein, die mit Widerspruchsbescheiden vom 30.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Im August 2006 beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Kosten für die Unterkunft seiner Wohnung in B. in voller Höhe (667,00 EUR) zu übernehmen. Mit Beschluss vom 04.10.2006 (S 9 AS 3252/06 ER) gab das SG dem Antrag teilweise statt. Der Antragsgegnerin wurde aufgegeben, dem Antragsteller auch für die Zeit ab September 2006 bis einschließlich Dezember 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 619,92 EUR zu bewilligen. Dem kam die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23.10.2006 nach. Die Beschwerde des Antragstellers gegen diese Entscheidung des SG wies der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 02.11.2006 zurück (L 3 AS 5360/06 ER-B).
Am 07.11.2006 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit einem am 27.11.2006 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben vom 20.11.2006 teilte der Antragsteller mit, dass er wegen vorhandener Mängel der Mietwohnung nur noch 230,00 EUR pro Monat bezahle. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.11.2006 Leistungen wiederum in Höhe von monatlich 611,77 EUR für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2007. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 05.12.2006 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.
Am 06.12.2006 hat er beim SG erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat geltend gemacht, die Antragsgegnerin weigere sich trotz neuer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch immer, die volle Miete zu bezahlen. Der Umzug in die neue Wohnung sei wegen der Räumungsklage notwendig geworden. Eine betreute Wohnung sei aufgrund seiner Schwerbehinderung notwendig. Der Abzug von 30,00 EUR für die Rückzahlung des Darlehens bezüglich der Mietkaution sei unzulässig. Der monatliche Fehlbetrag betrage derzeit 86,00 EUR. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, es liege weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor. Mit Beschluss vom 18.12.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt. Am 27.12.2006 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236 ; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II u. a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 18 Buchst. a) des Gesetzes vom 20.07.2006 - BGBl I S. 1706 -). Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 21 Buchst. a) des Gesetzes vom 20.07.2006 - BGBl I S. 1706 -).
Was unter angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Der Senat ist der Ansicht, dass zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Wohnung nach § 22 SGB II bzw § 29 SGB XII die vom Bundesverwaltungsgericht zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwGE 97, 110, 112; 101, 194, 197 f). Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist idR das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter. Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 m2 und für einen Haushalt mit zwei Haushaltsangehörigen von 60 m2 als angemessen anzusehen (Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) idF der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)).
Die Wohnung des Antragstellers ist mit 45 m² in Bezug auf die Wohnungsgröße nicht unangemessen groß. Auch die Höhe der Miete ist nach Auffassung des Senats nicht unangemessen hoch. Dabei geht der Senat grundsätzlich davon aus, dass zur Bestimmung der Angemessenheit einer Wohnung ua Mietspiegel sowie Mietpreisübersichten, die von Makler-, Vermieter- oder Mieterorganisationen aufgestellt werden, herangezogen werden können (Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn 38). In Bezug auf den Wohnstandard steht dem Hilfebedürftigen nur ein einfacher und im unteren Bereich liegender Ausstattungsgrad zu. Da die Gerichte gehalten sind, sich einen hinreichend sicheren Einblick in die Wohnungsmarktlage zu verschaffen, ohne allerdings alle Quellen ausschöpfen zu müssen (Berlit aaO), muss die konkrete Feststellung der angemessenen Miete idR dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Bei der Bestimmung des noch als angemessen anzuerkennenden Wohnstandards ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass es im Einzelfall aufgrund besonderer Unstände, wie z. B. das Alter oder eine Behinderung des Hilfebedürftigen, gerechtfertigt sein kann, einen besseren als nur einen einfachen Standard noch als angemessen zu werten. Dies ist hier - zumindest im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - anzunehmen. Der konkrete Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Antragsteller eine Wohnung gesucht hat, die preisgebunden und durch öffentliche Mittel gefördert worden ist. Aus dem zwischen ihm und der Vermietungsgesellschaft geschlossenen Mietvertrag geht zudem hervor, dass die Wohnung nur älteren Personen (mindestens 60 Jahre) oder Schwerbehinderten mit spezifischen Wohnungsversorgungsproblemen überlassen werden darf, deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Interessenten müssen ihre Berechtigung zum Bezug einer solchen Wohnung durch einen Wohnberechtigungsschein nach § 27 des Wohnraumförderungsgesetzes nachweisen. Da der Antragsteller die Voraussetzungen für den Bezug der Wohnung in der Betreuten Seniorenwohnanlage in Boxberg offenbar erfüllt, ist zunächst zu vermuten, dass er den Wohnbedarf, den diese Wohnung bietet, auch benötigt und er deshalb mit dem Umzug in diese Wohnung seiner Pflicht, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen, nachgekommen ist. Soll der Hilfebedürftige in einem solchen Fall auf den freien Wohnungsmarkt verwiesen werden, muss ihm der Leistungsträger eine konkrete Unterkunftsalternative aufzeigen, mit der der konkrete Bedarf des Hilfebedürftigen ebenfalls erfüllt wird (vgl. hierzu BVerwG Urteil vom 28.04.2005 NVwZ 2005, 1197 RdNr. 11; Beschlüsse des Senats vom 25.01.2006 - L 8 AS 4296/05 ER-B - und 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B -).
Allerdings ist von den Nebenkosten ein Betrag für die Warmwasserversorgung abzuziehen, da die Kosten hierfür bereits im Regelsatz enthalten sind. Außerdem muss noch geklärt werden, welchen Betrag der Kläger tatsächlich als Miete bezahlt. Soweit er eine Mietminderung geltend macht, steht ihm nur die tatsächlich gezahlte Miete zu. Da nach der erwähnten Rechtsprechung des BVerfG auch ein Abschlag zulässig ist, um eine Vorwegnahme der endgültigen Entscheidung zu vermeiden, hält der Senat einen Betrag von vorläufig 650 EUR (Miete: 252 EUR + Nebenkosten: 53 EUR + Regelleistung: 345 EUR) für angemessen. Die genaue Festsetzung des dem Kläger zustehenden Betrages bleibt dem Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) und ggf. einem sich daran anschließenden Klageverfahren vorbehalten.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sollen die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Dieser zeitliche Rahmen kann auch im einstweiligen Rechtschutzverfahren als Maßstab für eine zeitliche Begrenzung herangezogen werden, wobei eine längere Bewilligung als sechs Monate ab dem Datum der Beschlussfassung des Gerichts kaum in Betracht kommen dürfte, da Hilfebedürftigkeit für einen derart langen Zeitraum im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur in Ausnahmenfällen im Voraus wird festgestellt werden können. Dagegen kann es im Einzelfall sachgerecht sein, die Verpflichtung zur Leistungsgewährung nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum auszusprechen. Damit wird sichergestellt, dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung in regelmäßigeren Abständen neu überprüft werden können (Beschlüsse des Senats vom 25.01.2006 und 09.11.2006 aaO). Im vorliegenden Fall hält es der Senat für angemessen, die einstweilige Anordnung bis zum 30.06.2007 zu begrenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags- und im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Mietkosten in tatsächlicher Höhe anstelle des von der Antragsgegnerin gewährten niedrigeren Betrages.
Der am 1958 geborene Antragsteller bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Er ist als schwer behinderter Mensch anerkannt; der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 80 seit Mai 2005. Trotz seiner Behinderung ist er bis jetzt noch in der Lage, mindestens leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 3- bis 6-stündig an 5 Tagen in der Woche zu verrichten. Er hat kein Einkommen und verfügt auch nicht über Vermögen. Bis August 2006 bewohnte er alleine eine ca. 60 m² große Mietwohnung in B.M., für die er (ohne Nebenkosten) monatlich 260,00 EUR zu zahlen hatte.
Bereits in einem im Dezember 2004 ergangenen Bewilligungsbescheid wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien und er deshalb zur Senkung dieser Kosten verpflichtet sei. Ab 01.07.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller deshalb nur noch die aus ihrer Sicht angemessenen Leistungen. Vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) schlossen der Antragsteller und die Antragsgegnerin im Verfahren S 5 AS 2216/05 einen Vergleich, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, auch für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 Kosten der Unterkunft und Heizung in ungekürzter Höhe zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 21.12.2005 und Widerspruchsbescheid vom 21.04.2006 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 in Höhe von 619,92 EUR. Sie anerkannte Kosten der Unterkunft nur noch in Höhe von insgesamt 274,92 EUR als angemessen (216,- EUR Kaltmiete + 36,- EUR Heizkosten + 20,- EUR Kosten für Wasser/Abwasser + 2,92 EUR Nebenkosten). Dagegen erhob der Antragsteller am 02.05.2006 Klage beim SG (S 9 AS 1640/06), über die noch nicht entschieden ist.
Nachdem Mietrückstände in Höhe von 818,- EUR aufgelaufen waren, kündigte der Vermieter der Wohnung in B.M. das Mietverhältnis mit dem Antragsteller und erhob außerdem Räumungsklage. Daraufhin bewilligte das Sozialamt M.-T.-K. dem Antragsteller ein Darlehen über 818,- EUR, das sie an den Anwalt des Vermieters ausbezahlte (Gesprächsnotiz vom 11.05.2006, Bl. 410 der Verwaltungsakte). Das Mietverhältnis für die Wohnung endete schließlich zum 31.12.2006.
Der Antragsteller teilte der Antragsgegnerin am 03.07.2006 telefonisch mit, dass er die Anmietung einer neuen Wohnung beabsichtige. Mit einem am 21.07.2006 eingegangenen Schreiben (Bl. 446 der Verwaltungsakte) führte er ferner aus, da die Miete für die jetzige Wohnung nicht bezahlt werde, sei wohl ein Umzug unumgänglich, da ein vollstreckbarer Räumungstitel zum 31.12.2006 vorliege. Wie bereits angekündigt, werde er in B. eine Wohnung im Betreuten Wohnen in Folge seiner Schwerbehinderung anmieten. Die Wohnung unterliege dem städtischen Wohnungsbau und sei nur mit Wohnberechtigungsschein zu beziehen. Die Zusage habe er erhalten. Die Kaltmiete betrage 252 EUR für 45 m² und 75 EUR für Nebenkosten inkl. Heizung. Er bitte um Prüfung der Angemessenheit der Wohnung. Dem Schreiben des Antragstellers war eine Mietbescheinigung, der Mietvertrag und eine Kopie des Wohnberechtigungsscheines für eine Wohnung bis 45 m² beigefügt. Mit einem am 01.08.2006 eingegangenen Schreiben bat er um sofortige Erledigung der Angemessenheitsprüfung.
Eine Antwort auf diese Schreiben erhielt der Antragsteller nicht. Es findet sich in der Akte der Antragsgegnerin allerdings ein Vermerk vom 03.08.2006 zu "BG 1445" (das ist die Nummer der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers). Dieser Vermerk enthält den Namen des Antragstellers, eine Telefonnummer sowie die Worte "F.W.er" und "Angemessenheit ok." Die Antragsgegnerin, die für die Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung keine schriftliche Zusicherung abgab, bewilligte mit Bescheid vom 03.07.2006 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2006 Leistungen zunächst in Höhe von wiederum monatlich 619,92 EUR. Auch gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 als unbegründet zurück.
Am 01.08.2006 unterzeichnete der Antragsteller dann einen Mietvertrag für eine 45 m² große 2-Zimmer-Wohnung in einer Betreuten Seniorenanlage in B. Der Mietpreis für diese Wohnung beträgt monatlich 252,- EUR, auf die Betriebskosten ist eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 70,- EUR zu zahlen und als Mietkaution ist ein Betrag von 504,- EUR zu entrichten. In den Nebenkosten sind auch Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Am 01.09.2006 zog der Antragsteller in die neue Wohnung ein. Die Beklagte änderte daraufhin ihre bisherige Leistungsbewilligung ab und gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 09.08.2006 für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.12.2006 monatliche Leistungen nur noch in Höhe von 611,77 EUR. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kaltmiete 203,00 EUR Heizkosten 36,00 EUR Nebenkosten 27,77 EUR Zwischensumme 266,77 EUR Regelleistung 345,00 EUR Gesamtsumme 611,77 EUR
Mit einem weiteren Bescheid vom 09.08.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme von Umzugskosten ab und ebenfalls mit Bescheid vom 09.08.2006 gewährte sie dem Antragsteller ein Darlehen über 504, EUR zur Zahlung der Mietkaution. Gleichzeitig rechnete sie die Regelleistung ab 01.09.2006 in Höhe von monatlich 30,- EUR gegen die Darlehenssumme auf. Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Widerspruch ein, die mit Widerspruchsbescheiden vom 30.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Im August 2006 beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Kosten für die Unterkunft seiner Wohnung in B. in voller Höhe (667,00 EUR) zu übernehmen. Mit Beschluss vom 04.10.2006 (S 9 AS 3252/06 ER) gab das SG dem Antrag teilweise statt. Der Antragsgegnerin wurde aufgegeben, dem Antragsteller auch für die Zeit ab September 2006 bis einschließlich Dezember 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 619,92 EUR zu bewilligen. Dem kam die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23.10.2006 nach. Die Beschwerde des Antragstellers gegen diese Entscheidung des SG wies der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 02.11.2006 zurück (L 3 AS 5360/06 ER-B).
Am 07.11.2006 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit einem am 27.11.2006 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben vom 20.11.2006 teilte der Antragsteller mit, dass er wegen vorhandener Mängel der Mietwohnung nur noch 230,00 EUR pro Monat bezahle. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.11.2006 Leistungen wiederum in Höhe von monatlich 611,77 EUR für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2007. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 05.12.2006 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.
Am 06.12.2006 hat er beim SG erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat geltend gemacht, die Antragsgegnerin weigere sich trotz neuer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch immer, die volle Miete zu bezahlen. Der Umzug in die neue Wohnung sei wegen der Räumungsklage notwendig geworden. Eine betreute Wohnung sei aufgrund seiner Schwerbehinderung notwendig. Der Abzug von 30,00 EUR für die Rückzahlung des Darlehens bezüglich der Mietkaution sei unzulässig. Der monatliche Fehlbetrag betrage derzeit 86,00 EUR. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, es liege weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor. Mit Beschluss vom 18.12.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt. Am 27.12.2006 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236 ; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II u. a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 18 Buchst. a) des Gesetzes vom 20.07.2006 - BGBl I S. 1706 -). Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 21 Buchst. a) des Gesetzes vom 20.07.2006 - BGBl I S. 1706 -).
Was unter angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher geregelt. Der Senat ist der Ansicht, dass zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Wohnung nach § 22 SGB II bzw § 29 SGB XII die vom Bundesverwaltungsgericht zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwGE 97, 110, 112; 101, 194, 197 f). Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist idR das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter. Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 m2 und für einen Haushalt mit zwei Haushaltsangehörigen von 60 m2 als angemessen anzusehen (Nr. 5.7.1 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12.02.2002 (GABl S. 240) idF der VwV vom 22.01.2004 (GABl S. 248)).
Die Wohnung des Antragstellers ist mit 45 m² in Bezug auf die Wohnungsgröße nicht unangemessen groß. Auch die Höhe der Miete ist nach Auffassung des Senats nicht unangemessen hoch. Dabei geht der Senat grundsätzlich davon aus, dass zur Bestimmung der Angemessenheit einer Wohnung ua Mietspiegel sowie Mietpreisübersichten, die von Makler-, Vermieter- oder Mieterorganisationen aufgestellt werden, herangezogen werden können (Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn 38). In Bezug auf den Wohnstandard steht dem Hilfebedürftigen nur ein einfacher und im unteren Bereich liegender Ausstattungsgrad zu. Da die Gerichte gehalten sind, sich einen hinreichend sicheren Einblick in die Wohnungsmarktlage zu verschaffen, ohne allerdings alle Quellen ausschöpfen zu müssen (Berlit aaO), muss die konkrete Feststellung der angemessenen Miete idR dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Bei der Bestimmung des noch als angemessen anzuerkennenden Wohnstandards ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass es im Einzelfall aufgrund besonderer Unstände, wie z. B. das Alter oder eine Behinderung des Hilfebedürftigen, gerechtfertigt sein kann, einen besseren als nur einen einfachen Standard noch als angemessen zu werten. Dies ist hier - zumindest im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - anzunehmen. Der konkrete Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Antragsteller eine Wohnung gesucht hat, die preisgebunden und durch öffentliche Mittel gefördert worden ist. Aus dem zwischen ihm und der Vermietungsgesellschaft geschlossenen Mietvertrag geht zudem hervor, dass die Wohnung nur älteren Personen (mindestens 60 Jahre) oder Schwerbehinderten mit spezifischen Wohnungsversorgungsproblemen überlassen werden darf, deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Interessenten müssen ihre Berechtigung zum Bezug einer solchen Wohnung durch einen Wohnberechtigungsschein nach § 27 des Wohnraumförderungsgesetzes nachweisen. Da der Antragsteller die Voraussetzungen für den Bezug der Wohnung in der Betreuten Seniorenwohnanlage in Boxberg offenbar erfüllt, ist zunächst zu vermuten, dass er den Wohnbedarf, den diese Wohnung bietet, auch benötigt und er deshalb mit dem Umzug in diese Wohnung seiner Pflicht, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen, nachgekommen ist. Soll der Hilfebedürftige in einem solchen Fall auf den freien Wohnungsmarkt verwiesen werden, muss ihm der Leistungsträger eine konkrete Unterkunftsalternative aufzeigen, mit der der konkrete Bedarf des Hilfebedürftigen ebenfalls erfüllt wird (vgl. hierzu BVerwG Urteil vom 28.04.2005 NVwZ 2005, 1197 RdNr. 11; Beschlüsse des Senats vom 25.01.2006 - L 8 AS 4296/05 ER-B - und 09.11.2006 - L 8 AS 4787/06 ER-B -).
Allerdings ist von den Nebenkosten ein Betrag für die Warmwasserversorgung abzuziehen, da die Kosten hierfür bereits im Regelsatz enthalten sind. Außerdem muss noch geklärt werden, welchen Betrag der Kläger tatsächlich als Miete bezahlt. Soweit er eine Mietminderung geltend macht, steht ihm nur die tatsächlich gezahlte Miete zu. Da nach der erwähnten Rechtsprechung des BVerfG auch ein Abschlag zulässig ist, um eine Vorwegnahme der endgültigen Entscheidung zu vermeiden, hält der Senat einen Betrag von vorläufig 650 EUR (Miete: 252 EUR + Nebenkosten: 53 EUR + Regelleistung: 345 EUR) für angemessen. Die genaue Festsetzung des dem Kläger zustehenden Betrages bleibt dem Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) und ggf. einem sich daran anschließenden Klageverfahren vorbehalten.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sollen die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden. Dieser zeitliche Rahmen kann auch im einstweiligen Rechtschutzverfahren als Maßstab für eine zeitliche Begrenzung herangezogen werden, wobei eine längere Bewilligung als sechs Monate ab dem Datum der Beschlussfassung des Gerichts kaum in Betracht kommen dürfte, da Hilfebedürftigkeit für einen derart langen Zeitraum im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur in Ausnahmenfällen im Voraus wird festgestellt werden können. Dagegen kann es im Einzelfall sachgerecht sein, die Verpflichtung zur Leistungsgewährung nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum auszusprechen. Damit wird sichergestellt, dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung in regelmäßigeren Abständen neu überprüft werden können (Beschlüsse des Senats vom 25.01.2006 und 09.11.2006 aaO). Im vorliegenden Fall hält es der Senat für angemessen, die einstweilige Anordnung bis zum 30.06.2007 zu begrenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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