L 11 R 5748/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3712/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5748/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Minderheitsgesellschafter einer GmbH ohne Sperrminorität, der nachgewiesenermaßen überstimmt wurde, spricht schon dieser Umstand massiv für eine abhängige Beschäftigung.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 03. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. August 2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu Ziffer 1 ab 01. April 2003 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob E. W. (E. W. - Beigeladener Ziffer 1 -) als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit einem 20-prozentigem Gesellschaftsanteil seit 01.04.2003 versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Der 1954 geborene E. W., der den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt hat, betrieb in F. bis zum Abriss des Kioskgebäudes einen Kiosk als Einzelfirma. Die Abmeldung des Betriebs beim Gewerbeamt erfolgte zum 25.07.2002. Am 26.02.2003 gründete E. W. mit seinem Sohn M. W., damals Student der Volkswirtschaftslehre, und seiner Ehefrau R. W., einer gelernten Hotelfachfrau, die Klägerin, die W. Handels- und Transportgesellschaft mbH. Gegenstand des Unternehmens sind ausweislich des Gesellschaftsvertrages der Einzel- und Großhandel mit Tabakwaren, Getränken und Süßigkeiten sowie sämtliche damit zusammenhängenden Geschäfte einschließlich Transporte. Am Stammkapital der Gesellschaft sind E. W. und seine Ehefrau mit jeweils 5.000,- EUR, der Sohn M. W. mit 15.000,- EUR beteiligt. Gemäß § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags vertritt der einzelne Geschäftsführer die Gesellschaft stets einzeln. Nach § 5 Abs. 4 des Vertrags kann die Gesellschafterversammlung einzelnen oder allen Geschäftsführern Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilen. Die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Stimmrechte richten sich nach dem Verhältnis der Stammeinlagen (§ 7 des Gesellschaftsvertrags). Laut Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 31.03.2003 ist E. W. Geschäftsführer der Gesellschaft. Der Dienstvertrag beginnt am 01.04.2003. Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung von monatlich 3.000,- EUR und außerdem eine Tantieme in Höhe von 25 % des tantiemepflichtigen Gewinns. Nach § 2 Abs. 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags ist der Geschäftsführer, der nicht mehr als 50 % der Stammeinlagen hält, von den Beschränkungen nach Absatz 1, wonach alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinaus gehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft bedürfen, befreit. Nach dem Vertrag arbeitet der Geschäftsführer in der Regel 40 Stunden pro Woche. Im Falle unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit erhält er Lohnfortzahlung auf die Dauer von längstens 6 Wochen. Er hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Die W. Handels- und Transport GmbH wurde noch am gleichen Tag beim Gewerbeamt angemeldet. Der Eintrag ins Handelsregister erfolgte am 19.03.2003. Ab 01.04.2003 betrieb die GmbH, die sich erfolgreich um die Anpachtung des im Februar 2003 am Standort des alten Kiosk errichteten neuen Kiosks beworben hatte, diesen Kiosk. Für E. W. wurden ab diesem Zeitpunkt Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet.

Für die Zeit vom 01.01.2000 bis 30.04.2004 prüfte die Beklagte die Klägerin.

In diesem Zusammenhang gaben die Gesellschafter unter anderem an, E. W. sei alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit. Die wöchentliche Arbeitszeit von E. W. betrage 38 Stunden. E. W. unterliege dem Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich der Zeit und der Art der Beschäftigung, nicht jedoch des Ortes. Das Weisungsrecht werde von M. W. tatsächlich laufend ausgeübt. Anhand des Lohnkontos ermittelte die Beklagte, dass E. W. im April 2003 ein Gehalt in Höhe von 3.000,- EUR, von Mai 2003 bis Februar 2004 in Höhe von 2.200,- EUR und ab März 2004 in Höhe von 1.900,- EUR bezogen hat. Das letztgenannte Gehalt ist in dem neuen Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 01.03.2004, der im übrigen dem Vertrag vom 31.03.2003 entspricht, festgelegt.

Im Rahmen der Anhörung teilten M. W. und E. W. der Beklagten darüber hinaus mit, der Geschäftsführeranstellungsvertrag sei von einem Rechtsanwalt entworfen und von M. W. im Anschluss daran abgetippt worden. Dabei habe sich in § 2 Abs. 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags versehentlich das Wort "nicht" eingeschlichen. Ziel der GmbH sei nicht die Fortsetzung des ehemaligen Kioskbetriebes. Man beabsichtige das Geschäft auszuweiten. E. W. habe sich bereits mehrmals Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beugen müssen.

Mit Bescheid vom 03.03.2005 stellte die Beklagte im Anschluss daran unter anderem fest, dass E. W. in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehe. Die zu Unrecht gezahlten Pflicht- und Umlagebeiträge in Höhe von 11.758,60 EUR würden beanstandet. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH sei abzuwägen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer innerhalb der GmbH eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerfunktion ausübe. Gesellschafter-Geschäftsführer, die über weniger als 50 % der Stammeinlagen verfügen würden, könnten trotzdem eine Arbeitgeberfunktion ausüben. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt, vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB befreit und nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich der Zeit und Art der Beschäftigung unterworfen sei, seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten könne, als Einziger die zur Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse besitze, die bisherige Einzelfirma in eine GmbH umgewandelt worden sei. Bei einer GmbH, an der ausschließlich Familienangehörige beteiligt seien, sei grundsätzlich ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Geschäftsführers ausgeschlossen, wenn dieser zur Familie gehöre. E. W. sei Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Er verfüge über 20 % des Stammkapitals. Er sei alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB befreit. Als früherer Inhaber der Einzelfirma sei er "Kopf und Seele" des Betriebes. Ferner wurde im Bescheid festgestellt, dass M. W., der bis 31.07.2003 als geringfügig Beschäftigter geführt wurde, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehe, da er maßgebenden Einfluss auf Entscheidungen der GmbH aufgrund der Höhe seines Stammkapitals habe.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch wiederholte die Klägerin noch einmal, dass E. W. gerade nicht von den Beschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnisse gemäß § 2 Abs. 1 seines Anstellungsvertrags befreit sei. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag sei insoweit fehlerhaft von der Vorlage des anwaltlichen Vertragsentwurfes übertragen worden. E. W. sei entgegen seiner Erklärung im Fragebogen auch nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Gesellschaftsvertrag eröffne lediglich die Möglichkeit einer solchen Befreiung. Hiervon sei jedoch bisher nicht Gebrauch gemacht worden. Die Geschäftsführerbefugnis von E. W. reduziere sich auf den Handlungsradius und Entscheidungsspielraum eines arbeitnehmerähnlich beschäftigten Geschäftsführers. Widersprüchlich sei, dass E. W. als "Kopf und Seele" des Betriebes bezeichnet und gleichzeitig M. W. bescheinigt worden sei, dass er mit über 60 % des Stammkapitals maßgebenden Einfluss auf Entscheidungen der GmbH habe. Im übrigen benötige man, um einen typischen Kiosk-Betrieb mit Zeitschriften, Tabakwaren und Erfrischungsgetränken zu führen, keine besonderen Branchenkenntnisse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei E. W. liege kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Die GmbH sei aus der Umwandlung einer Einzelfirma, deren Alleininhaber er gewesen sei, entstanden. Er sei nach wie vor "Kopf und Seele" des Betriebes und verfüge über die entsprechenden Branchenkenntnisse. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt. Es könne auch davon ausgegangen werden, dass aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zum Hauptgesellschafter eine persönliche Abhängigkeit, wie sie Voraussetzung für eine beitragspflichtige Beschäftigung sei, nicht gegeben sei.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens wies sie ergänzend noch einmal darauf hin, dass die GmbH nicht aus der früheren Einzelfirma hervorgegangen sei. Insoweit fehle es an der zeitlichen Kontinuität und gegenständlichen Identität der Betriebe. M. W. habe mit seinem Anteil von 60 vom Hundert am Stammkapital den maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der GmbH. Die Klägerin legte den sie betreffenden Auszug aus dem Handelsregister und Gesellschafter-Versammlungsprotokolle vor.

Das SG lud mit Beschluss vom 22.02.2006 E. W. (Beigeladener zu 1), die B. H.-W. (Beigeladene zu 2), die B. H.-W. - Pflegekasse - (Beigeladene zu 3), die D. R. B. (Beigeladene zu 4) und die B. f. A. (Beigeladene zu 5) zum Verfahren bei.

Mit Urteil vom 11.10.2006, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 17.10.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, dass die Stellung von M. W. als Mehrheitsgesellschafter, der sich nicht regelmäßig dem Willen des Vaters unterwerfe, für eine abhängige Beschäftigung von E. W. im Betrieb der GmbH sprechen könnte. Hieraus folge jedoch noch keine arbeitgeberähnliche Weisungsbefugnis des Sohnes gegenüber E. W. etwa in dem Sinne, dass er E. W. Vorschriften darüber gemacht hätte, wann er zu arbeiten habe, wie er bestimmte Dinge zu erledigen habe und was er jeweils gerade zu tun habe. Tatsächlich unterliege E. W. bei seiner täglichen Arbeit nicht den Weisungen seines Sohnes. Er könne sich seine Arbeit nach Ort, Zeit und Art der Tätigkeit selbst einteilen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, dass M. W. seinen Tätigkeitsmittelpunkt an der U. habe. Hinzu komme, dass E. W. eine Tantieme von 25 Prozent des näher definierten tantiemeberechtigten Gewinns aus der Firma zustehe. Ein weiterer Gesichtspunkt, der für eine selbständige Tätigkeit spreche, sei die Tatsache, dass das ursprünglich vereinbarte Geschäftsführergehalt reduziert worden sei, was offensichtlich an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH nach der Übernahme des neuen Kiosks gelegen habe. Dies beweise, dass sich E. W. der GmbH wie ein selbstständiger Unternehmer verpflichtet gefühlt habe. Die Abberufung von E. W. als Gesellschafter-Geschäftsführer sei nach dem Gesellschaftsvertrag auch nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Liste von Geschäften, für deren Durchführung der Geschäftsführer die vorherige Zustimmung der Gesellschafter benötige, sei insoweit zu relativieren, als eine ganze Reihe der dort genannten zustimmungsbedürftigen Geschäfte im täglichen Geschäftsablauf eines Zeitungs- und Tabakkiosks kaum von Bedeutung wären. Im alltäglichen Leben schränke § 2 des Anstellungsvertrags den Geschäftsführer deshalb kaum erheblich ein. Die Frage, ob der Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit gewesen sei oder nicht, sei nicht entscheidend. Festzustellen bleibe, dass E. W. nicht in einem fremden Betrieb abhängig beschäftigt gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die am 16.11.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wiederholt sie bezugnehmend auf den Geschäftsführeranstellungsvertrag und den Gesellschaftsvertrag im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und weist noch einmal darauf hin, dass E. W. auf die Gesellschaft keinen beherrschenden Einfluss ausübe. Soweit das SG darauf abgestellt habe, M. W. habe dem Geschäftsführer keine Anweisungen erteilt, wann er zu arbeiten habe, wie er bestimmte Dinge zu erledigen und was er gerade zu tun habe, so überspanne es damit die Anforderungen an die Ausübung des Weisungsrechts durch die Gesellschafter. Die regelmäßige Vergütung in Höhe von 1.900,- EUR sei unabhängig von eventuellen Umsatzschwankungen der GmbH. Der Tätigkeitsmittelpunkt von M. W. könne bei der Einstufung von E. W. als Arbeitnehmer keine Rolle spielen. Im übrigen habe M. W. des Öfteren seinen betriebswirtschaftlichen Sachverstand zur Beurteilung von "Übernahmekandidaten" eingebracht. Es hätten regelmäßig Gesellschafterversammlungen stattgefunden. Diese seien nicht von familiärer Rücksichtnahme geprägt gewesen.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2006 sowie den Bescheid vom 3. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. August 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu Ziffer 1 ab 1. April 2003 in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschäftsführer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht von E. W. über einen längeren Zeitraum als 1 Jahr.

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Unrecht abgewiesen, die Beklagte hat unzutreffend festgestellt, dass E. W. ab 01.04.2003 selbständig ist und deshalb nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind im Urteil des SG ebenso wie die Beurteilungsmaßstäbe für das Vorliegen einer abhängigen oder selbständigen Beschäftigung und die Grundsätze, die bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gelten, zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Hierzu ist auszuführen, dass es bei der Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung ankommt, wobei die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich sind, zu denen das Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten und die ihnen jeweils zustehende Rechtsmacht gehört (so zuletzt BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R ). Demnach kommt es grundsätzlich entscheidend darauf an, wie die Rechtsbeziehungen - insbesondere die Beteiligungsverhältnisse - innerhalb des Unternehmens vertraglich ausgestaltet sind. Im Grundsatz gilt, dass nur derjenige nicht abhängig beschäftigt ist, der durch seine Unternehmensbeteiligung die unternehmenspolitischen Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen kann. Denn eine Mehrheitsbeteiligung oder jedenfalls eine Sperrminorität, mit der bestimmte unternehmerische Entscheidungen verhindert werden können, führt in aller Regel zu einem fehlenden Abhängigkeits- bzw. Über- und Unterordnungsverhältnis. Spiegelbildlich hierzu ist derjenige, der nicht jedenfalls über eine Sperrminorität verfügt, in der Regel von den Entscheidungen der (übrigen) Gesellschafter bzw. des Einzelunternehmers persönlich abhängig, so dass eine abhängige Beschäftigung zu bejahen ist. Doch führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung. In sehr eng begrenzten Einzelfällen ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann zum Beispiel bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - 7 RAr 25/86). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Vielmehr gelten auch bei Familienunternehmen die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur selbständigen Tätigkeit (vgl. KassKomm-Seewald, § 7 SGB IV Rdnr. 2). Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob Beschäftigte ein Entgelt erhalten, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

Im vorliegenden Fall verfügte E. W. nur über einen Gesellschaftsanteil von einem Fünftel. Eine Sperrminorität stand ihm nicht zu. Es existiert ein schriftlicher Arbeitsvertrag, der nicht gegen eine abhängige Beschäftigung spricht. Der Geschäftsführervertrag verpflichtet E. W. zur Arbeit für die Gesellschaft. Das Alleinvertretungsrecht ist bei einer kleineren GmbH nicht untypisch. E. W. war als Geschäftsführer verpflichtet, Anweisungen der Gesellschafterversammlung, die tatsächlich stattfanden, auszuführen. Das Gehalt wurde ihm ausbezahlt.

Weiter ist zu beachten, dass E. W. entgegen dem Wortlaut des § 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags nicht von der Vorschrift des § 181 BGB befreit war. Der vorliegende Vertrag ist so offenkundig unsinnig, dass zur Überzeugung des Senats die Behauptung der Klägerin richtig sein muss, dass durch ein Versehen des Sohnes von E. W. (sinnentstellend) das Wort "nicht" eingefügt wurde. Dass dem so war, zeigt auch die gelebte Faktizität der Klägerin. E. W. war lediglich Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität und wurde nachgewiesenermaßen auch zweimal überstimmt. Schon dieser Umstand spricht massiv für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Dies ergibt sich aus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen. Am 22.07.2004 wollte E. W. den Geschäftsbetrieb um die Pacht einer Tankstelle erweitern. Da die beiden anderen Gesellschafter seiner Auffassung widersprachen, wurde sein Wunsch nicht realisiert. Auch bei einem weiteren Fall, nämlich am 05.03.2005, setzte der Sohn und Mehrheitsgesellschafter M. W. bei einer Frage über die Erweiterung des Produktsortiments sich mit seiner Stimmenmehrheit durch. Schon dies zeigt die abhängige Beschäftigung von E. W. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vertrag dem Geschäftsführer sowohl Lohnfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall als auch Urlaub zustanden.

Dem entgegen stehen könnte allerdings, dass das Gehalt von E. W. nicht unerheblich reduziert wurde. Offensichtlich war diese Maßnahme wirtschaftlich bedingt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass derselbe Effekt durch eine Änderungskündigung des Geschäftsführervertrages hätte erreicht werden können für den Fall, dass sich E. W. mit einer entsprechenden Gehaltsreduzierung nicht einverstanden erklärt hätte. Letztlich kommt der Haupttätigkeit von M. W. keine überragende Bedeutung zu. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Kapitalgeber einer Gesellschaft sich auf die wesentlichen und entscheidenden Punkte beschränkt und sein Hauptaufgabenfeld auf anderen Gebieten sucht.

Nach allem ist es deshalb zu beanstanden, dass das SG und die Beklagte aufgrund ihrer Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis gelangt sind, dass bei E. W. die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse mehr gegen als für eine abhängige Beschäftigung sprechen und E. W. mehr auf der Unternehmer- als auf der Arbeitnehmerseite des Betriebes steht.

Die Berufung der Klägerin hatte deshalb Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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