Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AL 834/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 102/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen des Eintritts einer Sperrzeit bei einem Eigentumsdelikt, das eine völlig wertlose Sache des Arbeitgebers betrifft.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 06. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen das zeitweise Ruhen und das teilweise Erlöschen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) als Folge eines von der Beklagten angenommenen Sperrzeitsachverhalts.
Der am ...1970 geborene Kläger war von 1990 bis 28.02.1997 als Installateur beschäftigt. Er meldete sich am 13.03.1997 bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis 30.07.1997. Ab dem 01.08.1997 war er als Fachverkäufer bei der G. GmbH in L ... beschäftigt. Deren Betrieb wurde später von der t GmbH übernommen (im Folgenden: der Arbeitgeber), mit der der Kläger das Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergangs zu den bisherigen Vertragsbedingungen fortsetzte. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 06.09.2002 mit Ablauf des 10.09.2002. Die Einzelheiten, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt haben, sind zwischen den Beteiligten umstritten. Im Kern ist dem Kläger vom Arbeitgeber ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers vorgeworfen worden. Der Kläger soll einige dem Arbeitgeber gehörende Bestandteile eines gerahmten Bildes ohne Bezahlung verarbeitet und das gerahmte Bild an sich genommen haben. Als sich der Kläger auf dem Weg von der Kasse zum Personalbereich befand, wurde der Kläger vom Zeugen F. , einem Mitarbeiter des Baumarktes, angehalten und überprüft. Der Zeuge F. meinte, den Kläger bei einem Diebstahl ertappt zu haben und informierte telefonisch den an diesem Tag nicht vor Ort erreichbaren Marktleiter, den Zeugen F2. Am 05.09.2002 hatte der Kläger einen regulären freien Tag. Das Gespräch zwischen ihm und dem Zeugen F2 fand am 06.09.2002 im Beisein des Gartencenterleiters des Baumarktes, des Zeugen G. , statt und hatte den Abschluss des vorgenannten Aufhebungsvertrages als Ergebnis.
Am 09.09.2002 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA; jetzt Agentur für Arbeit) Leipzig arbeitslos und beantragte Alg (formularmäßiger Antrag vom Kläger am 16.09.2002 unterschrieben). In der Arbeitsbescheinigung gab der Arbeitgeber zunächst an, der Aufhebungsvertrag sei nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zustande gekommen. Die Aufhebungsvereinbarung, die keinen Aufhebungsgrund benannte, wurde in Kopie vorgelegt (wegen Einzelheiten wird auf Blatt 13 f. der Beklagtenakte verwiesen). Der Kläger begründete das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages damit, dass er mit einem unzutreffenden Diebstahlsvorwurf konfrontiert und unter Androhung einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige unter Druck gesetzt worden sei, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Ihm sei der Diebstahl einer Hartfaserplatte von 30 cm x 40 cm vorgeworfen worden, welche für den Abfall bestimmt gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 19 der Beklagtenakte verwiesen. Die Beklagte nahm hierauf weitere Ermittlungen vor und holte eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 30.10.2002 ein, der mitteilte, der Kläger habe im Gespräch mit Vorgesetzten den Diebstahl zugegeben. Mit einem so genannten Sperrzeitbescheid vom 06.11.2002 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger sodann fest, in seinem Fall sei für die Zeit vom 11.09. bis 03.12.2002 (12 Wochen) eine Sperrzeit eingetreten. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg. Außerdem mindere sich der Alg-Anspruch um 90 Tage. Der Kläger habe am Abschluss eines Aufhebungsvertrages mitgewirkt, dessen Zustandekommen maßgeblich auch von ihm selbst abhängig gewesen sei, und damit seine nachfolgende Arbeitslosigkeit verursacht. Unerheblich sei dabei, auf wessen Initiative hin es zum Abschluss des Vertrages gekommen sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.11.2002 Widerspruch ein und wies noch einmal darauf hin, dass er nichts Verbotenes getan habe, aber von zwei Vorgesetzten mit dem Diebstahlsvorwurf so massiv unter Druck gesetzt worden sei, dass er den Aufhebungsvertrag unterschrieben habe. Nachdem man ihm mit einem Strafverfahren gedroht habe und er fünf Mal intensiv gedrängt worden sei, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, habe er damals keine andere Möglichkeit gesehen, als dies zu tun, um nicht wegen Diebstahls angezeigt zu werden. Er sei von den beiden Vorgesetzten völlig eingeschüchtert worden. Erst am nächsten Tag sei ihm bewusst geworden, dass das Unternehmen nur eine Gelegenheit gesucht habe, um Mitarbeiter loszuwerden. Reststücke aus Holz oder aus holzähnlichen Materialien hätten immer mitgenommen werden können, zumal sie nicht als Ware vereinnahmt worden seien, sondern nur als Umverpackung oder Verpackungsmaterial gegolten hätten. Auch andere Mitarbeiter hätten davon Gebrauch gemacht. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2002 den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim Kläger lägen die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vor. Er habe sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages habe der Kläger lediglich eine arbeitgeberseitige Kündigung wegen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens vermieden. Dies stelle keinen wichtigen Grund dar. Eine besondere Härte mit der Folge der Herabsetzung der Sperrzeit auf sechs Wochen sei auch nicht zu erkennen. Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Sperrzeit umfasse somit den Zeitraum vom 11.09.2002 bis 03.12.2002. Während der Zeit ruhe der Leistungsanspruch (§ 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Die Dauer des Leistungsanspruchs mindere sich gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, zustehe. Im vorliegenden Fall betrage die Minderung der Anspruchsdauer somit 90 Tage.
Mit seiner dagegen am 23.12.2002 beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit und die daraus von der Beklagten abgeleiteten Rechtsfolgen gewandt. Der Diebstahl werde weiterhin bestritten. Er habe keinen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Er sei durch unberechtigte, widerrechtliche Drohungen mit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung sowie einer Anzeige wegen Diebstahls zur Zustimmung veranlasst worden. Der Arbeitgeber habe Mitarbeiter entlassen wollen, was ihm jedoch durch die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erschwert worden sei. Als Vorwand sei der Vorfall mit der Hartfaserplatte benutzt worden, um das Arbeitsverhältnis unproblematisch beenden zu können. Der Arbeitgeber habe genau gewusst, dass er es den Mitarbeitern nicht verboten und es der betrieblichen Praxis entsprochen habe, Arbeitnehmern die Mitnahme von für den Abfall bestimmten Gegenstände zur privaten Verwendung zu gestatten. Ihm habe bei der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung der Erklärungswille gefehlt, da er den Vertrag nur auf Grund des massiven Drucks unterschrieben habe und ihm nicht bewusst gewesen sei, welche Folgen der Vertrag für ihn haben würde. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall – unberechtigterweise – auf Grund dieses Vorfalls enden lassen. Er, der Kläger, sei damit einer Kündigung durch den Arbeitgeber nur zuvorgekommen, sodass insoweit eine Kausalität zwischen dem Aufhebungsvertrag und der Arbeitslosigkeit nicht vorliege. Zudem habe ein wichtiger Grund bestanden den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung auf Grund des ihm zu Unrecht unterstellten Diebstahls hätte er keine neue Arbeitsstelle finden können, egal was diesbezüglich ein Gericht entscheiden würde, da dieser Vorfall immer als ein Makel an ihm haften geblieben wäre. Es sei ihm daher unzumutbar gewesen abzuwarten, bis ihm der Arbeitgeber kündige. Auf Grund der massiven Drohungen sei das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber irreparabel zerstört gewesen. Jedenfalls sei die Sperrzeit auf drei Wochen zu verkürzen, da durch die ansonsten erfolgte unrechtmäßige Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von 6 Wochen nach dem die Sperrzeit begründenden Ereignis geendet hätte.
Das SG hat mit Urteil vom 23.02.2005 die Anfechtungsklage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III seien erfüllt. Der Kläger habe durch die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages mit seinem Arbeitgeber sein Arbeitsverhältnis gelöst und damit die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil kein Anschlussarbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Er sei auch nicht rechtswidrig zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gezwungen worden. Er habe, so das Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung, seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, indem er Gegenstände (nach seiner Behauptung ein Bild und eine Glasscheibe) mit in den Markt genommen und diese nicht habe kennzeichnen lassen. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob er darüber hinaus auch eine Hartfaserplatte mit aus dem Markt habe mitnehmen wollen und diese – wie nunmehr in der mündlichen Verhandlung behauptet – noch habe vorzeigen wollen. Insoweit sei eine Zeugenvernehmung nicht erforderlich gewesen. Die Pflichtverletzung sei schon darin begründet, dass der Kläger entgegen den Weisungen des Arbeitgebers mitgebrachte Gegenstände nicht habe kennzeichnen lassen, obwohl – wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe – ihm dies bekannt gewesen sei. Der Kläger habe nachweislich nur den Rahmen bezahlt, so dass beim Arbeitgeber der Eindruck habe entstehen müssen, der Kläger habe sowohl das Bild als auch die Glasscheibe rechtswidrig mit aus dem Markt nehmen wollen. Der Arbeitgeber sei somit berechtigt gewesen, von einem Diebstahl auszugehen, da das Gegenteil nicht habe nachgewiesen werden können. Für die Kammer sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, nachdem angeblich zu Beginn der Dienstzeit niemand in der Information anwesend gewesen sei, nicht bei einem anderen Mitarbeiter die Mitnahme der Gegenstände angezeigt oder dies im Laufe des Tages nachgeholt habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger ein Bild und eine dazu passende Glasscheibe, die er dann zufällig zu Hause gehabt haben müsse, mit in den Markt habe nehmen müssen, obwohl schon die Maße ausgereicht hätten, um einen entsprechenden Bilderrahmen zu erstehen. Jedenfalls hätte es ausgereicht, entweder das Bild oder die Glasscheibe mitzunehmen. Der Arbeitgeber habe mit der Kündigung drohen dürfen, da es für einen verständigen Arbeitgeber nach subjektiver Einschätzung der Sachlage offensichtlich gewesen sei, dass eine Arbeitspflichtverletzung (Mitnahme von Sachen in und aus dem Markt ohne vorherige Anzeige) vorliege, die eine Kündigung nach sich ziehe. Nur wenn für den Arbeitgeber offensichtlich gewesen wäre, dass eine Kündigung unzulässig sei, hätte er mit dieser nicht drohen dürfen. Dies wäre nur gegeben, wenn für die Arbeitnehmer generell und ausdrücklich die Erlaubnis bestanden hätte, Gegenstände mit in den Markt zu nehmen und Gegenstände (und seien es Abfälle), ohne dies vorzuzeigen, aus dem Markt mit herauszunehmen. Allein der Arbeitgeber entscheide, was Abfälle seien und was mit diesen zu geschehen habe, und habe deswegen die Anweisung gegeben, alles, und seien es Abfälle, beim Verlassen des Marktes vorzuzeigen. Da der Arbeitgeber nach der Entlassung des Klägers einen neuen Mitarbeiter eingestellt habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter auf unlautere Weise habe loswerden wollen. Die Sperrzeit habe auch nicht nach § 144 Abs. 3 SGB III reduziert werden können, da es nicht auf den Wert der mitgenommenen Sachen ankomme. Der Vortrag, dem Kläger sei wegen Mobbing kein anderer Ausweg als die Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag geblieben, könne ebenfalls nicht greifen. Ausweislich der Zeugenangaben sei das Ereignis für die Gespräche zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses lediglich zwei bis drei Tage vor dem Gespräch gewesen. Damit könne in diesem kurzen Zeitraum nicht von Mobbing gesprochen werden.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 18.04.2005 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens. Ergänzend führt er aus, seine Vorgesetzten hätten selbst den Vorfall nicht beobachtet. Der Augenzeuge F. sei hingegen trotz eines entsprechenden Beweisantrags vom SG nicht als Zeuge vernommen worden. Anlass für die Drohung mit der fristlosen Kündigung sei allein der Verdacht des Diebstahls einer 30 cm x 40 cm großen Hartfaserplatte gewesen, bei der es sich unstreitig um Verpackungsmaterial von sehr geringem Wert gehandelt habe, das für den Abfall bestimmt gewesen sei. Auch habe der Zeuge F2 eingeräumt, es könne sein, dass Verpackungsmaterial, wenn es eindeutig als solches erkennbar sei, nicht bezahlt werden müsse. Der Zeuge G. habe zwar darauf hingewiesen, dass der Kläger nach Angaben von Herrn F. ohne Beleg einen kompletten Bilderrahmen mit aus dem Markt habe nehmen wollen, sich selbst jedoch von der Wahrhaftigkeit des Vorwurfs nicht überzeugt. Herr F. , der diesen Vorwurf auch nicht selbst geprüft oder ihn, den Kläger, dazu gehört habe, sei aber nicht als Zeuge vernommen worden. Das Bild sei selbst gemalt, die Glasscheibe von zu Hause mitgebracht worden. Bei Arbeitsbeginn sei niemand anwesend gewesen, um diese Gegenstände zu quittieren. Der Arbeitgeber habe ihn zum Bild und zum Bilderrahmen nicht ordnungsgemäß angehört und insoweit seine Ermittlungspflichten verletzt. An eine Verdachtskündigung seien jedoch strenge Voraussetzungen zu stellen. Sie setze einen Verdacht voraus, der auf solchen Umständen beruhe, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen könnten. Deswegen müsse die in Betracht kommende Pflichtverletzung schwerwiegend sein und eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung tatsächlich begangen habe. Zu Unrecht gehe daher das SG, das zudem nur auf die Mitnahme der Hartfaserplatte abgestellt habe, davon aus, dass es auf die subjektiven Erwägungen des Arbeitgebers ankomme. Aufgrund der ungerechtfertigten, aber massiven Einschüchterung durch die Zeugen F2 und G. sei er zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gedrängt worden. Um sich weitere Schwierigkeiten zu ersparen, habe er dem Druck schließlich nachgegeben. Die Vermeidung einer ernsthaft in Aussicht gestellten ungerechtfertigten Strafverfolgung und die Belastung des beruflichen Werdegangs mit einer rechtswidrigen außerordentlichen Kündigung wegen Diebstahls seien wichtige Gründe im Sinne des § 144 SGB III, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2005 sowie den Bescheid vom 06. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen des SG an.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 haben die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich im Hinblick auf den das Alg bewilligenden Bescheid vom 14.11.2002 und die weiteren Alg-Bescheide geschlossen.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 sind F. , F2 und G. als Zeugen vernommen worden. Hinsichtlich der Zeugenaussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.07.2006 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Leistungsakte der Beklagten sowie auf die Verfahrensakten der beiden Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter einverstanden erklärt und nach Durchführung der Beweisaufnahme auch mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2002 ist rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Nachdem die Alg-Leistungsbescheide, von denen zumindest der Erstbewilligungsbescheid auch eine Regelung über den Beginn und die Dauer des Alg-Anspruchs enthält, durch den Unterwerfungsvergleich ausgeklammert worden sind, muss hier nicht weiter der Frage nachgegangen werden, ob sie nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Streitgegenstand ist allein der so genannte Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 06.11.2002, der drei Verfügungssätze enthält. Er stellt – da eine Sperrzeit von Rechts wegen nicht eingetreten ist – rechtswidrig konstitutiv fest, dass vom 11.09. bis 03.12.2002 eine Sperrzeit eingetreten ist (A). In gleicher Weise stellt er rechtswidrig konstitutiv die bei einer von Rechts wegen bestehenden Sperrzeit kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge des Ruhens des Ag-Anspruchs für die Dauer der Sperrzeit fest (A) und schließlich stellt er rechtswidrig konstitutiv die bei einer von Rechts wegen bestehenden Sperrzeit kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge der Anspruchsminderung für die Dauer von 90 Tagen fest (B).
A.
1. Es ist keine Sperrzeit nach § 144 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) eingetreten. Der Anspruch des Klägers auf Alg ruhte daher nicht nach § 144 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Dort ist geregelt, dass dann, wenn ein Arbeitsloser das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, eine Sperrzeit von zwölf Wochen eintritt, sofern er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hat. Der Kläger hat sich arbeitsvertragswidrig verhalten, hierdurch jedoch keinen Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben (2.). Der von ihm gleichwohl abgeschlossene Aufhebungsvertrag hat zwar zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt. Dem Kläger stand jedoch dafür ein wichtiger Grund zur Seite (3.).
2. Der Kläger hat sich dadurch arbeitsvertragswidrig verhalten, dass er sich über das Eigentumsrecht des Arbeitgeber an einem 30 cm mal 40 cm großen Hartfaserplattenrest tatbestandlich, vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft im Sinne des Strafgesetzbuches hinweggesetzt und dadurch zugleich seine arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat (b). Der Kläger hat jedoch nicht bezüglich anderer dem Arbeitgeber gehörender Gegenstände, die bei der Fertigung des gerahmten Bildes verwendet wurden, ein Eigentumsdelikt begangen (a). Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung liegen ebenfalls nicht vor (c).
a) Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Einzelrichter des Senats nicht davon überzeugt, dass der Kläger einen (versuchten) Diebstahl bzw. eine (versuchte) Unterschlagung bezüglich des Bilderrahmens (einschließlich der Glasplatte) und/oder des Bildes begangen hat.
Der Zeuge F. , damals der stellvertretende Marktleiter, hat in der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 ausgesagt, der Kläger sei von ihm auf dem Weg von der Kasse in den Personalbereich angesprochen und von ihm stichprobenartig überprüft worden. Der Zeuge weiß zwar noch, dass der Kläger einen Kassenbon und einen Zuschnittzettel vorweisen konnte, kann aber nicht mehr sagen, welche Gegenstände – abgesehen von der kleinen Hartfaserplatte – danach als bezahlt vom Kläger belegt werden konnten. Insbesondere ist der Zeuge sich nicht sicher, ob der Einwand des Klägers, das Bild sei ein selbst gemaltes, unzutreffend ist. Der Zeuge meinte zwar, dass das Bild wie ein im Baumarkt verkaufter Kunstdruck ausgesehen habe, konnte sich aber daran nicht mehr erinnern. Hingegen meinte er, die Glasplatte habe auf dem Kassenbon gestanden. Auch war er sich nicht sicher, ob der Zuschnittzettel für den Bilderahmen (unerlaubterweise) vom Kläger selbst unterschrieben war oder von einem anderen Mitarbeiter. Der Zeuge F2 hat zwar ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 ausgeführt, der Zeuge F. habe ihn darüber informiert, der Kläger habe für das gerahmte Bild nur teilweise einen Kassenbon vorlegen können und er, der Kläger, habe den Zuschnittzettel selbst ausgefüllt. Aus eigener Erinnerung konnte der Zeuge F2 aber weder etwas zum Inhalt des Kassenbons noch etwas dazu sagen, wer den Zuschnittzettel unterschrieben hatte. Allerdings hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.02.2005 ausgesagt, der Zeuge F. habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass vom Kläger die Leisten (der Bilderrahmen) bezahlt worden seien, nicht aber die Hartfaserplatte und das Glas. Der Zeuge G. hatte dagegen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.02.2005 ausgesagt, der Zeuge F. habe den Kläger beim Diebstahl eines kompletten Bilderrahmens gestellt.
Hiernach kann sich der Einzelrichter des Senats, weil sich der einzige Zeuge – Herr F. –, der den Kassenbon in Augenschein genommen hat, schon nicht mehr an dessen Inhalt erinnern kann und auch nicht weiß, um welches Bild bzw. welche Art von Bild es sich gehandelt hat, nicht davon überzeugen, dass der Kläger die Bestandteile des gerahmten Bildes – mit Ausnahme der Hartfaserplatte – nicht ordnungsgemäß bezahlt hat, soweit sie nicht bereits davor zu seinem Eigentum gehört hatten. Die fehlende Erinnerung des Zeugen F. wird nachdrücklich auch dadurch belegt, dass er sich zu erinnern meint, dass die Glasplatte bezahlt worden sei, obwohl der Kläger selbst angegeben hat, er habe die Glasplatte als eine in seinem Eigentum stehende Sache mit in den Baumarkt genommen. Insoweit hat der Einzelrichter des Senats keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Angabe des Klägers, er habe die Glasplatte nicht bezahlt, zutrifft. Die Angaben hinsichtlich des Bilderrahmens sind widersprüchlich. Insoweit behaupten die Zeugen G. und F2 miteinander Unvereinbares vom Zeugen F. gehört zu haben: der Kläger habe den Bilderrahmen entwendet bzw. ihn bezahlt. Schließlich kann die Behauptung des Klägers nicht widerlegt werden, er habe die Glasscheibe von zu Hause mitgenommen. Der vom SG dagegen vorgebrachte Einwand, es hätte genügt, wenn der Kläger zu Hause die Maße aufgeschrieben hätte, ist schon deswegen nicht überzeugend, weil der Kläger die Absicht gehabt haben kann, das Bild an Ort und Stelle zu rahmen. Insoweit ergibt sich auch aus der Beweisaufnahme, dass der Kläger bei der Kontrolle nicht mit einzelnen Teilen angetroffen worden war, sondern – so die glaubhafte Aussage des Zeugen F. – ein gerahmtes Bild in der Hand gehabt habe.
Weitere Ermittlungen sind in dieser Angelegenheit nicht möglich, weil Kassenbon und Zuschnittzettel nicht mehr vorgelegt werden können. Ferner hat keiner der Beteiligten Angaben zu einem weiteren Mitarbeiter gemacht, der eventuell den Zuschnitt und die Rahmung durchgeführt hat und als Zeuge vernommen werden könnte. Ob der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben das Bild am Tag nach dem hier streitigen Ereignis, am 05.09.2002, aus dem Baumarkt hat mitnehmen können (Schriftsatz vom 24.04.2006), heute ein selbst gemaltes Bild mit den entsprechenden Abmessungen vorlegen könnte, kann dahingestellt bleiben. Eine derartige Vorlage ist insoweit unerheblich, weil damit nicht geklärt werden kann, ob der Kläger damals nicht doch eine im Baumarkt käuflichen Kunstdruck gerahmt hat bzw. rahmen ließ. Da aber auch das Gegenteil nicht bewiesen werden kann, kann sich die Beklagte, die die objektive Beweislast eines arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Klägers trifft, nicht auf den angeblichen Diebstahl bzw. die Unterschlagung des Bildes berufen.
b) Hingegen hat der Kläger mit Blick auf den 30 cm mal 40 cm große Hartfaserplattenrest ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, indem er sich die Mitnahme bzw. die Verbindung mit den übrigen Teilen des zu rahmenden Bildes nicht vorab vom Arbeitgeber genehmigen ließ (aa). Dieses Verhalten rechtfertigt jedoch angesichts des wirtschaftlich völlig wertlosen Gegenstandes keine außerordentliche Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (bb). Auch eine ordentliche Kündigung ist deswegen nicht gerechtfertigt (cc).
aa) Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seiner ständigen Rechtsprechung (Urteil vom 17.05.1984 – 2 AZR 3/83 – AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung [Bienenstichurteil]; Urteil vom 11.12.2003 – 2 AZR 36/03 – AP Nr 179 zu § 626 BGB = NZA 2004, 486) darauf ab, dass auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Solche Delikte stellten an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung setzten Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und seien strafbewehrt. Dem Arbeitnehmer müsse die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens deshalb bewusst sein. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität habe er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer breche durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Dies gelte auch für den Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besäßen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar sei (Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB), könne zu der Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen. Zum konkreten Fall hat es ausgeführt, der Inhalt der nicht mehr als reguläre Ware zu verkaufenden Fläschchen stelle eine erhebliche Menge an hochprozentigem Alkohol dar. Lege man den Preis zugrunde, den ein Dritter für derartige Alkoholika in einem anderen Geschäft hätte zahlen müssen (ca. 20,00 Euro), so sei es ausgeschlossen, dieser Ware – wie das LAG meine – jeden wirtschaftlichen Wert abzusprechen. das LAG sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten vor allem dadurch verletzt habe, dass sie nicht die Genehmigung ihrer Vorgesetzten eingeholt habe, bevor sie die Ware mitgenommen habe. Diese Pflichtverletzung könne jedoch nicht mit dem LAG lediglich als eine gewisse Eigenmächtigkeit ohne ernsthafte Auswirkung auf die Vertrauenswürdigkeit der Klägerin angesehen werden. Schon die Betriebsdisziplin werde durch ein solches eigenmächtiges Hinweggehen über die Person des Vorgesetzten, der die Eigentumsrechte des Arbeitgebers zu vertreten habe, gefährdet. Allerdings hat das Hessisches LAG (Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 764/05 – juris) darauf abgestellt, dass eine derartige Genehmigungspflicht dann nicht maßgeblich sei, wenn ein duldendes, unklares Verhalten des Arbeitgebers vorliege.
Der Einzelrichter des Senats schließt sich dieser Rechtsprechung des BAG an. Hiernach hat der Kläger durch sein Verhalten einen wichtigen Grund geliefert, der geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu begründen (erste Prüfungsstufe).
Der Kläger hat die kleine Hartfaserplatte an sich genommen, ohne hierfür von den Zeugen F. , G. oder F2 als Vertreter des Arbeitgebers in seiner eigentumsrechtlichen Position die vorherige Zustimmung eingeholt zu haben. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zumindest nachträglich sich die Verwendung der Hartfaserplatte noch genehmigen lassen wollte. Vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, dass er dies nicht habe tun wollen, weil er davon ausgegangen sei, dass sein Verhalten erlaubt sei und er nur größere Gegenstände aus dem Abfall vorzeigen müsse, nicht aber kleinere Holzreste. Dem ist aber nicht so. Aufgrund der Angaben der Zeugen steht zur vollen Überzeugung des Einzelrichters des Senats fest, dass jeder dem Arbeitgeber gehörende Gegenstand – und sei er auch noch so wertlos –, den ein Arbeitnehmer unentgeltlich oder gegen Zahlung eines symbolischen Geldbetrags mit nach Hause nehmen wollte, der Zustimmung des Marktleiters bzw. seines dazu bestimmten Vertreters bedurfte. Die Zeugen haben übereinstimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar in ihren Vernehmungen vor dem SG und dem Einzelrichter des Senats die Notwendigkeit der Zustimmung und auch deren Bekanntgabe im Markt dargelegt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Regelung lax gehandhabt wurde oder in Praxis weitgehend unbeachtet geblieben ist. Die Behauptung des Klägers, es sei betriebliche Übung gewesen, kleine Verpackungsmaterialien nicht bezahlen zu müssen (Schriftsätze vom 22.09.2003 und vom 01.07.2005), lässt den Zustimmungsvorbehalt unberührt. Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt (Schriftsatz vom 22.09.2003), er habe selbst bereits mehrfach für den Abfall bestimmte Reste mitgenommen, ohne aufgefordert worden zu sein, dies zu unterlassen, steht dies auch nicht im Widerspruch zu dem allgemein vom Arbeitgeber angeordneten und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Auffassung des Einzelrichters des Senats auch durchgesetzten generellen Zustimmungsvorbehalts, sondern ergibt sich gerade daraus, dass der Kläger meinte, er müsse dies nicht anzeigen, so dass mangels Kenntnis der Marktleitung eine Zustimmung auch nicht ausgesprochen oder versagt werden konnte.
Unerheblich ist dagegen, ob bei Hartfaserplatten in der hier relevanten Größe auch ein symbolischer Preis zu zahlen war. Selbst wenn für sie nichts zu zahlen gewesen sein sollte, entfiel damit nicht das Zustimmungserfordernis. Nicht mehr zu ermitteln ist, ob es sich bei der kleinen Hartfaserplatte um einen Zuschnittrest oder um einen Bestandteil eines Verpackungsmaterials gehandelt hat. Wenn es sich bei der kleinen Hartfaserplatte um einen Zuschnittrest gehandelt haben sollte, war er nicht mehr verkäuflich. Hartfaserplatten in der hier relevanten Größe werden vom Arbeitgeber nach Aussage des Zeugen F. nur als "Ausschuss" eingestuft und zusammen mit anderen Zuschnittresten von Zeit zu Zeit entsorgt. Allerdings hat der Zeuge F. auch ausgesagt, auch für nicht mehr marktfähige Reste sei von den Arbeitnehmern ein symbolischer Preis zu entrichten und das sei ihnen auch mitgeteilt worden. Das ist auch vom Marktleiter, dem Zeugen F2 , bestätigt worden. Letzterer hat aber auf Nachfrage unter Vorhalt seiner Aussage vor dem SG am 23.02.2005 auch eingeräumt, er selbst habe für bestimmte Materialien (Kanthölzer) in Einzelfällen keinen Preis verlangt. Bei Hartfaserplattenresten wie hier – so seine Aussage vor dem SG – war er sich jedenfalls nicht sicher, ob die Zahlung eines symbolischen Preises immer beachtet wurde. Unabhängig davon sind bewegliche Sachen im Eigentum des Arbeitgebers aber auch dann geschützt, wenn sie keinen wirtschaftlichen Wert (mehr) haben und nicht (mehr) verkauft werden können, weil sie nicht (mehr) marktgängig sind. Dies gilt auch dann, wenn die Sache nur ein Zuschnittrest einer zum Verkauf angebotenen großen Hartfaserplatte oder ein zu entsorgender Verpackungsrest ist, zumal hier der Arbeitgeber sich ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, im Einzelfall zu entscheiden, ob etwas unentgeltlich bzw. gegen Zahlung eines symbolischen Preises mitgenommen werden darf.
Ob etwas anderes gegolten hätte, wenn sich der Hartfaserplattenrest bereits in einem der Allgemeinheit zugänglichen Container außerhalb des Baumarktes befunden hätte (vgl. dazu die Aussage des Zeugen G. vor dem SG, wonach der Zustimmungsvorbehalt nur für die Container im Warenannahmebereich gegolten hat), kann dahingestellt bleiben, weil der Einzelrichter des Senats schon aufgrund der Angaben des Klägers davon überzeugt ist, dass der Kläger den Hartfaserplattenrest im Baumarkt an sich genommen hat (vgl. die Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 22.09.2003). Dies deckt sich auch mit der insoweit keiner Unsicherheit oder Erinnerungslücke unterliegenden Aussage des Zeugen F. vor dem Einzelrichter des Senats, dass der Kläger ihm bei der Kontrolle gesagt habe, er habe die Hartfaserplatte als Rest mitgenommen, und steht zudem mit den zeitnah gemachten Angaben des Arbeitgebers vom 30.10.2002 in Einklang, wo es heißt: "Die Hartfaserplatte jedoch war eindeutig das Eigentum des Marktes. Der Mitarbeiter wollte den Markt verlassen, ohne dies mit dem Marktleiter oder dessen Stellvertreter zu besprechen oder zu bezahlen."
bb) Eine fristlose außerordentliche Kündigung ist aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht zu rechtfertigen. Die fristlose außerordentliche Kündigung ist eine Ultima ratio zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und wird von einer umfassenden Interessenabwägung begleitet (zweite Prüfungsstufe).
Liegt – wie hier – ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich vor, so kann auch bei einem Eigentumsdelikt nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. dazu zuletzt das Urteil vom 27.04.2006 – 2 AZR 415/05 – AP Nr. 203 zu § 626 BGB = NZA 2006, 1033, mit zahlreichen w.N.) eine hierauf gestützte beabsichtigte außerordentliche Kündigung gleichwohl das Arbeitsverhältnis nur wirksam beenden, wenn bei der umfassenden Interessenabwägung das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Zunächst kommt der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist auch zu berücksichtigen, wenn eine Kündigung auf ein Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers gestützt wird. Ferner können das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, das Maß der dem Arbeitgeber entstandenen Schädigung und auch die Frage in Betracht zu ziehen sein, ob dem Verhalten des Arbeitnehmers eine besondere Verwerflichkeit innewohnt. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falles – Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls nicht von vornherein von der Berücksichtigung ausgeschlossen, wenn sie auch im Einzelfall in den Hintergrund treten und im Extremfall sogar völlig vernachlässigt werden können. Die gegenteilige Auffassung, der zufolge bestimmte Umstände stets von der Berücksichtigung ausgeschlossen sein sollen, korrespondiert nicht ausreichend mit der gesetzlichen Vorgabe, nach der "alle” Umstände des Einzelfalles Bedeutung haben können.
Hier ist zunächst und maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Fälle, in denen von Arbeitsgerichten das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung bislang bejaht worden ist, entweder geringwertige Gegenstände betreffen, die marktfähig sind oder doch zumindest solche Gegenstände, die zwar nicht mehr marktfähig sind, aber bei objektiver Betrachtung gemäß ihrer bisherigen bestimmungsgemäßen Verwendung immer noch einen nicht zu vernachlässigenden Gebrauchs- bzw. Genussvorteil bieten und auch nach der Parallelwertung in der Laiensphäre nicht als Abfall angesehen werden (vgl. nur aus den letzten Jahren LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2007 – 9 Sa 292/06 – juris [drei- bis viermal drei bis vier Brötchen]; Hessisches LAG, Urteil vom 08.09.2007 – 3 Sa 2206/05 – juris [drei Überraschungseier, ein Päckchen Kaffee, eine Leinentasche, eine Plastiktüte]; LAG Hamm, Urteil vom 31.08.2006 – 17 Sa 536/06 – juris [über das Deputat hinausgehend Frischholz abtransportiert]; Arbeitsgericht [ArbG] Frankfurt am Main, Urteil vom 23.08.2006 – 22 Ca 803/06 – juris [5 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.2006 – 6 Sa 295/06 – juris [Bockwürste im Wert von 8,05 EUR, mehrfache Nichtverbuchung von Kleinbeträgen wie 1,80 EUR, 2,45 EUR, etc.]; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2006 – 22 Ca 966/06 – juris [unerlaubtes Frankieren im Wert von zirka 5 EUR]; Hessisches LAG, Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 765/05 – juris [4-er Pack Joghurt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum]; LAG Niedersachsen – Beschluss vom 25.11.2005 – 16 TaBV 54/03 – juris [drei Pikkoloflaschen Sekt im Wert von knapp 6 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.10.2005 – 5 Sa 341/05 – juris [Aluminiumreste aus dem Abfall für 79,80 EUR an ein Entsorgungs- und Recyclingunternehmen veräußert]; ArbG Halle (Saale), Urteil vom 06.10.2005 – 1 Ca 391/05 – juris [eine Flasche Mineralwasser]; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2005 – 3 Sa 375/05 – juris [ein Brot im Wert von 2,50 EUR]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.02.2005 – 2 Ta 26/05 – juris [ein Kugelschreiber im Wert von 8,74 EUR, ein Feuerzeug, beide als Werbegeschenke des Arbeitgebers vorgesehen]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.09.2004 – 4 Sa 328/04 – juris [regelmäßiger Verzehr von Kaffee und Backwaren]; LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2004 – 8 Sa 425/04 – juris [ein Päckchen Kabelbinder, zwei Schleifmopteller]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003 – 7 Sa 784/03 – juris [drei Weihnachtssterne]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.04.2003 2 Sa 15/03 – juris [60 EUR]).
Zugunsten des Klägers muss unter Berücksichtigung der objektiven Beweislastverteilung davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Hartfaserplattenrest um einen Verpackungsrest gehandelt hat. Dieser ist jedoch als wertlos einzuschätzen. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Verpackung hat ihr Ende damit gefunden, dass sie geöffnet und ihre Einzelteile in einen der im Warenannahmebereich stehenden Container geworfen wurden. Mangels anderweitiger Angaben der Zeugen ist davon auszugehen, dass allenfalls ein symbolischer Preis von wenigen Cent dem Kläger abverlangt worden wäre. So hat der Zeuge F2 vor dem SG ausgesagt, es sei bei ihnen so üblich, dass auch bei Resten ein Entgelt bezahlt werden müsse und seien es bloß ein, zwei oder drei Cent. Das Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers ist nicht in der Sicherung eines etwaigen – nicht für ihn vorhandenen – wirtschaftlichen Wertes der Verpackungsteile begründet, sondern dient generalpräventiven Zwecken. Der Zeuge F2 hat zwar vor dem SG und vor dem Einzelrichter des Senats ausgesagt, das Vorzeigen der Reste diene der Absicherung des Arbeitnehmers, um ihn nicht des Diebstahls zu bezichtigen und der symbolische Preis sei dazu da, den Mitarbeiter im Falle einer Revisionsüberprüfung abzusichern. Davon, dass dieser Zweck zu Gunsten der Arbeitnehmer auch verfolgt wurde, ist der Einzelrichter des Senats überzeugt. Aber der Zustimmungsvorbehalt mit Entrichtung eines symbolischen Preises hat vor allem den Zweck, in Zweifelsfällen den Arbeitnehmern, die im Verdacht eines Diebstahls stehen, die Ausrede zu verbauen, sie hätten gedacht, es handele sich bloß um wertlose Reste, und sie hätten nur deswegen die Mitnahme nicht offenbart. Sie seien sich keiner Schuld bewusst. Letztlich ist anerkennenswertes Ziel dieser Regelung, eine möglichst eindeutige Trennlinie zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmereigentum zu ziehen, um Grauzonen zu vermeiden, die ihrerseits wiederum den Effekt haben können, bei nicht anzuzeigender Mitnahme von wertlosen Gegenständen das Unrechtsbewusstsein mit der Folge abzusenken, dass kleinere Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers von Teilen der Belegschaft bei geringwertigen Sachen als betriebsüblich angesehen und dementsprechend praktiziert werden.
Der Kläger hat danach zwar eine klare Vorgabe des Arbeitgebers verletzt. Dadurch hat er das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Zuverlässigkeit nachhaltig beeinträchtigt und objektiv den Eindruck hervorgerufen, dass weitere, auch wirtschaftlich relevante Pflichtverletzungen von ihm in Zukunft ausgehen könnten (nicht aber zwingend ausgehen werden!). Andererseits war der Kläger seit August 1997 ohne Beanstandungen bis zum Vorfall am 04.09.2002 tätig und im konkreten Fall hat das Eigentumsdelikt überhaupt keinen materiellen Schaden verursacht. Insoweit bestand beim Kläger auch kein Vorsatz, den Arbeitgeber wirtschaftlich zu schädigen. Vielmehr ist aufgrund der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast davon auszugehen, dass der Kläger die im Baumarkt für den Zusammenbau des Bilderahmens erworbenen Leisten ordentlich abgerechnet hat und willens war, das Eigentum des Arbeitgebers, soweit es von wirtschaftlichem Wert war, anzuerkennen. Außerdem ist der Kläger Vater zweier unterhaltsbedürftiger minderjähriger Kinder, die 1996 und 2000 geboren sind. Vor dem Hintergrund des bisherigen Verhaltens des Klägers – jedenfalls haben die Zeugen insoweit keine Ausführungen gemacht, dass der Kläger zuvor in irgendeiner Weise auffällig gewesen wäre – und seiner nicht vorhandenen kriminellen Energie bestand auch die Prognose, dass der Kläger in Zukunft auch dem Arbeitgeber gehörender Abfall nicht mehr ohne vorherige Zustimmung der Marktleitung an sich nehmen werde. Bei einem verständigen, gerecht urteilenden Arbeitgeber wäre das Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht derart erschüttert worden, dass er nicht mehr an dem Arbeitsverhältnis hätte festhalten wollen.
Nach alledem war dem Arbeitgeber trotz der nachgewiesenen Eigentumsverletzung bezüglich des Hartfaserplattenrestes aufgrund der umfassenden Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung verwehrt.
cc) Eine verhaltensbedingte fristgemäße ordentliche Kündigung ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.
Für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung nach – dem hier anwendbaren – § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen. Es ist vielmehr ein objektiver Maßstab anzulegen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Die Pflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sei. Strafbare Handlungen, insbesondere vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- und Vermögensdelikte wie etwa Diebstahl und Unterschlagung von Firmeneigentum, Betrug und Untreue, rechtfertigen – wie bereits oben ausgeführt – in der Regel eine außerordentliche Kündigung. Das gilt auch dann, wenn es nur um geringe Vermögenswerte oder -einbußen des Arbeitgebers geht. Erst recht berechtigen strafbare Handlungen des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung (LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2003 – 12 Sa 693/01 – LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 81 m.w.N.). Zur sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist neben der Feststellung einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung aber auch bei Eigentums- und Vermögensdelikten im Rahmen der ordentlichen Kündigung stets eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (allgemein zum Interessenabwägungsgebot vgl. nur BAG, Urteil vom 27.05.1993 – 2 AZR 631/92 – juris m.w.N.). Auch hier gilt eine (zumindest) zweistufige Prüfung. Ein zur ordentlichen Kündigung berechtigender Sachverhalt, führt nur dann zur Kündigung, wenn zugleich auch die Interessenabwägung ergibt, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist (vgl. nur Hessisches LAG, Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 764/05 – juris).
Dem Arbeitgeber war jedoch schon aufgrund der zur außerordentlichen Kündigung vorgenommenen Interessenabwägung auch eine ordentliche Kündigung versagt.
c) Eine außerordentliche Kündigung kam auch nicht als Verdachtskündigung in Betracht.
Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BAG, Urteil vom 12.08.1999 – 2 AZR 923/98 – BAGE 92, 184 = AP Nr. 28 zu § 626 BGB) stellt der dringende Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung auch geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Eine Verdachtskündigung ist aber an enge Voraussetzungen geknüpft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. nur Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – AP Nr 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = USK 2002, 166) liegt eine Verdachtskündigung vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Es entspricht den Besonderheiten des wichtigen Grundes bei einer Verdachtskündigung, die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers als Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung anzusehen. Der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt besteht bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein "Unschuldiger" betroffen ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an sie zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstößt anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Frage, welche Aufklärungsmaßnahmen vom Arbeitgeber jeweils zu ergreifen sind, kann nämlich nicht für alle Fälle einheitlich beantwortet werden. Es bedarf insoweit vielmehr einer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (BAG, Urteil vom 08.02.1980 – 7 AZR 65/78 – juris). Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Hinsichtlich des Hartfaserplattenrestes kommt eine Verdachtskündigung schon nicht in Betracht, weil die Eigentumsverletzung gesichert ist und der Arbeitgeber insoweit zu Recht dem Kläger diesen Vorwurf gemacht hat, dieser aber keine Kündigung rechtfertigt. Hinsichtlich der anderen Gegenstände (Bild, Glasplatte, Rahmen) hat es der Arbeitgeber unterlassen, den Sachverhalt ordnungsgemäß aufzuklären, obwohl er sich zunächst in den Besitz des Bildes gebracht hatte und dessen Teile mit dem Kassenbon und dem Zuschnittszettel unter Befragung weiterer Kollegen des Klägers unschwer hätte abgleichen können. Wenn der Kläger hier – nach Überzeugung des Einzelrichters des Senats zutreffend – im Gespräch mit dem Zeugen F2 darlegt, er habe das Bild und die Glasscheibe mit in den Markt genommen und nur deswegen nicht registrieren lassen, weil die Informationsstelle nicht besetzt gewesen sei, so hätte die Marktleitung am 05.06.2002 überprüfen können, ob die Leisten für den Rahmen bezahlt worden waren, auch hätte sie unschwer feststellen können, ob es sich bei dem Bild um ein solches gehandelt hat, das im Markt erworben werden konnte. War das erste zu bejahen und das zweite zu verneinen – was jetzt im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden kann – könnte eine Verdachtskündigung allein auf die unklare Herkunft der Glasscheibe nicht gestützt werden, weil sich dann die anderen Angaben des Klägers als wahrheitsgemäß erwiesen hätten. Nur im umgekehrten Fall wäre es aufgrund des Gesamtbildes gerechtfertigt gewesen, von dem ausreichenden Verdacht einer Straftat auszugehen.
d) Die weiteren erstmalig festgestellten Pflichtverletzungen des Klägers gegen Ordnungsvorschriften, die er selbst eingestanden hat (das Nichtregistrierenlassen von Bild und Glasscheibe beim Betreten des Marktes) rechtfertigen nach den oben dargestellten Voraussetzungen einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung eine Abmahnung, nicht jedoch eine Kündigung. Hinsichtlich des Zuschnitts der Leisten für den Bilderrahmen ist schon nicht geklärt, ob der Kläger den Zuschnittzettel von einem anderen Arbeitnehmer hatte abzeichnen lassen. Dieser Sachverhalt ist daher wegen objektiver Beweislosigkeit als Anknüpfungspunkt für ein vorwerfbares Verhalten nicht geeignet.
3. Der Umstand, dass der Kläger schon dadurch den Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III verwirklich hat, dass er in den Aufhebungsvertrag eingewilligt hat, rechtfertigt aufgrund der besonderen Umstände des Sachverhalts keine Sperrzeit. Der Kläger hat für sein Verhalten einen wichtigen Grund. Da die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nach dem hier allein gesicherten Sachverhalt eines Eigentumsdelikts hinsichtlich des Hartfaserplattenrestes rechtswidrig war, musste sich der Kläger nicht darauf verweisen lassen, die Kündigung zunächst hinzunehmen und gegen diese arbeitsgerichtlich vorzugehen. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger eine rechtswidrige außerordentliche Kündigung arbeitsgerichtlich nicht überprüfen lassen muss, um sperrzeitrechtlich ihre Rechtswidrigkeit einwenden zu können. Dann muss es ihm auch möglich sein, um mit berechtigtem Interesse Schaden für seinen beruflichen Werdegang von sich zu wenden, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, der dieselbe Rechtsfolge wie die ernsthaft angedrohte rechtswidrige außerordentliche Kündigung hat.
B.
Demzufolge war auch nicht die klägerische Alg-Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes [AFRG] vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594) zu mindern. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg zusteht.
C.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen das zeitweise Ruhen und das teilweise Erlöschen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) als Folge eines von der Beklagten angenommenen Sperrzeitsachverhalts.
Der am ...1970 geborene Kläger war von 1990 bis 28.02.1997 als Installateur beschäftigt. Er meldete sich am 13.03.1997 bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis 30.07.1997. Ab dem 01.08.1997 war er als Fachverkäufer bei der G. GmbH in L ... beschäftigt. Deren Betrieb wurde später von der t GmbH übernommen (im Folgenden: der Arbeitgeber), mit der der Kläger das Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergangs zu den bisherigen Vertragsbedingungen fortsetzte. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 06.09.2002 mit Ablauf des 10.09.2002. Die Einzelheiten, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt haben, sind zwischen den Beteiligten umstritten. Im Kern ist dem Kläger vom Arbeitgeber ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers vorgeworfen worden. Der Kläger soll einige dem Arbeitgeber gehörende Bestandteile eines gerahmten Bildes ohne Bezahlung verarbeitet und das gerahmte Bild an sich genommen haben. Als sich der Kläger auf dem Weg von der Kasse zum Personalbereich befand, wurde der Kläger vom Zeugen F. , einem Mitarbeiter des Baumarktes, angehalten und überprüft. Der Zeuge F. meinte, den Kläger bei einem Diebstahl ertappt zu haben und informierte telefonisch den an diesem Tag nicht vor Ort erreichbaren Marktleiter, den Zeugen F2. Am 05.09.2002 hatte der Kläger einen regulären freien Tag. Das Gespräch zwischen ihm und dem Zeugen F2 fand am 06.09.2002 im Beisein des Gartencenterleiters des Baumarktes, des Zeugen G. , statt und hatte den Abschluss des vorgenannten Aufhebungsvertrages als Ergebnis.
Am 09.09.2002 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA; jetzt Agentur für Arbeit) Leipzig arbeitslos und beantragte Alg (formularmäßiger Antrag vom Kläger am 16.09.2002 unterschrieben). In der Arbeitsbescheinigung gab der Arbeitgeber zunächst an, der Aufhebungsvertrag sei nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zustande gekommen. Die Aufhebungsvereinbarung, die keinen Aufhebungsgrund benannte, wurde in Kopie vorgelegt (wegen Einzelheiten wird auf Blatt 13 f. der Beklagtenakte verwiesen). Der Kläger begründete das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages damit, dass er mit einem unzutreffenden Diebstahlsvorwurf konfrontiert und unter Androhung einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige unter Druck gesetzt worden sei, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Ihm sei der Diebstahl einer Hartfaserplatte von 30 cm x 40 cm vorgeworfen worden, welche für den Abfall bestimmt gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 19 der Beklagtenakte verwiesen. Die Beklagte nahm hierauf weitere Ermittlungen vor und holte eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 30.10.2002 ein, der mitteilte, der Kläger habe im Gespräch mit Vorgesetzten den Diebstahl zugegeben. Mit einem so genannten Sperrzeitbescheid vom 06.11.2002 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger sodann fest, in seinem Fall sei für die Zeit vom 11.09. bis 03.12.2002 (12 Wochen) eine Sperrzeit eingetreten. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg. Außerdem mindere sich der Alg-Anspruch um 90 Tage. Der Kläger habe am Abschluss eines Aufhebungsvertrages mitgewirkt, dessen Zustandekommen maßgeblich auch von ihm selbst abhängig gewesen sei, und damit seine nachfolgende Arbeitslosigkeit verursacht. Unerheblich sei dabei, auf wessen Initiative hin es zum Abschluss des Vertrages gekommen sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.11.2002 Widerspruch ein und wies noch einmal darauf hin, dass er nichts Verbotenes getan habe, aber von zwei Vorgesetzten mit dem Diebstahlsvorwurf so massiv unter Druck gesetzt worden sei, dass er den Aufhebungsvertrag unterschrieben habe. Nachdem man ihm mit einem Strafverfahren gedroht habe und er fünf Mal intensiv gedrängt worden sei, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, habe er damals keine andere Möglichkeit gesehen, als dies zu tun, um nicht wegen Diebstahls angezeigt zu werden. Er sei von den beiden Vorgesetzten völlig eingeschüchtert worden. Erst am nächsten Tag sei ihm bewusst geworden, dass das Unternehmen nur eine Gelegenheit gesucht habe, um Mitarbeiter loszuwerden. Reststücke aus Holz oder aus holzähnlichen Materialien hätten immer mitgenommen werden können, zumal sie nicht als Ware vereinnahmt worden seien, sondern nur als Umverpackung oder Verpackungsmaterial gegolten hätten. Auch andere Mitarbeiter hätten davon Gebrauch gemacht. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2002 den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim Kläger lägen die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vor. Er habe sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages habe der Kläger lediglich eine arbeitgeberseitige Kündigung wegen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens vermieden. Dies stelle keinen wichtigen Grund dar. Eine besondere Härte mit der Folge der Herabsetzung der Sperrzeit auf sechs Wochen sei auch nicht zu erkennen. Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Sperrzeit umfasse somit den Zeitraum vom 11.09.2002 bis 03.12.2002. Während der Zeit ruhe der Leistungsanspruch (§ 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Die Dauer des Leistungsanspruchs mindere sich gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, zustehe. Im vorliegenden Fall betrage die Minderung der Anspruchsdauer somit 90 Tage.
Mit seiner dagegen am 23.12.2002 beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit und die daraus von der Beklagten abgeleiteten Rechtsfolgen gewandt. Der Diebstahl werde weiterhin bestritten. Er habe keinen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Er sei durch unberechtigte, widerrechtliche Drohungen mit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung sowie einer Anzeige wegen Diebstahls zur Zustimmung veranlasst worden. Der Arbeitgeber habe Mitarbeiter entlassen wollen, was ihm jedoch durch die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erschwert worden sei. Als Vorwand sei der Vorfall mit der Hartfaserplatte benutzt worden, um das Arbeitsverhältnis unproblematisch beenden zu können. Der Arbeitgeber habe genau gewusst, dass er es den Mitarbeitern nicht verboten und es der betrieblichen Praxis entsprochen habe, Arbeitnehmern die Mitnahme von für den Abfall bestimmten Gegenstände zur privaten Verwendung zu gestatten. Ihm habe bei der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung der Erklärungswille gefehlt, da er den Vertrag nur auf Grund des massiven Drucks unterschrieben habe und ihm nicht bewusst gewesen sei, welche Folgen der Vertrag für ihn haben würde. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall – unberechtigterweise – auf Grund dieses Vorfalls enden lassen. Er, der Kläger, sei damit einer Kündigung durch den Arbeitgeber nur zuvorgekommen, sodass insoweit eine Kausalität zwischen dem Aufhebungsvertrag und der Arbeitslosigkeit nicht vorliege. Zudem habe ein wichtiger Grund bestanden den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung auf Grund des ihm zu Unrecht unterstellten Diebstahls hätte er keine neue Arbeitsstelle finden können, egal was diesbezüglich ein Gericht entscheiden würde, da dieser Vorfall immer als ein Makel an ihm haften geblieben wäre. Es sei ihm daher unzumutbar gewesen abzuwarten, bis ihm der Arbeitgeber kündige. Auf Grund der massiven Drohungen sei das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber irreparabel zerstört gewesen. Jedenfalls sei die Sperrzeit auf drei Wochen zu verkürzen, da durch die ansonsten erfolgte unrechtmäßige Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von 6 Wochen nach dem die Sperrzeit begründenden Ereignis geendet hätte.
Das SG hat mit Urteil vom 23.02.2005 die Anfechtungsklage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III seien erfüllt. Der Kläger habe durch die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages mit seinem Arbeitgeber sein Arbeitsverhältnis gelöst und damit die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil kein Anschlussarbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Er sei auch nicht rechtswidrig zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gezwungen worden. Er habe, so das Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung, seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, indem er Gegenstände (nach seiner Behauptung ein Bild und eine Glasscheibe) mit in den Markt genommen und diese nicht habe kennzeichnen lassen. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob er darüber hinaus auch eine Hartfaserplatte mit aus dem Markt habe mitnehmen wollen und diese – wie nunmehr in der mündlichen Verhandlung behauptet – noch habe vorzeigen wollen. Insoweit sei eine Zeugenvernehmung nicht erforderlich gewesen. Die Pflichtverletzung sei schon darin begründet, dass der Kläger entgegen den Weisungen des Arbeitgebers mitgebrachte Gegenstände nicht habe kennzeichnen lassen, obwohl – wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe – ihm dies bekannt gewesen sei. Der Kläger habe nachweislich nur den Rahmen bezahlt, so dass beim Arbeitgeber der Eindruck habe entstehen müssen, der Kläger habe sowohl das Bild als auch die Glasscheibe rechtswidrig mit aus dem Markt nehmen wollen. Der Arbeitgeber sei somit berechtigt gewesen, von einem Diebstahl auszugehen, da das Gegenteil nicht habe nachgewiesen werden können. Für die Kammer sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, nachdem angeblich zu Beginn der Dienstzeit niemand in der Information anwesend gewesen sei, nicht bei einem anderen Mitarbeiter die Mitnahme der Gegenstände angezeigt oder dies im Laufe des Tages nachgeholt habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger ein Bild und eine dazu passende Glasscheibe, die er dann zufällig zu Hause gehabt haben müsse, mit in den Markt habe nehmen müssen, obwohl schon die Maße ausgereicht hätten, um einen entsprechenden Bilderrahmen zu erstehen. Jedenfalls hätte es ausgereicht, entweder das Bild oder die Glasscheibe mitzunehmen. Der Arbeitgeber habe mit der Kündigung drohen dürfen, da es für einen verständigen Arbeitgeber nach subjektiver Einschätzung der Sachlage offensichtlich gewesen sei, dass eine Arbeitspflichtverletzung (Mitnahme von Sachen in und aus dem Markt ohne vorherige Anzeige) vorliege, die eine Kündigung nach sich ziehe. Nur wenn für den Arbeitgeber offensichtlich gewesen wäre, dass eine Kündigung unzulässig sei, hätte er mit dieser nicht drohen dürfen. Dies wäre nur gegeben, wenn für die Arbeitnehmer generell und ausdrücklich die Erlaubnis bestanden hätte, Gegenstände mit in den Markt zu nehmen und Gegenstände (und seien es Abfälle), ohne dies vorzuzeigen, aus dem Markt mit herauszunehmen. Allein der Arbeitgeber entscheide, was Abfälle seien und was mit diesen zu geschehen habe, und habe deswegen die Anweisung gegeben, alles, und seien es Abfälle, beim Verlassen des Marktes vorzuzeigen. Da der Arbeitgeber nach der Entlassung des Klägers einen neuen Mitarbeiter eingestellt habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter auf unlautere Weise habe loswerden wollen. Die Sperrzeit habe auch nicht nach § 144 Abs. 3 SGB III reduziert werden können, da es nicht auf den Wert der mitgenommenen Sachen ankomme. Der Vortrag, dem Kläger sei wegen Mobbing kein anderer Ausweg als die Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag geblieben, könne ebenfalls nicht greifen. Ausweislich der Zeugenangaben sei das Ereignis für die Gespräche zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses lediglich zwei bis drei Tage vor dem Gespräch gewesen. Damit könne in diesem kurzen Zeitraum nicht von Mobbing gesprochen werden.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 18.04.2005 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens. Ergänzend führt er aus, seine Vorgesetzten hätten selbst den Vorfall nicht beobachtet. Der Augenzeuge F. sei hingegen trotz eines entsprechenden Beweisantrags vom SG nicht als Zeuge vernommen worden. Anlass für die Drohung mit der fristlosen Kündigung sei allein der Verdacht des Diebstahls einer 30 cm x 40 cm großen Hartfaserplatte gewesen, bei der es sich unstreitig um Verpackungsmaterial von sehr geringem Wert gehandelt habe, das für den Abfall bestimmt gewesen sei. Auch habe der Zeuge F2 eingeräumt, es könne sein, dass Verpackungsmaterial, wenn es eindeutig als solches erkennbar sei, nicht bezahlt werden müsse. Der Zeuge G. habe zwar darauf hingewiesen, dass der Kläger nach Angaben von Herrn F. ohne Beleg einen kompletten Bilderrahmen mit aus dem Markt habe nehmen wollen, sich selbst jedoch von der Wahrhaftigkeit des Vorwurfs nicht überzeugt. Herr F. , der diesen Vorwurf auch nicht selbst geprüft oder ihn, den Kläger, dazu gehört habe, sei aber nicht als Zeuge vernommen worden. Das Bild sei selbst gemalt, die Glasscheibe von zu Hause mitgebracht worden. Bei Arbeitsbeginn sei niemand anwesend gewesen, um diese Gegenstände zu quittieren. Der Arbeitgeber habe ihn zum Bild und zum Bilderrahmen nicht ordnungsgemäß angehört und insoweit seine Ermittlungspflichten verletzt. An eine Verdachtskündigung seien jedoch strenge Voraussetzungen zu stellen. Sie setze einen Verdacht voraus, der auf solchen Umständen beruhe, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen könnten. Deswegen müsse die in Betracht kommende Pflichtverletzung schwerwiegend sein und eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung tatsächlich begangen habe. Zu Unrecht gehe daher das SG, das zudem nur auf die Mitnahme der Hartfaserplatte abgestellt habe, davon aus, dass es auf die subjektiven Erwägungen des Arbeitgebers ankomme. Aufgrund der ungerechtfertigten, aber massiven Einschüchterung durch die Zeugen F2 und G. sei er zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gedrängt worden. Um sich weitere Schwierigkeiten zu ersparen, habe er dem Druck schließlich nachgegeben. Die Vermeidung einer ernsthaft in Aussicht gestellten ungerechtfertigten Strafverfolgung und die Belastung des beruflichen Werdegangs mit einer rechtswidrigen außerordentlichen Kündigung wegen Diebstahls seien wichtige Gründe im Sinne des § 144 SGB III, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 2005 sowie den Bescheid vom 06. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen des SG an.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 haben die Beteiligten einen Unterwerfungsvergleich im Hinblick auf den das Alg bewilligenden Bescheid vom 14.11.2002 und die weiteren Alg-Bescheide geschlossen.
In der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 sind F. , F2 und G. als Zeugen vernommen worden. Hinsichtlich der Zeugenaussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.07.2006 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Leistungsakte der Beklagten sowie auf die Verfahrensakten der beiden Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter einverstanden erklärt und nach Durchführung der Beweisaufnahme auch mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2002 ist rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Nachdem die Alg-Leistungsbescheide, von denen zumindest der Erstbewilligungsbescheid auch eine Regelung über den Beginn und die Dauer des Alg-Anspruchs enthält, durch den Unterwerfungsvergleich ausgeklammert worden sind, muss hier nicht weiter der Frage nachgegangen werden, ob sie nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Streitgegenstand ist allein der so genannte Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 06.11.2002, der drei Verfügungssätze enthält. Er stellt – da eine Sperrzeit von Rechts wegen nicht eingetreten ist – rechtswidrig konstitutiv fest, dass vom 11.09. bis 03.12.2002 eine Sperrzeit eingetreten ist (A). In gleicher Weise stellt er rechtswidrig konstitutiv die bei einer von Rechts wegen bestehenden Sperrzeit kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge des Ruhens des Ag-Anspruchs für die Dauer der Sperrzeit fest (A) und schließlich stellt er rechtswidrig konstitutiv die bei einer von Rechts wegen bestehenden Sperrzeit kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge der Anspruchsminderung für die Dauer von 90 Tagen fest (B).
A.
1. Es ist keine Sperrzeit nach § 144 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) eingetreten. Der Anspruch des Klägers auf Alg ruhte daher nicht nach § 144 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Dort ist geregelt, dass dann, wenn ein Arbeitsloser das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, eine Sperrzeit von zwölf Wochen eintritt, sofern er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hat. Der Kläger hat sich arbeitsvertragswidrig verhalten, hierdurch jedoch keinen Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben (2.). Der von ihm gleichwohl abgeschlossene Aufhebungsvertrag hat zwar zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt. Dem Kläger stand jedoch dafür ein wichtiger Grund zur Seite (3.).
2. Der Kläger hat sich dadurch arbeitsvertragswidrig verhalten, dass er sich über das Eigentumsrecht des Arbeitgeber an einem 30 cm mal 40 cm großen Hartfaserplattenrest tatbestandlich, vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft im Sinne des Strafgesetzbuches hinweggesetzt und dadurch zugleich seine arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat (b). Der Kläger hat jedoch nicht bezüglich anderer dem Arbeitgeber gehörender Gegenstände, die bei der Fertigung des gerahmten Bildes verwendet wurden, ein Eigentumsdelikt begangen (a). Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung liegen ebenfalls nicht vor (c).
a) Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Einzelrichter des Senats nicht davon überzeugt, dass der Kläger einen (versuchten) Diebstahl bzw. eine (versuchte) Unterschlagung bezüglich des Bilderrahmens (einschließlich der Glasplatte) und/oder des Bildes begangen hat.
Der Zeuge F. , damals der stellvertretende Marktleiter, hat in der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 ausgesagt, der Kläger sei von ihm auf dem Weg von der Kasse in den Personalbereich angesprochen und von ihm stichprobenartig überprüft worden. Der Zeuge weiß zwar noch, dass der Kläger einen Kassenbon und einen Zuschnittzettel vorweisen konnte, kann aber nicht mehr sagen, welche Gegenstände – abgesehen von der kleinen Hartfaserplatte – danach als bezahlt vom Kläger belegt werden konnten. Insbesondere ist der Zeuge sich nicht sicher, ob der Einwand des Klägers, das Bild sei ein selbst gemaltes, unzutreffend ist. Der Zeuge meinte zwar, dass das Bild wie ein im Baumarkt verkaufter Kunstdruck ausgesehen habe, konnte sich aber daran nicht mehr erinnern. Hingegen meinte er, die Glasplatte habe auf dem Kassenbon gestanden. Auch war er sich nicht sicher, ob der Zuschnittzettel für den Bilderahmen (unerlaubterweise) vom Kläger selbst unterschrieben war oder von einem anderen Mitarbeiter. Der Zeuge F2 hat zwar ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 21.07.2006 ausgeführt, der Zeuge F. habe ihn darüber informiert, der Kläger habe für das gerahmte Bild nur teilweise einen Kassenbon vorlegen können und er, der Kläger, habe den Zuschnittzettel selbst ausgefüllt. Aus eigener Erinnerung konnte der Zeuge F2 aber weder etwas zum Inhalt des Kassenbons noch etwas dazu sagen, wer den Zuschnittzettel unterschrieben hatte. Allerdings hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.02.2005 ausgesagt, der Zeuge F. habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass vom Kläger die Leisten (der Bilderrahmen) bezahlt worden seien, nicht aber die Hartfaserplatte und das Glas. Der Zeuge G. hatte dagegen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.02.2005 ausgesagt, der Zeuge F. habe den Kläger beim Diebstahl eines kompletten Bilderrahmens gestellt.
Hiernach kann sich der Einzelrichter des Senats, weil sich der einzige Zeuge – Herr F. –, der den Kassenbon in Augenschein genommen hat, schon nicht mehr an dessen Inhalt erinnern kann und auch nicht weiß, um welches Bild bzw. welche Art von Bild es sich gehandelt hat, nicht davon überzeugen, dass der Kläger die Bestandteile des gerahmten Bildes – mit Ausnahme der Hartfaserplatte – nicht ordnungsgemäß bezahlt hat, soweit sie nicht bereits davor zu seinem Eigentum gehört hatten. Die fehlende Erinnerung des Zeugen F. wird nachdrücklich auch dadurch belegt, dass er sich zu erinnern meint, dass die Glasplatte bezahlt worden sei, obwohl der Kläger selbst angegeben hat, er habe die Glasplatte als eine in seinem Eigentum stehende Sache mit in den Baumarkt genommen. Insoweit hat der Einzelrichter des Senats keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Angabe des Klägers, er habe die Glasplatte nicht bezahlt, zutrifft. Die Angaben hinsichtlich des Bilderrahmens sind widersprüchlich. Insoweit behaupten die Zeugen G. und F2 miteinander Unvereinbares vom Zeugen F. gehört zu haben: der Kläger habe den Bilderrahmen entwendet bzw. ihn bezahlt. Schließlich kann die Behauptung des Klägers nicht widerlegt werden, er habe die Glasscheibe von zu Hause mitgenommen. Der vom SG dagegen vorgebrachte Einwand, es hätte genügt, wenn der Kläger zu Hause die Maße aufgeschrieben hätte, ist schon deswegen nicht überzeugend, weil der Kläger die Absicht gehabt haben kann, das Bild an Ort und Stelle zu rahmen. Insoweit ergibt sich auch aus der Beweisaufnahme, dass der Kläger bei der Kontrolle nicht mit einzelnen Teilen angetroffen worden war, sondern – so die glaubhafte Aussage des Zeugen F. – ein gerahmtes Bild in der Hand gehabt habe.
Weitere Ermittlungen sind in dieser Angelegenheit nicht möglich, weil Kassenbon und Zuschnittzettel nicht mehr vorgelegt werden können. Ferner hat keiner der Beteiligten Angaben zu einem weiteren Mitarbeiter gemacht, der eventuell den Zuschnitt und die Rahmung durchgeführt hat und als Zeuge vernommen werden könnte. Ob der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben das Bild am Tag nach dem hier streitigen Ereignis, am 05.09.2002, aus dem Baumarkt hat mitnehmen können (Schriftsatz vom 24.04.2006), heute ein selbst gemaltes Bild mit den entsprechenden Abmessungen vorlegen könnte, kann dahingestellt bleiben. Eine derartige Vorlage ist insoweit unerheblich, weil damit nicht geklärt werden kann, ob der Kläger damals nicht doch eine im Baumarkt käuflichen Kunstdruck gerahmt hat bzw. rahmen ließ. Da aber auch das Gegenteil nicht bewiesen werden kann, kann sich die Beklagte, die die objektive Beweislast eines arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Klägers trifft, nicht auf den angeblichen Diebstahl bzw. die Unterschlagung des Bildes berufen.
b) Hingegen hat der Kläger mit Blick auf den 30 cm mal 40 cm große Hartfaserplattenrest ein Eigentumsdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, indem er sich die Mitnahme bzw. die Verbindung mit den übrigen Teilen des zu rahmenden Bildes nicht vorab vom Arbeitgeber genehmigen ließ (aa). Dieses Verhalten rechtfertigt jedoch angesichts des wirtschaftlich völlig wertlosen Gegenstandes keine außerordentliche Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (bb). Auch eine ordentliche Kündigung ist deswegen nicht gerechtfertigt (cc).
aa) Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in seiner ständigen Rechtsprechung (Urteil vom 17.05.1984 – 2 AZR 3/83 – AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung [Bienenstichurteil]; Urteil vom 11.12.2003 – 2 AZR 36/03 – AP Nr 179 zu § 626 BGB = NZA 2004, 486) darauf ab, dass auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Solche Delikte stellten an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung setzten Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und seien strafbewehrt. Dem Arbeitnehmer müsse die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens deshalb bewusst sein. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität habe er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer breche durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Dies gelte auch für den Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besäßen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar sei (Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB), könne zu der Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen. Zum konkreten Fall hat es ausgeführt, der Inhalt der nicht mehr als reguläre Ware zu verkaufenden Fläschchen stelle eine erhebliche Menge an hochprozentigem Alkohol dar. Lege man den Preis zugrunde, den ein Dritter für derartige Alkoholika in einem anderen Geschäft hätte zahlen müssen (ca. 20,00 Euro), so sei es ausgeschlossen, dieser Ware – wie das LAG meine – jeden wirtschaftlichen Wert abzusprechen. das LAG sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten vor allem dadurch verletzt habe, dass sie nicht die Genehmigung ihrer Vorgesetzten eingeholt habe, bevor sie die Ware mitgenommen habe. Diese Pflichtverletzung könne jedoch nicht mit dem LAG lediglich als eine gewisse Eigenmächtigkeit ohne ernsthafte Auswirkung auf die Vertrauenswürdigkeit der Klägerin angesehen werden. Schon die Betriebsdisziplin werde durch ein solches eigenmächtiges Hinweggehen über die Person des Vorgesetzten, der die Eigentumsrechte des Arbeitgebers zu vertreten habe, gefährdet. Allerdings hat das Hessisches LAG (Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 764/05 – juris) darauf abgestellt, dass eine derartige Genehmigungspflicht dann nicht maßgeblich sei, wenn ein duldendes, unklares Verhalten des Arbeitgebers vorliege.
Der Einzelrichter des Senats schließt sich dieser Rechtsprechung des BAG an. Hiernach hat der Kläger durch sein Verhalten einen wichtigen Grund geliefert, der geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu begründen (erste Prüfungsstufe).
Der Kläger hat die kleine Hartfaserplatte an sich genommen, ohne hierfür von den Zeugen F. , G. oder F2 als Vertreter des Arbeitgebers in seiner eigentumsrechtlichen Position die vorherige Zustimmung eingeholt zu haben. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zumindest nachträglich sich die Verwendung der Hartfaserplatte noch genehmigen lassen wollte. Vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, dass er dies nicht habe tun wollen, weil er davon ausgegangen sei, dass sein Verhalten erlaubt sei und er nur größere Gegenstände aus dem Abfall vorzeigen müsse, nicht aber kleinere Holzreste. Dem ist aber nicht so. Aufgrund der Angaben der Zeugen steht zur vollen Überzeugung des Einzelrichters des Senats fest, dass jeder dem Arbeitgeber gehörende Gegenstand – und sei er auch noch so wertlos –, den ein Arbeitnehmer unentgeltlich oder gegen Zahlung eines symbolischen Geldbetrags mit nach Hause nehmen wollte, der Zustimmung des Marktleiters bzw. seines dazu bestimmten Vertreters bedurfte. Die Zeugen haben übereinstimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar in ihren Vernehmungen vor dem SG und dem Einzelrichter des Senats die Notwendigkeit der Zustimmung und auch deren Bekanntgabe im Markt dargelegt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Regelung lax gehandhabt wurde oder in Praxis weitgehend unbeachtet geblieben ist. Die Behauptung des Klägers, es sei betriebliche Übung gewesen, kleine Verpackungsmaterialien nicht bezahlen zu müssen (Schriftsätze vom 22.09.2003 und vom 01.07.2005), lässt den Zustimmungsvorbehalt unberührt. Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt (Schriftsatz vom 22.09.2003), er habe selbst bereits mehrfach für den Abfall bestimmte Reste mitgenommen, ohne aufgefordert worden zu sein, dies zu unterlassen, steht dies auch nicht im Widerspruch zu dem allgemein vom Arbeitgeber angeordneten und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Auffassung des Einzelrichters des Senats auch durchgesetzten generellen Zustimmungsvorbehalts, sondern ergibt sich gerade daraus, dass der Kläger meinte, er müsse dies nicht anzeigen, so dass mangels Kenntnis der Marktleitung eine Zustimmung auch nicht ausgesprochen oder versagt werden konnte.
Unerheblich ist dagegen, ob bei Hartfaserplatten in der hier relevanten Größe auch ein symbolischer Preis zu zahlen war. Selbst wenn für sie nichts zu zahlen gewesen sein sollte, entfiel damit nicht das Zustimmungserfordernis. Nicht mehr zu ermitteln ist, ob es sich bei der kleinen Hartfaserplatte um einen Zuschnittrest oder um einen Bestandteil eines Verpackungsmaterials gehandelt hat. Wenn es sich bei der kleinen Hartfaserplatte um einen Zuschnittrest gehandelt haben sollte, war er nicht mehr verkäuflich. Hartfaserplatten in der hier relevanten Größe werden vom Arbeitgeber nach Aussage des Zeugen F. nur als "Ausschuss" eingestuft und zusammen mit anderen Zuschnittresten von Zeit zu Zeit entsorgt. Allerdings hat der Zeuge F. auch ausgesagt, auch für nicht mehr marktfähige Reste sei von den Arbeitnehmern ein symbolischer Preis zu entrichten und das sei ihnen auch mitgeteilt worden. Das ist auch vom Marktleiter, dem Zeugen F2 , bestätigt worden. Letzterer hat aber auf Nachfrage unter Vorhalt seiner Aussage vor dem SG am 23.02.2005 auch eingeräumt, er selbst habe für bestimmte Materialien (Kanthölzer) in Einzelfällen keinen Preis verlangt. Bei Hartfaserplattenresten wie hier – so seine Aussage vor dem SG – war er sich jedenfalls nicht sicher, ob die Zahlung eines symbolischen Preises immer beachtet wurde. Unabhängig davon sind bewegliche Sachen im Eigentum des Arbeitgebers aber auch dann geschützt, wenn sie keinen wirtschaftlichen Wert (mehr) haben und nicht (mehr) verkauft werden können, weil sie nicht (mehr) marktgängig sind. Dies gilt auch dann, wenn die Sache nur ein Zuschnittrest einer zum Verkauf angebotenen großen Hartfaserplatte oder ein zu entsorgender Verpackungsrest ist, zumal hier der Arbeitgeber sich ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, im Einzelfall zu entscheiden, ob etwas unentgeltlich bzw. gegen Zahlung eines symbolischen Preises mitgenommen werden darf.
Ob etwas anderes gegolten hätte, wenn sich der Hartfaserplattenrest bereits in einem der Allgemeinheit zugänglichen Container außerhalb des Baumarktes befunden hätte (vgl. dazu die Aussage des Zeugen G. vor dem SG, wonach der Zustimmungsvorbehalt nur für die Container im Warenannahmebereich gegolten hat), kann dahingestellt bleiben, weil der Einzelrichter des Senats schon aufgrund der Angaben des Klägers davon überzeugt ist, dass der Kläger den Hartfaserplattenrest im Baumarkt an sich genommen hat (vgl. die Ausführungen im klägerischen Schriftsatz vom 22.09.2003). Dies deckt sich auch mit der insoweit keiner Unsicherheit oder Erinnerungslücke unterliegenden Aussage des Zeugen F. vor dem Einzelrichter des Senats, dass der Kläger ihm bei der Kontrolle gesagt habe, er habe die Hartfaserplatte als Rest mitgenommen, und steht zudem mit den zeitnah gemachten Angaben des Arbeitgebers vom 30.10.2002 in Einklang, wo es heißt: "Die Hartfaserplatte jedoch war eindeutig das Eigentum des Marktes. Der Mitarbeiter wollte den Markt verlassen, ohne dies mit dem Marktleiter oder dessen Stellvertreter zu besprechen oder zu bezahlen."
bb) Eine fristlose außerordentliche Kündigung ist aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht zu rechtfertigen. Die fristlose außerordentliche Kündigung ist eine Ultima ratio zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und wird von einer umfassenden Interessenabwägung begleitet (zweite Prüfungsstufe).
Liegt – wie hier – ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich vor, so kann auch bei einem Eigentumsdelikt nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. dazu zuletzt das Urteil vom 27.04.2006 – 2 AZR 415/05 – AP Nr. 203 zu § 626 BGB = NZA 2006, 1033, mit zahlreichen w.N.) eine hierauf gestützte beabsichtigte außerordentliche Kündigung gleichwohl das Arbeitsverhältnis nur wirksam beenden, wenn bei der umfassenden Interessenabwägung das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Zunächst kommt der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist auch zu berücksichtigen, wenn eine Kündigung auf ein Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers gestützt wird. Ferner können das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, das Maß der dem Arbeitgeber entstandenen Schädigung und auch die Frage in Betracht zu ziehen sein, ob dem Verhalten des Arbeitnehmers eine besondere Verwerflichkeit innewohnt. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falles – Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls nicht von vornherein von der Berücksichtigung ausgeschlossen, wenn sie auch im Einzelfall in den Hintergrund treten und im Extremfall sogar völlig vernachlässigt werden können. Die gegenteilige Auffassung, der zufolge bestimmte Umstände stets von der Berücksichtigung ausgeschlossen sein sollen, korrespondiert nicht ausreichend mit der gesetzlichen Vorgabe, nach der "alle” Umstände des Einzelfalles Bedeutung haben können.
Hier ist zunächst und maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Fälle, in denen von Arbeitsgerichten das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung bislang bejaht worden ist, entweder geringwertige Gegenstände betreffen, die marktfähig sind oder doch zumindest solche Gegenstände, die zwar nicht mehr marktfähig sind, aber bei objektiver Betrachtung gemäß ihrer bisherigen bestimmungsgemäßen Verwendung immer noch einen nicht zu vernachlässigenden Gebrauchs- bzw. Genussvorteil bieten und auch nach der Parallelwertung in der Laiensphäre nicht als Abfall angesehen werden (vgl. nur aus den letzten Jahren LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2007 – 9 Sa 292/06 – juris [drei- bis viermal drei bis vier Brötchen]; Hessisches LAG, Urteil vom 08.09.2007 – 3 Sa 2206/05 – juris [drei Überraschungseier, ein Päckchen Kaffee, eine Leinentasche, eine Plastiktüte]; LAG Hamm, Urteil vom 31.08.2006 – 17 Sa 536/06 – juris [über das Deputat hinausgehend Frischholz abtransportiert]; Arbeitsgericht [ArbG] Frankfurt am Main, Urteil vom 23.08.2006 – 22 Ca 803/06 – juris [5 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.2006 – 6 Sa 295/06 – juris [Bockwürste im Wert von 8,05 EUR, mehrfache Nichtverbuchung von Kleinbeträgen wie 1,80 EUR, 2,45 EUR, etc.]; ArbG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2006 – 22 Ca 966/06 – juris [unerlaubtes Frankieren im Wert von zirka 5 EUR]; Hessisches LAG, Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 765/05 – juris [4-er Pack Joghurt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum]; LAG Niedersachsen – Beschluss vom 25.11.2005 – 16 TaBV 54/03 – juris [drei Pikkoloflaschen Sekt im Wert von knapp 6 EUR]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.10.2005 – 5 Sa 341/05 – juris [Aluminiumreste aus dem Abfall für 79,80 EUR an ein Entsorgungs- und Recyclingunternehmen veräußert]; ArbG Halle (Saale), Urteil vom 06.10.2005 – 1 Ca 391/05 – juris [eine Flasche Mineralwasser]; LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2005 – 3 Sa 375/05 – juris [ein Brot im Wert von 2,50 EUR]; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.02.2005 – 2 Ta 26/05 – juris [ein Kugelschreiber im Wert von 8,74 EUR, ein Feuerzeug, beide als Werbegeschenke des Arbeitgebers vorgesehen]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.09.2004 – 4 Sa 328/04 – juris [regelmäßiger Verzehr von Kaffee und Backwaren]; LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2004 – 8 Sa 425/04 – juris [ein Päckchen Kabelbinder, zwei Schleifmopteller]; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2003 – 7 Sa 784/03 – juris [drei Weihnachtssterne]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.04.2003 2 Sa 15/03 – juris [60 EUR]).
Zugunsten des Klägers muss unter Berücksichtigung der objektiven Beweislastverteilung davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Hartfaserplattenrest um einen Verpackungsrest gehandelt hat. Dieser ist jedoch als wertlos einzuschätzen. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Verpackung hat ihr Ende damit gefunden, dass sie geöffnet und ihre Einzelteile in einen der im Warenannahmebereich stehenden Container geworfen wurden. Mangels anderweitiger Angaben der Zeugen ist davon auszugehen, dass allenfalls ein symbolischer Preis von wenigen Cent dem Kläger abverlangt worden wäre. So hat der Zeuge F2 vor dem SG ausgesagt, es sei bei ihnen so üblich, dass auch bei Resten ein Entgelt bezahlt werden müsse und seien es bloß ein, zwei oder drei Cent. Das Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers ist nicht in der Sicherung eines etwaigen – nicht für ihn vorhandenen – wirtschaftlichen Wertes der Verpackungsteile begründet, sondern dient generalpräventiven Zwecken. Der Zeuge F2 hat zwar vor dem SG und vor dem Einzelrichter des Senats ausgesagt, das Vorzeigen der Reste diene der Absicherung des Arbeitnehmers, um ihn nicht des Diebstahls zu bezichtigen und der symbolische Preis sei dazu da, den Mitarbeiter im Falle einer Revisionsüberprüfung abzusichern. Davon, dass dieser Zweck zu Gunsten der Arbeitnehmer auch verfolgt wurde, ist der Einzelrichter des Senats überzeugt. Aber der Zustimmungsvorbehalt mit Entrichtung eines symbolischen Preises hat vor allem den Zweck, in Zweifelsfällen den Arbeitnehmern, die im Verdacht eines Diebstahls stehen, die Ausrede zu verbauen, sie hätten gedacht, es handele sich bloß um wertlose Reste, und sie hätten nur deswegen die Mitnahme nicht offenbart. Sie seien sich keiner Schuld bewusst. Letztlich ist anerkennenswertes Ziel dieser Regelung, eine möglichst eindeutige Trennlinie zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmereigentum zu ziehen, um Grauzonen zu vermeiden, die ihrerseits wiederum den Effekt haben können, bei nicht anzuzeigender Mitnahme von wertlosen Gegenständen das Unrechtsbewusstsein mit der Folge abzusenken, dass kleinere Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers von Teilen der Belegschaft bei geringwertigen Sachen als betriebsüblich angesehen und dementsprechend praktiziert werden.
Der Kläger hat danach zwar eine klare Vorgabe des Arbeitgebers verletzt. Dadurch hat er das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Zuverlässigkeit nachhaltig beeinträchtigt und objektiv den Eindruck hervorgerufen, dass weitere, auch wirtschaftlich relevante Pflichtverletzungen von ihm in Zukunft ausgehen könnten (nicht aber zwingend ausgehen werden!). Andererseits war der Kläger seit August 1997 ohne Beanstandungen bis zum Vorfall am 04.09.2002 tätig und im konkreten Fall hat das Eigentumsdelikt überhaupt keinen materiellen Schaden verursacht. Insoweit bestand beim Kläger auch kein Vorsatz, den Arbeitgeber wirtschaftlich zu schädigen. Vielmehr ist aufgrund der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast davon auszugehen, dass der Kläger die im Baumarkt für den Zusammenbau des Bilderahmens erworbenen Leisten ordentlich abgerechnet hat und willens war, das Eigentum des Arbeitgebers, soweit es von wirtschaftlichem Wert war, anzuerkennen. Außerdem ist der Kläger Vater zweier unterhaltsbedürftiger minderjähriger Kinder, die 1996 und 2000 geboren sind. Vor dem Hintergrund des bisherigen Verhaltens des Klägers – jedenfalls haben die Zeugen insoweit keine Ausführungen gemacht, dass der Kläger zuvor in irgendeiner Weise auffällig gewesen wäre – und seiner nicht vorhandenen kriminellen Energie bestand auch die Prognose, dass der Kläger in Zukunft auch dem Arbeitgeber gehörender Abfall nicht mehr ohne vorherige Zustimmung der Marktleitung an sich nehmen werde. Bei einem verständigen, gerecht urteilenden Arbeitgeber wäre das Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht derart erschüttert worden, dass er nicht mehr an dem Arbeitsverhältnis hätte festhalten wollen.
Nach alledem war dem Arbeitgeber trotz der nachgewiesenen Eigentumsverletzung bezüglich des Hartfaserplattenrestes aufgrund der umfassenden Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung verwehrt.
cc) Eine verhaltensbedingte fristgemäße ordentliche Kündigung ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.
Für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung nach – dem hier anwendbaren – § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen. Es ist vielmehr ein objektiver Maßstab anzulegen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Die Pflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sei. Strafbare Handlungen, insbesondere vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- und Vermögensdelikte wie etwa Diebstahl und Unterschlagung von Firmeneigentum, Betrug und Untreue, rechtfertigen – wie bereits oben ausgeführt – in der Regel eine außerordentliche Kündigung. Das gilt auch dann, wenn es nur um geringe Vermögenswerte oder -einbußen des Arbeitgebers geht. Erst recht berechtigen strafbare Handlungen des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur ordentlichen Kündigung (LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2003 – 12 Sa 693/01 – LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 81 m.w.N.). Zur sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist neben der Feststellung einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung aber auch bei Eigentums- und Vermögensdelikten im Rahmen der ordentlichen Kündigung stets eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (allgemein zum Interessenabwägungsgebot vgl. nur BAG, Urteil vom 27.05.1993 – 2 AZR 631/92 – juris m.w.N.). Auch hier gilt eine (zumindest) zweistufige Prüfung. Ein zur ordentlichen Kündigung berechtigender Sachverhalt, führt nur dann zur Kündigung, wenn zugleich auch die Interessenabwägung ergibt, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist (vgl. nur Hessisches LAG, Urteil vom 02.03.2006 – 5/11 Sa 764/05 – juris).
Dem Arbeitgeber war jedoch schon aufgrund der zur außerordentlichen Kündigung vorgenommenen Interessenabwägung auch eine ordentliche Kündigung versagt.
c) Eine außerordentliche Kündigung kam auch nicht als Verdachtskündigung in Betracht.
Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BAG, Urteil vom 12.08.1999 – 2 AZR 923/98 – BAGE 92, 184 = AP Nr. 28 zu § 626 BGB) stellt der dringende Verdacht eines Diebstahls bzw. einer Unterschlagung auch geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Eine Verdachtskündigung ist aber an enge Voraussetzungen geknüpft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. nur Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – AP Nr 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = USK 2002, 166) liegt eine Verdachtskündigung vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Es entspricht den Besonderheiten des wichtigen Grundes bei einer Verdachtskündigung, die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers als Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung anzusehen. Der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Anders als bei einem auf Grund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt besteht bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein "Unschuldiger" betroffen ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, strenge Anforderungen an sie zu stellen und vom Arbeitgeber zu verlangen, alles zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Kündigung verstößt anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Frage, welche Aufklärungsmaßnahmen vom Arbeitgeber jeweils zu ergreifen sind, kann nämlich nicht für alle Fälle einheitlich beantwortet werden. Es bedarf insoweit vielmehr einer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (BAG, Urteil vom 08.02.1980 – 7 AZR 65/78 – juris). Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Hinsichtlich des Hartfaserplattenrestes kommt eine Verdachtskündigung schon nicht in Betracht, weil die Eigentumsverletzung gesichert ist und der Arbeitgeber insoweit zu Recht dem Kläger diesen Vorwurf gemacht hat, dieser aber keine Kündigung rechtfertigt. Hinsichtlich der anderen Gegenstände (Bild, Glasplatte, Rahmen) hat es der Arbeitgeber unterlassen, den Sachverhalt ordnungsgemäß aufzuklären, obwohl er sich zunächst in den Besitz des Bildes gebracht hatte und dessen Teile mit dem Kassenbon und dem Zuschnittszettel unter Befragung weiterer Kollegen des Klägers unschwer hätte abgleichen können. Wenn der Kläger hier – nach Überzeugung des Einzelrichters des Senats zutreffend – im Gespräch mit dem Zeugen F2 darlegt, er habe das Bild und die Glasscheibe mit in den Markt genommen und nur deswegen nicht registrieren lassen, weil die Informationsstelle nicht besetzt gewesen sei, so hätte die Marktleitung am 05.06.2002 überprüfen können, ob die Leisten für den Rahmen bezahlt worden waren, auch hätte sie unschwer feststellen können, ob es sich bei dem Bild um ein solches gehandelt hat, das im Markt erworben werden konnte. War das erste zu bejahen und das zweite zu verneinen – was jetzt im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden kann – könnte eine Verdachtskündigung allein auf die unklare Herkunft der Glasscheibe nicht gestützt werden, weil sich dann die anderen Angaben des Klägers als wahrheitsgemäß erwiesen hätten. Nur im umgekehrten Fall wäre es aufgrund des Gesamtbildes gerechtfertigt gewesen, von dem ausreichenden Verdacht einer Straftat auszugehen.
d) Die weiteren erstmalig festgestellten Pflichtverletzungen des Klägers gegen Ordnungsvorschriften, die er selbst eingestanden hat (das Nichtregistrierenlassen von Bild und Glasscheibe beim Betreten des Marktes) rechtfertigen nach den oben dargestellten Voraussetzungen einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung eine Abmahnung, nicht jedoch eine Kündigung. Hinsichtlich des Zuschnitts der Leisten für den Bilderrahmen ist schon nicht geklärt, ob der Kläger den Zuschnittzettel von einem anderen Arbeitnehmer hatte abzeichnen lassen. Dieser Sachverhalt ist daher wegen objektiver Beweislosigkeit als Anknüpfungspunkt für ein vorwerfbares Verhalten nicht geeignet.
3. Der Umstand, dass der Kläger schon dadurch den Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III verwirklich hat, dass er in den Aufhebungsvertrag eingewilligt hat, rechtfertigt aufgrund der besonderen Umstände des Sachverhalts keine Sperrzeit. Der Kläger hat für sein Verhalten einen wichtigen Grund. Da die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nach dem hier allein gesicherten Sachverhalt eines Eigentumsdelikts hinsichtlich des Hartfaserplattenrestes rechtswidrig war, musste sich der Kläger nicht darauf verweisen lassen, die Kündigung zunächst hinzunehmen und gegen diese arbeitsgerichtlich vorzugehen. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger eine rechtswidrige außerordentliche Kündigung arbeitsgerichtlich nicht überprüfen lassen muss, um sperrzeitrechtlich ihre Rechtswidrigkeit einwenden zu können. Dann muss es ihm auch möglich sein, um mit berechtigtem Interesse Schaden für seinen beruflichen Werdegang von sich zu wenden, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, der dieselbe Rechtsfolge wie die ernsthaft angedrohte rechtswidrige außerordentliche Kündigung hat.
B.
Demzufolge war auch nicht die klägerische Alg-Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes [AFRG] vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594) zu mindern. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg zusteht.
C.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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