Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 87/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 305/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Verkehrsunfalls vom 11.05.2001 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Der 1964 geborene Kläger war bei der Firma D. in N. (Stadtteil K. , K.straße) beschäftigt. Am 11.05.2001 verließ er seine Arbeitsstätte und fuhr mit einem Motorrad über die Südwesttangente (Bundesautobahn -BAB- 73 und Bundesstraße 8) in nordwestlicher Richtung (Richtung F.). Auf der Südwesttangente - etwa 200 m vor der Anschlussstelle H. - verunglückte der Kläger bei einem Verkehrsunfall. Nach dem von Dr.H. (Dr. E. Kliniken N.) erstellten Durchgangsarztbericht vom 26.07.2001 zog sich der Kläger eine Sprungbeinfraktur rechts mit Außenbandruptur des rechten oberen Sprunggelenkes, eine commotio cerebri und eine Platzwunde sowie Hautabschürfungen an der Stirn zu. Der Kläger wurde vom 11.05.2005 bis 23.05.2001 in den Dr. E. Kliniken N. stationär behandelt.
Auf Befragen der Beklagten gab der Kläger unter dem 17.07.2001 an, dass er zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung gewesen sei. Gewöhnlich nehme er den Weg über die Südwesttangente (BAB 73) in südöstlicher Richtung über F. zu seiner Wohnung in W ... Am Unfalltag habe er aufgrund eines Staus auf dieser Strecke den Umweg in nordwestlicher Richtung über F.-Zentrum, N.-Nordring, F. gewählt.
Mit Bescheid vom 15.08.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall (Wegeunfall) ab. Der als Heimweg gewählte Weg sei nicht nachvollziehbar. Selbst wenn auf dem üblichen Weg ein Stau bestanden hätte, könne ein derart großräumiges Umfahren nicht schlüssig begründet werden.
Nachfolgend übermittelten die Dr. E. Kliniken der Beklagten das anlässlich der Aufnahme des Klägers am 11.05.2001 erstellte Notfallprotokoll und das Rettungsdienstprotokoll. Die Beklagte zog Akten der Staatsanwaltschaft N. mit einer darin enthaltenen sinngemäßen Niederschrift einer Zeugen-Vernehmung des Klägers bei. Nach dieser Niederschrift hat der Polizeibeam-te E. den Kläger am 12.05.2001 in den Dr. E. Kliniken vernommen. Der Kläger habe angegeben, dass er zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg nach L. gewesen sei.
Zur Begründung des Widerspruches führte der Kläger aus, dass er je nach Verkehrsdichte unterschiedliche Fahrtstrecken wähle. In Betracht komme die Strecke Richtung N. zur M. Straße, dort über die Südwesttangente (BAB 73) in Richtung Südkreuz, F. und Landstraße nach W ... Ebenso sei es möglich, auf dieser Strecke am Südkreuz weiter auf der BAB 6 in Richtung A. bis Anschlussstelle A. und Landstraße nach W. zu fahren. Bei Stau auf der M. Straße wähle er den Weg über die Südwesttangente Richtung F ... Je nach Verkehrssituation verlasse er die Südweststangente in K. oder F ... Er fahre dann meist über den Ring Richtung N. , über den Nordring vor dem D. auf der R. Straße nach F. und von dort weiter nach W ... Die letztgenannte Route habe er am Unfalltag aufgrund der Verkehrslage auf der Südwesttangente Richtung Südkreuz gewählt. Der Umweg unterfalle dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da er aufgrund der Staulage habe davon ausgehen können, dass der Umweg nicht zu einer erheblichen Verlängerung des Weges geführt hätte. Die Angaben vom 12.05.2001 gegenüber der Polizei könne er nur damit erklären, dass er zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmung noch unter Schock gestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.2002 zurück. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vom Kläger gefahrenen Weg mit der versicherten Tätigkeit sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar stehe ein eingeschlagener längerer Weg vom Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wenn er insbesondere aufgrund des Verkehrsaufkommens weniger zeitaufwendig als der entfernungsmäßig kürzeste Weg sei. Der Kläger habe aber nicht die nächstkürzere Alternativstrecke gewählt. Darüber hinaus könne nicht geklärt werden, aus welchen Gründen der Kläger die Strecke Richtung F. gewählt habe. Der Einwand des Klägers, bei der Aussage am 12.05.2001 habe er unter Schock gestanden, sei angesichts der ärztlichen Unterlagen nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Auch die alternativen Wegstrecken hätten über die Südwesttangente Richtung Südkreuz geführt, auf der sich der Verkehr gestaut habe. Bereits an der Ampel, kurz vor der Brücke über der Südwesttangente habe er gesehen, dass sich der Verkehr Richtung Südkreuz gestaut habe. Auf Höhe der Brücke habe er auch erkannt, dass die M. Straße verstopft gewesen sei und sei daher in die Südwesttangente Richtung F. eingebogen. Er halte daran fest, dass er die Aussage, dass er auf dem Weg nach L. gewesen sei, nur damit erklären könne, dass er noch unter Schock gestanden habe.
Das SG hat eine Auskunft des Dr.H. vom 19.11.2002 eingeholt. Weder am Unfalltag, noch an den Tagen danach habe beim Kläger ein Schock oder Schockgeschehen in medizinischem Sinne bestanden (Volumenmangelschock). Ein durch das Unfallgeschehen ausgelöster sog. psychogener Schock, der auch die Verarbeitung des Unfalls betreffe, sei schwer nachweisbar und quantifizierbar. Jedenfalls seien keine abnormen Verwirrtheitszustände, insbesondere in den ersten Tagen des stationären Aufenthaltes, dokumentiert worden.
Das SG hat den Polizeibeamten E. zunächst schriftlich befragt (Aussage vom 21.11.2002) und dann im Termin vom 15.07.2004 als Zeugen einvernommen. Er hat angegeben, dass er den Kläger zum Unfallgeschehen befragt und sich zuvor im Gespräch von dessen Vernehmungsfähigkeit überzeugt habe. Er habe mit dem Kläger über den Hergang des Unfalls ein normales Gespräch geführt. Vermutlich habe er den Kläger nach dem Fahrtziel gefragt. Er verweise auf seine schriftlichen Aufzeichnungen zur Vernehmung, nach denen der Kläger nach L. wollte. Zuvor habe er keinen Arzt über Schockzustände beim Kläger oder dessen Vernehmungsfähigkeit befragt.
Mit Urteil vom 15.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung befunden. Dies ergebe sich aus den Angaben des Klägers gegenüber dem Polizeibeamten E. , dass er nach L. habe fahren wollen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Angaben unter Schockeinwirkung gemacht habe, bestünden nicht. Nach Dr.H. seien Schockzustände während des stationären Aufenthaltes nicht dokumentiert worden. Der Polizeibeamte habe sich bei der Vernehmung zuvor von der Vernehmungsfähigkeit des Klägers überzeugt. Angesichts der Benutzung eines Motorrades sei es auch wenig glaubhaft, dass der Kläger den Umweg gewählt habe, um einen Stau zu umfahren.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Aufgrund der Verkehrslage auf der Südwesttangente Richtung Südkreuz und auf der M. Straße habe er die Absicht gehabt, den Stau großräumig zu umfahren. Dr.H. habe das Vorliegen eines psychogenen Schocks nicht ausgeschlossen. Da er nichts in L. zu tun gehabt habe und dort auch keine Bekannten oder Verwandten habe, stehe fest, dass er zum Zeitpunkt der Befragung durch den Polizeibeamten E. unter Schock gestanden habe. Einen Schockzustand habe der Polizeibeamte nicht erkennen können. Letztlich habe dieser nicht einmal sagen können, ob er erklärt habe, dass er nach L. oder nur in diese Richtung gefahren sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 11.05.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2004 zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des Dr.H. , nach denen in den ersten Tagen des stationären Aufenthaltes keine abnormen Verwirrtheitszustände dokumentiert worden seien. Es verbleibe im Übrigen dabei, dass es sich bei dem zurückgelegten Weg nicht um den nächst kürzeren Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung gehandelt habe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 15.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 rechtsmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Bei dem Verkehrsunfall vom 11.05.2001 handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ("Wegeunfall"). Erforderlich ist allerdings ein innerer Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (st Rspr, vgl Urteil des BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 = SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG aaO).
Zu berücksichtigen ist bei der Entscheidung, ob der zurückgelegte Weg noch als geschützter Weg anzusehen ist, dass der Versicherte nicht ausschließlich auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zu der Arbeitsstätte geschützt ist. Ein vom Versicherten eingeschlagener Weg, der nicht nur unbedeutend länger ist als der kürzeste Weg, ist als unmittelbarer Weg anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen, sog dritten Ort zuzurechnen wäre, etwa um eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu benutzen. Ist demnach ein eingeschlagener Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit insbesondere weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig kürzeste Weg, so steht auch dieser längere Weg unter Versicherungsschutz. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stand oder nur geringfügig war, besteht dagegen kein Versicherungsschutz (vgl insgesamt Urteil des BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 40/02 R - HVBG-INFO 2003, 2446 = USK 2003-103).
Dies zugrunde gelegt fehlt es vorliegend am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfallzeitpunkt vom Kläger eingeschlagenen Weg. Zwar stand der Kläger auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung grundsätzlich nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Allerdings hatte er einen nicht nur unbedeutend längeren Weg als den kürzesten Weg gewählt, der nicht mehr als unmittelbarer Weg anzusehen ist.
Dass der Kläger nicht den kürzesten Weg gewählt oder den unmittelbaren Weg aus privatwirtschaftlichen Gründen verlassen hat, ergibt sich nicht bereits aus den Angaben des Klägers vom 12.05.2001, dass er auf dem Weg nach L. gewesen sei. Richtig ist, dass der Kläger die Südwesttangente (B 8) in nordwestlicher Richtung befuhr und diese Bundesstraße im weiteren Verlauf stadtauswärts nach L. führt. Aus den Angaben des Klägers kann jedoch nur sicher geschlossen werden, dass er diese Straße in Richtung L. befuhr, nicht aber, dass dieser Ort auch das Ziel seiner Fahrt war. Insoweit ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger bei Einvernahme durch den Polizeibeamten E. noch unter Schockwirkung gestanden hat. Denn bereits aus den Feststellungen der polizeilichen Ermittlungen zum Unfallort und zur Fahrtrichtung zum Unfallzeitpunkt ergibt sich, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz stand.
Der Kläger hat nicht den unmittelbaren Weg gewählt, da er von mehreren möglichen Alternativstrecken nicht die nächst kürzeste gewählt hat und zwar unbeschadet des Umstandes, dass der Kläger mit dem Weg zur BAB 73 Anschlussstelle N. und weiter in südöstlicher Richtung auf der Südwestangente (BAB 73) über das Südkreuz zur Anschlussstelle F. nach W. nicht den kürzesten Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung gewählt hat (Entfernung 22,3 km; der kürzeste Weg führt über die Staatsstraßen 2406 und 2239 zur BAB 73 Anschlussstelle W. und weiter auf der BAB 73 über die Anschlussstelle F. - Entfernung 20,5 km). Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass aufgrund der Verkehrslage - dichter Verkehr auf der Südtangente Richtung Südkreuz und auf der M. Straße - aus Sicht des Klägers der eingeschlagene Weg über die Südwesttangente in nordwestlicher Richtung notwendig war, um der Verkehrssituation auf der Südwesttangente in südöstlicher Richtung oder alternativ auf der B 8 (M. Straße und weiter B.straße zur R. Straße) zu begegnen.
Allerdings hat der Kläger es versäumt, von der Südweststangente aus den nächst kürzeren Weg zur Wohnung zu wählen. Aus der örtlichen Lage des Unfalls auf der Südwesttangente in nordwestlicher Richtung in Höhe der Anschlussstelle H. und in Übereinstimmung mit den Schilderungen des Klägers ist zu schließen, dass der Kläger die Südwesttangente bis F.-Zentrum, weiter über den Frankenschnellweg (BAB 73) oder F. Straße (B 8) zum Nordring (B 4r) und zur R.straße (B 4) nach W. fahren wollte. Diese Strecke bemisst eine Entfernung von etwa 50 km. Es haben dem Kläger kürzere Alternativrouten zur Verfügung gestanden, nämlich beispielsweise die Strecke über Südwesttangente Anschlussstelle N. Hafen über Frankenschnellweg, U.straße, F.straße und B.straße zur R. Straße oder über Südwesttangente Anschlussstelle S. über S. Hauptstraße, N. Straße und U.straße (Entfernung etwa 33 km bzw 35 km). Diese Strecken sind dem Kläger auch zumutbar gewesen. Gründe für die Wahl der entfernteren Strecke hat der Kläger nicht vorgebracht. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die ein Umfahren eines Staues an der Anschlussstelle N. durch ein derart großräumiges Umfahren über den Nordring rechtfertigen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Verkehrsunfalls vom 11.05.2001 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Der 1964 geborene Kläger war bei der Firma D. in N. (Stadtteil K. , K.straße) beschäftigt. Am 11.05.2001 verließ er seine Arbeitsstätte und fuhr mit einem Motorrad über die Südwesttangente (Bundesautobahn -BAB- 73 und Bundesstraße 8) in nordwestlicher Richtung (Richtung F.). Auf der Südwesttangente - etwa 200 m vor der Anschlussstelle H. - verunglückte der Kläger bei einem Verkehrsunfall. Nach dem von Dr.H. (Dr. E. Kliniken N.) erstellten Durchgangsarztbericht vom 26.07.2001 zog sich der Kläger eine Sprungbeinfraktur rechts mit Außenbandruptur des rechten oberen Sprunggelenkes, eine commotio cerebri und eine Platzwunde sowie Hautabschürfungen an der Stirn zu. Der Kläger wurde vom 11.05.2005 bis 23.05.2001 in den Dr. E. Kliniken N. stationär behandelt.
Auf Befragen der Beklagten gab der Kläger unter dem 17.07.2001 an, dass er zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung gewesen sei. Gewöhnlich nehme er den Weg über die Südwesttangente (BAB 73) in südöstlicher Richtung über F. zu seiner Wohnung in W ... Am Unfalltag habe er aufgrund eines Staus auf dieser Strecke den Umweg in nordwestlicher Richtung über F.-Zentrum, N.-Nordring, F. gewählt.
Mit Bescheid vom 15.08.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall (Wegeunfall) ab. Der als Heimweg gewählte Weg sei nicht nachvollziehbar. Selbst wenn auf dem üblichen Weg ein Stau bestanden hätte, könne ein derart großräumiges Umfahren nicht schlüssig begründet werden.
Nachfolgend übermittelten die Dr. E. Kliniken der Beklagten das anlässlich der Aufnahme des Klägers am 11.05.2001 erstellte Notfallprotokoll und das Rettungsdienstprotokoll. Die Beklagte zog Akten der Staatsanwaltschaft N. mit einer darin enthaltenen sinngemäßen Niederschrift einer Zeugen-Vernehmung des Klägers bei. Nach dieser Niederschrift hat der Polizeibeam-te E. den Kläger am 12.05.2001 in den Dr. E. Kliniken vernommen. Der Kläger habe angegeben, dass er zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg nach L. gewesen sei.
Zur Begründung des Widerspruches führte der Kläger aus, dass er je nach Verkehrsdichte unterschiedliche Fahrtstrecken wähle. In Betracht komme die Strecke Richtung N. zur M. Straße, dort über die Südwesttangente (BAB 73) in Richtung Südkreuz, F. und Landstraße nach W ... Ebenso sei es möglich, auf dieser Strecke am Südkreuz weiter auf der BAB 6 in Richtung A. bis Anschlussstelle A. und Landstraße nach W. zu fahren. Bei Stau auf der M. Straße wähle er den Weg über die Südwesttangente Richtung F ... Je nach Verkehrssituation verlasse er die Südweststangente in K. oder F ... Er fahre dann meist über den Ring Richtung N. , über den Nordring vor dem D. auf der R. Straße nach F. und von dort weiter nach W ... Die letztgenannte Route habe er am Unfalltag aufgrund der Verkehrslage auf der Südwesttangente Richtung Südkreuz gewählt. Der Umweg unterfalle dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da er aufgrund der Staulage habe davon ausgehen können, dass der Umweg nicht zu einer erheblichen Verlängerung des Weges geführt hätte. Die Angaben vom 12.05.2001 gegenüber der Polizei könne er nur damit erklären, dass er zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmung noch unter Schock gestanden habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.2002 zurück. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vom Kläger gefahrenen Weg mit der versicherten Tätigkeit sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar stehe ein eingeschlagener längerer Weg vom Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wenn er insbesondere aufgrund des Verkehrsaufkommens weniger zeitaufwendig als der entfernungsmäßig kürzeste Weg sei. Der Kläger habe aber nicht die nächstkürzere Alternativstrecke gewählt. Darüber hinaus könne nicht geklärt werden, aus welchen Gründen der Kläger die Strecke Richtung F. gewählt habe. Der Einwand des Klägers, bei der Aussage am 12.05.2001 habe er unter Schock gestanden, sei angesichts der ärztlichen Unterlagen nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Auch die alternativen Wegstrecken hätten über die Südwesttangente Richtung Südkreuz geführt, auf der sich der Verkehr gestaut habe. Bereits an der Ampel, kurz vor der Brücke über der Südwesttangente habe er gesehen, dass sich der Verkehr Richtung Südkreuz gestaut habe. Auf Höhe der Brücke habe er auch erkannt, dass die M. Straße verstopft gewesen sei und sei daher in die Südwesttangente Richtung F. eingebogen. Er halte daran fest, dass er die Aussage, dass er auf dem Weg nach L. gewesen sei, nur damit erklären könne, dass er noch unter Schock gestanden habe.
Das SG hat eine Auskunft des Dr.H. vom 19.11.2002 eingeholt. Weder am Unfalltag, noch an den Tagen danach habe beim Kläger ein Schock oder Schockgeschehen in medizinischem Sinne bestanden (Volumenmangelschock). Ein durch das Unfallgeschehen ausgelöster sog. psychogener Schock, der auch die Verarbeitung des Unfalls betreffe, sei schwer nachweisbar und quantifizierbar. Jedenfalls seien keine abnormen Verwirrtheitszustände, insbesondere in den ersten Tagen des stationären Aufenthaltes, dokumentiert worden.
Das SG hat den Polizeibeamten E. zunächst schriftlich befragt (Aussage vom 21.11.2002) und dann im Termin vom 15.07.2004 als Zeugen einvernommen. Er hat angegeben, dass er den Kläger zum Unfallgeschehen befragt und sich zuvor im Gespräch von dessen Vernehmungsfähigkeit überzeugt habe. Er habe mit dem Kläger über den Hergang des Unfalls ein normales Gespräch geführt. Vermutlich habe er den Kläger nach dem Fahrtziel gefragt. Er verweise auf seine schriftlichen Aufzeichnungen zur Vernehmung, nach denen der Kläger nach L. wollte. Zuvor habe er keinen Arzt über Schockzustände beim Kläger oder dessen Vernehmungsfähigkeit befragt.
Mit Urteil vom 15.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung befunden. Dies ergebe sich aus den Angaben des Klägers gegenüber dem Polizeibeamten E. , dass er nach L. habe fahren wollen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Angaben unter Schockeinwirkung gemacht habe, bestünden nicht. Nach Dr.H. seien Schockzustände während des stationären Aufenthaltes nicht dokumentiert worden. Der Polizeibeamte habe sich bei der Vernehmung zuvor von der Vernehmungsfähigkeit des Klägers überzeugt. Angesichts der Benutzung eines Motorrades sei es auch wenig glaubhaft, dass der Kläger den Umweg gewählt habe, um einen Stau zu umfahren.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Aufgrund der Verkehrslage auf der Südwesttangente Richtung Südkreuz und auf der M. Straße habe er die Absicht gehabt, den Stau großräumig zu umfahren. Dr.H. habe das Vorliegen eines psychogenen Schocks nicht ausgeschlossen. Da er nichts in L. zu tun gehabt habe und dort auch keine Bekannten oder Verwandten habe, stehe fest, dass er zum Zeitpunkt der Befragung durch den Polizeibeamten E. unter Schock gestanden habe. Einen Schockzustand habe der Polizeibeamte nicht erkennen können. Letztlich habe dieser nicht einmal sagen können, ob er erklärt habe, dass er nach L. oder nur in diese Richtung gefahren sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 11.05.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2004 zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des Dr.H. , nach denen in den ersten Tagen des stationären Aufenthaltes keine abnormen Verwirrtheitszustände dokumentiert worden seien. Es verbleibe im Übrigen dabei, dass es sich bei dem zurückgelegten Weg nicht um den nächst kürzeren Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung gehandelt habe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, da der Bescheid der Beklagten vom 15.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2002 rechtsmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Bei dem Verkehrsunfall vom 11.05.2001 handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ("Wegeunfall"). Erforderlich ist allerdings ein innerer Zusammenhang zwischen dem konkreten unfallbringenden Verhalten und dem generell versicherten Tätigkeitsbereich des Versicherten. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (st Rspr, vgl Urteil des BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 = SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG aaO).
Zu berücksichtigen ist bei der Entscheidung, ob der zurückgelegte Weg noch als geschützter Weg anzusehen ist, dass der Versicherte nicht ausschließlich auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zu der Arbeitsstätte geschützt ist. Ein vom Versicherten eingeschlagener Weg, der nicht nur unbedeutend länger ist als der kürzeste Weg, ist als unmittelbarer Weg anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen, sog dritten Ort zuzurechnen wäre, etwa um eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu benutzen. Ist demnach ein eingeschlagener Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit insbesondere weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig kürzeste Weg, so steht auch dieser längere Weg unter Versicherungsschutz. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stand oder nur geringfügig war, besteht dagegen kein Versicherungsschutz (vgl insgesamt Urteil des BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 40/02 R - HVBG-INFO 2003, 2446 = USK 2003-103).
Dies zugrunde gelegt fehlt es vorliegend am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfallzeitpunkt vom Kläger eingeschlagenen Weg. Zwar stand der Kläger auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung grundsätzlich nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Allerdings hatte er einen nicht nur unbedeutend längeren Weg als den kürzesten Weg gewählt, der nicht mehr als unmittelbarer Weg anzusehen ist.
Dass der Kläger nicht den kürzesten Weg gewählt oder den unmittelbaren Weg aus privatwirtschaftlichen Gründen verlassen hat, ergibt sich nicht bereits aus den Angaben des Klägers vom 12.05.2001, dass er auf dem Weg nach L. gewesen sei. Richtig ist, dass der Kläger die Südwesttangente (B 8) in nordwestlicher Richtung befuhr und diese Bundesstraße im weiteren Verlauf stadtauswärts nach L. führt. Aus den Angaben des Klägers kann jedoch nur sicher geschlossen werden, dass er diese Straße in Richtung L. befuhr, nicht aber, dass dieser Ort auch das Ziel seiner Fahrt war. Insoweit ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger bei Einvernahme durch den Polizeibeamten E. noch unter Schockwirkung gestanden hat. Denn bereits aus den Feststellungen der polizeilichen Ermittlungen zum Unfallort und zur Fahrtrichtung zum Unfallzeitpunkt ergibt sich, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz stand.
Der Kläger hat nicht den unmittelbaren Weg gewählt, da er von mehreren möglichen Alternativstrecken nicht die nächst kürzeste gewählt hat und zwar unbeschadet des Umstandes, dass der Kläger mit dem Weg zur BAB 73 Anschlussstelle N. und weiter in südöstlicher Richtung auf der Südwestangente (BAB 73) über das Südkreuz zur Anschlussstelle F. nach W. nicht den kürzesten Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung gewählt hat (Entfernung 22,3 km; der kürzeste Weg führt über die Staatsstraßen 2406 und 2239 zur BAB 73 Anschlussstelle W. und weiter auf der BAB 73 über die Anschlussstelle F. - Entfernung 20,5 km). Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass aufgrund der Verkehrslage - dichter Verkehr auf der Südtangente Richtung Südkreuz und auf der M. Straße - aus Sicht des Klägers der eingeschlagene Weg über die Südwesttangente in nordwestlicher Richtung notwendig war, um der Verkehrssituation auf der Südwesttangente in südöstlicher Richtung oder alternativ auf der B 8 (M. Straße und weiter B.straße zur R. Straße) zu begegnen.
Allerdings hat der Kläger es versäumt, von der Südweststangente aus den nächst kürzeren Weg zur Wohnung zu wählen. Aus der örtlichen Lage des Unfalls auf der Südwesttangente in nordwestlicher Richtung in Höhe der Anschlussstelle H. und in Übereinstimmung mit den Schilderungen des Klägers ist zu schließen, dass der Kläger die Südwesttangente bis F.-Zentrum, weiter über den Frankenschnellweg (BAB 73) oder F. Straße (B 8) zum Nordring (B 4r) und zur R.straße (B 4) nach W. fahren wollte. Diese Strecke bemisst eine Entfernung von etwa 50 km. Es haben dem Kläger kürzere Alternativrouten zur Verfügung gestanden, nämlich beispielsweise die Strecke über Südwesttangente Anschlussstelle N. Hafen über Frankenschnellweg, U.straße, F.straße und B.straße zur R. Straße oder über Südwesttangente Anschlussstelle S. über S. Hauptstraße, N. Straße und U.straße (Entfernung etwa 33 km bzw 35 km). Diese Strecken sind dem Kläger auch zumutbar gewesen. Gründe für die Wahl der entfernteren Strecke hat der Kläger nicht vorgebracht. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die ein Umfahren eines Staues an der Anschlussstelle N. durch ein derart großräumiges Umfahren über den Nordring rechtfertigen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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