Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
10 KR 106/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einem Badewannenlifter gemäß der Verordnung vom 18. Juli 2007 nebst Kostenvoranschlag vom 19. Juli 2007 zu versorgen. II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem Badewannenlifter.
Die am ... 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet u.a. unter erheblicher Adipositas (BMI 43), Diabetes mellitus, Glaukom bei ausgeprägter Kurzsichtigkeit, Polyneuropathie, Herzleistungsminderung, seelischer Störung sowie Polyarthrose in den Knie- und Schultergelenken beidseits. Die Versorgungsverwaltung hat bei ihr einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "Bl", "H" und "RF" festgestellt. Unter Vorlage einer Verordnung der behandelnden Hausärztin Dipl. Med. C ... vom 18. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Badewan-nenlifter. Zur Begründung gab die verordnende Ärztin unter Anführung der Diagnosen Polyarthrose und Adipositas an, der Badwannenlifter solle die eigenständige Nutzung der in der Wohnung der Klägerin befindlichen Badewanne ermöglichen und so die hygienische häusliche Situation verbessern. Der beigefügte Kostenvoranschlag der Orthopädie-Technik W ... GmbH belief sich auf 395,00 EUR als Pauschalvergütung.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. August 2006 die beantragte Versorgung ab. Auf den hiergegen unter dem 29. August 2006 eingelegten Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte erneut eine Stellungnahme des MDK Sachsen ein und ließ durch einen ihrer Hilfsmittelberater einen Hausbesuch bei der Klägerin durchführen. Der Sachverständige des MDK führte aus, dass die auf der Verordnung angegebenen Diagno-sen keine Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter darstelle. Der Hilfsmittelberater der Beklagten gab an, dass der Klägerin der Einstieg in die Badewanne über den Wannenrand mit Hilfe des vorhandenen Wandgriffs möglich sei. Probleme bestünden jedoch beim Hinsetzen und Heraufkommen. Die Klägerin könne jedoch alternativ einen Badesitz oder ein Badebrett nutzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 wies die Beklagte darauf hin den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis der Einsatz eines Badewannenlifters nur in Betracht komme, wenn erhebliche Funktionseinschränkungen an den oberen und/oder unteren Extremitäten vorliegen, die ein selbständiges Ein- und Aussteigen aus der Badewanne unmöglich machen und durch den Einsatz des Lifters das weitgehend selbständige Baden wieder ermöglicht wird. Diese Indikation liege bei der Klägerin nicht vor. Zudem sei zur Körperreinigung die Einnahme eines Vollbades nicht erforderlich. Alternativ könne die Klägerin auf die Nutzung eines Badesitzes oder eines Badebretts verwiesen werden.
Mit ihrer am 16. März 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehr weiter. Sie sei auf Grund ihrer vielfältigen Erkrankungen nicht in der Lage, selbständig ein Wannenbad Einzunehmen. Die nur unter Nutzung des beantragten Badewannenlifters mögliche Einnahme von Vollbädern dürfe ihr von der Beklagten nicht verwehrt werden. Ein Duschen in der Badewanne könne sie zwar mit den von der Beklagten vorgeschlagenen Dusch- bzw. Badehilfen durchführen, allerdings habe dies stets zur Folge, dass das Bad "überschwemmt" werde. Dies sei nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, sie mit einem Badewannenlifter gemäß Verordnung vom 18. Juli 2006 nebst Kostenvoranschlag vom 19. Juli 2007 zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Nutzung einer Badewanne zur Einnahme von Vollbädern in Fällen wie dem vorliegenden, in denen medizinische Vollbäder nicht genommen werden müssen, nicht der von der Beklagten zu gewährleistenden Befriedigung von Grundbedürfnissen unterfalle. Das Baden zähle nicht zur elementaren Körperpflege. Für den Fall, dass das Gericht dies anders beurteile, beantrage sie die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Dipl. Med. R. , Ärztin im MDK Sachsen, hat unter dem 23. November 2007 ein Gutachten nach Hausbesuch bei der Klägerin erstellt. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die Kniegelenksbeweglichkeit ohne wesentliche Einschränkungen bestehe und in den Hüft- sowie Schultergelenken beidseits lediglich endphasige Funktionsstörungen bestünden. Die Klägerin könne mit Festhalten den Wannenrand übersteigen; das Hinsetzen und Aufstehen aus der tiefen Sitzposition gelinge hingegen nicht. Eine Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter bestehe daher nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Beklagtenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig gem. §§ 57 Abs.1, 51 Abs.1 SGG. Die fristgerecht sowie nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens erhobene Klage ist zulässig; sie ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Versorgung mit einem Badewannenlifter.
Versicherte haben nach § 33 Abs.1 SGB V Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohende Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Eine entsprechende Regelung enthält § 31 Abs. 1 SGB IX, wobei diese den klarstellenden Zusatz enthält, dass sich der Behinderungsausgleich lediglich auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erstreckt (Nr. 3). Hierzu hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Hilfsmittel, welches einen mittelbaren Funktionsausgleich bewirkt, im Sinne der gesetzlichen Vorschriften dann "erforderlich" ist, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 1, 3, 5, 13, 16, 39, 46). Hierzu gehört neben den körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) auch die elementare Körperpflege.
Bei dem begehrten Badewannenlifter handelt es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein Hilfsmittel, welches für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen hergestellt wird. Badewannenlifter sind als Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis unter der Produktgruppe 04 (Badehilfen) aufgenommen. Sie erleichtern bzw. ermöglichen den Einstieg in die bzw. den Ausstieg aus der Badewanne. Sie werden in der Regel in die Badewanne eingesetzt und stützen sich mit einer rutschsicheren Grundfläche am Wannenboden ab. Ein Aufnahmemittel - meist ein Sitz mit Rü-ckenlehne - erlaubt in Verbindung mit einer Hubeinrichtung die Überwindung des Höhenunterschieds zwischen Badewannenrand und Badewannenboden. Beim Einstieg liegt das Niveau der Sitzfläche auf Höhe des Wannenrandes und senkt sich nach Betätigung des Hubmechanismus auf den Wannenboden. In umgekehrter Reihenfolge wird der Ausstieg aus der Wanne ermöglicht. Weiterhin kann das Übersetzen von außen über den Wannen-rand und umgekehrt mittels zusätzlicher Übersetzklappen erleichtert bzw. ermöglicht werden (Beschreibung aus dem Hilfsmittelverzeichnis zur Produktgruppe 04.40.01). Ein Anspruchsausschluss nach § 34 Abs. 4 SGB V greift nicht ein.
Die Versorgung der Klägerin mit diesem Hilfsmittel ist auch im Rechtssinne erforderlich, da nur durch seinen Einsatz das Grundbedürfnis der Klägerin nach elementarer Körperpflege befriedigt werden kann. Es gehört zu den elementaren Bestandteilen der Körperpflege eines Versicherten, das in der Wohnung zur Verfügung stehende Wannenbad benutzen zu können; die dadurch ermöglichte gründliche körperliche Reinigung ist ein Grunderfordernis der Hygiene, wie es sich vom Leitbild des gesunden Menschen aus darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 1975 – 3 RK 35/74 = SozR 2200 § 187 Nr. 3). Dieses Verständnis liegt ersichtlich auch dem Hilfsmittelverzeichnis zugrunde, da dort Badewannen-lifter unter der Produktgruppe der Badehilfen aufgenommen sind. Hier fügt sich ein, dass auch in der sozialen Pflegeversicherung das Baden dem grundpflegerischen Bereich der Körperpflege als elementarem Lebensbereich zugeordnet wird (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI). Der Einwand der Beklagten, dass die Nutzung einer Badewanne deshalb nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gezählt werden könne, weil in vielen Haushalten eine Badewanne nicht vorhanden sei, verfängt nicht.
Die selbständigen Einnahme eines Wannenbades ist der Klägerin krankheits- bzw. behin-derungsbedingt nicht möglich. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unter-lagen, insbesondere den Angaben der behandelnden Hausärztin, des Hilfsmittelberaters der Beklagten sowie der in die Sachverhaltsermittlung einbezogenen Sachverständigen des MDK. Im Vordergrund steht hierbei die erhebliche Adipositas der Klägerin mit einem BMI von 43. Dieses starke Übergewicht stellt eine behandlungsbedürftige Krankheit (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 1/02 R = Juris-Dokument Rdnr. 11) und eine Behinderung dar. Daneben bestehen zahlreiche weitere Erkrankungen, die in ihrer Gesamtschau die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin begründen und zur Feststellung eines GdB von 100 sowie der Merkzeichen "G", "Bl", "H" und "RF" geführt haben. Der Badewannenlifter dient dem mittelbaren Funktionsausgleich der bei der Klägerin vorlie-genden Behinderung in Bezug auf die Vornahme der elementaren Körperpflege. In diesem Zusammenhang ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die im Hilfsmittelverzeichnis vorgenommene Beschränkung der Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter auf eine erhebliche Funktionsminderung bzw. fehlende Funktionsfähigkeit der oberen und/oder unteren Extremitäten für den Leistungsanspruch der Versicherten nicht verbindlich ist. Das Hilfsmittelverzeichnis dient nicht dazu, den Anspruch der Versicherten einzuschränken, sondern nur als Richtschnur für die Kassen und als unverbindliche Auslegungs-hilfe für die Gerichte (BSG, Urteil vom 3. November 1999 - B 3 KR 16/99 R = Juris-Dokument Rdnr. 16). Entscheidend ist vielmehr, ob ein weitgehend selbständiges Ein- und Aussteigen aus der Badewanne bzw. Hin- und Aufsetzen noch möglich ist. Die Nennung der Einschränkungen der Extremitäten ist daher nur als beispielhaft und für den Regelfall einschlägig zu verstehen und schließt andere Erkrankungen und Behinderung, die der selbständigen Einnahme eines Wannenbades entgegenstehen, nicht aus.
Die Versorgung der Klägerin mit einem Badewannenlifter ist auch erforderlich im Sinne von §§ 133 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V. Es sind keine anderen Hilfsmittel ersichtlich, die der Klägerin die weitgehend selbständige Einnahme eines Wannenbades ermöglichen und zugleich kostengünstiger sind. Die von der Beklagten benannten Badehilfen (Badebrett und drehbarer Badewannensitz) dienen allein dem Duschen in der Badewanne und gerade nicht der Einnahme von Vollbädern, so dass sie von vornherein bei der Prüfung von Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung außer Betracht bleiben. Zudem unter-scheiden sich die Verkaufspreise von drehbaren Badewannensitzen und Badewannenliftern nur marginal; auch ein drehbarer Badhelfer kostet regulär ca. 400,00 EUR. Soweit die Beklagte anführt, hinsichtlich des Einsatzes von drehbaren Badhelfern bestünden Versor-gungsverträge mit den Leistungserbringern, wonach sich die Kosten für einen Neukauf auf rund 216,00 EUR und für einen Wiedereinsatz auf rund 65,00 EUR belaufen, ist entgegenzuhalten, dass es der Beklagten unbenommen ist, auch hinsichtlich der Versorgung mit Badewannenliftern entsprechende Versorgungsverträge abzuschließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Streitwert den Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht übersteigt. Zulassungsgründe sind nicht gegeben, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Die Rechtssache muss daher ein Interesse der Allgemeinheit berühren; es reicht nicht aus, wenn ausschließlich die Interessen der unmittelbar Verfahrensbeteiligten berührt sind, auch wenn Auswirkungen auf weitere, noch nicht rechtshängige Ansprüche zwischen den Beteiligten zu erwarten sind (Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl., § 160 Rdnr. 6a). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sich aus der höchstrichterlichen Recht-sprechung keine Kriterien oder Grundsätze zur Auslegung der Norm ergeben, die für die Entscheidung im Einzelfall ausreichen. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob der Beklagten zahlreiche Anträge auf Versorgung mit einem Badewannenlifter vorliegen und daher das Interesse der Allgemeinheit berührt wird, da sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung Kriterien zur Auslegung der streitentscheidenden Norm herleiten lassen, die für die Entscheidung im vorliegenden Einzelfall ausreichen. Die Frage, ob die Nutzung eines Wannenbades der elementaren Körperpflege und damit den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im Sinne von § 33 SGB V zuzurechnen ist, ist - wie oben dargelegt - höchstrichterlich geklärt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die zur Vorgän-gervorschrift des § 187 RVO ergangene Rechtsprechung nicht auch auf die streitentscheidende Norm übertrag- und anwendbar wäre.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem Badewannenlifter.
Die am ... 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet u.a. unter erheblicher Adipositas (BMI 43), Diabetes mellitus, Glaukom bei ausgeprägter Kurzsichtigkeit, Polyneuropathie, Herzleistungsminderung, seelischer Störung sowie Polyarthrose in den Knie- und Schultergelenken beidseits. Die Versorgungsverwaltung hat bei ihr einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "Bl", "H" und "RF" festgestellt. Unter Vorlage einer Verordnung der behandelnden Hausärztin Dipl. Med. C ... vom 18. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Badewan-nenlifter. Zur Begründung gab die verordnende Ärztin unter Anführung der Diagnosen Polyarthrose und Adipositas an, der Badwannenlifter solle die eigenständige Nutzung der in der Wohnung der Klägerin befindlichen Badewanne ermöglichen und so die hygienische häusliche Situation verbessern. Der beigefügte Kostenvoranschlag der Orthopädie-Technik W ... GmbH belief sich auf 395,00 EUR als Pauschalvergütung.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. August 2006 die beantragte Versorgung ab. Auf den hiergegen unter dem 29. August 2006 eingelegten Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte erneut eine Stellungnahme des MDK Sachsen ein und ließ durch einen ihrer Hilfsmittelberater einen Hausbesuch bei der Klägerin durchführen. Der Sachverständige des MDK führte aus, dass die auf der Verordnung angegebenen Diagno-sen keine Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter darstelle. Der Hilfsmittelberater der Beklagten gab an, dass der Klägerin der Einstieg in die Badewanne über den Wannenrand mit Hilfe des vorhandenen Wandgriffs möglich sei. Probleme bestünden jedoch beim Hinsetzen und Heraufkommen. Die Klägerin könne jedoch alternativ einen Badesitz oder ein Badebrett nutzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 wies die Beklagte darauf hin den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis der Einsatz eines Badewannenlifters nur in Betracht komme, wenn erhebliche Funktionseinschränkungen an den oberen und/oder unteren Extremitäten vorliegen, die ein selbständiges Ein- und Aussteigen aus der Badewanne unmöglich machen und durch den Einsatz des Lifters das weitgehend selbständige Baden wieder ermöglicht wird. Diese Indikation liege bei der Klägerin nicht vor. Zudem sei zur Körperreinigung die Einnahme eines Vollbades nicht erforderlich. Alternativ könne die Klägerin auf die Nutzung eines Badesitzes oder eines Badebretts verwiesen werden.
Mit ihrer am 16. März 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehr weiter. Sie sei auf Grund ihrer vielfältigen Erkrankungen nicht in der Lage, selbständig ein Wannenbad Einzunehmen. Die nur unter Nutzung des beantragten Badewannenlifters mögliche Einnahme von Vollbädern dürfe ihr von der Beklagten nicht verwehrt werden. Ein Duschen in der Badewanne könne sie zwar mit den von der Beklagten vorgeschlagenen Dusch- bzw. Badehilfen durchführen, allerdings habe dies stets zur Folge, dass das Bad "überschwemmt" werde. Dies sei nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, sie mit einem Badewannenlifter gemäß Verordnung vom 18. Juli 2006 nebst Kostenvoranschlag vom 19. Juli 2007 zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Nutzung einer Badewanne zur Einnahme von Vollbädern in Fällen wie dem vorliegenden, in denen medizinische Vollbäder nicht genommen werden müssen, nicht der von der Beklagten zu gewährleistenden Befriedigung von Grundbedürfnissen unterfalle. Das Baden zähle nicht zur elementaren Körperpflege. Für den Fall, dass das Gericht dies anders beurteile, beantrage sie die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Dipl. Med. R. , Ärztin im MDK Sachsen, hat unter dem 23. November 2007 ein Gutachten nach Hausbesuch bei der Klägerin erstellt. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die Kniegelenksbeweglichkeit ohne wesentliche Einschränkungen bestehe und in den Hüft- sowie Schultergelenken beidseits lediglich endphasige Funktionsstörungen bestünden. Die Klägerin könne mit Festhalten den Wannenrand übersteigen; das Hinsetzen und Aufstehen aus der tiefen Sitzposition gelinge hingegen nicht. Eine Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter bestehe daher nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Beklagtenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig gem. §§ 57 Abs.1, 51 Abs.1 SGG. Die fristgerecht sowie nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens erhobene Klage ist zulässig; sie ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Versorgung mit einem Badewannenlifter.
Versicherte haben nach § 33 Abs.1 SGB V Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohende Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Eine entsprechende Regelung enthält § 31 Abs. 1 SGB IX, wobei diese den klarstellenden Zusatz enthält, dass sich der Behinderungsausgleich lediglich auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erstreckt (Nr. 3). Hierzu hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Hilfsmittel, welches einen mittelbaren Funktionsausgleich bewirkt, im Sinne der gesetzlichen Vorschriften dann "erforderlich" ist, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 1, 3, 5, 13, 16, 39, 46). Hierzu gehört neben den körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) auch die elementare Körperpflege.
Bei dem begehrten Badewannenlifter handelt es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein Hilfsmittel, welches für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen hergestellt wird. Badewannenlifter sind als Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis unter der Produktgruppe 04 (Badehilfen) aufgenommen. Sie erleichtern bzw. ermöglichen den Einstieg in die bzw. den Ausstieg aus der Badewanne. Sie werden in der Regel in die Badewanne eingesetzt und stützen sich mit einer rutschsicheren Grundfläche am Wannenboden ab. Ein Aufnahmemittel - meist ein Sitz mit Rü-ckenlehne - erlaubt in Verbindung mit einer Hubeinrichtung die Überwindung des Höhenunterschieds zwischen Badewannenrand und Badewannenboden. Beim Einstieg liegt das Niveau der Sitzfläche auf Höhe des Wannenrandes und senkt sich nach Betätigung des Hubmechanismus auf den Wannenboden. In umgekehrter Reihenfolge wird der Ausstieg aus der Wanne ermöglicht. Weiterhin kann das Übersetzen von außen über den Wannen-rand und umgekehrt mittels zusätzlicher Übersetzklappen erleichtert bzw. ermöglicht werden (Beschreibung aus dem Hilfsmittelverzeichnis zur Produktgruppe 04.40.01). Ein Anspruchsausschluss nach § 34 Abs. 4 SGB V greift nicht ein.
Die Versorgung der Klägerin mit diesem Hilfsmittel ist auch im Rechtssinne erforderlich, da nur durch seinen Einsatz das Grundbedürfnis der Klägerin nach elementarer Körperpflege befriedigt werden kann. Es gehört zu den elementaren Bestandteilen der Körperpflege eines Versicherten, das in der Wohnung zur Verfügung stehende Wannenbad benutzen zu können; die dadurch ermöglichte gründliche körperliche Reinigung ist ein Grunderfordernis der Hygiene, wie es sich vom Leitbild des gesunden Menschen aus darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 1975 – 3 RK 35/74 = SozR 2200 § 187 Nr. 3). Dieses Verständnis liegt ersichtlich auch dem Hilfsmittelverzeichnis zugrunde, da dort Badewannen-lifter unter der Produktgruppe der Badehilfen aufgenommen sind. Hier fügt sich ein, dass auch in der sozialen Pflegeversicherung das Baden dem grundpflegerischen Bereich der Körperpflege als elementarem Lebensbereich zugeordnet wird (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI). Der Einwand der Beklagten, dass die Nutzung einer Badewanne deshalb nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gezählt werden könne, weil in vielen Haushalten eine Badewanne nicht vorhanden sei, verfängt nicht.
Die selbständigen Einnahme eines Wannenbades ist der Klägerin krankheits- bzw. behin-derungsbedingt nicht möglich. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unter-lagen, insbesondere den Angaben der behandelnden Hausärztin, des Hilfsmittelberaters der Beklagten sowie der in die Sachverhaltsermittlung einbezogenen Sachverständigen des MDK. Im Vordergrund steht hierbei die erhebliche Adipositas der Klägerin mit einem BMI von 43. Dieses starke Übergewicht stellt eine behandlungsbedürftige Krankheit (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 1/02 R = Juris-Dokument Rdnr. 11) und eine Behinderung dar. Daneben bestehen zahlreiche weitere Erkrankungen, die in ihrer Gesamtschau die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin begründen und zur Feststellung eines GdB von 100 sowie der Merkzeichen "G", "Bl", "H" und "RF" geführt haben. Der Badewannenlifter dient dem mittelbaren Funktionsausgleich der bei der Klägerin vorlie-genden Behinderung in Bezug auf die Vornahme der elementaren Körperpflege. In diesem Zusammenhang ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die im Hilfsmittelverzeichnis vorgenommene Beschränkung der Indikation für die Versorgung mit einem Badewannenlifter auf eine erhebliche Funktionsminderung bzw. fehlende Funktionsfähigkeit der oberen und/oder unteren Extremitäten für den Leistungsanspruch der Versicherten nicht verbindlich ist. Das Hilfsmittelverzeichnis dient nicht dazu, den Anspruch der Versicherten einzuschränken, sondern nur als Richtschnur für die Kassen und als unverbindliche Auslegungs-hilfe für die Gerichte (BSG, Urteil vom 3. November 1999 - B 3 KR 16/99 R = Juris-Dokument Rdnr. 16). Entscheidend ist vielmehr, ob ein weitgehend selbständiges Ein- und Aussteigen aus der Badewanne bzw. Hin- und Aufsetzen noch möglich ist. Die Nennung der Einschränkungen der Extremitäten ist daher nur als beispielhaft und für den Regelfall einschlägig zu verstehen und schließt andere Erkrankungen und Behinderung, die der selbständigen Einnahme eines Wannenbades entgegenstehen, nicht aus.
Die Versorgung der Klägerin mit einem Badewannenlifter ist auch erforderlich im Sinne von §§ 133 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V. Es sind keine anderen Hilfsmittel ersichtlich, die der Klägerin die weitgehend selbständige Einnahme eines Wannenbades ermöglichen und zugleich kostengünstiger sind. Die von der Beklagten benannten Badehilfen (Badebrett und drehbarer Badewannensitz) dienen allein dem Duschen in der Badewanne und gerade nicht der Einnahme von Vollbädern, so dass sie von vornherein bei der Prüfung von Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung außer Betracht bleiben. Zudem unter-scheiden sich die Verkaufspreise von drehbaren Badewannensitzen und Badewannenliftern nur marginal; auch ein drehbarer Badhelfer kostet regulär ca. 400,00 EUR. Soweit die Beklagte anführt, hinsichtlich des Einsatzes von drehbaren Badhelfern bestünden Versor-gungsverträge mit den Leistungserbringern, wonach sich die Kosten für einen Neukauf auf rund 216,00 EUR und für einen Wiedereinsatz auf rund 65,00 EUR belaufen, ist entgegenzuhalten, dass es der Beklagten unbenommen ist, auch hinsichtlich der Versorgung mit Badewannenliftern entsprechende Versorgungsverträge abzuschließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Streitwert den Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht übersteigt. Zulassungsgründe sind nicht gegeben, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Die Rechtssache muss daher ein Interesse der Allgemeinheit berühren; es reicht nicht aus, wenn ausschließlich die Interessen der unmittelbar Verfahrensbeteiligten berührt sind, auch wenn Auswirkungen auf weitere, noch nicht rechtshängige Ansprüche zwischen den Beteiligten zu erwarten sind (Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl., § 160 Rdnr. 6a). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sich aus der höchstrichterlichen Recht-sprechung keine Kriterien oder Grundsätze zur Auslegung der Norm ergeben, die für die Entscheidung im Einzelfall ausreichen. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob der Beklagten zahlreiche Anträge auf Versorgung mit einem Badewannenlifter vorliegen und daher das Interesse der Allgemeinheit berührt wird, da sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung Kriterien zur Auslegung der streitentscheidenden Norm herleiten lassen, die für die Entscheidung im vorliegenden Einzelfall ausreichen. Die Frage, ob die Nutzung eines Wannenbades der elementaren Körperpflege und damit den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im Sinne von § 33 SGB V zuzurechnen ist, ist - wie oben dargelegt - höchstrichterlich geklärt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die zur Vorgän-gervorschrift des § 187 RVO ergangene Rechtsprechung nicht auch auf die streitentscheidende Norm übertrag- und anwendbar wäre.
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