Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3000/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 407/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Rückwirkungsfiktion für die Antragstellung nach § 28 SGB X hat als Schutzvorschrift nicht zur oraussetzung, dass das Unterlassen der Stellung eines zweiten Antrags im Bewusstsein der
Möglichkeit dieser weiteren Antragstellung erfolgt.
Insoweit ist auch völlige Unkenntnis oder schlichtes Vergessen
unschädlich, sofern nur der Antrag auf eine andere Sozialleistung gestellt worden ist.
Möglichkeit dieser weiteren Antragstellung erfolgt.
Insoweit ist auch völlige Unkenntnis oder schlichtes Vergessen
unschädlich, sofern nur der Antrag auf eine andere Sozialleistung gestellt worden ist.
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.12.2007 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 20.03.2007 wegen der Frage streitig, ob für diesen Zeitraum ein wirksamer Antrag vorliegt.
Die Kläger zu Ziff. 1. und 2. sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen Kindern, den Klägern zu Ziff. 3 bis Ziff. 5, in einem gemeinsamen Haushalt.
Am 29.09.2006 beantragte die Klägerin zu Ziff. 1 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, welche der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 03.01.2007 für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.01.2007 antragsgemäß gewährt wurde. Der Bescheid enthielt einen Hinweis darauf, dass vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ein Fortzahlungsantrag zu stellen und aktuelle Belege über die wirtschaftliche Situation vorzulegen seien.
Der Kläger zu Ziff. 2 bezog von der D. R. B.-W. (DRV) eine bis zum 30.11.2006 befristete Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 570,30 EUR monatlich. Der Antrag auf Weitergewährung nach dem 30.11.2006 wurde von der D. R. mit Bescheid vom 01.11.2007 abgelehnt.
Der Beklagte forderte den Kläger zu Ziff. 2 mit Schreiben vom 03.01.2007 auf, bis spätestens 20.01.2007 nähere Angaben über seine Vermögenswerte (Beteiligung an der C. Sachwert A., Rückkaufswert der A. Lebensversicherung) vorzulegen.
Gemäß einem Aktenvermerk des Beklagten vom 03.07.2007 sind für den Kläger zu Ziff. 2 zwei Kundennummern von der Beklagten vergeben worden; unter der Nummer 664 a 127157 wurde Arbeitslosengeld gewährt; unter der Nummer 664 b 620959 sei Arbeitslosengeld II gewährt worden. Arbeitslosengeld wurde dann mit Bescheid vom 13.02.2007 dem Kläger zu Ziff. 2 vom 05.02.2007 bis längstens 06.02.2008 in Höhe von täglich 25,94 EUR gewährt.
Am 21.03.2007 beantragte die Klägerin zu Ziff. 1 bei der Beklagten die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II und fügte hierbei aktuelle Kontoauszüge bei.
Der Beklagte forderte daraufhin weitere Unterlagen und Auskunft darüber, wie der Lebensunterhalt in der Zeit vom 01.02. bis 21.03.2007 bestritten worden sei.
Mit Bescheid vom 30.04.2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 21.03.2007 bis 30.09.2007 Leistungen in Höhe von 188,84 EUR für den Monat März und 515,08 EUR für die folgenden Monate.
Im Mai 2007 meldete die Klägerin zu Ziff. 1 sich persönlich bei dem Beklagten und trug vor, ihr fehlten die Leistungen für den Monat Februar 2007, welche sie dringend zum Leben benötige. Sie sei davon ausgegangen, dass das Geld automatisch weiter gewährt werde und habe nicht gewusst, dass sie einen Fortzahlungsantrag habe stellen müssen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2007 zurück. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende könnten nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts vom 30.01.2007 mit Beendigungsschreiben vom 05.01.2007 einen Fortzahlungsantrag zugeschickt bekommen, welchen sie jedoch ohne nachvollziehbare Begründung erst am 21.03.2007 vorgelegt habe.
Die Kläger haben am 27.07.2007 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Den Lebensunterhalt in der streitgegenständlichen Zeit vom 01.02.bis 21.03.2007 hätten sie dadurch bestritten, dass sie des Zahlung des Mietzinses an ihren Vermieter eingestellt hätten und hierdurch mit 1000 EUR in Rückstand geraten seien. Auf das Schreiben des Beklagten vom 16.04.2007 sei mit Schreiben vom 23.04.2007 sowie der Übersendung der angeforderten Unterlagen geantwortet worden. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe den Fortzahlungsantrag auch rechtzeitig über ihren Ehemann bei der Beklagten abgegeben, womit sie alles Erforderliche für eine nahtlose Gewährung von Arbeitslosengeld II getan habe.
Mit Urteil vom 13.12.2007 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2007 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach auch für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 20.03.2007 zu gewähren. Die Berufung hat das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zwar würden nach der Rechtsvorschrift des § 37 Abs. 1 SGB II Leistungen nicht rückwirkend für Zeiten vor der Antragstellung erbracht, sofern nicht der zuständige Träger am Tag der beabsichtigten Antragstellung nicht geöffnet habe. Ein wirksamer Antrag der Kläger liege jedoch vor, obwohl diese erst am 21.03.2007 bei der Beklagten die Fortzahlung der Leistungen nach dem Ende des Bewilligungsabschnitts bis zum 31.01.2007 beantragt hätten. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe nämlich bereits am 29.09.2006 für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wirksam einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt, welche auch nach Ablauf des ersten Bewilligungszeitraums seine Wirkung nicht verloren habe. Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II sei keine materiell - rechtliche Anspruchsvoraussetzung, da der Grundanspruch (das Stammrecht) auf Leistungen nach dem SGB II unabhängig vom Antrag bereits dann entstehe, wenn die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 2 SGB II erfüllt seien. Das Recht auf die fällige Leistung entstehe jedoch erst mit einem wirksamen Antrag (mit Hinweis auf BSGE 61, 108, 110; BSGE 88, 180, 182). Insofern komme dem Antrag materiell rechtliche Bedeutung zu, da ein nicht unmittelbar nach Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen gestellter Antrag zu einem begrenzten Rechtsverlust führe, weil Leistungen - abgesehen von der Ausnahme des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB II - nicht rückwirkend erbracht würden. Es sei bereits höchstrichterlich für die Arbeitslosenhilfe entschieden, dass ein Erstantrag auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes seine Wirkung nicht verliere (unter Hinweis auf BSGE 87, 262, 268). Diese Rechtssprechung sei auch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entsprechend heranzuziehen. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume nicht in analoger Anwendung des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand bereits laufender Klageverfahren würden, da diese Rechtsprechung nur den Streitgegenstand in verfahrensrechtlicher Hinsicht eingrenze. Auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung erfolge im Rahmen der Weitergewährung einer Zeitrente eine (einfache) Verlängerung des bisherigen Anspruchs, was durch den Gesetzgeber mit der Neufassung des § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI durch das Rentenversicherungs- Altersgrenzenanpassungsgesetz ausdrücklich bestätigt worden sei. Der Gesetzgeber habe danach klargestellt, dass bei der Weiterzahlung einer Zeitrente lediglich eine Verlängerung der bisherigen Befristung erfolge. Auch im Rahmen der Grundsicherung nach dem SGB II liege danach bei einer Verlängerung der Bewilligung von Leistungen ("Fortzahlung") eine Weiterzahlung auf der Grundlage des ersten Antrages vor. Die Kammer habe auch im Hinblick auf den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum von lediglich ca. sieben Wochen keine Bedenken gegen die Fortdauer der ursprünglichen Antrages vom 29.09.2006. Ob auch dann, wenn ein Fortzahlungsantrag erst nach einer wesentlichen längeren Zeit (u.a. nach Jahren) nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraumes gestellt werde, von einer weiteren Geltung des Erstantrages auszugehen sei, könne dahingestellt bleiben. Ebenfalls offen könne die Frage bleiben, ob der Anspruch des Klägers zu Ziff. 2 auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III möglicherweise zugleich ein Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst habe. Das Urteil des SG wurde dem Beklagten am 02.01.2008 zugestellt.
Der Beklagte hat am 24.01.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG verkenne in seinem Urteil, dass der Antrag der Kläger vom 29.09.2006 mit dem Bewilligungsbescheid vom 03.01.2007 abschließend beschieden worden sei. Es sei nicht zulässig, dass das SG in seinem Urteil dem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 29.09.2006 eine unbeschränkte Geltungsdauer zukommen lasse. Eine Weitergewährung sei daher zwingend von einem neuen Antrag abhängig. Schließlich seien die Kläger mehrfach auf die begrenzte Gewährung und die Erforderlichkeit eines neuen Antrags über die Weitergewährung belehrt worden, nämlich in dem Bewilligungsbescheid und vor dem Ablaufen des Bewilligungszeitraumes. Folge man der Ansicht des SG, müssten immer wieder über einen einmal gestellten Antrag (sobald ein Bewilligungszeitraum abgelaufen sei, neue Bewilligungsentscheidungen ergehen, weswegen ein einmal gestellter Antrag, über den bereits entschieden sei, ohne zeitliche Begrenzung in die Zukunft fortwirke. Dies widerspreche sowohl der Regelung in § 37 SGB II auch als der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach die Leistungen für jeweils sechs Monate bewilligt werden sollten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger halten das Urteil des SG für rechtmäßig.
Die Kläger wiederholen im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Außerdem sei unverständlich, dass mit Bescheid vom 03.01.2007 Leistungen nur bis zum 31.01.2007 statt mit einer sechsmonatigen Dauer wie vom Gesetz vorgesehen bewilligt worden seien. Insoweit liege der Verdacht nicht fern, es könne eine Sanktion des Beklagten wegen des Drängens der Kläger auf eine schnelle Entscheidung vorliegen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger 2. bis 5. als Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die die Klägerin zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist zudem hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -).
Das SG hat auch zu Recht angenommen, dass neben den weiteren Anspruchsvoraussetzungen auch das Antragserfordernis des § 37 SGB II für die Gewährung von Arbeitslosengeld II im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt ist.
Nach § 37 Abs. 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. Abs. 2 der Vorschrift sieht vor, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden; treten die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag ein, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach diesem Buch nicht geöffnet hat, wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück.
Zwar lässt sich ein Antrag nach Ablauf des Bewilligungszeitraum am 31.01.2007 bis zur erneuten ausdrücklichen Antragstellung am 21.03.2007 nicht feststellen.
Der Senat lässt hierbei ausdrücklich offen, ob der Argumentation des SG, nach dem SGB II gestellte Anträge behielten ihre konstituierende Wirkung auch nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes weiter, zu folgen ist. Dies könnte deswegen problematisch erscheinen, weil eine zuverlässige Grenzziehung, ab welchem Zeitpunkt ein Fortwirken des Anspruchs nicht mehr zulässig sein kann, kaum möglich erscheint. Das SG gibt selbst an, dass bei längeren Zeiträumen ein Fortwirken des Antrags nicht mehr anzuerkennen sein könne, ohne jedoch eine handhabbare Abgrenzung anzudeuten, welche im Interesse der Verfahrenssicherheit aber geboten wäre. Schließlich hat die Beklagte auch mit Beendigungsschreiben vom 05.01.2007 einen Fortzahlungsantrag zugeschickt und auch darauf hingewiesen, dass für die nahtlose Weitergewährung nach § 37 SGB II ein neuer Antrag und insbesondere eine aktuelle Überprüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (vgl. Link in Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 Rdnr. 19; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2006 - L 10 B 134/06 AS ER -).
Auf diese bisher höchstrichterlich für das Arbeitslosengeld II noch nicht geklärte Rechtsfrage kommt es indes für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nach der Überzeugung des Senats nicht an.
Denn der Kläger zu Ziff. 2 hatte vor dem 30.11.2006 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) die Weitergewährung der bis zum 30.11.2006 befristet gewährten Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 570,30 EUR monatlich beantragt, wobei der Antrag auf Weitergewährung erst mit Bescheid vom 01.11.2007 abgelehnt wurde. Das Antragsverfahren bei der DRV umfasste damit den gesamten vorliegend streitbefangenen Zeitraum über die Gewährung von Alg II. Da zudem die Rentenhöhe den Anspruch auf Alg II (515,08 EUR für den Monat April 2007) überstieg, konnte der Kläger zu Ziff. 2 die berechtigte Hoffnung hegen, zunächst nicht auf das Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein.
Hinzu kommt, dass das Auskommen der Bedarfsgemeinschaft darüber hinaus auch durch den Arbeitslosengeld (I) - Bezug ab dem 05.02.2007, der auch aufgrund eines Antragsverfahrens im streitgegenständlichen Zeitraum beruhte, zusätzlich gesichert erschien.
Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt nach § 28 Satz 1 SGB X der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist.
Die Vorschrift des § 28 SGB X ist auch auf das Arbeitslosengeld II anwendbar, weil sie durch die Sonderregelung in § 37 SGB II nicht vollständig verdrängt wird, § 40 Abs. 3 SGB II. § 37 SGB II enthält auch keinerlei Regelung für den speziellen in § 28 SGB X geregelten Fall, dass ein Antrag bei parallel laufendem Antragsverfahren auf eine andere Sozialleistung nicht gestellt wird (Löschau in Estelmann, SGB II, Stand Februar 2005, § 37 Rdnr. 13; Schoch in Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 37 Rdnr. 21).
Die Vorschrift ist auch nicht einschränkend so auszulegen, dass bewusst in Erwartung einer anderen Sozialleistung der Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht gestellt wurde. Das Bewusstsein, von einem Antrag auf Arbeitslosengeld II zunächst abzusehen, ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass aufgrund eines Antrags auf eine andere Sozialleistung diese andere Sozialleistung erwartet wird (BT-Drucks. 8/4022, S. 81 f.); es reicht also auch aus, dass bei einem anderen laufenden Antragsverfahren der Antrag auf Arbeitslosengeld II schlicht vergessen worden ist. Der Schutzzweck des § 28 SGB X würde verfehlt, wenn von dem Sozialleistungsempfänger die Kenntnis dieser Vorschrift zu erwarten wäre, damit sie überhaupt greifen kann.
Die Voraussetzungen des § 28 Satz 1 SGB X sind vorliegend aufgrund der laufenden Antragsverfahren zur Erwerbsminderungsrente und zum Arbeitslosengeld (I) erfüllt. Die Klägerin zu Ziff. 1 hat auch die nach § 40 Abs. 3 SGB II erforderlich unverzügliche Antragstellung nachgeholt. Unschädlich ist, dass der Antrag am 21.03.2007 und damit bereits vor der Leistungsablehnung durch die DRV gestellt worden ist.
Der Senat kann es wegen des Eingreifens der gesetzlichen Regelung des § 28 SGB X auch offenlassen, ob der Anspruch der Kläger auch aufgrund der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als erfüllt anzusehen ist. Zwar ist anerkannt, dass die Schlechterfüllung einer Beratungspflicht zu einem Anspruch des Versicherten nach dem Institut des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führen kann. Das außergesetzliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann jedoch nur eingreifen, sofern eine gesetzliche Regelung keine Abhilfe verschaffen kann (vgl. hierzu BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 88 = SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 39; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Der Senat kann es daher auch offenlassen, ob das Verhalten des Beklagten, mit Bescheid vom 03.01.2007 entgegen der Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II das Arbeitslosengeld II nur für die Zeit vom 01.10.2006 bis zum 31.01.2007 statt für die Dauer von sechs Monaten zu gewähren, einen wesentlichen Beitrag zu der späten Antragstellung geleistet hat; insofern könnte jedenfalls die Belehrung, dass vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ein Fortzahlungsantrag zu stellen und aktuelle Belege über die wirtschaftliche Situation vorzulegen seien, unangemessen gewesen sein, weil ein Antrag anders als diese Formulierung es nahelegt wegen der erforderlichen Bearbeitungszeit sachgemäß bereits bei Zugang des Bewilligungsbescheides hätte gestellt werden sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 20.03.2007 wegen der Frage streitig, ob für diesen Zeitraum ein wirksamer Antrag vorliegt.
Die Kläger zu Ziff. 1. und 2. sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen Kindern, den Klägern zu Ziff. 3 bis Ziff. 5, in einem gemeinsamen Haushalt.
Am 29.09.2006 beantragte die Klägerin zu Ziff. 1 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, welche der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 03.01.2007 für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.01.2007 antragsgemäß gewährt wurde. Der Bescheid enthielt einen Hinweis darauf, dass vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ein Fortzahlungsantrag zu stellen und aktuelle Belege über die wirtschaftliche Situation vorzulegen seien.
Der Kläger zu Ziff. 2 bezog von der D. R. B.-W. (DRV) eine bis zum 30.11.2006 befristete Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 570,30 EUR monatlich. Der Antrag auf Weitergewährung nach dem 30.11.2006 wurde von der D. R. mit Bescheid vom 01.11.2007 abgelehnt.
Der Beklagte forderte den Kläger zu Ziff. 2 mit Schreiben vom 03.01.2007 auf, bis spätestens 20.01.2007 nähere Angaben über seine Vermögenswerte (Beteiligung an der C. Sachwert A., Rückkaufswert der A. Lebensversicherung) vorzulegen.
Gemäß einem Aktenvermerk des Beklagten vom 03.07.2007 sind für den Kläger zu Ziff. 2 zwei Kundennummern von der Beklagten vergeben worden; unter der Nummer 664 a 127157 wurde Arbeitslosengeld gewährt; unter der Nummer 664 b 620959 sei Arbeitslosengeld II gewährt worden. Arbeitslosengeld wurde dann mit Bescheid vom 13.02.2007 dem Kläger zu Ziff. 2 vom 05.02.2007 bis längstens 06.02.2008 in Höhe von täglich 25,94 EUR gewährt.
Am 21.03.2007 beantragte die Klägerin zu Ziff. 1 bei der Beklagten die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II und fügte hierbei aktuelle Kontoauszüge bei.
Der Beklagte forderte daraufhin weitere Unterlagen und Auskunft darüber, wie der Lebensunterhalt in der Zeit vom 01.02. bis 21.03.2007 bestritten worden sei.
Mit Bescheid vom 30.04.2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 21.03.2007 bis 30.09.2007 Leistungen in Höhe von 188,84 EUR für den Monat März und 515,08 EUR für die folgenden Monate.
Im Mai 2007 meldete die Klägerin zu Ziff. 1 sich persönlich bei dem Beklagten und trug vor, ihr fehlten die Leistungen für den Monat Februar 2007, welche sie dringend zum Leben benötige. Sie sei davon ausgegangen, dass das Geld automatisch weiter gewährt werde und habe nicht gewusst, dass sie einen Fortzahlungsantrag habe stellen müssen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2007 zurück. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende könnten nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts vom 30.01.2007 mit Beendigungsschreiben vom 05.01.2007 einen Fortzahlungsantrag zugeschickt bekommen, welchen sie jedoch ohne nachvollziehbare Begründung erst am 21.03.2007 vorgelegt habe.
Die Kläger haben am 27.07.2007 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Den Lebensunterhalt in der streitgegenständlichen Zeit vom 01.02.bis 21.03.2007 hätten sie dadurch bestritten, dass sie des Zahlung des Mietzinses an ihren Vermieter eingestellt hätten und hierdurch mit 1000 EUR in Rückstand geraten seien. Auf das Schreiben des Beklagten vom 16.04.2007 sei mit Schreiben vom 23.04.2007 sowie der Übersendung der angeforderten Unterlagen geantwortet worden. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe den Fortzahlungsantrag auch rechtzeitig über ihren Ehemann bei der Beklagten abgegeben, womit sie alles Erforderliche für eine nahtlose Gewährung von Arbeitslosengeld II getan habe.
Mit Urteil vom 13.12.2007 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2007 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach auch für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 20.03.2007 zu gewähren. Die Berufung hat das SG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zwar würden nach der Rechtsvorschrift des § 37 Abs. 1 SGB II Leistungen nicht rückwirkend für Zeiten vor der Antragstellung erbracht, sofern nicht der zuständige Träger am Tag der beabsichtigten Antragstellung nicht geöffnet habe. Ein wirksamer Antrag der Kläger liege jedoch vor, obwohl diese erst am 21.03.2007 bei der Beklagten die Fortzahlung der Leistungen nach dem Ende des Bewilligungsabschnitts bis zum 31.01.2007 beantragt hätten. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe nämlich bereits am 29.09.2006 für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wirksam einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt, welche auch nach Ablauf des ersten Bewilligungszeitraums seine Wirkung nicht verloren habe. Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II sei keine materiell - rechtliche Anspruchsvoraussetzung, da der Grundanspruch (das Stammrecht) auf Leistungen nach dem SGB II unabhängig vom Antrag bereits dann entstehe, wenn die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 2 SGB II erfüllt seien. Das Recht auf die fällige Leistung entstehe jedoch erst mit einem wirksamen Antrag (mit Hinweis auf BSGE 61, 108, 110; BSGE 88, 180, 182). Insofern komme dem Antrag materiell rechtliche Bedeutung zu, da ein nicht unmittelbar nach Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen gestellter Antrag zu einem begrenzten Rechtsverlust führe, weil Leistungen - abgesehen von der Ausnahme des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB II - nicht rückwirkend erbracht würden. Es sei bereits höchstrichterlich für die Arbeitslosenhilfe entschieden, dass ein Erstantrag auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes seine Wirkung nicht verliere (unter Hinweis auf BSGE 87, 262, 268). Diese Rechtssprechung sei auch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entsprechend heranzuziehen. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume nicht in analoger Anwendung des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand bereits laufender Klageverfahren würden, da diese Rechtsprechung nur den Streitgegenstand in verfahrensrechtlicher Hinsicht eingrenze. Auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung erfolge im Rahmen der Weitergewährung einer Zeitrente eine (einfache) Verlängerung des bisherigen Anspruchs, was durch den Gesetzgeber mit der Neufassung des § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI durch das Rentenversicherungs- Altersgrenzenanpassungsgesetz ausdrücklich bestätigt worden sei. Der Gesetzgeber habe danach klargestellt, dass bei der Weiterzahlung einer Zeitrente lediglich eine Verlängerung der bisherigen Befristung erfolge. Auch im Rahmen der Grundsicherung nach dem SGB II liege danach bei einer Verlängerung der Bewilligung von Leistungen ("Fortzahlung") eine Weiterzahlung auf der Grundlage des ersten Antrages vor. Die Kammer habe auch im Hinblick auf den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum von lediglich ca. sieben Wochen keine Bedenken gegen die Fortdauer der ursprünglichen Antrages vom 29.09.2006. Ob auch dann, wenn ein Fortzahlungsantrag erst nach einer wesentlichen längeren Zeit (u.a. nach Jahren) nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraumes gestellt werde, von einer weiteren Geltung des Erstantrages auszugehen sei, könne dahingestellt bleiben. Ebenfalls offen könne die Frage bleiben, ob der Anspruch des Klägers zu Ziff. 2 auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III möglicherweise zugleich ein Antrag auf Arbeitslosengeld II umfasst habe. Das Urteil des SG wurde dem Beklagten am 02.01.2008 zugestellt.
Der Beklagte hat am 24.01.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG verkenne in seinem Urteil, dass der Antrag der Kläger vom 29.09.2006 mit dem Bewilligungsbescheid vom 03.01.2007 abschließend beschieden worden sei. Es sei nicht zulässig, dass das SG in seinem Urteil dem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 29.09.2006 eine unbeschränkte Geltungsdauer zukommen lasse. Eine Weitergewährung sei daher zwingend von einem neuen Antrag abhängig. Schließlich seien die Kläger mehrfach auf die begrenzte Gewährung und die Erforderlichkeit eines neuen Antrags über die Weitergewährung belehrt worden, nämlich in dem Bewilligungsbescheid und vor dem Ablaufen des Bewilligungszeitraumes. Folge man der Ansicht des SG, müssten immer wieder über einen einmal gestellten Antrag (sobald ein Bewilligungszeitraum abgelaufen sei, neue Bewilligungsentscheidungen ergehen, weswegen ein einmal gestellter Antrag, über den bereits entschieden sei, ohne zeitliche Begrenzung in die Zukunft fortwirke. Dies widerspreche sowohl der Regelung in § 37 SGB II auch als der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach die Leistungen für jeweils sechs Monate bewilligt werden sollten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger halten das Urteil des SG für rechtmäßig.
Die Kläger wiederholen im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Außerdem sei unverständlich, dass mit Bescheid vom 03.01.2007 Leistungen nur bis zum 31.01.2007 statt mit einer sechsmonatigen Dauer wie vom Gesetz vorgesehen bewilligt worden seien. Insoweit liege der Verdacht nicht fern, es könne eine Sanktion des Beklagten wegen des Drängens der Kläger auf eine schnelle Entscheidung vorliegen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger 2. bis 5. als Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die die Klägerin zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist zudem hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -).
Das SG hat auch zu Recht angenommen, dass neben den weiteren Anspruchsvoraussetzungen auch das Antragserfordernis des § 37 SGB II für die Gewährung von Arbeitslosengeld II im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt ist.
Nach § 37 Abs. 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. Abs. 2 der Vorschrift sieht vor, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden; treten die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag ein, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach diesem Buch nicht geöffnet hat, wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück.
Zwar lässt sich ein Antrag nach Ablauf des Bewilligungszeitraum am 31.01.2007 bis zur erneuten ausdrücklichen Antragstellung am 21.03.2007 nicht feststellen.
Der Senat lässt hierbei ausdrücklich offen, ob der Argumentation des SG, nach dem SGB II gestellte Anträge behielten ihre konstituierende Wirkung auch nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes weiter, zu folgen ist. Dies könnte deswegen problematisch erscheinen, weil eine zuverlässige Grenzziehung, ab welchem Zeitpunkt ein Fortwirken des Anspruchs nicht mehr zulässig sein kann, kaum möglich erscheint. Das SG gibt selbst an, dass bei längeren Zeiträumen ein Fortwirken des Antrags nicht mehr anzuerkennen sein könne, ohne jedoch eine handhabbare Abgrenzung anzudeuten, welche im Interesse der Verfahrenssicherheit aber geboten wäre. Schließlich hat die Beklagte auch mit Beendigungsschreiben vom 05.01.2007 einen Fortzahlungsantrag zugeschickt und auch darauf hingewiesen, dass für die nahtlose Weitergewährung nach § 37 SGB II ein neuer Antrag und insbesondere eine aktuelle Überprüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (vgl. Link in Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 Rdnr. 19; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2006 - L 10 B 134/06 AS ER -).
Auf diese bisher höchstrichterlich für das Arbeitslosengeld II noch nicht geklärte Rechtsfrage kommt es indes für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nach der Überzeugung des Senats nicht an.
Denn der Kläger zu Ziff. 2 hatte vor dem 30.11.2006 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) die Weitergewährung der bis zum 30.11.2006 befristet gewährten Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 570,30 EUR monatlich beantragt, wobei der Antrag auf Weitergewährung erst mit Bescheid vom 01.11.2007 abgelehnt wurde. Das Antragsverfahren bei der DRV umfasste damit den gesamten vorliegend streitbefangenen Zeitraum über die Gewährung von Alg II. Da zudem die Rentenhöhe den Anspruch auf Alg II (515,08 EUR für den Monat April 2007) überstieg, konnte der Kläger zu Ziff. 2 die berechtigte Hoffnung hegen, zunächst nicht auf das Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein.
Hinzu kommt, dass das Auskommen der Bedarfsgemeinschaft darüber hinaus auch durch den Arbeitslosengeld (I) - Bezug ab dem 05.02.2007, der auch aufgrund eines Antragsverfahrens im streitgegenständlichen Zeitraum beruhte, zusätzlich gesichert erschien.
Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt nach § 28 Satz 1 SGB X der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist.
Die Vorschrift des § 28 SGB X ist auch auf das Arbeitslosengeld II anwendbar, weil sie durch die Sonderregelung in § 37 SGB II nicht vollständig verdrängt wird, § 40 Abs. 3 SGB II. § 37 SGB II enthält auch keinerlei Regelung für den speziellen in § 28 SGB X geregelten Fall, dass ein Antrag bei parallel laufendem Antragsverfahren auf eine andere Sozialleistung nicht gestellt wird (Löschau in Estelmann, SGB II, Stand Februar 2005, § 37 Rdnr. 13; Schoch in Münder, SGB II, 2. Aufl. 2007, § 37 Rdnr. 21).
Die Vorschrift ist auch nicht einschränkend so auszulegen, dass bewusst in Erwartung einer anderen Sozialleistung der Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht gestellt wurde. Das Bewusstsein, von einem Antrag auf Arbeitslosengeld II zunächst abzusehen, ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass aufgrund eines Antrags auf eine andere Sozialleistung diese andere Sozialleistung erwartet wird (BT-Drucks. 8/4022, S. 81 f.); es reicht also auch aus, dass bei einem anderen laufenden Antragsverfahren der Antrag auf Arbeitslosengeld II schlicht vergessen worden ist. Der Schutzzweck des § 28 SGB X würde verfehlt, wenn von dem Sozialleistungsempfänger die Kenntnis dieser Vorschrift zu erwarten wäre, damit sie überhaupt greifen kann.
Die Voraussetzungen des § 28 Satz 1 SGB X sind vorliegend aufgrund der laufenden Antragsverfahren zur Erwerbsminderungsrente und zum Arbeitslosengeld (I) erfüllt. Die Klägerin zu Ziff. 1 hat auch die nach § 40 Abs. 3 SGB II erforderlich unverzügliche Antragstellung nachgeholt. Unschädlich ist, dass der Antrag am 21.03.2007 und damit bereits vor der Leistungsablehnung durch die DRV gestellt worden ist.
Der Senat kann es wegen des Eingreifens der gesetzlichen Regelung des § 28 SGB X auch offenlassen, ob der Anspruch der Kläger auch aufgrund der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als erfüllt anzusehen ist. Zwar ist anerkannt, dass die Schlechterfüllung einer Beratungspflicht zu einem Anspruch des Versicherten nach dem Institut des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führen kann. Das außergesetzliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann jedoch nur eingreifen, sofern eine gesetzliche Regelung keine Abhilfe verschaffen kann (vgl. hierzu BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; BSGE 50, 88 = SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 39; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Der Senat kann es daher auch offenlassen, ob das Verhalten des Beklagten, mit Bescheid vom 03.01.2007 entgegen der Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II das Arbeitslosengeld II nur für die Zeit vom 01.10.2006 bis zum 31.01.2007 statt für die Dauer von sechs Monaten zu gewähren, einen wesentlichen Beitrag zu der späten Antragstellung geleistet hat; insofern könnte jedenfalls die Belehrung, dass vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ein Fortzahlungsantrag zu stellen und aktuelle Belege über die wirtschaftliche Situation vorzulegen seien, unangemessen gewesen sein, weil ein Antrag anders als diese Formulierung es nahelegt wegen der erforderlichen Bearbeitungszeit sachgemäß bereits bei Zugang des Bewilligungsbescheides hätte gestellt werden sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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