Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 R 224/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 1272/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppins vom 4. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1945 geborene Kläger hat den Beruf eines Chemiefacharbeiters erlernt (Facharbeiterzeugnis vom 10. April 1965) und am 3. Juli 1970 die Meisterprüfung in der Hauptfachrichtung chemische Technologie abgelegt. Nach einem Besuch der Ingenieurschule für Chemie B erwarb er die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule vom 10. Juli 1981). Ab 1. Juli 1970 war der Kläger bei dem VEB P K S (PCK S) beschäftigt, und zwar zunächst als Anlagenfahrer und ab 1. November 1971 als Schichtleiter (Änderungsvertrag vom 10. November 1971). Der VEB PCK S wurde in die P und K Aktiengesellschaft (PCK AG) S umgewandelt. Der VEB PCK S wurde am 28. Juni 1990 im Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes F gelöscht (Register-Nr. 110-05-594). Die PCK AG S wurde am selben Tag in das Handelsregister des Amtsgerichts F eingetragen (HRB 110). Der Kläger war über den 30. Juni 1990 hinaus bei der PCK AG S beschäftigt (später PCK R GmbH) und gehörte vom 1. August 1971 bis 30. Juni 1990 der freiwilligen Zusatzrentenversicherung an. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 24. November 2004 auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. November 1971 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2006 ab mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt seien. Der VEB PCK S sei schon vor dem 1. Juli 1990 privatisiert worden. Es habe sich bei dem Beschäftigungsbetrieb nicht mehr um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) iS der Versorgungsordnung gehandelt. Auch sei dieser nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb iS von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) vom 24. Mai 1951 gleichgestellt gewesen. Es komme ausschließlich auf die amtliche Eintragung im Handelsregister an. Mit der Eintragung sei die AG Rechtsnachfolger des umgewandelten Betriebes geworden. Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb sei damit erloschen.
Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2005 die am 6. April 2005 vom Kläger erhobene und auf die Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Sinngemäß beantrage der Kläger die Feststellung der Zeit vom 10. Juli 1981 (Ingenieurzeugnis) bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und Feststellung der Arbeitsentgelte. Der Kläger falle nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG. Zwar erfülle der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung, nicht jedoch die dritte (betriebliche) Voraussetzung. Er sei am 30. Juni 1990 nicht mehr Beschäftigter eines volkseigenen Betriebes, sondern einer AG gewesen. Aktiengesellschaften würden in § 1 Abs. 2 der 2. DB, der eine abschließende Aufzählung der gleichgestellten Einrichtungen und Betriebe enthalte, nicht genannt.
Gegen den ihm am 15. August 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. August 2005 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Es seien ungefähr 80 Klagen (ehemaliger) Mitarbeiter der PCK R GmbH anhängig. Der Vortrag der Klägerseite lasse sich wie folgt zusammenfassen: (1.) Die Auslegung der Verordnung von 1950 ergebe, dass volkseigen nicht als Rechtsform, sondern als Eigenschaft ("im Eigentum des Staates und integriert in dessen planwirtschaftliches Leitungssystem") zu verstehen sei. (2.) Der umgewandelte Betrieb sei auch nach der Umwandlungsverordnung (UmwVO) "Rechtsnachfolger" des Betriebes, für dessen Mitarbeiter die Verordnung von 1950 gegolten habe. (3.) Es gebe keine rechtliche Begründung, weshalb die von Anfang an bestehende Anwartschaft aufgrund der UmwVO wegfallen könnte. (4.) Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) von 1998 sei weggefallen. In einer Parallelsache (L 22 R 284/05) habe das LSG B-B das Argument nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Grundsatzentscheidung des BSG selbst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße, wenn ohne sachlichen Grund Mitarbeitern aus volkseigenen Betrieben, deren Rechtsformwechsel vor dem 1. Juli 1990 erfolgt sei, die "Gerechtigkeit" der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung verwehrt bleibe. Die "I-Entscheidung" des BSG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Das BSG frage für das Merkmal "volkseigen" nicht nach der Eintragung im Register, sondern den Eigentumsverhältnissen an den Produktionsmitteln. Diese seien bis zum 30. Juni 1990 bei dem PCK S unverändert "volkseigen" gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. August 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass mit der Eintragung der PCK AG S am 28. Juni 1990 in das Handelsregister der VEB PCK S gemäß § 7 Abs. 3 UmwVO erloschen sei. Es sei richtig, dass ein neues Arbeitsverhältnis nicht begründet worden sei. Dies sei jedoch ohne Belang, da der Übergang des Arbeitsrechtsverhältnisses Kraft Gesetzes erfolgt sei. Der Kläger habe mangels Zusage eine Anwartschaft auf Zugehörigkeit zur AVItech nicht erworben. Ein Recht, das ihm nicht zugestanden habe, könne auch nicht "verloren" gehen. Vergleichsmaßstab seien somit diejenigen Versicherten, die in der ehemaligen DDR ebenfalls keine Versorgungszusage erhalten hätten. Prüfungsmaßstab für diesen Personenkreis sei einzig und allein, ob am 30. Juni 1990 ein zwingender Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden habe. Der Gesetzgeber sei zu einer "Totalrevision" des aus der DDR stammenden Versorgungsrechts über die mit der ständigen Rechtsprechung des BSG vorgenommene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet. Die folge auch aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 8. September 2004 (1 BvR 1697/02).
Die Beklagte hat die bei ihr vorhandenen Unterlagen zum VEB PCK S (Registerauszüge, Statut) vorgelegt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist rechtmäßig.
Der Senat folgt der Auffassung des SG, dass der Kläger bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) abweichend von seinem ursprünglichen Antrag vom 24. November 2004 nur die Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech bzw. der entsprechenden Entgelte für die Zeit vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 begehrt. Zwar war er nach Ablegen der Meisterprüfung bereits ab 1. November 1971 als Schichtleiter beschäftigt (Änderungsvertrag vom 10. November 1971). Die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Ingenieur" erwarb er jedoch erst am 10. Juli 1981. Bereits aus diesem Grund kann eine Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech bzw. der entsprechenden Entgelte vor dem 10. Juli 1981 nicht in Betracht kommen.
Der Kläger hat keinen mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990.
Der Kläger erfüllt die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände nicht. Er war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO), noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO). Der Kläger war auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer Rehabilitierungsentscheidung in das System einbezogen worden. Ihm war keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines "Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung" erteilt worden.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft (vgl. st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R - veröffentlicht in juris -, und B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11). Der fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, aaO, mwN): 1. von der Berechtigung eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Zwar erfüllt der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er war berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt (Urkunde vom 10. Juli 1981) verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Auch war er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt. Hierfür ist ausreichend, dass der Kläger als Schichtleiter im Rahmen seines Berufsbildes beschäftigt und nicht berufsfremd eingesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 47/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 12).
Die dritte (betriebliche) Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Denn der Kläger war am Stichtag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. DB beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Abzustellen ist hierbei auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R, aaO). Danach war Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn die PCK AG S. Die Eintragung der AG in das Register des Amtsgerichts F (HRB 110) erfolgte bereits - vor dem Stichtag - am 28. Juni 1990. Zugleich wurde der VEB PCK S an diesem Tag aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes F (110-05-594) gelöscht. Damit wurde nach § 7 UmwVO vom 1. März 1990 (GBl. I S. 107) die Umwandlung des VEB in die AG wirksam. Zu diesem Zeitpunkt erlosch der Vorgängerbetrieb. Für das Wirksamwerden der Umwandlung kommt es nach § 7 UmwVO allein auf die Eintragung der AG in das Register an.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es bei der Beurteilung der betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht auf die Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln am Stichtag an. Das BSG hat im Urteil vom 16. April 2006 (B 4 RA 30/05 R) ausdrücklich bestätigt, dass ein in der Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Bundesrecht nicht dem Anwendungsbereich der AVItech unterliege und dass darauf abzustellen sei, wer am 30. Juni 1990 Arbeitgeber im rechtlichen Sinne gewesen sei. Dies gilt auch für Unternehmen in der Rechtsform einer AG (vgl. zum VEB PCK S: LSG B-B, Urteile vom 28. Februar 2007, L 27 RA 342/04, und vom 6. Juli 2007, L 1 R 1117/05).
Die PCK AG S war nach ihrem Unternehmens- und Betriebszweck auch kein gleichgestellter Betrieb. Eine der in § 1 Abs. 2 2. DB genannten Betriebsarten kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. LSG B-B, Urteil vom 28. Februar 2007, aaO).
Der Senat sieht keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung des BSG mit der Modifikation des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG abzuweichen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung von Beginn an umstritten war. Allerdings ist der Gesetzgeber nicht aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz) gehalten, davon abzusehen, an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anzuknüpfen. Er ist nicht verpflichtet, sich daraus ergebende Ungleichheiten rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht verletzt, da der Kläger in der DDR keine Versorgungszusage erhalten hatte, mithin nicht davon ausgehen konnte, dass seine Entgelte ohne die entsprechende Versicherung unbeschränkt berücksichtigt würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2006, 1 BvR 320/06). Im Ergebnis hat das BVerfG die Rechtsprechung des BSG nicht für verfassungswidrig gehalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, 1 BVR 1557/01).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1945 geborene Kläger hat den Beruf eines Chemiefacharbeiters erlernt (Facharbeiterzeugnis vom 10. April 1965) und am 3. Juli 1970 die Meisterprüfung in der Hauptfachrichtung chemische Technologie abgelegt. Nach einem Besuch der Ingenieurschule für Chemie B erwarb er die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule vom 10. Juli 1981). Ab 1. Juli 1970 war der Kläger bei dem VEB P K S (PCK S) beschäftigt, und zwar zunächst als Anlagenfahrer und ab 1. November 1971 als Schichtleiter (Änderungsvertrag vom 10. November 1971). Der VEB PCK S wurde in die P und K Aktiengesellschaft (PCK AG) S umgewandelt. Der VEB PCK S wurde am 28. Juni 1990 im Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes F gelöscht (Register-Nr. 110-05-594). Die PCK AG S wurde am selben Tag in das Handelsregister des Amtsgerichts F eingetragen (HRB 110). Der Kläger war über den 30. Juni 1990 hinaus bei der PCK AG S beschäftigt (später PCK R GmbH) und gehörte vom 1. August 1971 bis 30. Juni 1990 der freiwilligen Zusatzrentenversicherung an. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 24. November 2004 auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. November 1971 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2006 ab mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt seien. Der VEB PCK S sei schon vor dem 1. Juli 1990 privatisiert worden. Es habe sich bei dem Beschäftigungsbetrieb nicht mehr um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) iS der Versorgungsordnung gehandelt. Auch sei dieser nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb iS von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) vom 24. Mai 1951 gleichgestellt gewesen. Es komme ausschließlich auf die amtliche Eintragung im Handelsregister an. Mit der Eintragung sei die AG Rechtsnachfolger des umgewandelten Betriebes geworden. Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb sei damit erloschen.
Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2005 die am 6. April 2005 vom Kläger erhobene und auf die Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Sinngemäß beantrage der Kläger die Feststellung der Zeit vom 10. Juli 1981 (Ingenieurzeugnis) bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und Feststellung der Arbeitsentgelte. Der Kläger falle nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG. Zwar erfülle der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung, nicht jedoch die dritte (betriebliche) Voraussetzung. Er sei am 30. Juni 1990 nicht mehr Beschäftigter eines volkseigenen Betriebes, sondern einer AG gewesen. Aktiengesellschaften würden in § 1 Abs. 2 der 2. DB, der eine abschließende Aufzählung der gleichgestellten Einrichtungen und Betriebe enthalte, nicht genannt.
Gegen den ihm am 15. August 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. August 2005 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Es seien ungefähr 80 Klagen (ehemaliger) Mitarbeiter der PCK R GmbH anhängig. Der Vortrag der Klägerseite lasse sich wie folgt zusammenfassen: (1.) Die Auslegung der Verordnung von 1950 ergebe, dass volkseigen nicht als Rechtsform, sondern als Eigenschaft ("im Eigentum des Staates und integriert in dessen planwirtschaftliches Leitungssystem") zu verstehen sei. (2.) Der umgewandelte Betrieb sei auch nach der Umwandlungsverordnung (UmwVO) "Rechtsnachfolger" des Betriebes, für dessen Mitarbeiter die Verordnung von 1950 gegolten habe. (3.) Es gebe keine rechtliche Begründung, weshalb die von Anfang an bestehende Anwartschaft aufgrund der UmwVO wegfallen könnte. (4.) Die Verfassungsmäßigkeit der Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) von 1998 sei weggefallen. In einer Parallelsache (L 22 R 284/05) habe das LSG B-B das Argument nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Grundsatzentscheidung des BSG selbst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße, wenn ohne sachlichen Grund Mitarbeitern aus volkseigenen Betrieben, deren Rechtsformwechsel vor dem 1. Juli 1990 erfolgt sei, die "Gerechtigkeit" der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung verwehrt bleibe. Die "I-Entscheidung" des BSG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Das BSG frage für das Merkmal "volkseigen" nicht nach der Eintragung im Register, sondern den Eigentumsverhältnissen an den Produktionsmitteln. Diese seien bis zum 30. Juni 1990 bei dem PCK S unverändert "volkseigen" gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. August 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass mit der Eintragung der PCK AG S am 28. Juni 1990 in das Handelsregister der VEB PCK S gemäß § 7 Abs. 3 UmwVO erloschen sei. Es sei richtig, dass ein neues Arbeitsverhältnis nicht begründet worden sei. Dies sei jedoch ohne Belang, da der Übergang des Arbeitsrechtsverhältnisses Kraft Gesetzes erfolgt sei. Der Kläger habe mangels Zusage eine Anwartschaft auf Zugehörigkeit zur AVItech nicht erworben. Ein Recht, das ihm nicht zugestanden habe, könne auch nicht "verloren" gehen. Vergleichsmaßstab seien somit diejenigen Versicherten, die in der ehemaligen DDR ebenfalls keine Versorgungszusage erhalten hätten. Prüfungsmaßstab für diesen Personenkreis sei einzig und allein, ob am 30. Juni 1990 ein zwingender Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden habe. Der Gesetzgeber sei zu einer "Totalrevision" des aus der DDR stammenden Versorgungsrechts über die mit der ständigen Rechtsprechung des BSG vorgenommene Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus nicht verpflichtet. Die folge auch aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 8. September 2004 (1 BvR 1697/02).
Die Beklagte hat die bei ihr vorhandenen Unterlagen zum VEB PCK S (Registerauszüge, Statut) vorgelegt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist rechtmäßig.
Der Senat folgt der Auffassung des SG, dass der Kläger bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) abweichend von seinem ursprünglichen Antrag vom 24. November 2004 nur die Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech bzw. der entsprechenden Entgelte für die Zeit vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 begehrt. Zwar war er nach Ablegen der Meisterprüfung bereits ab 1. November 1971 als Schichtleiter beschäftigt (Änderungsvertrag vom 10. November 1971). Die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Ingenieur" erwarb er jedoch erst am 10. Juli 1981. Bereits aus diesem Grund kann eine Vormerkung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech bzw. der entsprechenden Entgelte vor dem 10. Juli 1981 nicht in Betracht kommen.
Der Kläger hat keinen mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 10. Juli 1981 bis 30. Juni 1990.
Der Kläger erfüllt die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände nicht. Er war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO), noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO). Der Kläger war auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer Rehabilitierungsentscheidung in das System einbezogen worden. Ihm war keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines "Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung" erteilt worden.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft (vgl. st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R - veröffentlicht in juris -, und B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11). Der fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, aaO, mwN): 1. von der Berechtigung eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Zwar erfüllt der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er war berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt (Urkunde vom 10. Juli 1981) verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Auch war er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt. Hierfür ist ausreichend, dass der Kläger als Schichtleiter im Rahmen seines Berufsbildes beschäftigt und nicht berufsfremd eingesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 47/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 12).
Die dritte (betriebliche) Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Denn der Kläger war am Stichtag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. DB beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Abzustellen ist hierbei auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R, aaO). Danach war Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn die PCK AG S. Die Eintragung der AG in das Register des Amtsgerichts F (HRB 110) erfolgte bereits - vor dem Stichtag - am 28. Juni 1990. Zugleich wurde der VEB PCK S an diesem Tag aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes F (110-05-594) gelöscht. Damit wurde nach § 7 UmwVO vom 1. März 1990 (GBl. I S. 107) die Umwandlung des VEB in die AG wirksam. Zu diesem Zeitpunkt erlosch der Vorgängerbetrieb. Für das Wirksamwerden der Umwandlung kommt es nach § 7 UmwVO allein auf die Eintragung der AG in das Register an.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es bei der Beurteilung der betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht auf die Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln am Stichtag an. Das BSG hat im Urteil vom 16. April 2006 (B 4 RA 30/05 R) ausdrücklich bestätigt, dass ein in der Rechtsform der GmbH geführtes Unternehmen gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Bundesrecht nicht dem Anwendungsbereich der AVItech unterliege und dass darauf abzustellen sei, wer am 30. Juni 1990 Arbeitgeber im rechtlichen Sinne gewesen sei. Dies gilt auch für Unternehmen in der Rechtsform einer AG (vgl. zum VEB PCK S: LSG B-B, Urteile vom 28. Februar 2007, L 27 RA 342/04, und vom 6. Juli 2007, L 1 R 1117/05).
Die PCK AG S war nach ihrem Unternehmens- und Betriebszweck auch kein gleichgestellter Betrieb. Eine der in § 1 Abs. 2 2. DB genannten Betriebsarten kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. LSG B-B, Urteil vom 28. Februar 2007, aaO).
Der Senat sieht keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung des BSG mit der Modifikation des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG abzuweichen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung von Beginn an umstritten war. Allerdings ist der Gesetzgeber nicht aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz) gehalten, davon abzusehen, an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anzuknüpfen. Er ist nicht verpflichtet, sich daraus ergebende Ungleichheiten rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht verletzt, da der Kläger in der DDR keine Versorgungszusage erhalten hatte, mithin nicht davon ausgehen konnte, dass seine Entgelte ohne die entsprechende Versicherung unbeschränkt berücksichtigt würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2006, 1 BvR 320/06). Im Ergebnis hat das BVerfG die Rechtsprechung des BSG nicht für verfassungswidrig gehalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, 1 BVR 1557/01).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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