L 1 U 706/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 509/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 706/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 8. Juli 2004 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen wegen des Unfalltodes des H. W. am 5. Oktober 1978.

Die 1950 geborene Klägerin ist die Witwe des 1947 geborenen und am 5. Oktober 1978 verstorbenen H. W. (im Folgenden Versicherter genannt). Dieser war als Traktorist und Brigadier bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft J., der späteren Agrargesellschaft mbH J., beschäftigt. Der Versicherte und seine Familie wohnten in V.

Im Dezember 1992 wandte sich die Klägerin an die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente, weil ihr Ehemann am 5. Oktober 1978 bei einem Verkehrsunfall auf der B 89 tödlich verunglückt sei. Alle Unterlagen wegen der Anerkennung eines Wegeunfalls seien bei der Staatlichen Versicherung Meiningen vorhanden. Der Unfall sei auf dem Nachhauseweg von einer betrieblich angesetzten Versammlung passiert.

Der Antrag wurde in der Folge an die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, weitergeleitet.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens stellte die Beklagte fest, dass sich der Versicherte seit dem Nachmittag des 4. Oktober 1978 auf der Jahreshauptversammlung der LPG mit anschließendem Erntefest im Kulturhaus J. aufgehalten hatte. Am Morgen des 5. Oktober 1978 gegen 4.30 Uhr wurde der Versicherte auf dem Heimweg auf der B 89 als Fußgänger von einem Lkw erfasst und tödlich verletzt.

Der Antrag der Klägerin vom 16. Januar 1980, gestellt an den Vorsitzenden der LPG Pflanzenproduktion J., auf Anerkennung des Unfalls als Betriebsunfall, wurde mit Bescheid der Staatlichen Versicherung der ehemaligen DDR vom 15. Juli 1980 abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass nach dem Bericht des Volkspolizeikreisamtes Meiningen (Kriminalpolizei) der Versicherte erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen habe und nicht mit dem bereitgestellten Verkehrsmittel nach Hause gefahren sei. Ein Unfall infolge Alkoholmissbrauchs gelte nicht als Arbeitsunfall und könne dementsprechend nicht anerkannt werden.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit einer Beschwerde vom 8. August 1980, die am 19. März 1981 vor der Kreisbeschwerdekommission für die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der ehemaligen DDR verhandelt wurde. Die Verhandlung wurde, so die Niederschrift, vorübergehend ausgesetzt. Eine abschließende Entscheidung ist (wohl) nicht ergangen.

Im Rahmen der weiteren Ermittlungen der Beklagten teilte die Agrargesellschaft mbH J. mit, dass im Betrieb keine Unfallmeldung auffindbar sei. Übersandt wurde lediglich ein Schreiben an die Staatliche Versicherung vom 28. April 1980, dass sich in der Nacht vom 5. Oktober zum 6. Oktober 1978 (richtig hätte es vom 4. Oktober auf den 5. Oktober 1978 heißen müssen) in der LPG ein schwerer Unfall ereignet habe, bei dem der Kollege H. W. tödlich verletzt worden sei. Aufgrund der dadurch entstandenen schwierigen finanziellen Lage für die Familie habe die Ehefrau nachgesucht, den Tod ihres Mannes als Arbeitsunfall zu werten. Es werde gebeten, den Sachverhalt zu prüfen und über eine eventuelle Anerkennung als Arbeitsunfall zu informieren.

Versuche der Beklagten, Unfallunterlagen über die Polizeiinspektion beziehungsweise Staatsanwaltschaft beizuziehen, blieben erfolglos. Im Rahmen eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Beklagten teilte Herr R., der ehemalige LPG-Vorsitzende, am 21. Oktober 2002 mit, dass der Unfall nach dem zentralen Erntefest passiert sei. Es sei ermittelt worden, dass sich der Versicherte zu Fuß auf einem Umweg befunden habe und von einem Lkw erfasst worden sei.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall nach § 1150 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 220 Abs. 3 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB-DDR) ab. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls vorlägen. Nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten für eine umfassende Aufklärung der rechtserheblichen Tatsachen trage die Klägerin die Beweislast. Unterlagen, die nachweisen würden, dass der Unfall vom 5. Oktober 1978 als Arbeitsunfall anerkannt worden sei beziehungsweise dass der zurückgelegte Weg in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe, seien nicht vorgelegt worden. Außerdem habe die Klägerin nach dem Unfall keine Unfallhinterbliebenenrente von der Sozialversicherung der ehemaligen DDR erhalten, was auch dafür spreche, dass der Unfall damals nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden sei.

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. April 2003).

Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht die ehemaligen Kollegen des Versicherten (W. G. und O. G.) als Zeugen gehört und mit Urteil vom 8. Juli 2004 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenentschädigung wegen des Unfalltodes ihres Ehemannes zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehe, dass der Versicherte am 4. Oktober 1978 an der Jahreshauptversammlung der LPG Pflanzenproduktion im Kulturhaus J. sowie anschließend an dem von der LPG organisierten Erntefest teilgenommen habe. Dieses sei von der Genossenschaftsleitung organisiert und einberufen worden. Zweifelfrei habe während der Teilnahme an der Veranstaltung Versicherungsschutz bestanden. Auch der Heimweg sei versichert. Anhaltspunkte für eine Lösung vom Versicherungsschutz auf dem Heimweg seien nicht erkennbar. Insbesondere sei die unterlassene Nutzung des bereitgestellten Verkehrsmittels für die Heimfahrt kein Grund zur Lösung von dem Versicherungsschutz. Die Wahl des Verkehrsmittels, gegebenenfalls auch per pedes, sei dem Versicherten freigestellt. Auch vom zeitlichen Ablauf her lasse sich nicht erkennen, dass der Versicherungsschutz aufgehoben sei. Die Zeugen G. und G. hätten kein offizielles Ende der Veranstaltung benennen können. Sie seien zwar zwischen 22.00 und 23.00 Uhr mit dem bereitgestellten Bus heimgefahren, hätten jedoch bestätigen können, dass sich die Feierlichkeiten noch hingezogen hätten. Einen auffälligen zeitlichen Bruch zwischen dem Ende der Veranstaltung und dem Unfallzeitpunkt habe es nicht gegeben. Insbesondere sei auch anzunehmen, dass der Fußweg zur nächtlichen Stunde nach entsprechendem Alkoholkonsum nicht unbedingt sehr zügig zurückgelegt worden sei. Schließlich sei auch eine Lösung des Versicherungsschutzes durch übermäßigen Alkoholkonsum nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen. Dies lege zwar der Bescheid der Staatlichen Versichtung vom 15. Juli 1980 nahe. Dennoch seien weder dort noch anderen Orts Feststellungen zum Ausmaß der Alkoholisierung des Versicherten getroffen worden. Da der Versicherte nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges, sondern als Fußgänger verunfallt sei, seien auch nicht die Kriterien über die absolute Fahruntüchtigkeit als Ausschlusstatbestand für den Versicherungsschutz heranzuziehen.

Mit der dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgehe, dass der Versicherte bei dem tödlichen Verkehrsunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Das Sozialgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die näheren Umstände des Unfalls nicht mehr aufklärbar seien. Im Hinblick darauf sei es nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Beweismittel das Sozialgericht einen Unfall des Versicherten auf dem Heimweg von einer versicherten Tätigkeit als erwiesen ansehe. Die Ermittlungen des Sozialgerichts sowie die Ermittlungen der Behörde zur Beschaffung von Unterlagen über den Unfall seien ergebnislos verlaufen. Zeugenaussagen, die einen Arbeitsunfall belegen könnten, lägen ebenfalls nicht vor. Es sei noch nicht einmal der genaue Unfallhergang bekannt. Gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls spreche auch, dass sich der Unfall erst am Morgen des auf die betriebliche Veranstaltung folgenden Tages gegen 4.30 Uhr ereignet habe. Zudem widerspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ein Fußgänger für einen mehr als doppelt so langen Weg entscheide, wenn er einen kürzeren Weg nach Hause nehmen könne. Jedenfalls ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der längere Weg aus Gründen gewählt worden sei, die mit der versicherten Tätigkeit zusammenhingen. Die Annahme des Sozialgerichts, der direkte Weg habe wegen eines bewaldeten Bergrückens, dessen nächtliches Durchschreiten nicht zumutbar erscheine, nicht genommen werden können, stelle lediglich eine Vermutung dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 8. Juli 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Er habe sich auf dem Heimweg von einer organisierten betrieblichen Feier befunden. Der kürzere Weg durch den Wald und über einen Bergrücken nach V. sei wegen des Zustandes der Straße nicht zumutbar gewesen. Daher sei der längere Fußweg zu nehmen gewesen. Auf diesem Weg sei der tödliche Verkehrsunfall eingetreten. Dies sei seitens des Sozialgerichts zutreffend gewürdigt worden.

Der Senat hat im Rahmen der Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts erfolglos versucht, Unterlagen über die Thüringer Polizei, das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen und das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar beizuziehen. Vorgelegt wurden der Totenschein sowie der Rapport der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei vom 6. Oktober 1978 über den Unfall vom 5. Oktober 1978.

Des Weiteren hat der Senat die Zeugen K., B. und R. (Bl. 152 bis 156 der Gerichtsakte) sowie die Zeugin F. und den Zeugen B. (Bl. 169 bis 175) befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die entsprechenden Seiten in der Gerichtsakte verwiesen.

Zudem sind Anfragen an die Gemeinden V. und J. (Bl. 110 und 111 der Gerichtsakte) wegen der örtlichen Gegebenheiten zum Unfallzeitpunkt erfolgt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Berufung ist auch begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung war aufzuheben. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Sie verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Versicherte im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit verunfallt ist. Es handelt sich nicht um einen Wegeunfall.

Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, dass bereits zu DDR-Zeiten ein Ablehnungsbescheid ergangen ist. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die vor Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, grundsätzlich wirksam bleiben. Die Verwaltungsakte können nur aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind. Der grundsätzliche Ausschluss gilt für rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte in gleicher Weise wie für rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte (vgl. zu alledem Urteil BSG vom 11. September 2001, Az.: B 2 U 32/00R m.w.N.). Wenn jedoch - wie hier wegen der Aussetzung des Verfahrens durch die Beschwerdeinstanz - keine bestandskräftige Ablehnung vorliegt, kann auch keine Bindungswirkung des ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträgers eintreten. Die Zeugin F., die im Jahre 1981 Abteilungsleiterin für Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR, Kreisdirektion Meiningen, war und an dem Vertagungsbeschluss der Kreisbeschwerdekommission mitgewirkt hat, konnte nicht bestätigen, dass das Verfahren abgeschlossen wurde. Sie konnte sich aber daran erinnern, dass der Ablehnungsbescheid darauf beruhte, dass bei dem Unfall des Versicherten Alkohol im Spiel war.

Nach §§ 212, 214 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit § 1150 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltendem Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO, soweit nicht die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, was hier nicht der Fall ist. Der Unfall des Versicherten ist der Beklagten als dem für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger für die gesetzliche Unfallversicherung vor Ablauf der Frist des § 1150 Abs. 2 Satz 2 RVO (31. Dezember 1993) bekannt geworden.

Nach § 220 Abs. 1 des Gesetzbuches der Arbeit der ehemaligen DDR (AGB/DDR) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten sind die Teilnahme an Versammlungen oder Feierstunden von Parteien, demokratischen Organisationen, der Nationalen Front, staatlichen oder wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten, Staatlichen Einrichtungen oder Genossenschaften und die damit verbundenen Wege versichert. Zur Überzeugung des Senats fest nur fest, dass sich der Versicherte auf einer Veranstaltung befunden hat, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und sechs Stunden nach offiziellem Ende dieser Veranstaltung tödlich verunglückt ist. Dies reicht für die Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Bestimmte maßgebliche Tatsachen und Geschehnisabläufe, wie die den Versicherungs- und Versorgungsschutz begründenden Tatsachen (z.B. Arbeit, Dienstverrichtung, Dienstreise), die das schädigende Ereignis (Unfall, Erkrankung, etc.) kennzeichnenden Umstände sowie - im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität - das Bestehen eines Gesundheitsschadens bedürfen des so genannten Vollbeweises (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 38), also der Feststellung mit einem so großen Grad an Gewissheit, dass bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung kein begründbarer Zweifel an dem Vorliegen der rechtserheblichen Tatsache besteht (vgl. BSG in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Zwar muss keine absolute, jeden erdenklichen Zweifel ausschließende Gewissheit bestehen; Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen aber ebenso wenig aus wie eine möglicherweise hohe Wahrscheinlichkeit. Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Beweisgrad nachgewiesen werden, hat er die Folgen dieser Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dahingestellt bleiben, welche Gründe dazu beigetragen haben, dass der Unfall nicht bereits zu DDR-Zeiten anerkannt wurde. Selbst wenn sachwidrige Beweggründe eine Rolle gespielt haben sollten, so führt dies nicht zur Beweiserleichterung oder gar einer Beweislastumkehr. Zum einen spielte wohl der Wechsel der damaligen LPG-Vorsitzenden (R. und B.) eine bedeutsame Rolle (der alte LPG-Vorsitzende wollte etwas werden (R.) und der neue (B.) saß noch nicht so fest im Sattel, so die Aussage des Zeugen B.). Hinzu kam, dass die Klägerin durch die kirchliche Beisetzung des Versicherten und damit die Absage an ein Parteibegräbnis (auch dies hat der Zeuge B. bestätigt), den Unmut der maßgeblichen Entscheidungsorgane auf sich gezogen haben soll. Inwieweit die Alkoholisierung des Versicherten tatsächlich ein berechtigter Grund für die Ablehnung (so die Zeugin F.) gewesen wäre, ist auch fraglich. Der Grad der Alkoholisierung wurde niemals aktenkundig dokumentiert. Zwar hätte auch der erkennende Senat bei Anwendung von Übergangsrecht zumindest bei der Auslegung entsprechende Verwaltungsrichtlinien der ehemaligen DDR weiterhin zugrunde zu legen (vgl. Urteil BSG vom 4. Dezember 2001; Az.: B 2 U 35/00 R), es ist aber nicht bekannt, ob und gegebenenfalls welche Verwaltungsrichtlinien tatsächlich zugrunde gelegt wurden (und an die der Senat heute noch gebunden wäre), wenn der Verdacht auf Alkohol im Raum steht. Schließlich muss es trotz angenommener Alkoholisierung für die Vertagung durch die Beschwerdekommission einen plausiblen Grund gegeben haben. Im Übrigen müsste auch bei Anwendung einer DDR-Verwaltungspraxis immer die Blutalkoholkonzentration zweifelsfrei belegt sein. Der Versicherte befand sich bei dem Unfall nicht schon deshalb auf einem unversicherten Umweg, weil er den weiteren und asphaltierten Weg mit einer Länge von ca. 15 Kilometern und nicht den kürzeren (ca. 6 Kilometer langen), in Teilen unbefestigten Weg durch den Wald und über einen Bergrücken genommen hat. Aus dem vom Gesetzgeber geforderten unmittelbaren Zusammenhang zwischen Weg und versicherter Tätigkeit folgt nicht, dass der Versicherte ausschließlich auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zu der Arbeitsstätte geschützt ist. Ein vom Versicherten eingeschlagener Weg, der nicht nur unbedeutend länger als der kürzeste Weg ist, ist als unmittelbarer Weg anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen, sog. dritten Ort zuzurechnen wäre, um etwa eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu benutzen (vgl. BSGE 4,219, 222; BSG SozR Nr. 21 zu § 543 RVO a.F.; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 10; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 7 m.w.N., um als Kraftfahrer vor Erreichen des verkehrsmäßig überfüllten Stadtzentrums an geeigneter Stelle zu parken - BSG SozR Nr. 8 zu § 550 RVO -, um den Schlüssel zum Werkzeugschrank zu holen - BSG Urteil vom 19. Oktober 1982, Az.: 2 RU 52/81 -, um einem durch die Länge des Weges bedingten Bedürfnis nach Erfrischung zu folgen - BSG Urteil vom 25. Mai 1961, Az.: 2 RU 41/58 - oder weil sich der Versicherte verfahren hat - BSG SozR Nr. 13 zu § 543 RVO aF; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 7-). Ist demnach ein eingeschlagener Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit insbesondere weniger zeitaufwendig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig kürzeste Weg, steht auch dieser längere Weg unter Versicherungsschutz. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stand oder nur geringfügig war, besteht dagegen kein Versicherungsschutz (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 7). Über die Motivlage des Versicherten ist nichts bekannt. Er hat mit niemandem darüber gesprochen, weshalb er den Weg über die wohl auch zur Nachtzeit bzw. in den frühen Morgenstunden stark frequentierte Straße genommen hat. Wenigstens ist darüber im Nachgang nichts bekannt geworden. Der Zeuge B. mutmaßt sogar, dass der Versicherte vielleicht aus Versehen den falschen Bus genommen habe und deshalb nach E. gefahren sei. Auch dies ist denkbar. Für den Senat ist im Übrigen nur schwer nachvollziehbar, dass der Versicherte den entfernungsmäßig längeren Weg genommen hat, weil der vielleicht vermeintlich sicherer war bzw. eher die Möglichkeit bestand, von einem Fahrzeugführer mitgenommen zu werden. Im letzteren Fall wäre der entfernungsmäßig längere Weg zwar der zeitlich kürzere gewesen, so aber wurde der vermeintlich sichere Weg zum unfallbringenden, unsicheren Weg. Über die Motivlage des Versicherten kann nur spekuliert werden. Insbesondere vermögen die im Nachhinein vorgenommenen Erklärungsversuche von Familienangehörigen, Zeugen und Beteiligten nicht die Überlegungen des Versicherten zu ersetzen. Dieser Aspekt wird seitens des Sozialgerichts nicht genügend beachtet. In Anbetracht des langen zeitlichen Rahmens zwischen dem offiziellen Ende der Veranstaltung (22.00/ 22.30 Uhr) und dem Unfall ist letztlich denkbar wenig geklärt. Man weiß nicht, wann der Versicherte das Fest erlassen hat. Es steht zwar fest, dass er nicht den Bus nach V. genommen hat, aber nicht, wie lange er noch auf dem Fest geblieben ist. Der Unfallzeitpunkt ließe vermuten, dass er sich noch längere Zeit auf dem Fest aufgehalten hat, aber auch das ist spekulativ. Fest steht nur, dass keiner der Zeugen wusste, was der Versicherte zwischen der Abfahrt der Busse (so zwischen 22.00 Uhr bis 22.30 Uhr) und 4.30 Uhr (Unfallzeitpunkt) gemacht hat. Dass er zeitnah zu dem offiziellen Ende des Festes einen sechsstündigen Fußweg angetreten haben soll, wie das Sozialgericht suggerieren will und für eine zusprechende Entscheidung auch zugrunde legen muss, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Genau darauf kommt es aber an. Denn wenn das Ende der versicherten Tätigkeit (hier des Festes) und der Unfallzeitpunkt zeitlich soweit auseinander liegen, dann drängt sich die Frage auf, ob der Versicherte sich nicht von der versicherten Tätigkeit gelöst hat und der Versicherungsschutz aus diesem Grund entfällt. Diesen - sich aufdrängenden - Zweifel ist es nicht gelungen zu entkräften. Das Ende des offiziellen Teils war die Abfahrt der Busse so gegen 22.30 Uhr, wie der ehemalige verantwortliche LPG-Vorsitzende (der Zeuge R.) bestätigt hat. Um 4.30 Uhr befand sich der Versicherte kurz vor V. und wurde überfahren. Was dazwischen (immerhin in sechs Stunden) stattgefunden hat, konnte niemand sagen. Allein für den Fußweg braucht man nicht solange, zumal ja auch nicht feststeht, ob der Versicherte tatsächlich den ganzen Weg zu Fuß gegangen ist. Sollte der längere Weg wegen der Möglichkeit der Mitfahrgelegenheit gewählt worden sein, weshalb soll sich diese denn nicht, zumindest zeitweise, realisiert haben. Niemand hat den Versicherten in J. aufbrechen sehen. Niemand hat ihn unterwegs gesehen. Wenn er tatsächlich zügig vom Ort der Feier zum Unfallort unterwegs gewesen sein sollte, dann muss er noch längere Zeit auf dem Fest gewesen sein. Aber auch dann ist eine Lösung vom Versicherungsschutz eingetreten, weil in diesem Fall der eigenwirtschaftliche Anteil überwiegt. Bei versicherten Wegen geht der Versicherungsschutz durch eine eingeschobene private Verrichtung im Regelfall nicht endgültig verloren, sondern lebt nach deren Beendigung mit der Fortsetzung des angefangenen Weges wieder auf. Das gilt aber dann nicht mehr, wenn aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss, wenn also den zwischenzeitlichen betriebsfremden Aktivitäten gegenüber dem ursprünglichen Zweck des Weges ein solches Übergewicht zukommt, dass sich der weitere Weg aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten nicht mehr als Fortsetzung des früheren, sondern als Antritt eines neuen, durch die private Tätigkeit veranlassten Weges darstellt. Für Wege vom oder zum Ort der Tätigkeit hat die Rechtsprechung im Interesse einer gleichmäßigen und rechtssicheren Handhabung eine feste zeitliche Grenze von zwei Stunden festgelegt, bis zu der eine Unterbrechung für den Versicherungsschutz auf dem restlichen Weg unschädlich ist. Wird diese Grenze überschritten, ist der versicherte Weg in der Regel nicht mehr nur unterbrochen, sondern endgültig beendet und der Versicherungsschutz lebt nicht wieder auf (vgl. zur ständigen Rechtsprechung BSG Urteil vom 28. April 1976, Az.: 2 RU 147/75, SozR 2200 § 550 Nrn. 12, 18, 27 und 42, BSGE 55, 141, 143; BSGE 82, 138, 141;). Wenn der Versicherte, und dies ist denkbar, zwei Stunden nach dem Ende des offiziellen Teils der Feier aufgebrochen sein sollte (gerade wenn er ein Stück des Weges mitgenommen worden sein sollte, könnte die Verweildauer sogar noch länger gewesen sein), dann wäre eine Lösung eingetreten gewesen. Der Versicherungsschutz wäre entfallen. Ebenso verhält es sich, wenn er, egal aus welchem Grund, unterwegs eine Pause von zwei Stunden eingelegt hätte. Auch dies ist aus der zeitlichen Perspektive denkbar, wenn er tatsächlich unter starker Alkoholeinwirkung gestanden hätte und man den langen Fußmarsch berücksichtigt. Alle diese Überlegungen verdeutlichen, dass der Fall breiten Raum für Möglichkeiten und Spekulationen eröffnet und um solche handelt es sich auch im rechtlichen Sinne, weil sich keine zum Vollbeweis verdichtet, gerade nicht die Fallvariante, dass der Versicherte sich ohne Lösung auf dem unmittelbaren Heimweg befunden hat. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem Zeitablauf eine Aufklärung der tatsächlichen Umstände immer schwieriger ist. Vielleicht hätten sich direkt nach dem Unfall Zeugen gefunden, die Angaben über den Aufenthalt des Versicherten hätten machen können. Dies hat man versäumt. Auch die umfassende Beweisaufnahme im Berufungsverfahren durch Befragung der Zeugen R. und B. hat, wie bereits die Befragung der erstinstanzlichen Zeugen, keine weitere Aufklärung diesbezüglich erbracht. Dies geht zu Lasten der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 193 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved