Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3719/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5354/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1954 geborene Klägerin hat von September 1970 bis Februar 1973 eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten absolviert und war bis März 1997 als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit war sie von Januar bis Juli 1999 selbstständig in der Gastronomie tätig. Von Januar bis November 2000 absolvierte sie eine Ausbildung zur Netzwerktechnikerin, die sie jedoch nicht erfolgreich abschloss. Nach Bezug von Krankengeld und Leistungen der Agentur für Arbeit war sie von Oktober 2002 bis Juli 2003 als selbstständige Paketzustellerin tätig. Danach bezog sie wieder Leistungen der Agentur für Arbeit bzw. seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Außerdem war sie von September 2003 bis August 2004 geringfügig beschäftigt.
Am 28.2.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte ließ die Klägerin vom Orthopäden Dr. R. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte im Gutachten vom 2.5.2005 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Wiederkehrendes Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Verschleiß 2. Beginnender Verschleiß beider Hüftgelenke 3. Spreizfüße beidseits. Er führte aus, die Erwerbsfähigkeit sei nicht erheblich gefährdet. Die Klägerin sei in der Lage, sechs Stunden und mehr zu arbeiten. Zu vermeiden seien eine überwiegend einseitige Körperhaltung, häufiges Klettern oder Steigen sowie Tragen von Lasten über 10 bis 12 kg.
Mit Bescheid vom 10.5.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.09. 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Hautarzt Dr. W., den Orthopäden Dr. E. sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 19.12.2005 sowie 9.1. und 3.2.2006). Dr. Sch. erklärte, bei der Klägerin handele es sich ausschließlich um eine orthopädische Problematik. Der Orthopäde Dr. E. war der Ansicht, die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen und Stehen ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne Wirbelsäulen-Zwangshaltungen und Wirbelsäulen-Stoßbelastungen, ohne klimatisch ungünstige Einflüsse drei bis sechs Stunden täglich verrichten.
Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser nannte im Gutachten vom 20.7.2006 bei der Klägerin folgende Diagnosen: • Thorakalsyndrom bei Hyperkyphose der BWS und Teilfixierung • Thorakalsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der mittleren BWS • Chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen besonders oberhalb LWK 2 und bei L 5/S 1 • Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und Muskeldysbalancen • Radiocarpalarthrose beidseits (beginnend) • Coxarthrose beidseits (beginnend) • Femoropatellarer Knorpelschaden beidseits • Senkspreizfuß beidseits • Hallux valgus beidseits. Er führte aus, bei der Klägerin bestünden im Wesentlichen Funktionseinschränkungen der LWS und des linken Kniegelenks. Als Sozialversicherungsfachangestellte könne die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten, da diese Arbeit ganz überwiegend in sitzender Position verrichtet werde, die die Klägerin nicht den ganzen Arbeitstag über einnehmen sollte. Körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne ungünstige Witterungseinflüsse, ohne häufiges Bücken, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Klägerin legte einen Befundbericht von Dr. E. vom 6.9.2006 vor.
Mit Urteil vom 19.9.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Zu dieser Überzeugung gelange das SG auf Grund der übereinstimmenden Gutachten der Drs. H. und R ... Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie auf die Tätigkeit einer Registratorin verwiesen werden könne.
Gegen das am 29.9.2006 mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 25.10.2006 Berufung eingelegt und unter Vorlage einer schriftlichen Zeugenaussage des Orthopäden Dr. E. vom 6.7.2007 (eingeholt vom SG im Verfahren S 1 SB 1506/07) und Attesten von Dr. R., Arzt für psychotherapeutische Medizin, vom 4.7.2007 und Dr. Sch., Arzt für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, vom 2.10.2007 vorgetragen, entgegen der Auffassung in den angefochtenen Bescheide der Beklagten und im Urteil des SG sei sie wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben den Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet leide sie unter einer mittelschweren Fibromyalgie, die nicht berücksichtigt worden sei. Ferner seien auch die psychosomatischen und psychovegetativen Störungen unberücksichtigt geblieben. Sie befinde sich gegenwärtig in Behandlung bei Dr. R., der eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik sowie somatoforme autonome Funktionsstörungen diagnostiziert habe. Entgegen den Ausführungen im Urteil des SG sei sie auch berufsunfähig, da sie aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeit als Registratorin nicht ausüben könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Professor Dr. Dr. W., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus Günzburg, mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 5.3.2008 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, die auf Grund der Exploration jedoch leichteren Ausmaßes erscheine und grundsätzlich aus eigener Willensanstrengung bzw. mit Hilfe zumutbarer ärztlicher Behandlung in wesentlichen Teilen überwunden werden könne, festgestellt. Er hat ausgeführt, im Vordergrund stehe die desolate finanzielle Situation, die jedoch kein eigenständiges Krankheitsbild darstelle, zumal die Klägerin in erheblichem Umfang Aktivitäten erkennen lasse, sich sozial nicht zurückgezogen habe, vielmehr ihre Interessen weiterhin kämpferisch vertrete. Über die auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet genannten Einschränkungen hinaus erschienen auf psychiatrischem Fachgebiet Tätigkeiten nicht mehr zumutbar, die mit besonderem Zeitdruck und Stress einhergingen. Die Umstellungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Nutzung geistiger Fähigkeiten seien demgegenüber nicht eingeschränkt. Körperlich leichte Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten.
Mit Verfügung vom 9.5.2008 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die am 6.6.2008 eingegangene Stellungnahme der Klägerin hat der Senat mit Verfügung vom 9.6.2008 mitgeteilt, dass weitere Beweiserhebungen nicht beabsichtigt seien und es bei der Verfügung vom 9.5.2008 verbleibe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 9.5.2008 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der orthopädischen Gutachten von Dr. R. vom 2.5.2005 und Dr. H. vom 20.7.2006, der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Lang vom 20. und 31.3.2006 und insbesondere des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens von Professor Dr. Dr. W. vom 5.3.2008.
Die Klägerin leidet nach den auf den oben genannten ärztlichen Unterlagen und den Angaben ihrer behandelnden Ärzte Dr. E., Dr. Sch. und Dr. R. beruhenden Feststellungen des Senats im Wesentlichen unter folgenden, ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen: • Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom • Kniebeschwerden • Somatoforme Schmerzstörung. Aufgrund des Wirbelsäulensyndroms und der Kniebeschwerden kann die Klägerin keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 bis 15 kg, mit häufigem Bücken, Klettern oder Steigen, in überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband sowie unter ungünstigen Witterungseinflüssen mehr verrichten. Wegen der somatoformen Schmerzstörung sind der Klägerin keine Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck und Stress mehr zumutbar. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen hindern die Klägerin jedoch nicht, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund der im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen der Orthopäden Dr. R. und Dr. H. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. W ...
Der behandelnde Orthopäde der Klägerin Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 9.1.2006 körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne ungünstige Witterungseinflüsse ebenfalls für möglich gehalten, wobei er jedoch die tägliche Arbeitszeit auf drei bis sechs Stunden eingeschränkt hat. Gründe, weshalb der Klägerin derartige Tätigkeiten nur noch unter sechs Stunden täglich möglich sein sollten, hat er nicht angegeben.
Aus dem Attest des Arztes für psychotherapeutische Medizin Dr. R. vom 4.7.2007 lasse sich ebenfalls keine Funktionseinschränkungen entnehmen, die eine körperlich leichte sechsstündige Tätigkeit ausschließen würden. Gegen gravierende Leistungseinschränkungen aufgrund des psychischen Befundes spricht zunächst, dass die Klägerin den Arzt für psychotherapeutische Medizin Dr. R. nach Rentenantragstellung lediglich einmal aufgesucht hat und keine einschlägigen psychiatrischen Therapien (Psychotherapie bzw. Behandlung mit Medikamenten, z. B. Antidepressiva) durchgeführt werden. So nimmt die Klägerin (aufgrund von Magenbeschwerden) nur selten Ibuprofen 600 ein, gelegentlich (ein- bis zweimal pro Woche) Johanniskraut sowie zwei homöopathische Präparate (Neurovital, Traumeel). Eine schwerwiegendere depressive Antriebs- oder Affektstörung bzw. ein sozialer Rückzug konnte bei der gutachterlichen Exploration und Untersuchung durch Professor Dr. Dr. W. bei der Klägerin nicht festgestellt werden, vielmehr zeigte sie sich kämpferisch und steuerungsfähig. Sie ist - neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II - noch in der Lage, Geld durch Kartenlegen am Telefon hinzu zu verdienen und wäre interessiert, diese Tätigkeit hauptberuflich auszuüben, wofür sie jedoch keine Chance sieht. Ferner betreibt sie am PC Ahnenforschung und ist in der Lage, ihren Haushalt (2-Zimmer-Wohnung, 70 qm) allein zu versorgen. Darüber hinaus unterhält sie Kontakte zu ihrem Bruder, ihrer Mutter und zwei Freundinnen, die sie teilweise mit dem Auto aufsucht.
Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierten Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, wie sich aus den Gutachten von Dr. R., Dr. H. und Prof. Dr. Dr. W. ergibt. Darüber hinaus kann die Klägerin einen Arbeitsplatz mit dem Auto erreichen, da sie sowohl im Besitz eines Führerscheins als auch eines Autos ist. Auch benötigt die Klägerin keine betriebs-unüblichen Pausen. Eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit und der Umstellungsfähigkeit besteht bei der Klägerin nicht, wie der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. entnimmt. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, häufigem Bücken, Klettern und Steigen, überwiegend einseitiger Körperhaltung, Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband sowie ungünstigen Witterungseinflüssen verbunden. Der Ausschluss von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck und Stress führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Bürotätigkeiten) überwiegend in wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde in normaltemperierten Räumen verrichtet werden und nicht mit besonderem Zeitdruck und Stress verbunden sind. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach Ansicht des Senats ist die Klägerin auf Grund der oben genannten Gesundheitsstörungen auch nicht gehindert, weiterhin als Sozialversicherungsfachangestellte bzw. Sachbearbeiterin sechs Stunden täglich zu arbeiten. Zwar wird diese Tätigkeit überwiegend im Sitzen verrichtet; es bestehen hierbei jedoch ausreichende Möglichkeiten zum Haltungswechsel, sodass eine zeitliche Einschränkung auf unter sechs Stunden nicht begründbar ist. Insoweit schließlich der Senat der Beurteilung von Dr. Lang an. Der hiervon abweichenden Beurteilung von Dr. H. folgt der Senat nicht, zumal dieser nicht berücksichtigt hat, dass auch bei Bürotätigkeiten Haltungswechsel möglich und häufig auch erforderlich sind, etwa um Akten oder Unterlagen zu holen oder weg zu bringen. Im übrigen wäre die Klägerin - wie das SG zu Recht ausgeführt hat - auch auf die Tätigkeit einer Registratorin verweisbar.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1954 geborene Klägerin hat von September 1970 bis Februar 1973 eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten absolviert und war bis März 1997 als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit war sie von Januar bis Juli 1999 selbstständig in der Gastronomie tätig. Von Januar bis November 2000 absolvierte sie eine Ausbildung zur Netzwerktechnikerin, die sie jedoch nicht erfolgreich abschloss. Nach Bezug von Krankengeld und Leistungen der Agentur für Arbeit war sie von Oktober 2002 bis Juli 2003 als selbstständige Paketzustellerin tätig. Danach bezog sie wieder Leistungen der Agentur für Arbeit bzw. seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Außerdem war sie von September 2003 bis August 2004 geringfügig beschäftigt.
Am 28.2.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte ließ die Klägerin vom Orthopäden Dr. R. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte im Gutachten vom 2.5.2005 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Wiederkehrendes Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Verschleiß 2. Beginnender Verschleiß beider Hüftgelenke 3. Spreizfüße beidseits. Er führte aus, die Erwerbsfähigkeit sei nicht erheblich gefährdet. Die Klägerin sei in der Lage, sechs Stunden und mehr zu arbeiten. Zu vermeiden seien eine überwiegend einseitige Körperhaltung, häufiges Klettern oder Steigen sowie Tragen von Lasten über 10 bis 12 kg.
Mit Bescheid vom 10.5.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.09. 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Hautarzt Dr. W., den Orthopäden Dr. E. sowie den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 19.12.2005 sowie 9.1. und 3.2.2006). Dr. Sch. erklärte, bei der Klägerin handele es sich ausschließlich um eine orthopädische Problematik. Der Orthopäde Dr. E. war der Ansicht, die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen und Stehen ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne Wirbelsäulen-Zwangshaltungen und Wirbelsäulen-Stoßbelastungen, ohne klimatisch ungünstige Einflüsse drei bis sechs Stunden täglich verrichten.
Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser nannte im Gutachten vom 20.7.2006 bei der Klägerin folgende Diagnosen: • Thorakalsyndrom bei Hyperkyphose der BWS und Teilfixierung • Thorakalsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der mittleren BWS • Chronisches Lumbalsyndrom bei radiologischen Verschleißzeichen besonders oberhalb LWK 2 und bei L 5/S 1 • Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und Muskeldysbalancen • Radiocarpalarthrose beidseits (beginnend) • Coxarthrose beidseits (beginnend) • Femoropatellarer Knorpelschaden beidseits • Senkspreizfuß beidseits • Hallux valgus beidseits. Er führte aus, bei der Klägerin bestünden im Wesentlichen Funktionseinschränkungen der LWS und des linken Kniegelenks. Als Sozialversicherungsfachangestellte könne die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten, da diese Arbeit ganz überwiegend in sitzender Position verrichtet werde, die die Klägerin nicht den ganzen Arbeitstag über einnehmen sollte. Körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne ungünstige Witterungseinflüsse, ohne häufiges Bücken, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Die Klägerin legte einen Befundbericht von Dr. E. vom 6.9.2006 vor.
Mit Urteil vom 19.9.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Zu dieser Überzeugung gelange das SG auf Grund der übereinstimmenden Gutachten der Drs. H. und R ... Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie auf die Tätigkeit einer Registratorin verwiesen werden könne.
Gegen das am 29.9.2006 mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 25.10.2006 Berufung eingelegt und unter Vorlage einer schriftlichen Zeugenaussage des Orthopäden Dr. E. vom 6.7.2007 (eingeholt vom SG im Verfahren S 1 SB 1506/07) und Attesten von Dr. R., Arzt für psychotherapeutische Medizin, vom 4.7.2007 und Dr. Sch., Arzt für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, vom 2.10.2007 vorgetragen, entgegen der Auffassung in den angefochtenen Bescheide der Beklagten und im Urteil des SG sei sie wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben den Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet leide sie unter einer mittelschweren Fibromyalgie, die nicht berücksichtigt worden sei. Ferner seien auch die psychosomatischen und psychovegetativen Störungen unberücksichtigt geblieben. Sie befinde sich gegenwärtig in Behandlung bei Dr. R., der eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik sowie somatoforme autonome Funktionsstörungen diagnostiziert habe. Entgegen den Ausführungen im Urteil des SG sei sie auch berufsunfähig, da sie aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeit als Registratorin nicht ausüben könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Professor Dr. Dr. W., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus Günzburg, mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 5.3.2008 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, die auf Grund der Exploration jedoch leichteren Ausmaßes erscheine und grundsätzlich aus eigener Willensanstrengung bzw. mit Hilfe zumutbarer ärztlicher Behandlung in wesentlichen Teilen überwunden werden könne, festgestellt. Er hat ausgeführt, im Vordergrund stehe die desolate finanzielle Situation, die jedoch kein eigenständiges Krankheitsbild darstelle, zumal die Klägerin in erheblichem Umfang Aktivitäten erkennen lasse, sich sozial nicht zurückgezogen habe, vielmehr ihre Interessen weiterhin kämpferisch vertrete. Über die auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet genannten Einschränkungen hinaus erschienen auf psychiatrischem Fachgebiet Tätigkeiten nicht mehr zumutbar, die mit besonderem Zeitdruck und Stress einhergingen. Die Umstellungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Nutzung geistiger Fähigkeiten seien demgegenüber nicht eingeschränkt. Körperlich leichte Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten.
Mit Verfügung vom 9.5.2008 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die am 6.6.2008 eingegangene Stellungnahme der Klägerin hat der Senat mit Verfügung vom 9.6.2008 mitgeteilt, dass weitere Beweiserhebungen nicht beabsichtigt seien und es bei der Verfügung vom 9.5.2008 verbleibe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 9.5.2008 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der orthopädischen Gutachten von Dr. R. vom 2.5.2005 und Dr. H. vom 20.7.2006, der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Lang vom 20. und 31.3.2006 und insbesondere des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens von Professor Dr. Dr. W. vom 5.3.2008.
Die Klägerin leidet nach den auf den oben genannten ärztlichen Unterlagen und den Angaben ihrer behandelnden Ärzte Dr. E., Dr. Sch. und Dr. R. beruhenden Feststellungen des Senats im Wesentlichen unter folgenden, ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen: • Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom • Kniebeschwerden • Somatoforme Schmerzstörung. Aufgrund des Wirbelsäulensyndroms und der Kniebeschwerden kann die Klägerin keine Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 bis 15 kg, mit häufigem Bücken, Klettern oder Steigen, in überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband sowie unter ungünstigen Witterungseinflüssen mehr verrichten. Wegen der somatoformen Schmerzstörung sind der Klägerin keine Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck und Stress mehr zumutbar. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen hindern die Klägerin jedoch nicht, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund der im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen der Orthopäden Dr. R. und Dr. H. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. W ...
Der behandelnde Orthopäde der Klägerin Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 9.1.2006 körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne ungünstige Witterungseinflüsse ebenfalls für möglich gehalten, wobei er jedoch die tägliche Arbeitszeit auf drei bis sechs Stunden eingeschränkt hat. Gründe, weshalb der Klägerin derartige Tätigkeiten nur noch unter sechs Stunden täglich möglich sein sollten, hat er nicht angegeben.
Aus dem Attest des Arztes für psychotherapeutische Medizin Dr. R. vom 4.7.2007 lasse sich ebenfalls keine Funktionseinschränkungen entnehmen, die eine körperlich leichte sechsstündige Tätigkeit ausschließen würden. Gegen gravierende Leistungseinschränkungen aufgrund des psychischen Befundes spricht zunächst, dass die Klägerin den Arzt für psychotherapeutische Medizin Dr. R. nach Rentenantragstellung lediglich einmal aufgesucht hat und keine einschlägigen psychiatrischen Therapien (Psychotherapie bzw. Behandlung mit Medikamenten, z. B. Antidepressiva) durchgeführt werden. So nimmt die Klägerin (aufgrund von Magenbeschwerden) nur selten Ibuprofen 600 ein, gelegentlich (ein- bis zweimal pro Woche) Johanniskraut sowie zwei homöopathische Präparate (Neurovital, Traumeel). Eine schwerwiegendere depressive Antriebs- oder Affektstörung bzw. ein sozialer Rückzug konnte bei der gutachterlichen Exploration und Untersuchung durch Professor Dr. Dr. W. bei der Klägerin nicht festgestellt werden, vielmehr zeigte sie sich kämpferisch und steuerungsfähig. Sie ist - neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II - noch in der Lage, Geld durch Kartenlegen am Telefon hinzu zu verdienen und wäre interessiert, diese Tätigkeit hauptberuflich auszuüben, wofür sie jedoch keine Chance sieht. Ferner betreibt sie am PC Ahnenforschung und ist in der Lage, ihren Haushalt (2-Zimmer-Wohnung, 70 qm) allein zu versorgen. Darüber hinaus unterhält sie Kontakte zu ihrem Bruder, ihrer Mutter und zwei Freundinnen, die sie teilweise mit dem Auto aufsucht.
Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierten Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, wie sich aus den Gutachten von Dr. R., Dr. H. und Prof. Dr. Dr. W. ergibt. Darüber hinaus kann die Klägerin einen Arbeitsplatz mit dem Auto erreichen, da sie sowohl im Besitz eines Führerscheins als auch eines Autos ist. Auch benötigt die Klägerin keine betriebs-unüblichen Pausen. Eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit und der Umstellungsfähigkeit besteht bei der Klägerin nicht, wie der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. entnimmt. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, häufigem Bücken, Klettern und Steigen, überwiegend einseitiger Körperhaltung, Stehen an laufenden Maschinen und am Fließband sowie ungünstigen Witterungseinflüssen verbunden. Der Ausschluss von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck und Stress führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Bürotätigkeiten) überwiegend in wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde in normaltemperierten Räumen verrichtet werden und nicht mit besonderem Zeitdruck und Stress verbunden sind. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach Ansicht des Senats ist die Klägerin auf Grund der oben genannten Gesundheitsstörungen auch nicht gehindert, weiterhin als Sozialversicherungsfachangestellte bzw. Sachbearbeiterin sechs Stunden täglich zu arbeiten. Zwar wird diese Tätigkeit überwiegend im Sitzen verrichtet; es bestehen hierbei jedoch ausreichende Möglichkeiten zum Haltungswechsel, sodass eine zeitliche Einschränkung auf unter sechs Stunden nicht begründbar ist. Insoweit schließlich der Senat der Beurteilung von Dr. Lang an. Der hiervon abweichenden Beurteilung von Dr. H. folgt der Senat nicht, zumal dieser nicht berücksichtigt hat, dass auch bei Bürotätigkeiten Haltungswechsel möglich und häufig auch erforderlich sind, etwa um Akten oder Unterlagen zu holen oder weg zu bringen. Im übrigen wäre die Klägerin - wie das SG zu Recht ausgeführt hat - auch auf die Tätigkeit einer Registratorin verweisbar.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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