L 28 B 830/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 582/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 830/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 23 As. 1 Satz 3 SGB II erlaubt nicht eine Aufrechnung mit erst künftig fälligen Leistungsansprüchen
Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 6. Februar 2008 wird aufgehoben. Dem Kläger wird für den bei dem Sozialgericht Cottbus anhängig gewesenen Rechtstreit Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt V T, Bstr., C, beigeordnet. Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen. Kosten dieses Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtgesetz [SGG]) ist begründet. Dem Kläger ist für den bei dem Sozialgericht Cottbus anhängig gewesenen erstinstanzlichen Rechtsstreit nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach den genannten Vorschriften davon abhängig, dass die von dem bedürftigen Kläger beabsichtigte Rechtswahrnehmung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Daher beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Steht eine höchstrichterliche Klärung von im Hauptsacheverfahren noch entscheidungserheblichen Fragen aus, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 -, BvR 656/06, zitiert nach Juris, RdNr. 13 m. w. Nachw.).

Kommt insbesondere eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 3. Juni 2003, 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216). Dies muss dazu führen, dass die Erfolgsaussicht eines Rechtsschutzbegehrens insbesondere dann nicht verneint werden darf, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt, der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages in der ersten Instanz, also mit Eingang der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Januar 2008 beim Sozialgericht Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht bestand.

An diesen Grundsätzen gemessen hatte die Klage des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Denn nach dem damaligen Sach- und Streitstand wäre zunächst zu klären gewesen, ob der Widerspruch des Klägers gegen den Sanktionsbescheid vom 7. April 2006 fristgerecht erhoben worden ist. Der Kläger hat insoweit "seine Freundin" als Zeugin benannt, mit der er am "5. Mai 2006 kurz vor 8:00 Uhr im Gebäude der Beklagten" gewesen sein will. Nach seinen Angaben hat er in Gegenwart dieser Freundin von einer Mitarbeiterin der Beklagten (Frau H) die Auskunft erhalten, dass er den "Widerspruch in den Briefkasten einwerfen" müsse. Abgesehen davon, dass, sofern dieser Vortrag zutreffend ist, in diesem Fall zu prüfen gewesen wäre, ob der Kläger bereits mündlich Widerspruch gegen die streitbefangene Entscheidung erhoben hat, hat der Kläger "seine Freundin" als Zeugin für sein weiteres Vorbringen benannt, den schriftlichen Widerspruch dann tatsächlich in den Briefkasten eingeworfen zu haben.

Soweit es in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2008 hierzu heißt, dass die Beklagtenvertreterin erklärt habe, dass sie in der Schule (der Freundin des Klägers) nachgefragt und die Auskunft erhalten habe, dass die Schule am 5. Mai 2006 um 7:30 Uhr begonnen habe und die Freundin anwesend gewesen sei, macht weder dieser Vortrag noch das vom Gericht beanstandete widersprüchliche Vorbringen des Klägers eine entsprechende Beweiserhebung entbehrlich. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist nicht zulässig.

Ausweislich der vorgenannten Niederschrift will der Kläger im Übrigen bereits vor dem 5. Mai 2006 bei einer anderen Mitarbeiterin der Beklagten, einer Frau D, vorgesprochen haben. Gegenstand dieses Gespräches soll ebenfalls die von der Beklagten angekündigte Sanktion nach § 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch gewesen sein. Nach dem weiteren Vortrag des Klägers hat er die Auskunft erhalten, "dass alles schon weiter gegeben" worden sei, und er "nur noch Widerspruch einlegen" könne. Auch insoweit wäre gegebenenfalls durch Vernehmung dieser Mitarbeiterin zu klären gewesen, ob und wann dieses Gespräch stattgefunden und ob der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt fristgemäß gegen eine bereits vorliegende Entscheidung der Beklagten, die ihm möglicherweise mündlich bekannt gegeben worden ist, Widerspruch erhoben hat.

Auch in der Sache bestand im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs hinreichende Erfolgsaussicht. So dürfte nach dem Vortrag des Klägers, aber auch nach der Aktenlage fraglich sein, ob der Nachweis hätte geführt werden können, dass dem Kläger das Schreiben vom 13. März 2006 mit den Vermittlungsvorschlägen zugegangen ist.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichte an die aufgrund des Sachvortrages eines Beteiligten ausgesprochene Prozesskostenhilfeentscheidung nicht endgültig gebunden sind. Hat eine Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Tatsachen vorgetäuscht, kann das Gericht nach § 124 Nr. 1 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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