L 10 R 5166/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5661/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5166/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.7.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begeht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1950 geborene Klägerin hat von 1965 bis 1968 den Beruf einer Industriekauffrau erlernt und war anschließend bis 1984 im erlernten Beruf tätig. Von 1985 bis 2001 war sie als Kauffrau im Betrieb ihres Ehemannes und nach dessen Schließung vom 01.04.2002 bis 28.08.2005 als Kassiererin in einer Großgärtnerei beschäftigt. Seitdem ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 12.06.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.08.2006 und Widerspruchsbescheid vom 27.10.2006 ab. Dem lag ein Gutachten der Radiologin Lux (chronische Lumbalgien bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation und vorhandenem Rezidiv-/Restprolaps L4/L5 links, Belastungsbeschwerden des rechten Kniegelenks bei bekannter leichter Arthose ohne Funktionseinschränkungen, leichte Beinvaricosis beidseits, unklare Sensibilitätsstörungen an den Händen bei ausgeschlossenem Nervenengpasssyndrom; die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kassiererin mit reinem Stehen sei der Klägerin nicht mehr zumutbar, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Arbeiten im Knien oder in der Hocke sowie ohne häufiges Bücken könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben) zu Grunde.

Die Klägerin hat am 30.11.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und geltend gemacht, wie durch ihren Hausarzt Dr. Sch. bestätigt werde, könne sie nur noch unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein.

Das Sozialgericht hat die behandelnde Orthopädin Dr. H. (Behandlung u.a. wegen einer Gonarthrose, Rückenbeschwerden bei Zustand nach Nukleotomie L4/5 und ISG-Blockierung rechts sowie eines Verdachts auf ein Carpaltunnelsyndrom beidseits; die Klägerin könne körperlich leichte berufliche Tätigkeiten unter Vermeidung von Zugluft, schwerem Heben und Tragen und Arbeiten in Zwangshaltungen vollschichtig ausüben), den behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. (Behandlung wegen eines degenerativen Lendenwirbelsäulenleidens; die Klägerin könne auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden täglich ausüben) und die behandelnde Orthopädin Sch. (Behandlung von September 2005 bis März 2006 wegen Rückenbeschwerden; zum Zeitpunkt der letzten Vorstellung habe die Klägerin ihre Tätigkeit als Kassiererin nicht und eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden ausüben können, eine körperlich leichte berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sollte möglich sein) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört sowie eine Auskunft der letzten Arbeitgeberin, Firma H. Gartencenter GmbH (Beschäftigung als Kassiererin, die Einarbeitungszeit für eine ungelernte Kraft ohne Vorkenntnisse betrage drei bis sechs Monate) eingeholt. Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörte Sachverständige Dr. J. hat eine diskrete Wirbelsäulenfehlstatik mit geringer Bewegungseinschränkung im Lendenwirbelsäulenbereich, eine chronische Pseudoradikulopathie links nach Bandscheibenoperation, eine geringe Schultereckgelenksarthose beidseits ohne Funktionsdefizit, eine geringe Epicondylitis humeri radialis rechts, einen chronischen Reizzustand des rechten Kniegelenks mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei fortgeschrittenen degenerativen Knorpelveränderungen und einen leichten Spreizfuß beidseits festgestellt. Die Klägerin könne leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über acht Kilogramm, Arbeiten in vornübergebeugter Körperhaltung, Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in der Hocke und im Knien sowie mit häufigem Treppensteigen und Arbeiten in Nässe und Kälte noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Urteil vom 19.07.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil sie leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung häufiger Wirbelsäulenzwangshaltungen, Arbeiten im Knien oder in der Hocke sowie häufigen Bückens) in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Auf Grund ihrer als angelernte Tätigkeit des unteren Bereichs zu bewertenden zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Kassiererin sei die Klägerin zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedürfe.

Gegen das am 17.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.10.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, das Sozialgericht wäre gehalten gewesen, eine Auskunft auf nervenärztlichem Gebiet einzuholen; daraus hätte sich ergeben, dass sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sei. Außerdem habe sie nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils einen Bandscheibenvorfall erlitten, infolge dessen sie auch wegen der Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfülle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Karlsruhe vom 19.07.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.06.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat die Entlassungsberichte über ein stationäres Heilverfahren in den R. Kliniken, W. vom 26.02.2008 bis 08.03.2008 (großer Bandscheibenvorfall links in Höhe LWK4/5 mit Nukleotomie am 31.01.2008, chronisches Schmerzsyndrom; die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kassiererin könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich verrichten, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung von Zwangshaltungen, gebückten Haltungen, dem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten und unter Rücksichtnahme auf Heben und Tragen von Lasten könne die Klägerin nach erfolgreicher Rekonvaleszenz mindestens sechs Stunden täglich ausüben) und ein stationäres Heilverfahren in den Fachkliniken Hohenurach vom 17.04.2008 bis 08.05.2008 (zweite Renukleotomie L4/5 links im März 2008, Gonarthrose rechts; die Klägerin könne leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen von Lasten über sieben Kilogramm, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne ruckartige Bewegungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben) vorgelegt.

Der Senat hat den behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (einmalige Behandlung am 15.11.2007; anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Irritation der Lumbosakralwurzeln; die Klägerin sei für mittelschwere bis schwere Arbeiten wegen der LWS-Schmerzproblematik nicht mehr geeignet) und den behandelnden Chirurgen Dr. Sch. (Behandlung wegen Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 und Rezidivprolaps mit Anmeldung zur Operation im Dezember 2007; die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne die Einnahme von Zwangshaltungen nur noch drei bis sechs Stunden täglich, nicht jedoch sechs Stunden und länger ausüben) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht ergibt. Zwar wurde im Dezember 2007 ein Rezidivvorfall LWK 4/5 links nachgewiesen, dieser wurde jedoch mit Nukleotomie am 31.01.2008 und Renukleotomie am 12.03.2008 erfolgreich operativ behandelt, so dass daraus eine dauerhafte, über sechs Monate hinausgehende Minderung des quantitativen Leistungsvermögens nicht resultiert. Dies ergibt sich insbesondere aus dem von der Beklagten vorgelegten Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in den Fachkliniken Hohenurach vom 17.04.2008 bis 08.05.2008. Bei Entlassung aus dem Heilverfahren war die Wirbelsäulenbelastbarkeit - so Dr. H. im Entlassungsbericht - nur noch gering reduziert, das Leistungsvermögen beurteilte Dr. H. mit vollschichtig für leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen von Lasten über sieben Kilogramm, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne ruckartige Bewegungen. Gegen die Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Entlassungsbericht hat die Klägerin auch keine Einwände erhoben. Die Einschätzung des behandelnden Chirurgen Dr. Sch. ist nicht geeignet, Zweifel an der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Entlassungsbericht der Fachkliniken Hohenurach zu begründen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Dr. Sch. bei Abgabe seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage im April 2008 das Ergebnis der stationären Behandlung in den Fachkliniken Hohenurach noch nicht absehen konnte, darüber hinaus hat auch Dr. Sch. bereits im April 2008 ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden täglich angegeben. Nachdem - so Dr. H. im Entlassungsbericht - im Rahmen des stationären Heilverfahrens eine Beschwerde- und Schmerzlinderung, eine Lockerung der muskulären Verspannungen, eine funktionelle Anpassung der Muskulatur, eine Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit, deutliche Steigerung der allgemeinen Leistungsfähigkeit und Ausdauer und günstige Beeinflussung des Krankheitserlebens und des Körperbewusstseins erreicht werden konnte, ist plausibel, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im Vergleich zum Zeitpunkt der Beurteilung durch Dr. Sch. weiter zugenommen hat.

Eine das Leistungsvermögen wesentlich beeinträchtigende Gesundheitsstörung auf nervenfachärztlichem Gebiet ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich - wie sich aus der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. H. ergibt - lediglich einmalig in fachärztlicher neurologisch-psychiatrischer Behandlung befunden. Dr. H. hat zwar neben einer Irritation der Lumbosakralwurzeln L4/5 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert, jedoch insofern keinen weiteren Behandlungsbedarf gesehen, da er nach seinen Angaben keine weiteren Behandlungen oder Untersuchungen veranlasst hat. Im Übrigen hat Dr. H. lediglich eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für mittelschwere bis schwere Arbeiten und dies wegen der bestehenden LWS-Schmerzproblematik angegeben. Ergänzend ist anzumerken, dass auch der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht krankhafte Befunde auf nervenfachärztlichem Gebiet nicht genannt und als das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Fachgebiet lediglich dasjenige der Orthopädie angegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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