Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 3869/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3494/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. Mai 2007 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) ab 01. März 2004 zusteht.
Der am 1988 geborene Kläger war über seinen Vater bis zum 17. März 2000 bei der Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt familienversichert. Seit 18. März 2000 besteht insoweit eine Familienversicherung bei der Beklagten, nachdem die Familie des Klägers nach Baden-Württemberg umgezogen war. Der Kläger besuchte seitdem in H. die C.-S.-Schule - Schule für geistig Behinderte (Schule). Bei ihm besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 wegen körperlicher und geistiger Entwicklungsstörung.
Im Gutachten der Pflegefachkraft L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt vom 30. Mai 1995 wurde bei körperlicher und geistiger Entwicklungsstörung Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I bejaht. Mit Bescheid vom 07. Juni 1995 bewilligte daraufhin die Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt dem Kläger ab 01. April 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe I. Dieses wurde bis März 2000 von der genannten Pflegekasse gezahlt. Mit Bescheid vom 14. Juni 2000 bewilligte die Beklagte, ohne eine erneute Untersuchung durchgeführt zu haben, weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. April 2000. Auf Veranlassung der Beklagten führten Dr. R. und die Pflegefachkraft H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) am 10. August 2000 eine Nachuntersuchung des Klägers in dessen häuslicher Umgebung durch. Im Gutachten vom 29. August 2000 wurde als Diagnose eine Entwicklungsverzögerung genannt. Es wurde für die Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege (Baden, Zahnpflege, Wasserlassen) von 17 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) von zwei Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden) von zwei Minuten, insgesamt 21 Minuten angenommen. Mit Bescheid vom 30. August 2000 teilte dann die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01. September 2000 keine Pflegeleistungen mehr bezahlt werden könnten, da der MDK den erforderlichen Hilfebedarf nicht mehr habe feststellen können. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger Hilfebedarf auch beim Kämmen, beim Stuhlgang sowie beim Richten der Bekleidung geltend; im Übrigen sei der Hilfebedarf höher zu veranschlagen; er bezifferte den Hilfebedarf bei der Grundpflege pro Tag mit 125 Minuten. Nach der Erhebung der Stellungnahme nach Aktenlage des Dr. K. vom 01. Dezember 2000 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2001 zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) S 5 P 594/01 erhob das SG das am 15. Februar 2002 erstattete Sachverständigengutachten des Internisten - Betriebsmedizin Dr. Hu ... Der Sachverständige führte aus, der Kläger benötige Hilfe bei der Körperpflege (morgendliches Baden mit Beaufsichtigung und Unterstützung, abendliches Duschen mit Teilübernahme, zweimalige intensive Aufforderung zur Zahnpflege, einmalige tägliche Unterstützung bei der Darmentleerung mit Nachreinigung, zehn- bis dreizehnmalige, davon dreimal nächtliche Blasenentleerung, insbesondere als Aufforderung dazu, mehrfach täglich erforderliche Reinigung des Umfelds in der Toilette wegen Unachtsamkeit beim Wasserlassen), bei der Ernährung (einmalige tägliche Übernahme der mundgerechten Zubereitung von Fleischspeisen) und bei der Mobilität (zweimalige intensive Aufforderung zum Aufstehen und Zubettgehen, Richten der erforderlichen Kleidung mindestens einmal täglich sowie mindestens einmal täglich Schuhe binden [auch in der Schule] und morgens intensive Aufforderung zum Anziehen). Wenn man für Duschen und Baden täglich fünf Minuten, für Zahnpflege zwei Minuten, für Intimhygiene bei der Darmentleerung eine Minute, für die Blasenentleerungen 25 Minuten, für die Reinigung des Umfelds fünf Minuten, für die mundgerechte Zubereitung zwei Minuten und für das An- und Ausziehen drei Minuten ansetze, ergebe sich ein Zeitaufwand von 48 Minuten pro Tag. Ferner erhob das SG eine Auskunft der Schule vom 19. Juli 2002. Die Beklagte reichte MDK-Stellungnahmen des Dr. K. vom 19. Juni 2001 und 07. Mai 2002 ein. Am 02. April 2003 schlossen die Beteiligten in jenem Verfahren einen gerichtlichen Vergleich, wonach die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I auch über den 31. August 2000 hinaus bis zum 31. Dezember 2003 gewährte.
Am 31. März 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Fortzahlung von Pflegegeld; dabei wurde Hilfebedarf bei der Körperpflege und bei der Ernährung angegeben. Die Beklagte veranlasste dazu die Stellungnahme des MDK. Unter dem 12. Mai 2005 gab die Pflegefachkraft Kl. ihre Stellungnahme dahin ab, dass aus den vorgelegten Unterlagen keine erhebliche Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegestufe I ersichtlich sei. Es ging danach am 18. Mai 2004 eine "Hilfebedarfsermittlung" des Klägers ein (Bl. 8 bis 11 der Verwaltungsakte der Beklagten Teil I). Im Kurzgutachten nach Aktenlage vom 02. Juni 2004 schätzte die Pflegefachkraft Kl. den täglichen Grundpflegebedarf beim Kläger mit 22 Minuten ein (Körperpflege 13 Minuten, Ernährung drei Minuten und Mobilität sechs Minuten). Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Juni 2004 die Gewährung von Pflegegeld ab, da derzeit im Bereich der Grundpflege die Pflege des Klägers nicht einen Umfang von mehr als 45 Minuten pro Tag erreiche. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die nun festgestellten Zeitangaben seien nicht angemessen. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege liege bei 52 Minuten pro Tag (Baden insgesamt 30 Minuten, Zahnpflege drei Minuten, Ernährung - mundgerechte Zubereitung von Brot und Fleisch - drei Minuten, Ankleiden vier Minuten, Auskleiden vier Minuten, nächtlicher Hilfebedarf - Toilettengang - acht Minuten). Die Beklagte erhob das weitere Kurzgutachten nach Aktenlage des Dr. R. vom 21. Juli 2004, der den grundpflegerischen Hilfebedarf pro Tag auf zehn Minuten schätzte (Körperpflege fünf Minuten und Mobilität ebenfalls fünf Minuten). Die Angaben des Klägers seien aufgrund des Schulberichts nicht nachvollziehbar. Der Kläger sei dort bei der Körperpflege und Selbstversorgung überwiegend selbstständig. Er brauche aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten ständige Aufsicht. Diese finde jedoch in der Pflegebegutachtung keine Berücksichtigung. Mit Schreiben vom 02. August 2004 verwies die Beklagte auf dieses weitere MDK-Gutachten und es wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 07. Oktober 2004 der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger sei bei der Körperpflege und Selbstversorgung überwiegend selbstständig, brauche jedoch aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten ständige Aufsicht. Aufsichtführende Tätigkeiten könnten jedoch außerhalb der nach den Richtlinien vorgegebenen Anrechnungsmöglichkeit nicht berücksichtigt werden.
Deswegen erhob der Kläger am 03. November 2004 Klage beim SG. Er machte geltend, die Betreuungssituation habe sich bei ihm im Vergleich zu Dezember 2003 nicht geändert. Es bestehe ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 48 Minuten (Schriftsatz vom 18. April 2005) bzw. 52 Minuten (Schriftsatz vom 02. November 2004).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der geltend gemachte Hilfebedarf bei der Grundpflege widerspreche den Angaben der Eltern im Bedarfsermittlungsbogen vom 18. Mai 2004.
Das SG erhob das am 22. April 2006 erstattete Gutachten des Dr. M., Arzt für Allgemeinmedizin, der den Kläger am 23. März 2006 in dessen häuslicher Umgebung untersuchte. Der Sachverständige nahm einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 33 Minuten an, und zwar bei der Körperpflege 27 Minuten (Waschen drei Minuten, Duschen zehn Minuten, Zähneputzen sechs Minuten, Kämmen eine Minute sowie Darm- und Blasenentleerung sieben Minuten), bei der Ernährung für die mundgerechte Zubereitung drei Minuten (Kleinschneiden von Fleisch und Brot) sowie bei der Mobilität drei Minuten für An- und Auskleiden (Anleitung und Beaufsichtigung, damit adäquates Be- und Entkleiden stattfindet). Nachdem der Kläger Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben und den täglichen Hilfebedarf für die Grundpflege nun auf 61 Minuten beziffert hatte (vgl. Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai, 08. September und 21. Dezember 2006 sowie 14. Februar 2007), gab Dr. M. am 22. Januar 2007 eine ergänzende Stellungnahme ab. Seine Einschätzung sei um fünf weitere Pflegeminuten pro Tag zu korrigieren, nämlich für eine mögliche Nachbesserung bei der Zahn- und Mundhygiene (drei Minuten) und bei der Intimhygiene nach Darmentleerung (zwei Minuten). Die Beklagte äußerte sich dahin, dass die Zeitwerte des Sachverständigen im Hinblick auf die nur reduzierten Hilfen in der Regel zur Anleitung und Beaufsichtigung großzügig bemessen seien.
Mit Urteil vom 07. Mai 2007 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. März 2004 zu gewähren. Im Übrigen, soweit der Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I bereits seit 01. Februar 2004 begehrt hatte, wies es die Klage ab. Es führte aus, über die Zeitansätze des Sachverständigen Dr. M. in seinem Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme (insgesamt 38 Minuten) hinaus sehe die Kammer weitere zehn Minuten an notwendigem Hilfebedarf. Es bestehe ein Zeitbedarf für Hilfeleistungen bei einer zusätzlichen Unterkörperwäsche am Nachmittag nach der Heimkunft des Klägers aus der Schule von jedenfalls fünf Minuten. Wie die Mutter anschaulich und glaubhaft geschildert habe, schaffe es der Kläger des Öfteren, sich während des Heimtransports von der Schule am Nachmittag mit Kot zu verschmieren; außerdem nässe er beim Transport, obwohl er vorher in der Schule noch auf die Toilette gehe, regelmäßig ein, sodass daheim die Unterhose wieder nass sei. Dies bedeute, dass eine regelmäßige Unterkörperwäsche am Nachmittag oder frühen Abend auf jeden Fall plausibel sei. Dafür sei ein Zeitansatz von fünf Minuten gerechtfertigt, denn der Kläger führe nach der anschaulichen Schilderung der Mutter keine sorgfältige Unterkörperwäsche durch. Hinsichtlich des zweimaligen Stuhlgangs pro Tag sei es mit der Erinnerung des Klägers daran, die Toilette zum Stuhlgang aufzusuchen, nicht getan. Nach der Verrichtung des Stuhlgangs müsse die Mutter bei der Intimhygiene nachhelfen oder diese selbst kontrollieren und übernehmen (weiterer Zeitbedarf von zweimal zwei Minuten). Ferner sei auch ein Hilfebedarf im Bereich des Einschenkens von Getränken zu berücksichtigen. Der Kläger habe zwar die mobilen Fertigkeiten, um an und für sich ein Getränk selbst einzuschenken. Wie die Mutter des Klägers jedoch anschaulich dargelegt habe, gieße er, da er während des Einschenkens an alles Mögliche denke und in die Luft gucke, regelmäßig zu viel ein, sodass die Tasse oder das Glas überliefen und deshalb ein Hilfebedarf bestehe, den der Sachverständige, der nur auf die mobilen Fertigkeiten zum Eingießen abstelle, nicht erkenne (Minimalbedarf eine Minute pro Tag).
Gegen das ihr am 18. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, Zweifel hinsichtlich der Angaben der Eltern, was die Häufigkeit des Einnässens angehe, ergäben sich bereits aus dem Gutachten des Dr. Hu. vom 15. Februar 2002, der dort ausgeführt habe, dass bis etwa zur Übersiedlung nach H. der Kläger auch tagsüber eingenässt habe; nach etwa vierzehn Tagen nach dem Schulbesuch sei dies jedoch zu Ende gewesen; nur noch beispielsweise bei längeren Klassenfahrten müsse er eine Windel tagsüber tragen; das nächtliche Einnässen sei nach wie vor unverändert. Es sei deshalb zweifelhaft, wenn nunmehr fünf Jahre später angegeben werde, der Kläger würde immer noch regelmäßig auch tagsüber einnässen, und zwar nicht nur gelegentlich. Das SG habe insoweit die Angaben der Mutter des Klägers in unkritischer Weise übernommen und allein schon deswegen eine regelmäßige Unterkörperwäsche am Nachmittag von fünf Minuten angenommen. Die Angaben der Mutter des Klägers seien auch nach den Gesamtumständen wenig plausibel. Falls ein regelmäßiges Einnässen selbst nach einem unmittelbaren Toilettenbesuch tagsüber auftreten sollte, wäre dies in der Schule mit Sicherheit bemerkt worden und es müssten dort entsprechende pflegerische Aufzeichnungen vorhanden sein. Gleiches gelte im Übrigen für das weiter behauptete tägliche Einnässen am Spätnachmittag bzw. frühen Abend während des Spielens am Computer. Auch würde gelegentliches Auftreten eines Hilfebedarfs nicht ausreichen. Es überzeuge auch nicht, wenn Dr. M. für dreimaliges Zähneputzen insgesamt neun Minuten veranschlage. Der Wert von drei Minuten für Beaufsichtigung und bestenfalls Anleitung sei für einen Vorgang von vornherein zu hoch angesetzt. Auch sei zu bezweifeln, dass eine dreimalige tägliche Zahnpflege tatsächlich durchgeführt werde. Der Hilfebedarf beim Trinken werde vom Kläger auch übertrieben dargestellt. Jedenfalls sei der vom Sachverständigen Dr. M. im Gutachten vom April 2006 festgestellte Hilfebedarf mehr als ausreichend und eher großzügig bemessen. Im Übrigen habe Dr. M. darauf hingewiesen, dass das nächtliche Einnässen unter Zuhilfenahme von Einlagematerialien und nächtlichem Toilettentraining prognostisch sicher zu überwinden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. Mai 2007 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Seine Mutter kaufe jede Woche mindestens ein Paket Klopapier mit acht Rollen ein. Der erhebliche Mehrverbrauch entfalle ausschließlich auf ihn. Er habe Schuhe mit Schnürsenkeln. Diese könne er nicht selbst binden. Er erhalte deshalb allzu ausschließlich Schuhe mit Klettverschlüssen. Mit den übrigen Kleidungsstücken komme er dann nicht klar, wenn diese mit Knöpfen und mit Reißverschlüssen versehen seien. Deshalb kauften ihm seine Eltern meistens Hosen mit Gummizügen. Bei ihm bestehe jetzt noch Hilfebedarf nachts wegen des Einnässens. Seine Mutter habe im Übrigen den derzeitigen Hilfebedarf auch hinsichtlich des täglichen Einnässens anschaulich beschrieben. Insoweit könne nicht auf das Sachverständigengutachten des Dr. Hu. aus dem Jahre 2002 verwiesen werden. Entscheidend sei, dass er regelmäßig eingenässt habe, wenn er aus der Schule komme, wobei die gesamte Fahrzeit jeweils ca. 30 Minuten betrage. Auch in der Schule werde er ständig aufgefordert, die Toilette aufzusuchen. Es solle verhindert werden, dass er einnässe. Wenn er dort zur Toilette gehe, erfolge dies stets unter Aufsicht. Für das Zähneputzen sei jeweils ein Zeitbedarf von drei Minuten anzusetzen. Das Zähneputzen müsse beaufsichtigt werden. Die Zahnpasta sei aufzubringen. Er müsse täglich mehrere Male die Zähne putzen. Erstmals putze er sich die Zähne in der Zeit, in der er unter der Dusche stehe bzw. geduscht werde. In der Schule würden die Zähne zweimal geputzt, einmal nach dem Frühstück und einmal nach dem Mittagessen. Zu Hause sei das Zähneputzen auch noch zu beaufsichtigen, bevor er ins Bett gehe. In der schulfreien Zeit und am Wochenende sowie an Feiertagen putze er die Zähne dreimal. Dies bedeute, dass an diesen Tagen bzw. in diesen Zeiträumen ein Hilfebedarf von neun Minuten erforderlich sei. Während der Schulzeit betrage der Hilfebedarf lediglich sechs Minuten. Das Einschenken von Getränken müsse von den Eltern vorgenommen werden. Wenn er sich selbst ein Getränk einschenke, werde dieses verschüttet. Im Übrigen komme es beim Umfang des Hilfebedarfs nicht in erster Linie auf die Feststellungen und Prognosen eines Sachverständigen an, sondern vielmehr darauf, welchen Hilfebedarf er benötige. Dieses könnten letztlich nur seine Eltern richtig beurteilen.
Der Berichterstatter des Senats hat die Auskunft der Schule vom 17. September 2007 (Bl. 27 f. der LSG-Akte) sowie eine schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des den Kläger seit 01. Juni 2006 behandelnden Facharztes für Urologie/Kinderurologie Dr. L. vom 25. Oktober 2007 (Bl. 36 f. der LSG-Akte) eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (zwei Teile), der Akte des SG S 5 P 594/01 sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht weder ab 01. März 2004 noch ab einem späteren Zeitpunkt hier allein streitiges Pflegegeld nach § 37 SGB XI zu, denn es liegen derzeit die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vor.
Streitgegenstand war der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004, mit dem die Beklagte die am 31. März 2004 beantragte Gewährung von Pflegegeld abgelehnt hat. Da die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I zuletzt auf der nach dem gerichtlichen Vergleich vom 02. April 2003 bis zum 31. Dezember 2003 befristeten Leistungszusage (zur Befristung durch Bescheid vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]) beruht hatte, war originär - ohne Anwendung des § 48 SGB X, mithin auch nicht durch Feststellung einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs im Vergleich zu den Verhältnissen bei der Begutachtung durch Dr. Hu. im früher anhängig gewesenen gerichtlichen Verfahren - zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorliegen. Da lediglich die Beklagte gegen das SG-Urteil Berufung eingelegt hat, bezieht sich diese originäre Prüfung nur auf die Zeit ab 01. März 2004.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflege ein - in unterschiedlicher Höhe zu zahlendes Pflegegeld (vgl. Satz 2 der Vorschrift) - beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Insoweit sind pflegebedürftig nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im Einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität). Zur Grundpflege gehört grundsätzlich nicht die Behandlungspflege. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind nur dann als Bestandteil der in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Katalogverrichtungen zu berücksichtigen, wenn sie in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nrn. 2, 11 und 15). Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reicht nur dann aus, wenn die vorherige, gleichzeitige oder unmittelbar anschließende Durchführung der krankheitspezifischen Maßnahmen mit der Verrichtung objektiv erforderlich ist und nicht etwa, insbesondere aus medizinischen Gründen, auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden könnte. Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es mithin allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege an. Maßgebend sind Funktionseinschränkungen bei den einzelnen Verrichtungen der Grundpflege, die insoweit Hilfe bedingen, nicht jedoch das Vorliegen einer Erkrankung als solcher und auch nicht ein bestimmter aufgrund von Behinderungen festgestellter GdB. Der Bezug der Pflegebedürftigkeit auf bestimmte Verrichtungen und die Nichtberücksichtigung eines allgemeinen Betreuungsaufwands ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG SozR 4-3300 § 14 Nr. 1). Der Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI ist abschließend; sonstige dort nicht genannte Tätigkeiten können keine Berücksichtigung finden. Die Zeitkorridore, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen (BRi) vom 21. März 1997 in der Fassung vom 11. Mai 2006 enthalten, können für die dem Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 BRi; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Insoweit ist im konkreten Fall auch zu berücksichtigen, in welcher Form die Hilfe geleistet werden muss, als Unterstützung, als teilweise Übernahme, als vollständige Übernahme oder als verrichtungsbezogene Beaufsichtigung und Anleitung.
Entgegen der Ansicht des SG beträgt der Zeitaufwand bei der Grundpflege im Falle des Klägers nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht mindestens 46 volle (= mehr als 45) Minuten. Dabei stützt sich der Senat auf das Sachverständigengutachten des Dr. M. vom 22. April 2006 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 22. Januar 2007. Insoweit hat der Sachverständige bei der Grundpflege einen Hilfebedarf von täglich 38 Minuten festgestellt, die als Hilfeformen der Beaufsichtigung und Anleitung, aber auch mangels genügender Konzentration der Unterstützung (Nachbesserung im wesentlichen Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Zähne putzen, Kämmen sowie Darm- und Blasenentleerung) anfallen. Insoweit ergibt sich auch aus der Auskunft der Schule vom 17. September 2007, dass der Kläger dort beim Zähneputzen (einmal) sowie bei der Darm- und Blasenentleerung lediglich der Aufsicht bedarf. Soweit allerdings der Sachverständige Dr. M. beim Zähneputzen und der Mundhygiene dreimal drei Minuten (= neun Minuten) in Ansatz gebracht hat, erscheint dieser Wert als überhöht. Einerseits ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger dreimal täglich die Zähne putzt, zumal die Schule lediglich einmaliges Zähneputzen dort bestätigt hat. Abgesehen davon hat der Kläger im Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 vorgetragen, dass erstmals die Zähne morgens in der Zeit geputzt würden, in der er unter der Dusche stehe bzw. geduscht werde. Da insoweit die Beaufsichtigung beim Duschen und beim Zähneputzen zusammenfallen, könnte insoweit für das Zähneputzen kein besonderer Hilfebedarf für die Beaufsichtigung angerechnet werden. Insoweit kann lediglich von einem täglichen Hilfebedarf von 35 Minuten ausgegangen werden.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass, wie vom SG angenommen, dieser Hilfebedarf von 35 (oder 38 Minuten) pro Tag noch um insgesamt zehn Minuten zu vermehren ist, weshalb dann die Grenze von 46 Minuten erreicht wäre. Insoweit bringt das SG einen weiteren Hilfebedarf von fünf Minuten pro Tag wegen gelegentlicher Kotverschmierung und regelmäßigem Einnässen des Klägers auf der halbstündigen Fahrt von der Schule nach Hause in Ansatz. Einen solchen zusätzlichen Hilfebedarf, der regelmäßig anfällt, vermag der Senat nicht zu bejahen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Auskunft der Schule vom 17. September 2007 der Kläger dort die Toilette selbstständig aufsucht und dass dort ab dem Schuljahr 2004/2005 jedenfalls kein Einnässen mehr festgestellt wurde. Nachdem morgens, auf der Fahrt des Klägers von der elterlichen Wohnung zur Schule, kein Einnässen besteht, vermag es den Senat nicht zu überzeugen, dass dann jedoch bei der Rückkehr nach Hause am Mittag bzw. Nachmittag regelmäßig ein Einnässen vorliege, weshalb die Aufsicht bei der Reinigung des Unterkörpers erforderlich sein soll, zumal der Kläger vor der Rückfahrt nach Hause unter Aufsicht jeweils die Toilette aufsucht. Der tägliche Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten pro Tag wäre mithin nicht erreicht, wenn der Senat, wie vom SG angenommen, einen Hilfebedarf von zweimal zwei Minuten bei der Intimhygiene nach der Verrichtung des Stuhlgangs annehmen würde, abgesehen davon, dass es beim Stuhlgang nach dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz um das Verhindern des übermäßigen Verbrauchs von Toilettenpapier geht, sowie von einer Minute, die als Hilfe beim dosierten Einschenken von Getränken erforderlich sein soll. Weiter zu berücksichtigender Hilfebedarf ist nicht nachgewiesen. Insbesondere ist auch nicht ein weiteres Einnässen beim Kläger beim Spielen am Computer nachgewiesen, weshalb insoweit weiterer Hilfebedarf hinsichtlich der Aufsicht bei der Reinigung des Unterkörpers erforderlich wäre. Soweit der Kläger geltend macht, er könne bei Schnürschuhen Schnürsenkel nicht selbst binden, ist insoweit kein regelmäßiger Hilfebedarf zu berücksichtigen. Denn der Kläger trägt weiter selbst vor, dass er nahezu ausschließlich Schuhe mit Klettverschlüssen erhalte; diese könne er selbst schließen. Ferner macht der Kläger zwar geltend, mit Kleidungsstücken nicht klarzukommen, wenn diese mit Knöpfen oder Reißverschlüssen versehen seien. Deswegen ist er jedoch seinem Vorbringen zufolge meist mit Hosen mit Gummizügen versorgt. Soweit der Kläger Schwierigkeiten mit dem Anziehen einzelner Kleidungsstück, beispielsweise einer ihm von seiner Schwester geschenkten Jacke, hat, rechtfertigt dies keinen zusätzlichen regelmäßigen Hilfebedarf beim An- und Ausziehen. Das Gutachten des Dr. Hu. vom 15. Februar 2002 kann nicht dazu dienen, die Voraussetzungen der Pflegestufe I auch ab 01. März 2004 weiterhin zu begründen. Auch der Umstand, dass der Sachverständige Dr. M. darauf hingewiesen hat, dass der Kläger insgesamt der äußeren Erscheinung nach einem dreizehn- bis vierzehnjährigen Kind entspreche, während sein geistiger Leistungszustand der eines Fünf- bis Sechsjährigen sei, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt sind.
Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Danach war das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) ab 01. März 2004 zusteht.
Der am 1988 geborene Kläger war über seinen Vater bis zum 17. März 2000 bei der Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt familienversichert. Seit 18. März 2000 besteht insoweit eine Familienversicherung bei der Beklagten, nachdem die Familie des Klägers nach Baden-Württemberg umgezogen war. Der Kläger besuchte seitdem in H. die C.-S.-Schule - Schule für geistig Behinderte (Schule). Bei ihm besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 wegen körperlicher und geistiger Entwicklungsstörung.
Im Gutachten der Pflegefachkraft L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt vom 30. Mai 1995 wurde bei körperlicher und geistiger Entwicklungsstörung Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I bejaht. Mit Bescheid vom 07. Juni 1995 bewilligte daraufhin die Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt dem Kläger ab 01. April 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe I. Dieses wurde bis März 2000 von der genannten Pflegekasse gezahlt. Mit Bescheid vom 14. Juni 2000 bewilligte die Beklagte, ohne eine erneute Untersuchung durchgeführt zu haben, weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. April 2000. Auf Veranlassung der Beklagten führten Dr. R. und die Pflegefachkraft H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) am 10. August 2000 eine Nachuntersuchung des Klägers in dessen häuslicher Umgebung durch. Im Gutachten vom 29. August 2000 wurde als Diagnose eine Entwicklungsverzögerung genannt. Es wurde für die Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege (Baden, Zahnpflege, Wasserlassen) von 17 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) von zwei Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden) von zwei Minuten, insgesamt 21 Minuten angenommen. Mit Bescheid vom 30. August 2000 teilte dann die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01. September 2000 keine Pflegeleistungen mehr bezahlt werden könnten, da der MDK den erforderlichen Hilfebedarf nicht mehr habe feststellen können. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger Hilfebedarf auch beim Kämmen, beim Stuhlgang sowie beim Richten der Bekleidung geltend; im Übrigen sei der Hilfebedarf höher zu veranschlagen; er bezifferte den Hilfebedarf bei der Grundpflege pro Tag mit 125 Minuten. Nach der Erhebung der Stellungnahme nach Aktenlage des Dr. K. vom 01. Dezember 2000 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2001 zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) S 5 P 594/01 erhob das SG das am 15. Februar 2002 erstattete Sachverständigengutachten des Internisten - Betriebsmedizin Dr. Hu ... Der Sachverständige führte aus, der Kläger benötige Hilfe bei der Körperpflege (morgendliches Baden mit Beaufsichtigung und Unterstützung, abendliches Duschen mit Teilübernahme, zweimalige intensive Aufforderung zur Zahnpflege, einmalige tägliche Unterstützung bei der Darmentleerung mit Nachreinigung, zehn- bis dreizehnmalige, davon dreimal nächtliche Blasenentleerung, insbesondere als Aufforderung dazu, mehrfach täglich erforderliche Reinigung des Umfelds in der Toilette wegen Unachtsamkeit beim Wasserlassen), bei der Ernährung (einmalige tägliche Übernahme der mundgerechten Zubereitung von Fleischspeisen) und bei der Mobilität (zweimalige intensive Aufforderung zum Aufstehen und Zubettgehen, Richten der erforderlichen Kleidung mindestens einmal täglich sowie mindestens einmal täglich Schuhe binden [auch in der Schule] und morgens intensive Aufforderung zum Anziehen). Wenn man für Duschen und Baden täglich fünf Minuten, für Zahnpflege zwei Minuten, für Intimhygiene bei der Darmentleerung eine Minute, für die Blasenentleerungen 25 Minuten, für die Reinigung des Umfelds fünf Minuten, für die mundgerechte Zubereitung zwei Minuten und für das An- und Ausziehen drei Minuten ansetze, ergebe sich ein Zeitaufwand von 48 Minuten pro Tag. Ferner erhob das SG eine Auskunft der Schule vom 19. Juli 2002. Die Beklagte reichte MDK-Stellungnahmen des Dr. K. vom 19. Juni 2001 und 07. Mai 2002 ein. Am 02. April 2003 schlossen die Beteiligten in jenem Verfahren einen gerichtlichen Vergleich, wonach die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I auch über den 31. August 2000 hinaus bis zum 31. Dezember 2003 gewährte.
Am 31. März 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Fortzahlung von Pflegegeld; dabei wurde Hilfebedarf bei der Körperpflege und bei der Ernährung angegeben. Die Beklagte veranlasste dazu die Stellungnahme des MDK. Unter dem 12. Mai 2005 gab die Pflegefachkraft Kl. ihre Stellungnahme dahin ab, dass aus den vorgelegten Unterlagen keine erhebliche Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegestufe I ersichtlich sei. Es ging danach am 18. Mai 2004 eine "Hilfebedarfsermittlung" des Klägers ein (Bl. 8 bis 11 der Verwaltungsakte der Beklagten Teil I). Im Kurzgutachten nach Aktenlage vom 02. Juni 2004 schätzte die Pflegefachkraft Kl. den täglichen Grundpflegebedarf beim Kläger mit 22 Minuten ein (Körperpflege 13 Minuten, Ernährung drei Minuten und Mobilität sechs Minuten). Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Juni 2004 die Gewährung von Pflegegeld ab, da derzeit im Bereich der Grundpflege die Pflege des Klägers nicht einen Umfang von mehr als 45 Minuten pro Tag erreiche. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die nun festgestellten Zeitangaben seien nicht angemessen. Der Hilfebedarf bei der Grundpflege liege bei 52 Minuten pro Tag (Baden insgesamt 30 Minuten, Zahnpflege drei Minuten, Ernährung - mundgerechte Zubereitung von Brot und Fleisch - drei Minuten, Ankleiden vier Minuten, Auskleiden vier Minuten, nächtlicher Hilfebedarf - Toilettengang - acht Minuten). Die Beklagte erhob das weitere Kurzgutachten nach Aktenlage des Dr. R. vom 21. Juli 2004, der den grundpflegerischen Hilfebedarf pro Tag auf zehn Minuten schätzte (Körperpflege fünf Minuten und Mobilität ebenfalls fünf Minuten). Die Angaben des Klägers seien aufgrund des Schulberichts nicht nachvollziehbar. Der Kläger sei dort bei der Körperpflege und Selbstversorgung überwiegend selbstständig. Er brauche aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten ständige Aufsicht. Diese finde jedoch in der Pflegebegutachtung keine Berücksichtigung. Mit Schreiben vom 02. August 2004 verwies die Beklagte auf dieses weitere MDK-Gutachten und es wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 07. Oktober 2004 der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger sei bei der Körperpflege und Selbstversorgung überwiegend selbstständig, brauche jedoch aufgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten ständige Aufsicht. Aufsichtführende Tätigkeiten könnten jedoch außerhalb der nach den Richtlinien vorgegebenen Anrechnungsmöglichkeit nicht berücksichtigt werden.
Deswegen erhob der Kläger am 03. November 2004 Klage beim SG. Er machte geltend, die Betreuungssituation habe sich bei ihm im Vergleich zu Dezember 2003 nicht geändert. Es bestehe ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 48 Minuten (Schriftsatz vom 18. April 2005) bzw. 52 Minuten (Schriftsatz vom 02. November 2004).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der geltend gemachte Hilfebedarf bei der Grundpflege widerspreche den Angaben der Eltern im Bedarfsermittlungsbogen vom 18. Mai 2004.
Das SG erhob das am 22. April 2006 erstattete Gutachten des Dr. M., Arzt für Allgemeinmedizin, der den Kläger am 23. März 2006 in dessen häuslicher Umgebung untersuchte. Der Sachverständige nahm einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 33 Minuten an, und zwar bei der Körperpflege 27 Minuten (Waschen drei Minuten, Duschen zehn Minuten, Zähneputzen sechs Minuten, Kämmen eine Minute sowie Darm- und Blasenentleerung sieben Minuten), bei der Ernährung für die mundgerechte Zubereitung drei Minuten (Kleinschneiden von Fleisch und Brot) sowie bei der Mobilität drei Minuten für An- und Auskleiden (Anleitung und Beaufsichtigung, damit adäquates Be- und Entkleiden stattfindet). Nachdem der Kläger Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben und den täglichen Hilfebedarf für die Grundpflege nun auf 61 Minuten beziffert hatte (vgl. Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai, 08. September und 21. Dezember 2006 sowie 14. Februar 2007), gab Dr. M. am 22. Januar 2007 eine ergänzende Stellungnahme ab. Seine Einschätzung sei um fünf weitere Pflegeminuten pro Tag zu korrigieren, nämlich für eine mögliche Nachbesserung bei der Zahn- und Mundhygiene (drei Minuten) und bei der Intimhygiene nach Darmentleerung (zwei Minuten). Die Beklagte äußerte sich dahin, dass die Zeitwerte des Sachverständigen im Hinblick auf die nur reduzierten Hilfen in der Regel zur Anleitung und Beaufsichtigung großzügig bemessen seien.
Mit Urteil vom 07. Mai 2007 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. März 2004 zu gewähren. Im Übrigen, soweit der Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I bereits seit 01. Februar 2004 begehrt hatte, wies es die Klage ab. Es führte aus, über die Zeitansätze des Sachverständigen Dr. M. in seinem Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme (insgesamt 38 Minuten) hinaus sehe die Kammer weitere zehn Minuten an notwendigem Hilfebedarf. Es bestehe ein Zeitbedarf für Hilfeleistungen bei einer zusätzlichen Unterkörperwäsche am Nachmittag nach der Heimkunft des Klägers aus der Schule von jedenfalls fünf Minuten. Wie die Mutter anschaulich und glaubhaft geschildert habe, schaffe es der Kläger des Öfteren, sich während des Heimtransports von der Schule am Nachmittag mit Kot zu verschmieren; außerdem nässe er beim Transport, obwohl er vorher in der Schule noch auf die Toilette gehe, regelmäßig ein, sodass daheim die Unterhose wieder nass sei. Dies bedeute, dass eine regelmäßige Unterkörperwäsche am Nachmittag oder frühen Abend auf jeden Fall plausibel sei. Dafür sei ein Zeitansatz von fünf Minuten gerechtfertigt, denn der Kläger führe nach der anschaulichen Schilderung der Mutter keine sorgfältige Unterkörperwäsche durch. Hinsichtlich des zweimaligen Stuhlgangs pro Tag sei es mit der Erinnerung des Klägers daran, die Toilette zum Stuhlgang aufzusuchen, nicht getan. Nach der Verrichtung des Stuhlgangs müsse die Mutter bei der Intimhygiene nachhelfen oder diese selbst kontrollieren und übernehmen (weiterer Zeitbedarf von zweimal zwei Minuten). Ferner sei auch ein Hilfebedarf im Bereich des Einschenkens von Getränken zu berücksichtigen. Der Kläger habe zwar die mobilen Fertigkeiten, um an und für sich ein Getränk selbst einzuschenken. Wie die Mutter des Klägers jedoch anschaulich dargelegt habe, gieße er, da er während des Einschenkens an alles Mögliche denke und in die Luft gucke, regelmäßig zu viel ein, sodass die Tasse oder das Glas überliefen und deshalb ein Hilfebedarf bestehe, den der Sachverständige, der nur auf die mobilen Fertigkeiten zum Eingießen abstelle, nicht erkenne (Minimalbedarf eine Minute pro Tag).
Gegen das ihr am 18. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, Zweifel hinsichtlich der Angaben der Eltern, was die Häufigkeit des Einnässens angehe, ergäben sich bereits aus dem Gutachten des Dr. Hu. vom 15. Februar 2002, der dort ausgeführt habe, dass bis etwa zur Übersiedlung nach H. der Kläger auch tagsüber eingenässt habe; nach etwa vierzehn Tagen nach dem Schulbesuch sei dies jedoch zu Ende gewesen; nur noch beispielsweise bei längeren Klassenfahrten müsse er eine Windel tagsüber tragen; das nächtliche Einnässen sei nach wie vor unverändert. Es sei deshalb zweifelhaft, wenn nunmehr fünf Jahre später angegeben werde, der Kläger würde immer noch regelmäßig auch tagsüber einnässen, und zwar nicht nur gelegentlich. Das SG habe insoweit die Angaben der Mutter des Klägers in unkritischer Weise übernommen und allein schon deswegen eine regelmäßige Unterkörperwäsche am Nachmittag von fünf Minuten angenommen. Die Angaben der Mutter des Klägers seien auch nach den Gesamtumständen wenig plausibel. Falls ein regelmäßiges Einnässen selbst nach einem unmittelbaren Toilettenbesuch tagsüber auftreten sollte, wäre dies in der Schule mit Sicherheit bemerkt worden und es müssten dort entsprechende pflegerische Aufzeichnungen vorhanden sein. Gleiches gelte im Übrigen für das weiter behauptete tägliche Einnässen am Spätnachmittag bzw. frühen Abend während des Spielens am Computer. Auch würde gelegentliches Auftreten eines Hilfebedarfs nicht ausreichen. Es überzeuge auch nicht, wenn Dr. M. für dreimaliges Zähneputzen insgesamt neun Minuten veranschlage. Der Wert von drei Minuten für Beaufsichtigung und bestenfalls Anleitung sei für einen Vorgang von vornherein zu hoch angesetzt. Auch sei zu bezweifeln, dass eine dreimalige tägliche Zahnpflege tatsächlich durchgeführt werde. Der Hilfebedarf beim Trinken werde vom Kläger auch übertrieben dargestellt. Jedenfalls sei der vom Sachverständigen Dr. M. im Gutachten vom April 2006 festgestellte Hilfebedarf mehr als ausreichend und eher großzügig bemessen. Im Übrigen habe Dr. M. darauf hingewiesen, dass das nächtliche Einnässen unter Zuhilfenahme von Einlagematerialien und nächtlichem Toilettentraining prognostisch sicher zu überwinden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07. Mai 2007 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Seine Mutter kaufe jede Woche mindestens ein Paket Klopapier mit acht Rollen ein. Der erhebliche Mehrverbrauch entfalle ausschließlich auf ihn. Er habe Schuhe mit Schnürsenkeln. Diese könne er nicht selbst binden. Er erhalte deshalb allzu ausschließlich Schuhe mit Klettverschlüssen. Mit den übrigen Kleidungsstücken komme er dann nicht klar, wenn diese mit Knöpfen und mit Reißverschlüssen versehen seien. Deshalb kauften ihm seine Eltern meistens Hosen mit Gummizügen. Bei ihm bestehe jetzt noch Hilfebedarf nachts wegen des Einnässens. Seine Mutter habe im Übrigen den derzeitigen Hilfebedarf auch hinsichtlich des täglichen Einnässens anschaulich beschrieben. Insoweit könne nicht auf das Sachverständigengutachten des Dr. Hu. aus dem Jahre 2002 verwiesen werden. Entscheidend sei, dass er regelmäßig eingenässt habe, wenn er aus der Schule komme, wobei die gesamte Fahrzeit jeweils ca. 30 Minuten betrage. Auch in der Schule werde er ständig aufgefordert, die Toilette aufzusuchen. Es solle verhindert werden, dass er einnässe. Wenn er dort zur Toilette gehe, erfolge dies stets unter Aufsicht. Für das Zähneputzen sei jeweils ein Zeitbedarf von drei Minuten anzusetzen. Das Zähneputzen müsse beaufsichtigt werden. Die Zahnpasta sei aufzubringen. Er müsse täglich mehrere Male die Zähne putzen. Erstmals putze er sich die Zähne in der Zeit, in der er unter der Dusche stehe bzw. geduscht werde. In der Schule würden die Zähne zweimal geputzt, einmal nach dem Frühstück und einmal nach dem Mittagessen. Zu Hause sei das Zähneputzen auch noch zu beaufsichtigen, bevor er ins Bett gehe. In der schulfreien Zeit und am Wochenende sowie an Feiertagen putze er die Zähne dreimal. Dies bedeute, dass an diesen Tagen bzw. in diesen Zeiträumen ein Hilfebedarf von neun Minuten erforderlich sei. Während der Schulzeit betrage der Hilfebedarf lediglich sechs Minuten. Das Einschenken von Getränken müsse von den Eltern vorgenommen werden. Wenn er sich selbst ein Getränk einschenke, werde dieses verschüttet. Im Übrigen komme es beim Umfang des Hilfebedarfs nicht in erster Linie auf die Feststellungen und Prognosen eines Sachverständigen an, sondern vielmehr darauf, welchen Hilfebedarf er benötige. Dieses könnten letztlich nur seine Eltern richtig beurteilen.
Der Berichterstatter des Senats hat die Auskunft der Schule vom 17. September 2007 (Bl. 27 f. der LSG-Akte) sowie eine schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des den Kläger seit 01. Juni 2006 behandelnden Facharztes für Urologie/Kinderurologie Dr. L. vom 25. Oktober 2007 (Bl. 36 f. der LSG-Akte) eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (zwei Teile), der Akte des SG S 5 P 594/01 sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht weder ab 01. März 2004 noch ab einem späteren Zeitpunkt hier allein streitiges Pflegegeld nach § 37 SGB XI zu, denn es liegen derzeit die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vor.
Streitgegenstand war der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Oktober 2004, mit dem die Beklagte die am 31. März 2004 beantragte Gewährung von Pflegegeld abgelehnt hat. Da die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I zuletzt auf der nach dem gerichtlichen Vergleich vom 02. April 2003 bis zum 31. Dezember 2003 befristeten Leistungszusage (zur Befristung durch Bescheid vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]) beruht hatte, war originär - ohne Anwendung des § 48 SGB X, mithin auch nicht durch Feststellung einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs im Vergleich zu den Verhältnissen bei der Begutachtung durch Dr. Hu. im früher anhängig gewesenen gerichtlichen Verfahren - zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorliegen. Da lediglich die Beklagte gegen das SG-Urteil Berufung eingelegt hat, bezieht sich diese originäre Prüfung nur auf die Zeit ab 01. März 2004.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflege ein - in unterschiedlicher Höhe zu zahlendes Pflegegeld (vgl. Satz 2 der Vorschrift) - beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Insoweit sind pflegebedürftig nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im Einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität). Zur Grundpflege gehört grundsätzlich nicht die Behandlungspflege. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind nur dann als Bestandteil der in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Katalogverrichtungen zu berücksichtigen, wenn sie in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nrn. 2, 11 und 15). Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reicht nur dann aus, wenn die vorherige, gleichzeitige oder unmittelbar anschließende Durchführung der krankheitspezifischen Maßnahmen mit der Verrichtung objektiv erforderlich ist und nicht etwa, insbesondere aus medizinischen Gründen, auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden könnte. Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es mithin allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege an. Maßgebend sind Funktionseinschränkungen bei den einzelnen Verrichtungen der Grundpflege, die insoweit Hilfe bedingen, nicht jedoch das Vorliegen einer Erkrankung als solcher und auch nicht ein bestimmter aufgrund von Behinderungen festgestellter GdB. Der Bezug der Pflegebedürftigkeit auf bestimmte Verrichtungen und die Nichtberücksichtigung eines allgemeinen Betreuungsaufwands ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG SozR 4-3300 § 14 Nr. 1). Der Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI ist abschließend; sonstige dort nicht genannte Tätigkeiten können keine Berücksichtigung finden. Die Zeitkorridore, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen (BRi) vom 21. März 1997 in der Fassung vom 11. Mai 2006 enthalten, können für die dem Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 BRi; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Insoweit ist im konkreten Fall auch zu berücksichtigen, in welcher Form die Hilfe geleistet werden muss, als Unterstützung, als teilweise Übernahme, als vollständige Übernahme oder als verrichtungsbezogene Beaufsichtigung und Anleitung.
Entgegen der Ansicht des SG beträgt der Zeitaufwand bei der Grundpflege im Falle des Klägers nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht mindestens 46 volle (= mehr als 45) Minuten. Dabei stützt sich der Senat auf das Sachverständigengutachten des Dr. M. vom 22. April 2006 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 22. Januar 2007. Insoweit hat der Sachverständige bei der Grundpflege einen Hilfebedarf von täglich 38 Minuten festgestellt, die als Hilfeformen der Beaufsichtigung und Anleitung, aber auch mangels genügender Konzentration der Unterstützung (Nachbesserung im wesentlichen Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Zähne putzen, Kämmen sowie Darm- und Blasenentleerung) anfallen. Insoweit ergibt sich auch aus der Auskunft der Schule vom 17. September 2007, dass der Kläger dort beim Zähneputzen (einmal) sowie bei der Darm- und Blasenentleerung lediglich der Aufsicht bedarf. Soweit allerdings der Sachverständige Dr. M. beim Zähneputzen und der Mundhygiene dreimal drei Minuten (= neun Minuten) in Ansatz gebracht hat, erscheint dieser Wert als überhöht. Einerseits ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger dreimal täglich die Zähne putzt, zumal die Schule lediglich einmaliges Zähneputzen dort bestätigt hat. Abgesehen davon hat der Kläger im Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 vorgetragen, dass erstmals die Zähne morgens in der Zeit geputzt würden, in der er unter der Dusche stehe bzw. geduscht werde. Da insoweit die Beaufsichtigung beim Duschen und beim Zähneputzen zusammenfallen, könnte insoweit für das Zähneputzen kein besonderer Hilfebedarf für die Beaufsichtigung angerechnet werden. Insoweit kann lediglich von einem täglichen Hilfebedarf von 35 Minuten ausgegangen werden.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass, wie vom SG angenommen, dieser Hilfebedarf von 35 (oder 38 Minuten) pro Tag noch um insgesamt zehn Minuten zu vermehren ist, weshalb dann die Grenze von 46 Minuten erreicht wäre. Insoweit bringt das SG einen weiteren Hilfebedarf von fünf Minuten pro Tag wegen gelegentlicher Kotverschmierung und regelmäßigem Einnässen des Klägers auf der halbstündigen Fahrt von der Schule nach Hause in Ansatz. Einen solchen zusätzlichen Hilfebedarf, der regelmäßig anfällt, vermag der Senat nicht zu bejahen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Auskunft der Schule vom 17. September 2007 der Kläger dort die Toilette selbstständig aufsucht und dass dort ab dem Schuljahr 2004/2005 jedenfalls kein Einnässen mehr festgestellt wurde. Nachdem morgens, auf der Fahrt des Klägers von der elterlichen Wohnung zur Schule, kein Einnässen besteht, vermag es den Senat nicht zu überzeugen, dass dann jedoch bei der Rückkehr nach Hause am Mittag bzw. Nachmittag regelmäßig ein Einnässen vorliege, weshalb die Aufsicht bei der Reinigung des Unterkörpers erforderlich sein soll, zumal der Kläger vor der Rückfahrt nach Hause unter Aufsicht jeweils die Toilette aufsucht. Der tägliche Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten pro Tag wäre mithin nicht erreicht, wenn der Senat, wie vom SG angenommen, einen Hilfebedarf von zweimal zwei Minuten bei der Intimhygiene nach der Verrichtung des Stuhlgangs annehmen würde, abgesehen davon, dass es beim Stuhlgang nach dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz um das Verhindern des übermäßigen Verbrauchs von Toilettenpapier geht, sowie von einer Minute, die als Hilfe beim dosierten Einschenken von Getränken erforderlich sein soll. Weiter zu berücksichtigender Hilfebedarf ist nicht nachgewiesen. Insbesondere ist auch nicht ein weiteres Einnässen beim Kläger beim Spielen am Computer nachgewiesen, weshalb insoweit weiterer Hilfebedarf hinsichtlich der Aufsicht bei der Reinigung des Unterkörpers erforderlich wäre. Soweit der Kläger geltend macht, er könne bei Schnürschuhen Schnürsenkel nicht selbst binden, ist insoweit kein regelmäßiger Hilfebedarf zu berücksichtigen. Denn der Kläger trägt weiter selbst vor, dass er nahezu ausschließlich Schuhe mit Klettverschlüssen erhalte; diese könne er selbst schließen. Ferner macht der Kläger zwar geltend, mit Kleidungsstücken nicht klarzukommen, wenn diese mit Knöpfen oder Reißverschlüssen versehen seien. Deswegen ist er jedoch seinem Vorbringen zufolge meist mit Hosen mit Gummizügen versorgt. Soweit der Kläger Schwierigkeiten mit dem Anziehen einzelner Kleidungsstück, beispielsweise einer ihm von seiner Schwester geschenkten Jacke, hat, rechtfertigt dies keinen zusätzlichen regelmäßigen Hilfebedarf beim An- und Ausziehen. Das Gutachten des Dr. Hu. vom 15. Februar 2002 kann nicht dazu dienen, die Voraussetzungen der Pflegestufe I auch ab 01. März 2004 weiterhin zu begründen. Auch der Umstand, dass der Sachverständige Dr. M. darauf hingewiesen hat, dass der Kläger insgesamt der äußeren Erscheinung nach einem dreizehn- bis vierzehnjährigen Kind entspreche, während sein geistiger Leistungszustand der eines Fünf- bis Sechsjährigen sei, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt sind.
Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Danach war das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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