Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1c Ar 503/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 276/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. November 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe.
Die 1958 geborene Klägerin war seit 1979 als Montiererin beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis beendete sie nach der Geburt ihrer Tochter S. (1982) zum 30. April 1983. Seitdem steht sie durchgehend im Leistungsbezug der Beklagten. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes (J., geboren 1994) bezog sie Mutterschaftsgeld bzw. Erziehungsgeld bis zum 2. Januar 1996 und meldete sich anschließend bei der Beklagten erneut arbeitslos. Hierbei gab sie an, sie sei selbständig im Bereich EDV – Beratung – Verkauf tätig. Außer ihr sei ihr Ehemann an der Erledigung der anfallenden Arbeiten beteiligt. Ihre eigene durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gab die Klägerin mit 5 bis 10 Stunden an.
Mit Bescheid vom 14. Februar 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 9. Januar 1996 von 165,60 DM wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 490,– DM in Leistungsgruppe D 1; diese Leistung bezog die Klägerin bis zur Anspruchserschöpfung am 6. Januar 1997.
Am 7. Januar 1997 beantragte die Klägerin Anschlußarbeitslosenhilfe. Im Antragsformular bescheinigte sie ihrem Ehemann, aus seiner Berufstätigkeit für den Betrieb der Klägerin, die Firma Z., von April 1996 bis Dezember 1996 ein gleichbleibendes monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.558,– DM, das einem Nettoeinkommen von 2.547,– DM entspricht, erzielt zu haben. Die Frage nach Vermögen verneinten beide Ehegatten.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1997 zurück. Nach § 134 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei u.a. Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, daß der Antragsteller arbeitslos sei. Die Arbeitnehmereigenschaft des Arbeitslosen sei dann nicht gegeben, wenn die Arbeitszeit eines in dem Betrieb des Antragstellers beschäftigten Arbeitnehmers die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreite, was vorliegend in bezug auf den Ehemann der Klägerin zutreffe.
Gegen diesen ihr am 16. Juli 1997 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin am 18. August 1997 (Montag) Klage zum Sozialgericht Fulda. Das Sozialgericht hörte die Klägerin persönlich an, wobei diese erklärte, ihre Firma habe im wesentlichen Computerservice-Beratung und -Reinigung gemacht; diese Tätigkeit einschließlich der erforderlichen Buchführungs- und Steuerarbeiten habe ihr Mann erledigt, sie habe im wesentlichen die Rechnungen geschrieben und hierfür weit weniger als fünf Stunden wöchentlich für die Firma aufgewendet. Außerdem vernahm das Sozialgericht den Ehemann der Klägerin T. Z. als Zeugen, der die Angaben der Klägerin bestätigte; das Geschäft habe sich eigentlich nicht gelohnt und bei niedrigen Umsätzen von 50.000,– bis 60.000,– DM sowohl 1996 wie 1997 bis zur Geschäftsaufgabe Verlust abgeworfen.
Mit Urteil vom 12. November 1997 hob das Sozialgericht Fulda die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab dem 7. Januar 1997 in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe gemäß § 134 Abs. 1 AFG seien erfüllt, insbesondere sei die Klägerin im Sinne von §§ 101 Abs. 1, 102 AFG im Januar 1997 arbeitslos gewesen, da ihre Beschäftigung die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich nicht überschritten habe. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes habe sich die Arbeit der Klägerin in der Firma Z. auf ca. 5 Stunden wöchentlich beschränkt. Angesichts des sehr niedrigen Umsatzes und des von dem Ehemann geschilderten eigenen Tätigkeitsfeldes, das mit Ausnahme einiger weniger Büroarbeiten fast die gesamte Tätigkeit der Firma ausgemacht habe, habe die Kammer an der Richtigkeit der Angaben der Klägerin keinen Zweifel gehabt. Die Auffassung der Beklagten, daß jemand, der eine selbständige Tätigkeit ausübe, nicht als arbeitslos angesehen werde könne, wenn ein in seinem Betrieb Beschäftigter dort in einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung stehe, finde im Gesetz keinerlei Stütze. Eine ähnliche Argumentation landwirtschaftlicher Krankenkassen habe das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach zurückgewiesen; maßgeblich sei ausschließlich die eigene Tätigkeit des Unternehmers im Betrieb, wobei allerdings zu dieser Tätigkeit auch der Zeitaufwand für die Unternehmensleitung hinzuzurechnen sei. Im vorliegenden Fall habe jedoch offensichtlich der Ehemann der Klägerin sehr viel mehr von dem gesamten Geschäft als die Klägerin verstanden, so daß zusätzlicher Zeitaufwand für die Unternehmensleitung allenfalls in geringfügigem Umfang in Ansatz gebracht werden könne, so daß die Kurzzeitigkeitsgrenze unter keinem denkbaren Gesichtspunkt überschritten werde.
Gegen dieses ihr am 9. Februar 1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. März 1998 Berufung eingelegt. Sie fuhrt aus: Liege während der Arbeitslosigkeit die Arbeitgebereigenschaft vor, weil der Arbeitslose zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten eine oder mehrere Arbeitskräfte beschäftige, sei besonders zu prüfen, ob der Arbeitslose noch berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig sein wolle. Als Arbeitnehmer könne nur derjenige angesehen werden, der in der Hauptsache seine Erwerbskraft für eine unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt einsetzen wolle. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitsentgelt sei dabei unerheblich. Wenn der Arbeitslose einen Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftige und die Arbeitszeit dieses Arbeitnehmers die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AFG a.F. überschreite, könne die Arbeitnehmereigenschaft des Arbeitslosen nicht mehr bejaht werden. Auf den zeitlichen Umfang, in dem der Betroffene selbst in seinem Betrieb (mit)arbeite, komme es dabei nicht an. Angesichts der Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin in Vollzeit für den Betrieb gearbeitet und die Klägerin für die Beschäftigung ihres Ehemannes als Arbeitnehmer sogar Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose vom 1. März 1996 bis zum 31. März 1997 erhalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin bereit gewesen sei, als Arbeitnehmerin tätig zu werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. November 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte an dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit bei der Klägerin zweifle. Es komme nicht auf die Tätigkeit anderer Betriebsangehöriger oder mithelfender Familienangehöriger an, sondern einzig und allein auf die eigene Tätigkeit des Unternehmers für seinen Betrieb. Ihre Tätigkeit habe tatsächlich weniger als fünf Stunden in der Woche einfache Büroarbeiten beinhaltet.
Die Klägerin ist ergänzend persönlich gehört worden. Die Klägerin hat erklärt, die Firma habe keine selbständigen Geschäftsräume mit Firmenschild gehabt, sondern lediglich im Keller ein Büro eingerichtet. Aufträge seien im wesentlichen über Mund-zu-Mund-Propaganda hereingekommen. Sie, die Klägerin habe zu Hause Hausarbeit und Telefondienst gemacht, wobei es am Tage maximal 4 bis 5 Anrufe gegeben habe; diese habe ihr Mann über sein Handy auch außer Haus durch Rufumleitung entgegennehmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorlagen, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 7. Januar 1997 Arbeitslosenhilfe in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Nach § 134 Abs. 1 AFG hat u.a. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer 1. arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, 2. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, 3. bedürftig ist und 4. innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfüllt sind (Vorfrist), Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin war am 7. Januar 1997 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, hatte Arbeitslosenhilfe beantragt und unmittelbar zuvor Arbeitslosengeld bezogen. Zu diesem Zeitpunkt war sie auch arbeitslos.
Nach § 134 Abs. 4 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 AFG ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (Abs. 1); der Arbeitnehmer ist jedoch unter anderem dann nicht arbeitslos, wenn er eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet (Satz 2 Nr. 1). Nach § 102 AFG in der im Januar 1997 anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2343) war kurzzeitig im Sinne des § 101 Abs. 1 AFG eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegte oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt war (Abs. 1 Satz 1).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung als auch in der Folgezeit im gesetzlichen Sinne Arbeitslose war. Ihre selbständige Tätigkeit (Z.) war der Natur der Sache nach auf einen zeitlichen Aufwand von allenfalls 5 Stunden wöchentlich beschränkt. Mehr war für die Klägerin, wie aus ihren Angaben und der glaubhaften Aussage des Zeugen T. Z. deutlich geworden ist, nicht zu tun; denn die gesamte eigentliche Betriebstätigkeit – die Betreuung und Beratung von Kunden im Bereich von Software und Hardware-Produkten – wurde durch den Ehemann der Klägerin verrichtet, der als Informationselektroniker allein über das nötige Fachwissen verfugte. Die Klägerin hat hiervon nach ihrer glaubhaften Angabe keine Ahnung, ihre Tätigkeit beschränkte sich auf kaufmännische Hilfstätigkeiten wie das Schreiben von Rechnungen. Angesichts des durch den Zeugen Z. dargestellten geringen Geschäftsumfangs – 1996 wurden durch die Firma ca. 100 bis 150 kleinere Aufträge bearbeitet, woraus ein Umsatz von ca. 50.000,– bis 60.000,– DM resultierte; 1997 war es bis zur Geschäftsaufgabe am 1. August 1997 ähnlich – sind die Angaben der Klägerin über den von ihr erbrachten Arbeitsaufwand für die Firma als zutreffend anzusehen.
Bei der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit darf allerdings nicht allein auf die Zeiten abgestellt werden, die der Geschäftstreibende mit produktiver Arbeit ausfüllt. Hat ein Betrieb regelmäßige Öffnungszeiten, so sind diese als Arbeitszeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn diese Zeiten in Ermangelung von Aufträgen nicht voll mit eigentlicher Arbeit ausgefüllt werden (BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7). Solcher zusätzlicher Zeitaufwand ist bei der Klägerin jedoch nicht zu berücksichtigen. Ihre Firma hatte keine der Öffentlichkeit zugänglichen Geschäftsräume, Publikumsverkehr gab es nicht. Auch der von ihr geleistete Telefondienst war keine für die Firma notwendige Dienstleistung, die ihre Anwesenheit zu Hause voraussetzte; denn soweit ihr Ehemann nicht selbst zu Hause anwesend war, konnte er eingehende Telefonate durch Rufumleitung unterwegs in Empfang nehmen. Angesichts des geringfügigen Geschäftsumfangs war ein darüber hinausgehender Bereitschaftsdienst der Klägerin, der zusätzlich als Arbeitszeit berücksichtigt werden müßte, nicht erforderlich.
Das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bei der Klägerin kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, sie sei im streitigen Zeitraum keine Arbeitnehmerin im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG gewesen. Arbeitnehmer in diesem Sinne ist derjenige, der im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der anschließenden faktischen Beschäftigungslosigkeit nach den Gesamtumständen des Einzelfalles dem Kreis von Personen zuzurechnen ist, der anderenfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als kurzzeitigem Umfang ausüben würde (BSG SozR 4100 § 101 Nrn. 1 und 2). Der Arbeitslose muß also im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung bereit sein, unverzüglich eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen. Zum Nachweis hierfür genügt in der Regel die entsprechende Erklärung des Arbeitslosen, sofern sich nicht aus seinen bisher verrichteten Beschäftigungen, Berufswünschen und sonstigen Erklärungen anderes ergibt (BSG, Urteil vom 25. August 1981, 7 RAr 68/80).
Hiervon ausgehend steht für den Senat die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin fest. Diese hatte sich der Arbeitsvermittlung für die Vermittlung in abhängige Beschäftigungen zur Verfügung gestellt. Die von ihr zu diesem Zeitpunkt ausgeübte selbständige Tätigkeit im Umfang von wenigen Wochenstunden stellt diese Bereitschaft der Klägerin nicht in Frage; denn an der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung war sie hierdurch nicht gehindert. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Klägerin ihren Ehemann als Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Die Argumentation der Beklagten, daß der betroffene Arbeitslose seine Erwerbskraft nicht in der Hauptsache für eine unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt einsetzen wolle, wenn er mindestens einen Arbeitnehmer in mehr als kurzzeitigem Umfang beschäftige, postuliert eine Beweisregel, die im Gesetz keine Stütze findet. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, daß es für den Umfang der selbständigen Tätigkeit des Arbeitslosen nicht darauf ankommt, welche Arbeitsleistung andere Personen in dem Betrieb erbringen, sondern daß ausschließlich die eigene Tätigkeit des Unternehmers maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang vermag die Beschäftigung weiterer Arbeitnehmer durch den Arbeitslosen ein Indiz darstellen, daß der Betrieb nach Art und Umfang einen mehr als kurzzeitigen Arbeitseinsatz des Unternehmers erfordert; insbesondere durch das Erfordernis der Anleitung und Beaufsichtigung anderer Beschäftigter wird dieser häufig in einer Weise tatsächlich gebunden sein, daß dies weder kurzzeitig ist noch daneben die Ausübung einer abhängigen Erwerbstätigkeit zuläßt. Dies bedarf jedoch stets der Feststellung im Einzelfall; denn die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann, wie dies z.B. in verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Formen üblich ist, durch die Delegation der Betriebsleitung auf Arbeitnehmer und den Einsatz von Kapital statt Arbeitskraft erfolgen. In solchen Fällen ist die Annahme, der Antragsteller wolle keine abhängige Beschäftigung ausüben, ebensowenig gerechtfertigt wie im vorliegenden Fall eines "Familienbetriebes”, bei dem die tatsächlichen Verhältnisse so lagen, daß die Klägerin zwar formal Betriebsinhaberin, zur selbständigen Ausübung des Gewerbes aber nicht befähigt war und die Betriebstätigkeit mit ihrem Ehemann stand und fiel. Hinderungsgründe für die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung sind in einem solchen Fall nicht erkennbar.
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich weiterhin, daß die Klägerin in dem streitigen Zeitraum der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, insbesondere daß sie bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben konnte und durfte (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AFG).
Die Klägerin war außerdem bedürftig im Sinne von §§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 137 Abs. 1 und 2 AFG; denn sie konnte ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten und das zu berücksichtigende Einkommen nach § 138 AFG erreichte die Arbeitslosenhilfe nach § 136 AFG nicht (§ 137 Abs. 1 AFG). Der wöchentliche Arbeitslosenhilfesatz der Klägerin ab dem 7. Januar 1997 betrug unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 490,– DM in der Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, 138,– DM. An Einkommen ihres Ehemannes ist demgegenüber höchstens ein Betrag von wöchentlich 45,17 DM zu berücksichtigen. Diesem steht nämlich ein Freibetrag in Höhe der Arbeitslosenhilfe nach § 136 Satz 1 AFG zu; bei einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 820 DM (3.558 DM brutto × 3: 13), Steuerklasse III, erhöhter Leistungssatz, bedeutet dies – noch vor dem Abzug von Versicherungsleistungen und ähnlichem – einen hypothetischen Arbeitslosenhilfeanspruch ab dem 1. Januar 1997 von 346,20 DM wöchentlich. Da der Ehemann der Klägerin außerdem gegenüber den beiden 1982 und 1994 geborenen Kindern unterhaltspflichtig ist, erhöht sich sein Freibetrag nach § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG zumindest um 196,38 DM wöchentlich (Mindestbarbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle – vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 57. Auflage 1998, § 1610 Rdnr. 13 – für Kinder bis zum 6. Lebensjahr 349,– DM, ab dem 13. Lebensjahr 502,– DM = 851,– DM monatlich × 3: 13). Bei einem wöchentlichen Nettoeinkommen von 587,76 DM verbleibt nach Abzug der vorgenannten Freibeträge allenfalls ein Betrag an anzurechnendem Einkommen, das die Bedürftigkeit der Klägerin nicht beseitigte; denn über Vermögen verfugten weder sie noch ihr Ehemann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe.
Die 1958 geborene Klägerin war seit 1979 als Montiererin beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis beendete sie nach der Geburt ihrer Tochter S. (1982) zum 30. April 1983. Seitdem steht sie durchgehend im Leistungsbezug der Beklagten. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes (J., geboren 1994) bezog sie Mutterschaftsgeld bzw. Erziehungsgeld bis zum 2. Januar 1996 und meldete sich anschließend bei der Beklagten erneut arbeitslos. Hierbei gab sie an, sie sei selbständig im Bereich EDV – Beratung – Verkauf tätig. Außer ihr sei ihr Ehemann an der Erledigung der anfallenden Arbeiten beteiligt. Ihre eigene durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gab die Klägerin mit 5 bis 10 Stunden an.
Mit Bescheid vom 14. Februar 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 9. Januar 1996 von 165,60 DM wöchentlich nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 490,– DM in Leistungsgruppe D 1; diese Leistung bezog die Klägerin bis zur Anspruchserschöpfung am 6. Januar 1997.
Am 7. Januar 1997 beantragte die Klägerin Anschlußarbeitslosenhilfe. Im Antragsformular bescheinigte sie ihrem Ehemann, aus seiner Berufstätigkeit für den Betrieb der Klägerin, die Firma Z., von April 1996 bis Dezember 1996 ein gleichbleibendes monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.558,– DM, das einem Nettoeinkommen von 2.547,– DM entspricht, erzielt zu haben. Die Frage nach Vermögen verneinten beide Ehegatten.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1997 zurück. Nach § 134 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei u.a. Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, daß der Antragsteller arbeitslos sei. Die Arbeitnehmereigenschaft des Arbeitslosen sei dann nicht gegeben, wenn die Arbeitszeit eines in dem Betrieb des Antragstellers beschäftigten Arbeitnehmers die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreite, was vorliegend in bezug auf den Ehemann der Klägerin zutreffe.
Gegen diesen ihr am 16. Juli 1997 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin am 18. August 1997 (Montag) Klage zum Sozialgericht Fulda. Das Sozialgericht hörte die Klägerin persönlich an, wobei diese erklärte, ihre Firma habe im wesentlichen Computerservice-Beratung und -Reinigung gemacht; diese Tätigkeit einschließlich der erforderlichen Buchführungs- und Steuerarbeiten habe ihr Mann erledigt, sie habe im wesentlichen die Rechnungen geschrieben und hierfür weit weniger als fünf Stunden wöchentlich für die Firma aufgewendet. Außerdem vernahm das Sozialgericht den Ehemann der Klägerin T. Z. als Zeugen, der die Angaben der Klägerin bestätigte; das Geschäft habe sich eigentlich nicht gelohnt und bei niedrigen Umsätzen von 50.000,– bis 60.000,– DM sowohl 1996 wie 1997 bis zur Geschäftsaufgabe Verlust abgeworfen.
Mit Urteil vom 12. November 1997 hob das Sozialgericht Fulda die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab dem 7. Januar 1997 in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe gemäß § 134 Abs. 1 AFG seien erfüllt, insbesondere sei die Klägerin im Sinne von §§ 101 Abs. 1, 102 AFG im Januar 1997 arbeitslos gewesen, da ihre Beschäftigung die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich nicht überschritten habe. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes habe sich die Arbeit der Klägerin in der Firma Z. auf ca. 5 Stunden wöchentlich beschränkt. Angesichts des sehr niedrigen Umsatzes und des von dem Ehemann geschilderten eigenen Tätigkeitsfeldes, das mit Ausnahme einiger weniger Büroarbeiten fast die gesamte Tätigkeit der Firma ausgemacht habe, habe die Kammer an der Richtigkeit der Angaben der Klägerin keinen Zweifel gehabt. Die Auffassung der Beklagten, daß jemand, der eine selbständige Tätigkeit ausübe, nicht als arbeitslos angesehen werde könne, wenn ein in seinem Betrieb Beschäftigter dort in einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung stehe, finde im Gesetz keinerlei Stütze. Eine ähnliche Argumentation landwirtschaftlicher Krankenkassen habe das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach zurückgewiesen; maßgeblich sei ausschließlich die eigene Tätigkeit des Unternehmers im Betrieb, wobei allerdings zu dieser Tätigkeit auch der Zeitaufwand für die Unternehmensleitung hinzuzurechnen sei. Im vorliegenden Fall habe jedoch offensichtlich der Ehemann der Klägerin sehr viel mehr von dem gesamten Geschäft als die Klägerin verstanden, so daß zusätzlicher Zeitaufwand für die Unternehmensleitung allenfalls in geringfügigem Umfang in Ansatz gebracht werden könne, so daß die Kurzzeitigkeitsgrenze unter keinem denkbaren Gesichtspunkt überschritten werde.
Gegen dieses ihr am 9. Februar 1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. März 1998 Berufung eingelegt. Sie fuhrt aus: Liege während der Arbeitslosigkeit die Arbeitgebereigenschaft vor, weil der Arbeitslose zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten eine oder mehrere Arbeitskräfte beschäftige, sei besonders zu prüfen, ob der Arbeitslose noch berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig sein wolle. Als Arbeitnehmer könne nur derjenige angesehen werden, der in der Hauptsache seine Erwerbskraft für eine unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt einsetzen wolle. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitsentgelt sei dabei unerheblich. Wenn der Arbeitslose einen Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftige und die Arbeitszeit dieses Arbeitnehmers die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AFG a.F. überschreite, könne die Arbeitnehmereigenschaft des Arbeitslosen nicht mehr bejaht werden. Auf den zeitlichen Umfang, in dem der Betroffene selbst in seinem Betrieb (mit)arbeite, komme es dabei nicht an. Angesichts der Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin in Vollzeit für den Betrieb gearbeitet und die Klägerin für die Beschäftigung ihres Ehemannes als Arbeitnehmer sogar Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose vom 1. März 1996 bis zum 31. März 1997 erhalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin bereit gewesen sei, als Arbeitnehmerin tätig zu werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. November 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte an dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit bei der Klägerin zweifle. Es komme nicht auf die Tätigkeit anderer Betriebsangehöriger oder mithelfender Familienangehöriger an, sondern einzig und allein auf die eigene Tätigkeit des Unternehmers für seinen Betrieb. Ihre Tätigkeit habe tatsächlich weniger als fünf Stunden in der Woche einfache Büroarbeiten beinhaltet.
Die Klägerin ist ergänzend persönlich gehört worden. Die Klägerin hat erklärt, die Firma habe keine selbständigen Geschäftsräume mit Firmenschild gehabt, sondern lediglich im Keller ein Büro eingerichtet. Aufträge seien im wesentlichen über Mund-zu-Mund-Propaganda hereingekommen. Sie, die Klägerin habe zu Hause Hausarbeit und Telefondienst gemacht, wobei es am Tage maximal 4 bis 5 Anrufe gegeben habe; diese habe ihr Mann über sein Handy auch außer Haus durch Rufumleitung entgegennehmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorlagen, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 7. Januar 1997 Arbeitslosenhilfe in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Nach § 134 Abs. 1 AFG hat u.a. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer 1. arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, 2. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, 3. bedürftig ist und 4. innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfüllt sind (Vorfrist), Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin war am 7. Januar 1997 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, hatte Arbeitslosenhilfe beantragt und unmittelbar zuvor Arbeitslosengeld bezogen. Zu diesem Zeitpunkt war sie auch arbeitslos.
Nach § 134 Abs. 4 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 AFG ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (Abs. 1); der Arbeitnehmer ist jedoch unter anderem dann nicht arbeitslos, wenn er eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet (Satz 2 Nr. 1). Nach § 102 AFG in der im Januar 1997 anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2343) war kurzzeitig im Sinne des § 101 Abs. 1 AFG eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegte oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt war (Abs. 1 Satz 1).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung als auch in der Folgezeit im gesetzlichen Sinne Arbeitslose war. Ihre selbständige Tätigkeit (Z.) war der Natur der Sache nach auf einen zeitlichen Aufwand von allenfalls 5 Stunden wöchentlich beschränkt. Mehr war für die Klägerin, wie aus ihren Angaben und der glaubhaften Aussage des Zeugen T. Z. deutlich geworden ist, nicht zu tun; denn die gesamte eigentliche Betriebstätigkeit – die Betreuung und Beratung von Kunden im Bereich von Software und Hardware-Produkten – wurde durch den Ehemann der Klägerin verrichtet, der als Informationselektroniker allein über das nötige Fachwissen verfugte. Die Klägerin hat hiervon nach ihrer glaubhaften Angabe keine Ahnung, ihre Tätigkeit beschränkte sich auf kaufmännische Hilfstätigkeiten wie das Schreiben von Rechnungen. Angesichts des durch den Zeugen Z. dargestellten geringen Geschäftsumfangs – 1996 wurden durch die Firma ca. 100 bis 150 kleinere Aufträge bearbeitet, woraus ein Umsatz von ca. 50.000,– bis 60.000,– DM resultierte; 1997 war es bis zur Geschäftsaufgabe am 1. August 1997 ähnlich – sind die Angaben der Klägerin über den von ihr erbrachten Arbeitsaufwand für die Firma als zutreffend anzusehen.
Bei der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit darf allerdings nicht allein auf die Zeiten abgestellt werden, die der Geschäftstreibende mit produktiver Arbeit ausfüllt. Hat ein Betrieb regelmäßige Öffnungszeiten, so sind diese als Arbeitszeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn diese Zeiten in Ermangelung von Aufträgen nicht voll mit eigentlicher Arbeit ausgefüllt werden (BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7). Solcher zusätzlicher Zeitaufwand ist bei der Klägerin jedoch nicht zu berücksichtigen. Ihre Firma hatte keine der Öffentlichkeit zugänglichen Geschäftsräume, Publikumsverkehr gab es nicht. Auch der von ihr geleistete Telefondienst war keine für die Firma notwendige Dienstleistung, die ihre Anwesenheit zu Hause voraussetzte; denn soweit ihr Ehemann nicht selbst zu Hause anwesend war, konnte er eingehende Telefonate durch Rufumleitung unterwegs in Empfang nehmen. Angesichts des geringfügigen Geschäftsumfangs war ein darüber hinausgehender Bereitschaftsdienst der Klägerin, der zusätzlich als Arbeitszeit berücksichtigt werden müßte, nicht erforderlich.
Das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bei der Klägerin kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, sie sei im streitigen Zeitraum keine Arbeitnehmerin im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG gewesen. Arbeitnehmer in diesem Sinne ist derjenige, der im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der anschließenden faktischen Beschäftigungslosigkeit nach den Gesamtumständen des Einzelfalles dem Kreis von Personen zuzurechnen ist, der anderenfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als kurzzeitigem Umfang ausüben würde (BSG SozR 4100 § 101 Nrn. 1 und 2). Der Arbeitslose muß also im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung bereit sein, unverzüglich eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen. Zum Nachweis hierfür genügt in der Regel die entsprechende Erklärung des Arbeitslosen, sofern sich nicht aus seinen bisher verrichteten Beschäftigungen, Berufswünschen und sonstigen Erklärungen anderes ergibt (BSG, Urteil vom 25. August 1981, 7 RAr 68/80).
Hiervon ausgehend steht für den Senat die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin fest. Diese hatte sich der Arbeitsvermittlung für die Vermittlung in abhängige Beschäftigungen zur Verfügung gestellt. Die von ihr zu diesem Zeitpunkt ausgeübte selbständige Tätigkeit im Umfang von wenigen Wochenstunden stellt diese Bereitschaft der Klägerin nicht in Frage; denn an der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung war sie hierdurch nicht gehindert. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Klägerin ihren Ehemann als Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Die Argumentation der Beklagten, daß der betroffene Arbeitslose seine Erwerbskraft nicht in der Hauptsache für eine unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt einsetzen wolle, wenn er mindestens einen Arbeitnehmer in mehr als kurzzeitigem Umfang beschäftige, postuliert eine Beweisregel, die im Gesetz keine Stütze findet. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, daß es für den Umfang der selbständigen Tätigkeit des Arbeitslosen nicht darauf ankommt, welche Arbeitsleistung andere Personen in dem Betrieb erbringen, sondern daß ausschließlich die eigene Tätigkeit des Unternehmers maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang vermag die Beschäftigung weiterer Arbeitnehmer durch den Arbeitslosen ein Indiz darstellen, daß der Betrieb nach Art und Umfang einen mehr als kurzzeitigen Arbeitseinsatz des Unternehmers erfordert; insbesondere durch das Erfordernis der Anleitung und Beaufsichtigung anderer Beschäftigter wird dieser häufig in einer Weise tatsächlich gebunden sein, daß dies weder kurzzeitig ist noch daneben die Ausübung einer abhängigen Erwerbstätigkeit zuläßt. Dies bedarf jedoch stets der Feststellung im Einzelfall; denn die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann, wie dies z.B. in verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Formen üblich ist, durch die Delegation der Betriebsleitung auf Arbeitnehmer und den Einsatz von Kapital statt Arbeitskraft erfolgen. In solchen Fällen ist die Annahme, der Antragsteller wolle keine abhängige Beschäftigung ausüben, ebensowenig gerechtfertigt wie im vorliegenden Fall eines "Familienbetriebes”, bei dem die tatsächlichen Verhältnisse so lagen, daß die Klägerin zwar formal Betriebsinhaberin, zur selbständigen Ausübung des Gewerbes aber nicht befähigt war und die Betriebstätigkeit mit ihrem Ehemann stand und fiel. Hinderungsgründe für die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung sind in einem solchen Fall nicht erkennbar.
Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich weiterhin, daß die Klägerin in dem streitigen Zeitraum der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, insbesondere daß sie bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben konnte und durfte (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AFG).
Die Klägerin war außerdem bedürftig im Sinne von §§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 137 Abs. 1 und 2 AFG; denn sie konnte ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten und das zu berücksichtigende Einkommen nach § 138 AFG erreichte die Arbeitslosenhilfe nach § 136 AFG nicht (§ 137 Abs. 1 AFG). Der wöchentliche Arbeitslosenhilfesatz der Klägerin ab dem 7. Januar 1997 betrug unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 490,– DM in der Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, 138,– DM. An Einkommen ihres Ehemannes ist demgegenüber höchstens ein Betrag von wöchentlich 45,17 DM zu berücksichtigen. Diesem steht nämlich ein Freibetrag in Höhe der Arbeitslosenhilfe nach § 136 Satz 1 AFG zu; bei einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 820 DM (3.558 DM brutto × 3: 13), Steuerklasse III, erhöhter Leistungssatz, bedeutet dies – noch vor dem Abzug von Versicherungsleistungen und ähnlichem – einen hypothetischen Arbeitslosenhilfeanspruch ab dem 1. Januar 1997 von 346,20 DM wöchentlich. Da der Ehemann der Klägerin außerdem gegenüber den beiden 1982 und 1994 geborenen Kindern unterhaltspflichtig ist, erhöht sich sein Freibetrag nach § 138 Abs. 1 Satz 3 AFG zumindest um 196,38 DM wöchentlich (Mindestbarbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle – vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 57. Auflage 1998, § 1610 Rdnr. 13 – für Kinder bis zum 6. Lebensjahr 349,– DM, ab dem 13. Lebensjahr 502,– DM = 851,– DM monatlich × 3: 13). Bei einem wöchentlichen Nettoeinkommen von 587,76 DM verbleibt nach Abzug der vorgenannten Freibeträge allenfalls ein Betrag an anzurechnendem Einkommen, das die Bedürftigkeit der Klägerin nicht beseitigte; denn über Vermögen verfugten weder sie noch ihr Ehemann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen.
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