Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 11 J 623/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 J 565/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfange zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1944 in der Türkei geborene Kläger hat keine Ausbildung absolviert. Zwischen 1969 und 1990 war er als Arbeiter an der Stanze, in der Bauelementeinstallation, an der Reifenpresse und an der Fräsmaschine sowie zuletzt als Platin beschäftigt. Er wurde nach der Lohngruppe 6 des Lohntarifvertrages der Hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie entlohnt, wobei laut Auskunft dieses Arbeitgebers vom 4. April 1997 diese Eingruppierung wegen der besonderen umweltbedingten Erschwernisse bei den Arbeitsbedingungen erfolgte. Die von der Ausbildung und den Anforderungen her korrekte Lohngruppe sei die 3.
Am 26. Oktober 1990 erkrankte er arbeitsunfähig, bezog zunächst Krankengeld, dann Arbeitslosengeld und war erneut arbeitsunfähig. Am 5. September 1991 beantragte er die Gewährung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Bescheid vom 8. Oktober 1993 lehnte die Beklagte dies ab. Zuvor waren diverse Arztbriefe und vertrauensärztliche Gutachten zu den Akten gelangt und die Beklagte hatte einen Befundbericht bei Dr. (Allgemeinmediziner, Büdingen) vom 13. September 1991 eingeholt. In einem ebenfalls in der Verwaltungsakte befindlichen Heilverfahrensentlassungsbericht der Kliniken Bad , nach der Absolvierung eines Heilverfahrens vom 8. Oktober 1991 bis 5. November 1991, wird ausgeführt, daß dem Kläger nach Beendigung des Heilverfahrens die Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zumutbar sei. Dr. gelangte in einem ärztlichen Gutachten vom 14. Mai 1993, das er im Auftrag der Beklagten erstellte, zu dem Ergebnis, daß der Kläger nicht mehr leistungsfähig sei. In einem ausführlichen ärztlichen Bericht des Dr. vom 21. Mai 1993 heißt es, daß der Kläger noch leichte Tätigkeiten unter zweistündig verrichten könne. Die Beklagte holte daraufhin ein nervenärztliches Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater vom 14. September 1993 ein. Dieser erachtete den Kläger noch für in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen zu verrichten. Hierzu nahm Dr. für die Beklagte am 16. September 1993 Stellung. Den Widerspruch des Klägers vom 20. Oktober 1993 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1994 zurück.
Nach der Klageerhebung vom 24. Januar 1994 beim Sozialgericht Frankfurt am Main hat dieses den Rechtsstreit durch Beschluss am 25. März 1994 an das örtlich zuständige Sozialgericht Gießen verwiesen. Dieses hat Befundberichte bei Dr. vom 19. Mai 1994 und Dr. (Orthopäde, ) vom 15. August 1994, dem diverse medizinische Unterlagen beigefügt waren, eingeholt. Des weiteren ist ein Arztbrief der Universitätsklinik (Orthopädie) vom 20. Juli 1994 zu den Akten gelangt und das Sozialgericht Gießen hat ein medizinisches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. ( Bad Nauheim) vom 5. Mai 1995 eingeholt. Hierin wird ausgeführt, daß sich Leistungseinschränkungen beim Kläger aus den Schmerzen in Nacken, Armen, Wirbelsäule, Knien und Fingern sowie der gesamten Muskulatur ergäben. Der Kläger könne jedoch noch leichte, keine schweren und keine mittelschweren körperlichen Arbeiten vollschichtig ohne Extrapausenregelung und ohne Sonderbedingungen am Arbeitsplatz verrichten. Die Arbeiten sollten allerdings in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltung, nur gelegentlich mit Arbeiten über Kopfhöhe, nur gelegentlich im Bücken, nicht verbunden mit Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Gegenständen und nicht unter Einwirkung von erheblicher Kälte, Nässe und Zugluft zu verrichten sein. Auszuschließen seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Streßbelastung, Schichtarbeiten und Akkordarbeiten sowie solche, die lang andauernde Haltearbeiten durch die Hände erforderten. Eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern je Wegeinheit sei aus orthopädischer Sicht zumutbar. Zugleich hat Dr. eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet für erforderlich gehalten. Das Sozialgericht Gießen hat alsdann bei dem Psychiater Dr. (Psychiatrisches Krankenhaus ) ein Sachverständigengutachten vom 12. September 1995 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Des weiteren hat er die Diagnose der Dysthymia erwogen und ist von einem chronischen Erschöpfungssyndrom beim Kläger ausgegangen. Insgesamt vertritt er die Auffassung, daß der Kläger noch in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Hinsichtlich der an den Arbeitsplatz zu stellenden Anforderungen bezüglich der Arbeitsbedingungen kommt er im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis wie Dr ... Zusätzlich hat er ausgeführt, daß die Arbeiten ohne besondere nervliche Belastung, ohne besonderen Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit durchführbar sein sollten. Objektiv sei dem Kläger ein Fußweg von mehr als 500 Metern zumutbar, subjektiv sei dieser jedoch wegen des chronifizierten Schmerzsyndroms vom Kläger nicht schmerzfrei zurücklegbar. Die Einhaltung zusätzlicher betriebsunüblicher Pausen sei auch aus psychiatrischer Sicht nicht erforderlich. Es müsse jedoch von einer verlängerten Einarbeitungszeit ausgegangen werden. Die Diplom-Psychologin hat in ihrem psychologischen Zusatzgutachten vom 19. September 1995 ausgeführt, daß keine Anhaltspunkte für eine schwere psychische und/oder psychosomatische Störung beim Kläger vorlägen. Das Sozialgericht Gießen hat des weiteren die Arbeitsamtsakte des Arbeitsamtes Gießen zur Stamm-Nummer 71966 beigezogen und eine berufskundliche Stellungnahme beim Landesarbeitsamt Hessen vom 19. Dezember 1995 eingeholt. Hierin wird ausgeführt, daß der Kläger unter Berücksichtigung der ärztlicherseits festgestellten Leistungseinschränkungen nicht mehr in der Lage sei, irgendwelche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Hierzu hat die Medizinaloberrätin Dr. für die Beklagte am 12. Januar 1996 eine ärztliche Stellungnahme abgegeben und das Sozialgericht Gießen hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 18. März 1996 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Mai 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger aufgrund der ärztlicherseits festgestellten Gesundheitsstörungen unter einer Summierung von Leistungseinschränkungen verbunden mit einer eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit leide, so daß ernsthafte Zweifel daran aufkommen müßten, ob er seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch in geldwerte Güter umsetzen könne. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit der Benennung eines konkreten, seinem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatzes. Eine derartige Verweisungstätigkeit könne ihm unter Berücksichtigung der Auskunft des Landesarbeitsamtes vom 19. Dezember 1995 nicht benannt werden. Aus diesem Grunde sei der Kläger auf Dauer als erwerbsunfähig anzusehen und diese Erwerbsunfähigkeit beruhe auch nicht überwiegend auf der jeweiligen Arbeitsmarktlage. Der Arbeitsmarkt sei dem Kläger allein aufgrund seines Gesundheitszustandes verschlossen.
Gegen dieses der Beklagten am 24. April 1996 zugestellte Urteil hat sie am 30. April 1996 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Senat hat eine weitere ergänzende Auskunft vom Landesarbeitsamt Hessen vom 15. Oktober 1996 insbesondere zu den von der Beklagten in ihrem Berufungsschriftsatz benannten ihrer Ansicht nach dem Kläger zumutbaren Tätigkeiten des einfachen Montierens und Sortierens im Sitzen, an halbautomatischen Stanzen oder Pressen sowie der Tätigkeit eines Parkhauskassierers mit Wächterhäuschen und im Sitzen auszuführenden Kontroll- und Bewachungsarbeiten eingeholt. In der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes wird die Auffassung vertreten, daß der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Tätigkeiten nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei, da es sich bei den genannten Tätigkeiten nur um Teiltätigkeiten bestimmter Berufe handele und insoweit keine Stellen in nennenswertem Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden seien. Des weiteren hat der Senat eine Auskunft bei der Firma vom 4. April 1997 hinsichtlich der zuletzt vom Kläger verrichteten Tätigkeit eingeholt. Es wird hierin u.a. ausgeführt, daß diese eine Zweckausbildung von 2–3 Wochen erfordert und keine Facharbeitertätigkeiten umfaßt habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil nicht von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und von schweren spezifischen Leistungseinschränkungen bei dem Kläger auszugehen sei. Auch sei die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers nicht so weit herabgesetzt, daß er nicht mehr in der Lage sei, sich auf leichte Tätigkeiten unter den in den Sachverständigengutachten benannten Einschränkungen einzufinden. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei ihm daher nicht zu benennen und im übrigen komme eine Rentengewährung bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Ursache für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers im wesentlichen in der Arbeitsmarktlage begründet sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 1996 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend und sieht sich durch die Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 15. Oktober 1996 bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 1996 ist vom Ergebnis her nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1994 ist rechtswidrig. Der Kläger wird dadurch in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat ab dem 1. Mai 1995 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer.
Zutreffend geht das Vordergericht davon aus, daß der Kläger ab dem 1. Mai 1995 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch – 6. Buch (SGB 6) erfüllt. Der Senat stützt sich insoweit ebenso wie das Sozialgericht Gießen auf die Sachverständigengutachten der Dres. vom 5. Mai 1995 auf orthopädischem Fachgebiet und Koch vom 12. September 1995 auf psychiatrischem Fachgebiet sowie der Dipl.-Psychologin vom 9. September 1995 auf psychologischem Fachgebiet. Da Dr. das Absinken des Leistungsvermögens des Klägers bereits für einige Monate vor Mai 1995 annimmt, war der Rentenbeginn auf Mai 1995 festzulegen. Bezüglich der weiteren Feststellungen und der Würdigung der von den Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen des Klägers wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Um Wiederholungen zu vermeiden wird insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen ist davon auszugehen, daß der Kläger noch in der Lage ist, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es darf sich insoweit zwar nur noch um leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltung und nur gelegentlich über Kopfhöhe handeln. Auch dürfen diese Arbeiten nur mit gelegentlichem Bücken, nicht mit dem Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Gegenständen, nicht unter Einwirkung von erheblicher Kälte, Nässe und Zugluft, nicht auf Leitern und Gerüsten, nicht unter Streßbelastung und nicht als Schicht- und Akkordarbeiten verrichtet werden. Die Arbeiten dürfen darüber hinaus nicht mit langanhaltender Haltearbeit durch beide Hände verbunden sein, es muß sich um geistig einfache Arbeiten, die ohne besondere nervliche Belastung und ohne besonderen Zeitdruck verrichtet werden können, handeln. Des weiteren dürfen an den Kläger keine besonderen Anforderungen bezüglich der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit gestellt werden, denn unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. und der Dipl.-Psychologin liegt beim Kläger eine geminderte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit vor.
Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers ist unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen auf psychiatrischem/psychologischem Fachgebiet damit zwar noch nicht aufgehoben, so daß diese Leistungseinschränkung für sich alleine genommen noch nicht zur Erwerbsunfähigkeit führen kann, wenn keine konkrete zumutbare Tätigkeit nachgewiesen wird. Es muß allerdings aufgrund der Fülle der beim Kläger vorhandenen Leistungseinschränkungen davon ausgegangen werden, daß hier eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt. Dies ergibt sich insbesondere aus den Leistungseinschränkungen bezüglich der Haltung, in der die Arbeiten verrichtet werden können, aus der eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Hände und der Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers.
Wenn auch, insoweit ist der Beklagten Recht zu geben, ausschließlich unter Betrachtung der Leistungseinschränkungen des Klägers ein Grenzfall hinsichtlich des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegeben sein mag. Das BSG hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, daß eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dann vorliegt, wenn es sich um Einschränkungen handelt, die so erheblich sind, daß von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müssen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auch noch in einem Betrieb einsetzbar ist. Als Beispielsfälle hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts u.a. das Erfordernis häufiger, wenngleich kürzerer Pausen, besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen Arbeitsplatz sowie das Erfordernis besonderer Überprüfung wegen stärkerer Konzentrationsmängel angeführt (vgl. Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 30. November 19.82, Az.: 4 RJ 1/82, S. 5). Allerdings ist, und dies verkennt die Beklagte, gerade die Kombination der Leistungseinschränkungen im vorliegenden Fall dafür verantwortlich, daß der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen keiner Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Entscheidend ist nämlich, ob der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ausführen kann (vgl. Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 1. März 1984, Az.: 4 RJ 43/83, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 117, S. 374; so auch der 5. Senat des Bundessozialgerichts in seinen Entscheidungen vom 14. September 1995, Az.: 5 RJ 28/95, S. 6 und 5 RJ 8/95, ebenfalls S. 6; 5 RJ 22/95, S. 6, 7 sowie 5 RJ 50/94, S. 14). Bestätigt wird diese Feststellung durch die berufskundlichen Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes vom 19. Dezember 1995 und 15. Oktober 1996. In beiden Stellungnahmen wird ausführlich und sorgfältig begründet, daß der Kläger wegen der vielfältigen gesundheitlichen Einschränkungen sowie der daraus resultierenden Einschränkung der Leistungsbreite keine mehr als geringfügige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Anders als von der Beklagten angenommen, stellt das Landesarbeitsamt insoweit nicht auf die Arbeitsmarktlage ab, sondern ausschließlich auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers. Wenn auch die Wahl der Worte "Verweisungstätigkeit und Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten Dauer” rechtlich betrachtet einem anderen Tatbestand, nämlich dem der Berufsunfähigkeit zuzuordnen sind, so ändert dies nichts an der Eindeutigkeit der Aussage des Landesarbeitsamtes. Entscheidend insoweit ist nämlich nicht die rechtliche Bewertung des Landesarbeitsamtes bzw. die Verwendung von rechtlich eindeutig belegten Begriffen, sondern das, was vom Landesarbeitsamt als in berufskundlicher Hinsicht kompetenter Stelle tatsächlich bekundet werden kann. In der Auskunft vom 19. Dezember 1995 wird ausdrücklich ausgeführt, daß unter Berücksichtigung der ärztlicherseits festgestellten erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere auf orthopädischem und psychologischem Gebiet, der Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet werde, noch irgendwelche Verweisungstätigkeiten auszuüben. Manuelle Tätigkeiten würden wegen der Vielzahl der gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet und kaufmännische Tätigkeiten wegen der mangelnden Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ausscheiden. Gerade das Zusammenwirken der Gesundheitsstörungen mit dem Erfordernis, daß der Kläger nur noch leichte und geistig einfache Tätigkeiten verrichten könne, führt nach Auskunft des Landesarbeitsamtes dazu, daß es keine Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr gibt. Dies hat das Landesarbeitsamt in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1996, die der Senat eingeholt hat, nochmals bestätigt. Diese berufskundliche Auskunft gebietet es nun aber von den eingangs benannten ernsten Zweifeln daran auszugehen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in einem Betrieb einsetzbar ist (vgl. a.a.O.).
In einem solchen Fall ist dem Versicherten eine konkrete Tätigkeit zu benennen, die er mit dem eingeschränkten Leistungsvermögen noch verrichten kann, auch wenn von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen ist, das an sich die Annahme nahe legt, daß es eine hinreichende Zahl von Erwerbsmöglichkeiten für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt. Diese Benennung einer konkreten Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Auskünfte des Landesarbeitsamtes im vorliegenden Fall nicht möglich. Um Wiederholungen zu vermeiden wird insoweit auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Auch im Hinblick auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren benannten weiteren Tätigkeiten vermochte der Senat nicht zu anderen Erkenntnissen zu gelangen. In der ergänzenden Auskunft vom 15. Oktober 1996 hat das Landesarbeitsamt ausgeführt, daß der Kläger auch diese Tätigkeiten nicht verrichten könne. Anders als die Beklagte vermochte das Landesarbeitsamt dem Kläger keine konkrete, seinen Leistungseinschränkungen angepaßte, Tätigkeit anzugeben. Da nach Auffassung des Senats das Landesarbeitsamt jedoch die Kompetenz zur Beurteilung des Übereinstimmens von Anforderungs- und Leistungsprofil sämtlicher Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besitzt, stützt sich der Senat auf diese Auskunft, ohne Veranlassung zu haben, insoweit weitere Auskünfte einholen zu müssen. Dies war auch selbst nach den Ausführungen der Beklagten nicht geboten, denn nach deren Ansicht liegt im vorliegenden Fall bereits keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.
Des weiteren vertritt die Beklagte die Auffassung, daß vorliegend von einem Fall des § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB 6 auszugehen ist.
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB 6 hat die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit, jedenfalls eines vollschichtig leistungsfähigen Versicherten, außer Betracht zu bleiben. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Arbeitsmarktlage nicht der ausschlaggebende Gesichtspunkt für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB 6. Der Kläger ist aus gesundheitlichen Gründen, nämlich aufgrund der Summierung der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, nicht mehr in der Lage, seine Arbeitskraft in geldwerte Güter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt umzusetzen. Erst dies hat dazu geführt, daß ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit hätte benannt werden müssen, wenn trotzdem von dem Bestehen von Erwerbsfähigkeit hätte ausgegangen werden sollen. Dies war, insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen, jedoch nicht möglich. Damit ist das Benennungserfordernis einer konkreten Tätigkeit der Frage der allgemeinen Zugänglichkeit einer Erwerbsmöglichkeit, der sogenannten Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zuzuordnen (vgl. Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 14. September 1995, Az.: 5 RJ 50/94, S. 13), allerdings aus gesundheitlichen Gründen. Die Arbeitsmarktlage ist mithin im vorliegenden Fall nicht die eigentliche Ursache für die mangelnde Möglichkeit der Erzielung von Einkommen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. hierzu auch Knispel, Zur Bedeutung des 2. SGB-ÄndG für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, NZS 96, 513 ff.).
Hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer und des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls sowie des Rentenbeginns wird auf die weitere zutreffende und ausführliche Begründung im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Der Kläger ist zwar, da er nach den vorangegangenen Ausführungen erwerbsunfähig ist, auch – vom gesundheitlichen Leistungsvermögen her gesehen – berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB 6. Die Berufsunfähigkeit stellt insoweit ein Minus zur Erwerbsunfähigkeit dar. Allerdings ist er nach der Auskunft des letzten Arbeitgebers, der Firma vom 4. April 1997, als ungelernter Arbeiter im Rahmen des Mehrstufenschemas, also in die unterste Stufe, einzuordnen. Damit wären ihm sämtliche Tätigkeiten, auch der einfachsten Art, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar. Weil ihm jedoch aufgrund seines gesundheitlichen Leistungsvermögens überhaupt keine Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr benannt werden können, brauchte die Frage der Berufsunfähigkeit im vorliegenden Fall nicht weiter erörtert zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG sind im Hinblick auf den hier vorliegenden Grenzfall der Summierung der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und der Indizwirkung der Auskunft des Landesarbeitsamtes gegeben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfange zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1944 in der Türkei geborene Kläger hat keine Ausbildung absolviert. Zwischen 1969 und 1990 war er als Arbeiter an der Stanze, in der Bauelementeinstallation, an der Reifenpresse und an der Fräsmaschine sowie zuletzt als Platin beschäftigt. Er wurde nach der Lohngruppe 6 des Lohntarifvertrages der Hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie entlohnt, wobei laut Auskunft dieses Arbeitgebers vom 4. April 1997 diese Eingruppierung wegen der besonderen umweltbedingten Erschwernisse bei den Arbeitsbedingungen erfolgte. Die von der Ausbildung und den Anforderungen her korrekte Lohngruppe sei die 3.
Am 26. Oktober 1990 erkrankte er arbeitsunfähig, bezog zunächst Krankengeld, dann Arbeitslosengeld und war erneut arbeitsunfähig. Am 5. September 1991 beantragte er die Gewährung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Bescheid vom 8. Oktober 1993 lehnte die Beklagte dies ab. Zuvor waren diverse Arztbriefe und vertrauensärztliche Gutachten zu den Akten gelangt und die Beklagte hatte einen Befundbericht bei Dr. (Allgemeinmediziner, Büdingen) vom 13. September 1991 eingeholt. In einem ebenfalls in der Verwaltungsakte befindlichen Heilverfahrensentlassungsbericht der Kliniken Bad , nach der Absolvierung eines Heilverfahrens vom 8. Oktober 1991 bis 5. November 1991, wird ausgeführt, daß dem Kläger nach Beendigung des Heilverfahrens die Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zumutbar sei. Dr. gelangte in einem ärztlichen Gutachten vom 14. Mai 1993, das er im Auftrag der Beklagten erstellte, zu dem Ergebnis, daß der Kläger nicht mehr leistungsfähig sei. In einem ausführlichen ärztlichen Bericht des Dr. vom 21. Mai 1993 heißt es, daß der Kläger noch leichte Tätigkeiten unter zweistündig verrichten könne. Die Beklagte holte daraufhin ein nervenärztliches Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater vom 14. September 1993 ein. Dieser erachtete den Kläger noch für in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen zu verrichten. Hierzu nahm Dr. für die Beklagte am 16. September 1993 Stellung. Den Widerspruch des Klägers vom 20. Oktober 1993 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1994 zurück.
Nach der Klageerhebung vom 24. Januar 1994 beim Sozialgericht Frankfurt am Main hat dieses den Rechtsstreit durch Beschluss am 25. März 1994 an das örtlich zuständige Sozialgericht Gießen verwiesen. Dieses hat Befundberichte bei Dr. vom 19. Mai 1994 und Dr. (Orthopäde, ) vom 15. August 1994, dem diverse medizinische Unterlagen beigefügt waren, eingeholt. Des weiteren ist ein Arztbrief der Universitätsklinik (Orthopädie) vom 20. Juli 1994 zu den Akten gelangt und das Sozialgericht Gießen hat ein medizinisches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. ( Bad Nauheim) vom 5. Mai 1995 eingeholt. Hierin wird ausgeführt, daß sich Leistungseinschränkungen beim Kläger aus den Schmerzen in Nacken, Armen, Wirbelsäule, Knien und Fingern sowie der gesamten Muskulatur ergäben. Der Kläger könne jedoch noch leichte, keine schweren und keine mittelschweren körperlichen Arbeiten vollschichtig ohne Extrapausenregelung und ohne Sonderbedingungen am Arbeitsplatz verrichten. Die Arbeiten sollten allerdings in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltung, nur gelegentlich mit Arbeiten über Kopfhöhe, nur gelegentlich im Bücken, nicht verbunden mit Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Gegenständen und nicht unter Einwirkung von erheblicher Kälte, Nässe und Zugluft zu verrichten sein. Auszuschließen seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Streßbelastung, Schichtarbeiten und Akkordarbeiten sowie solche, die lang andauernde Haltearbeiten durch die Hände erforderten. Eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern je Wegeinheit sei aus orthopädischer Sicht zumutbar. Zugleich hat Dr. eine Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet für erforderlich gehalten. Das Sozialgericht Gießen hat alsdann bei dem Psychiater Dr. (Psychiatrisches Krankenhaus ) ein Sachverständigengutachten vom 12. September 1995 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Des weiteren hat er die Diagnose der Dysthymia erwogen und ist von einem chronischen Erschöpfungssyndrom beim Kläger ausgegangen. Insgesamt vertritt er die Auffassung, daß der Kläger noch in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Hinsichtlich der an den Arbeitsplatz zu stellenden Anforderungen bezüglich der Arbeitsbedingungen kommt er im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis wie Dr ... Zusätzlich hat er ausgeführt, daß die Arbeiten ohne besondere nervliche Belastung, ohne besonderen Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit durchführbar sein sollten. Objektiv sei dem Kläger ein Fußweg von mehr als 500 Metern zumutbar, subjektiv sei dieser jedoch wegen des chronifizierten Schmerzsyndroms vom Kläger nicht schmerzfrei zurücklegbar. Die Einhaltung zusätzlicher betriebsunüblicher Pausen sei auch aus psychiatrischer Sicht nicht erforderlich. Es müsse jedoch von einer verlängerten Einarbeitungszeit ausgegangen werden. Die Diplom-Psychologin hat in ihrem psychologischen Zusatzgutachten vom 19. September 1995 ausgeführt, daß keine Anhaltspunkte für eine schwere psychische und/oder psychosomatische Störung beim Kläger vorlägen. Das Sozialgericht Gießen hat des weiteren die Arbeitsamtsakte des Arbeitsamtes Gießen zur Stamm-Nummer 71966 beigezogen und eine berufskundliche Stellungnahme beim Landesarbeitsamt Hessen vom 19. Dezember 1995 eingeholt. Hierin wird ausgeführt, daß der Kläger unter Berücksichtigung der ärztlicherseits festgestellten Leistungseinschränkungen nicht mehr in der Lage sei, irgendwelche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Hierzu hat die Medizinaloberrätin Dr. für die Beklagte am 12. Januar 1996 eine ärztliche Stellungnahme abgegeben und das Sozialgericht Gießen hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 18. März 1996 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Mai 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger aufgrund der ärztlicherseits festgestellten Gesundheitsstörungen unter einer Summierung von Leistungseinschränkungen verbunden mit einer eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit leide, so daß ernsthafte Zweifel daran aufkommen müßten, ob er seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch in geldwerte Güter umsetzen könne. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit der Benennung eines konkreten, seinem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatzes. Eine derartige Verweisungstätigkeit könne ihm unter Berücksichtigung der Auskunft des Landesarbeitsamtes vom 19. Dezember 1995 nicht benannt werden. Aus diesem Grunde sei der Kläger auf Dauer als erwerbsunfähig anzusehen und diese Erwerbsunfähigkeit beruhe auch nicht überwiegend auf der jeweiligen Arbeitsmarktlage. Der Arbeitsmarkt sei dem Kläger allein aufgrund seines Gesundheitszustandes verschlossen.
Gegen dieses der Beklagten am 24. April 1996 zugestellte Urteil hat sie am 30. April 1996 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Senat hat eine weitere ergänzende Auskunft vom Landesarbeitsamt Hessen vom 15. Oktober 1996 insbesondere zu den von der Beklagten in ihrem Berufungsschriftsatz benannten ihrer Ansicht nach dem Kläger zumutbaren Tätigkeiten des einfachen Montierens und Sortierens im Sitzen, an halbautomatischen Stanzen oder Pressen sowie der Tätigkeit eines Parkhauskassierers mit Wächterhäuschen und im Sitzen auszuführenden Kontroll- und Bewachungsarbeiten eingeholt. In der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes wird die Auffassung vertreten, daß der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Tätigkeiten nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei, da es sich bei den genannten Tätigkeiten nur um Teiltätigkeiten bestimmter Berufe handele und insoweit keine Stellen in nennenswertem Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden seien. Des weiteren hat der Senat eine Auskunft bei der Firma vom 4. April 1997 hinsichtlich der zuletzt vom Kläger verrichteten Tätigkeit eingeholt. Es wird hierin u.a. ausgeführt, daß diese eine Zweckausbildung von 2–3 Wochen erfordert und keine Facharbeitertätigkeiten umfaßt habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil nicht von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und von schweren spezifischen Leistungseinschränkungen bei dem Kläger auszugehen sei. Auch sei die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers nicht so weit herabgesetzt, daß er nicht mehr in der Lage sei, sich auf leichte Tätigkeiten unter den in den Sachverständigengutachten benannten Einschränkungen einzufinden. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei ihm daher nicht zu benennen und im übrigen komme eine Rentengewährung bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Ursache für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers im wesentlichen in der Arbeitsmarktlage begründet sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 1996 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend und sieht sich durch die Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 15. Oktober 1996 bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. März 1996 ist vom Ergebnis her nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1994 ist rechtswidrig. Der Kläger wird dadurch in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat ab dem 1. Mai 1995 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer.
Zutreffend geht das Vordergericht davon aus, daß der Kläger ab dem 1. Mai 1995 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch – 6. Buch (SGB 6) erfüllt. Der Senat stützt sich insoweit ebenso wie das Sozialgericht Gießen auf die Sachverständigengutachten der Dres. vom 5. Mai 1995 auf orthopädischem Fachgebiet und Koch vom 12. September 1995 auf psychiatrischem Fachgebiet sowie der Dipl.-Psychologin vom 9. September 1995 auf psychologischem Fachgebiet. Da Dr. das Absinken des Leistungsvermögens des Klägers bereits für einige Monate vor Mai 1995 annimmt, war der Rentenbeginn auf Mai 1995 festzulegen. Bezüglich der weiteren Feststellungen und der Würdigung der von den Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen des Klägers wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Um Wiederholungen zu vermeiden wird insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen ist davon auszugehen, daß der Kläger noch in der Lage ist, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es darf sich insoweit zwar nur noch um leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltung und nur gelegentlich über Kopfhöhe handeln. Auch dürfen diese Arbeiten nur mit gelegentlichem Bücken, nicht mit dem Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Gegenständen, nicht unter Einwirkung von erheblicher Kälte, Nässe und Zugluft, nicht auf Leitern und Gerüsten, nicht unter Streßbelastung und nicht als Schicht- und Akkordarbeiten verrichtet werden. Die Arbeiten dürfen darüber hinaus nicht mit langanhaltender Haltearbeit durch beide Hände verbunden sein, es muß sich um geistig einfache Arbeiten, die ohne besondere nervliche Belastung und ohne besonderen Zeitdruck verrichtet werden können, handeln. Des weiteren dürfen an den Kläger keine besonderen Anforderungen bezüglich der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit gestellt werden, denn unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. und der Dipl.-Psychologin liegt beim Kläger eine geminderte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit vor.
Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers ist unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen auf psychiatrischem/psychologischem Fachgebiet damit zwar noch nicht aufgehoben, so daß diese Leistungseinschränkung für sich alleine genommen noch nicht zur Erwerbsunfähigkeit führen kann, wenn keine konkrete zumutbare Tätigkeit nachgewiesen wird. Es muß allerdings aufgrund der Fülle der beim Kläger vorhandenen Leistungseinschränkungen davon ausgegangen werden, daß hier eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt. Dies ergibt sich insbesondere aus den Leistungseinschränkungen bezüglich der Haltung, in der die Arbeiten verrichtet werden können, aus der eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Hände und der Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers.
Wenn auch, insoweit ist der Beklagten Recht zu geben, ausschließlich unter Betrachtung der Leistungseinschränkungen des Klägers ein Grenzfall hinsichtlich des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegeben sein mag. Das BSG hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, daß eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dann vorliegt, wenn es sich um Einschränkungen handelt, die so erheblich sind, daß von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müssen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auch noch in einem Betrieb einsetzbar ist. Als Beispielsfälle hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts u.a. das Erfordernis häufiger, wenngleich kürzerer Pausen, besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen Arbeitsplatz sowie das Erfordernis besonderer Überprüfung wegen stärkerer Konzentrationsmängel angeführt (vgl. Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 30. November 19.82, Az.: 4 RJ 1/82, S. 5). Allerdings ist, und dies verkennt die Beklagte, gerade die Kombination der Leistungseinschränkungen im vorliegenden Fall dafür verantwortlich, daß der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen keiner Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Entscheidend ist nämlich, ob der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ausführen kann (vgl. Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 1. März 1984, Az.: 4 RJ 43/83, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 117, S. 374; so auch der 5. Senat des Bundessozialgerichts in seinen Entscheidungen vom 14. September 1995, Az.: 5 RJ 28/95, S. 6 und 5 RJ 8/95, ebenfalls S. 6; 5 RJ 22/95, S. 6, 7 sowie 5 RJ 50/94, S. 14). Bestätigt wird diese Feststellung durch die berufskundlichen Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes vom 19. Dezember 1995 und 15. Oktober 1996. In beiden Stellungnahmen wird ausführlich und sorgfältig begründet, daß der Kläger wegen der vielfältigen gesundheitlichen Einschränkungen sowie der daraus resultierenden Einschränkung der Leistungsbreite keine mehr als geringfügige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Anders als von der Beklagten angenommen, stellt das Landesarbeitsamt insoweit nicht auf die Arbeitsmarktlage ab, sondern ausschließlich auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers. Wenn auch die Wahl der Worte "Verweisungstätigkeit und Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten Dauer” rechtlich betrachtet einem anderen Tatbestand, nämlich dem der Berufsunfähigkeit zuzuordnen sind, so ändert dies nichts an der Eindeutigkeit der Aussage des Landesarbeitsamtes. Entscheidend insoweit ist nämlich nicht die rechtliche Bewertung des Landesarbeitsamtes bzw. die Verwendung von rechtlich eindeutig belegten Begriffen, sondern das, was vom Landesarbeitsamt als in berufskundlicher Hinsicht kompetenter Stelle tatsächlich bekundet werden kann. In der Auskunft vom 19. Dezember 1995 wird ausdrücklich ausgeführt, daß unter Berücksichtigung der ärztlicherseits festgestellten erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere auf orthopädischem und psychologischem Gebiet, der Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet werde, noch irgendwelche Verweisungstätigkeiten auszuüben. Manuelle Tätigkeiten würden wegen der Vielzahl der gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet und kaufmännische Tätigkeiten wegen der mangelnden Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ausscheiden. Gerade das Zusammenwirken der Gesundheitsstörungen mit dem Erfordernis, daß der Kläger nur noch leichte und geistig einfache Tätigkeiten verrichten könne, führt nach Auskunft des Landesarbeitsamtes dazu, daß es keine Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr gibt. Dies hat das Landesarbeitsamt in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1996, die der Senat eingeholt hat, nochmals bestätigt. Diese berufskundliche Auskunft gebietet es nun aber von den eingangs benannten ernsten Zweifeln daran auszugehen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen noch in einem Betrieb einsetzbar ist (vgl. a.a.O.).
In einem solchen Fall ist dem Versicherten eine konkrete Tätigkeit zu benennen, die er mit dem eingeschränkten Leistungsvermögen noch verrichten kann, auch wenn von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen ist, das an sich die Annahme nahe legt, daß es eine hinreichende Zahl von Erwerbsmöglichkeiten für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt. Diese Benennung einer konkreten Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Auskünfte des Landesarbeitsamtes im vorliegenden Fall nicht möglich. Um Wiederholungen zu vermeiden wird insoweit auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Auch im Hinblick auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren benannten weiteren Tätigkeiten vermochte der Senat nicht zu anderen Erkenntnissen zu gelangen. In der ergänzenden Auskunft vom 15. Oktober 1996 hat das Landesarbeitsamt ausgeführt, daß der Kläger auch diese Tätigkeiten nicht verrichten könne. Anders als die Beklagte vermochte das Landesarbeitsamt dem Kläger keine konkrete, seinen Leistungseinschränkungen angepaßte, Tätigkeit anzugeben. Da nach Auffassung des Senats das Landesarbeitsamt jedoch die Kompetenz zur Beurteilung des Übereinstimmens von Anforderungs- und Leistungsprofil sämtlicher Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besitzt, stützt sich der Senat auf diese Auskunft, ohne Veranlassung zu haben, insoweit weitere Auskünfte einholen zu müssen. Dies war auch selbst nach den Ausführungen der Beklagten nicht geboten, denn nach deren Ansicht liegt im vorliegenden Fall bereits keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.
Des weiteren vertritt die Beklagte die Auffassung, daß vorliegend von einem Fall des § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB 6 auszugehen ist.
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB 6 hat die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit, jedenfalls eines vollschichtig leistungsfähigen Versicherten, außer Betracht zu bleiben. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Arbeitsmarktlage nicht der ausschlaggebende Gesichtspunkt für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB 6. Der Kläger ist aus gesundheitlichen Gründen, nämlich aufgrund der Summierung der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, nicht mehr in der Lage, seine Arbeitskraft in geldwerte Güter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt umzusetzen. Erst dies hat dazu geführt, daß ihm eine konkrete Verweisungstätigkeit hätte benannt werden müssen, wenn trotzdem von dem Bestehen von Erwerbsfähigkeit hätte ausgegangen werden sollen. Dies war, insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen, jedoch nicht möglich. Damit ist das Benennungserfordernis einer konkreten Tätigkeit der Frage der allgemeinen Zugänglichkeit einer Erwerbsmöglichkeit, der sogenannten Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zuzuordnen (vgl. Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 14. September 1995, Az.: 5 RJ 50/94, S. 13), allerdings aus gesundheitlichen Gründen. Die Arbeitsmarktlage ist mithin im vorliegenden Fall nicht die eigentliche Ursache für die mangelnde Möglichkeit der Erzielung von Einkommen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. hierzu auch Knispel, Zur Bedeutung des 2. SGB-ÄndG für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, NZS 96, 513 ff.).
Hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer und des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls sowie des Rentenbeginns wird auf die weitere zutreffende und ausführliche Begründung im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Der Kläger ist zwar, da er nach den vorangegangenen Ausführungen erwerbsunfähig ist, auch – vom gesundheitlichen Leistungsvermögen her gesehen – berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB 6. Die Berufsunfähigkeit stellt insoweit ein Minus zur Erwerbsunfähigkeit dar. Allerdings ist er nach der Auskunft des letzten Arbeitgebers, der Firma vom 4. April 1997, als ungelernter Arbeiter im Rahmen des Mehrstufenschemas, also in die unterste Stufe, einzuordnen. Damit wären ihm sämtliche Tätigkeiten, auch der einfachsten Art, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar. Weil ihm jedoch aufgrund seines gesundheitlichen Leistungsvermögens überhaupt keine Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr benannt werden können, brauchte die Frage der Berufsunfähigkeit im vorliegenden Fall nicht weiter erörtert zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG sind im Hinblick auf den hier vorliegenden Grenzfall der Summierung der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und der Indizwirkung der Auskunft des Landesarbeitsamtes gegeben.
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