L 20 B 1106/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 157 AS 3252/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1106/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der sich die Klägerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das vor dem Sozialgericht Berlin zum Geschäftszeichen S 157 AS 3252/08 anhängige Klageverfahren wendet, in dem sie die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch SGB II – begehrt, ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage mit der Begründung abgelehnt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vorliege.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn neben anderen Voraussetzungen die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist dann zu bejahen, wenn eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Die bloße Möglichkeit eines Erfolges reicht nicht aus, es muss vielmehr eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestehen, die Anforderungen daran dürfen jedoch nicht überspannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1486/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag des Klägers auszugehen, der ggf. auszulegen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die Klage vor dem Sozialgericht hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte. Das Sozialgericht hat zu Recht den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II angenommen.

Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Berufsausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass es sich bei der Ausbildung der Klägerin zur psychologischen Psychotherapeutin in Vollzeitform um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung nach dem BAföG handelt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des sozialgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen, denen der Senat folgt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG, § 153 Abs. 2 SGG analog).

Der Senat konnte offen lassen, ob die Klägerin dann nicht vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II erfasst würde, wenn sie ihre Ausbildung in Teilzeitform absolvieren würde, was grundsätzlich möglich wäre. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG) erfolgt die Ausbildung entweder in drei Jahren in Vollzeitform oder in fünf Jahren in Teilzeitform.

Für einen fehlenden Leistungsausschluss in diesem Fall spräche, dass die von der Klägerin absolvierte Ausbildung mit dem Status eines Postgraduiertenstudiums (vgl. Broschüre des Verbands Psychologischer Psychotherapeuten, Verwaltungsvorgang Bl. 134 ff) als Teilzeitstudium dem Grunde nach nicht förderungsfähig nach dem BAföG wäre. Vollständig in Teilzeitform durchgeführte Ausbildungen unterfallen dem Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG. Nach dieser Vorschrift kann nur eine solche Ausbildung durch Leistungen nach dem BAföG gefördert werden, für die die Auszubildenden im Allgemeinen ihre Arbeitszeit ganz einsetzen müssen. Der Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BAföG betrifft hierbei nicht die Förderung im konkreten Falle, sondern die abstrakte Förderungsfähigkeit, wie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 14. Dezember 1994 – 11 C 28/93 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 112) ausführlich unter Bezugnahme auf Wortlaut, Regelungszusammenhang, Entstehungsgeschichte und Zweck dieser Vorschrift ausgeführt hat. Im Rahmen von § 7 Abs. 5 SGB II wiederum ist unerheblich, dass die Klägerin neben den objektiven auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Förderung nach dem BAföG wegen Überschreitens des Höchstalters nicht erfüllt, denn der Leistungsausschluss nach dem SGB II bezieht sich nur auf Fälle einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung.

So liegt der Sachverhalt aber nicht. Die Klägerin absolviert die Ausbildung eigenen Angaben zufolge in Vollzeitform. Hierfür spricht insbesondere ihre Antragsbegründung vom 23. August 2007 gegenüber dem Beklagten "Ich habe eine 40 Stunden Woche, verdiene aber kein Geld" (Anlage zum Antrag auf Arbeitslosengeld vom 18. August 2007). Auch hat sich die Klägerin bisher weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren gegen die Feststellung des Beklagten zur Wehr gesetzt, sie betreibe seit dem 1. August 2007 eine "Vollzeitausbildung" zur Psychologischen Psychotherapeutin (Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2007) bzw. eine "postgraduale Vollzeitausbildung" (Bescheid vom 15. November 2007). Auch mit der Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss macht die Klägerin nicht geltend, die Ausbildung in Teilzeitform zu absolvieren. Vielmehr trägt ihr Prozessbevollmächtigter vor, dass auch die Ausbildung in Vollzeitform neben einer normalen beruflichen Tätigkeit als Psychologin in fester Anstellung absolviert werden könne, weil die dann abzuleistenden 1800 Stunden praktischer Tätigkeit während der normalen beruflichen Tätigkeit absolviert würden. Mit diesem Vortrag bekräftigt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gerade den Umstand, dass für die Durchführung der Ausbildung in Vollzeitform die Auszubildenden im Allgemeinen ihre Arbeitszeit ganz einsetzen müssen. Sollte die Klägerin nunmehr ihr Studienkonzept umstellen können und dies gegenüber dem Beklagten nachweisen, wird dieser die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II erneut zu prüfen haben. Im Übrigen könnte die Klägerin sich bei Durchführung der Ausbildung in Teilzeitform zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auch um die Aufnahme einer ggf. minder qualifizierten Tätigkeit bemühen, was ihr bislang wegen der Vollzeitausbildung nicht möglich gewesen sein dürfte.

Zu Recht haben auch sowohl der Beklagte als auch das Sozialgericht das Vorliegen eines besonderen Härtefalls (§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II) verneint.

Dies gilt unabhängig davon, ob das Vorliegen einer besonderen Härte in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläuferregelung des § 26 Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) daran gemessen wird, ob die Folgen des Anspruchsauschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt verbunden ist, und vom Gesetzgeber so bewusst gewollt ist (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BverwG - vom 14. Oktober 1993 - Az.: 5 C 16/91, juris) oder ob eine typisierende Betrachtungsweise angenommen wird (OVG Lüneburg, FEVS 54, 379 und FEVS 48, 468; vgl. hierzu Brühl/Schoch in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 7 Rn. 102 und Spellbrink in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 7 Rn. 100, jeweils m.w.N.). Folgt man der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 26 BSHG – der auf der Tatbestandsebene mit § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II identisch ist – liegt ein besonderer Härtefall erst vor, wenn die Folgen des gesetzlichen Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist (wie die typische Konsequenz, das die Ausbildung nicht begonnen oder gar abgebrochen werden muss) und diese im Hinblick auf den Gesetzeszweck, Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten (keine Ausbildung auf "zweiter Ebene"), als übermäßig hart erscheint.

So verhält es sich gerade nicht. Drohende Konsequenz des Leistungsausschlusses der Klägerin ist es zwar, dass sie die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin abbrechen muss, wenn sie diese nicht mit Erfolg auf eine Durchführung in Teilzeitform umstellen kann. Genau dieses Ergebnis ist vom Gesetzgeber aber beabsichtigt und bewusst gewollt. Denn Sinn des Gesetzes ist es, so wie früher die Sozialhilfe nunmehr auch die Grundsicherung von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten. Die Leistungen zur Grundsicherung dienen nicht dem Zweck, gleichsam eine Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene sicherzustellen, nachdem die primär dafür vorgesehenen Leistungen nicht mehr gewährt werden können. Diese Bestimmungen würden andernfalls durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zweckwidrig unterlaufen.

Darüber hinausgehende Gesichtspunkte, die einen Härtefall zu begründen vermögen, sind nicht gegeben. Insbesondere liegt keine Härte darin, die Ausbildungsgebühren im Fall eines Abbruchs der Ausbildung umsonst ausgegeben zu haben, mögen diese auch wie im vorliegenden Fall mit 13.000 EUR hoch gewesen sein.

Ein Härtefall lässt sich auch nicht bei einer typisierenden Betrachtungsweise begründen. Die Rechtsprechung hat ihn bei drei Fallgruppen angenommen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2007 - Az.: L 28 B 53/07 AS ER und Urteil vom 5. Juli 2006 - Az.: L 10 AS 545/06): 1. die Ausbildung ist kurz vor ihrem Ende und der bevorstehende Abschluss droht - unverschuldet - an Mittellosigkeit zu scheitern, 2. die konkrete Ausbildung ist belegbar die einzige realistische Möglichkeit, einen Zugang zum Erwerbsleben zu schaffen und 3. die finanzielle Absicherung der Ausbildung ist entfallen ohne dass dies vom Hilfebedürftigen zu vertreten ist, die Ausbildung ist fortgeschritten und es besteht begründete Aussicht, dass die Ausbildung mit Wahrscheinlichkeit erfolgreich beendet wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer dieser Fallkonstellationen hat der Senat nicht. Die erste der oben angeführten Fallgruppen liegt offensichtlich nicht vor, denn die mindestens dreijährige Ausbildung endet voraussichtlich frühestens im Juli 2010. Gleiches gilt für die dritte Fallgruppe. Durch die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II entfällt nicht eine zuvor gesicherte finanzielle Grundlage für die Ausbildung. Gesichert war die finanzielle Grundlage für die Ausbildung der Klägerin gerade nicht.

Die von der Klägerin gewählte Ausbildung ist auch nicht die einzige realistische Chance für den Zugang zum Erwerbsleben. Es mag sein, dass die Klägerin mit ihrer Erstausbildung als Diplom-Psychologin bisher erfolglos bei der Arbeitssuche war. Dass dies allein der Ausbildung geschuldet ist, ihre Ausbildung für den Arbeitsmarkt (im Bundesgebiet) quasi wertlos ist, ist durch nichts belegt. Es folgt insbesondere nicht aus der von der Klägerin zitierten angeblichen Aussage des Prof. Dr. Wittchen, dass sie heute in Deutschland mit einem Diplom in Psychologie nicht erwarten könne, eine bezahlte Stelle zu finden, die ebenfalls nicht belegt ist. Die Verschlechterung der Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt durch Abbruch einer Ausbildung stellt im Übrigen keine besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II dar (Beschluss des Senats vom 15. Mai 2008 – L 20 B 661/08 AS ER).

Die von der Klägerin gerügte Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Leistungsausschlusses liegt nicht vor (vgl. hierzu grundlegend BSG, Urteil vom 06. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R – JURIS).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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