L 5 V 191/92

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 12 V 1527/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 191/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 1991 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Witwenrente oder Witwenbeihilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die 1928 geborene Klägerin ist tschechische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Bystrice, Tschechische Republik. Sie ist die Witwe des 1927 geborenen Beschädigten Dieser beantragte erstmals mit einem am 4. Juli 1969 beim Versorgungsamt Fulda eingegangenen Schreiben die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Er gab an, daß er als Soldat der ehemaligen deutschen Wehrmacht am 24. Januar 1945 durch Granatsplitter am rechten Arm schwer verwundet worden sei. Gegenwärtig arbeite er als Aufräumer in einer Badeanstalt und verdiene etwa 1.500 Tschechische Kronen monatlich. Vor der Schädigung habe er den Beruf des Kellners ausgeübt. Derzeit beziehe er eine monatliche Invalidenrente in Höhe von 395 Kronen. Diesem Antrag legte der Beschädigte ein Krankenblatt des Reservelazaretts WB. vom Februar 1945 bei, in welchem die Schädigung näher bezeichnet wird. Als Beruf des Beschädigten ist in diesem Krankenblatt "Kellnerlehrling” eingetragen. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen stellte das Versorgungsamt Fulda in einer Aktenverfügung vom 1. April 1971 als Schädigungsfolgen bei dem Beschädigten fest:

"Versteifung des Schulter- und Handgelenks, Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks sowie Beugeversteifung der Finger nach multiplen Splitterverletzungen des rechten Armes mit Schußbruch des Schulterblattes, des Unterarmes und mit Speichennervlähmung”.

Mit Bescheid vom 6. April 1971 gewährte das Versorgungsamt deshalb Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. Aufgrund dieses Bescheides bezog der Beschädigte laufend Versorgungsbezüge bis zu seinem Tod am 31. Januar 1987.

Mit einem am 20. Februar 1987 beim Versorgungsamt Fulda eingegangenen Schreiben teilte die Klägerin den Tod des Beschädigten mit und beantragte Witwenversorgung. In der Anlage übersandte sie den Sterbeschein vom 2. Februar 1987, aus dem hervorgeht, daß der Beschädigte an einer ischämischen Herzkrankheit gelitten hatte und an einem Zustand nach Myocardinfarkt verstorben ist. Im Antragsformular gab die Klägerin ergänzend an, daß der Beschädigte von 1941 bis 1944 als Kellner im Hotel "PIAST” gearbeitet habe. Nach der Schädigung sei er von Januar 1948 bis 10. September 1981 dauernd als Arbeiter (Aufräumer in einer Badeanstalt) beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 1. Dezember 1987 lehnte das Versorgungsamt Fulda die Gewährung von Witwenversorgung mit der Begründung ab, Witwenrente sei nicht zu gewähren, da der Beschädigte nicht an den Folgen der Schädigung gestorben sei. Auch Witwenbeihilfe könne nicht gewährt werden, da der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung nicht gehindert gewesen sei, einer entsprechenden Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dadurch sei auch die Versorgung seiner Hinterbliebenen nicht gemindert. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 18. Dezember 1987 Widerspruch ein und begründete diesen damit, ihr verstorbener Ehemann hätte aufgrund der Schädigungsfolgen in der Nachkriegszeit immer einen sehr kleinen Verdienst gehabt und sei nur in der Lage gewesen, leichte Arbeiten auszuüben. Er habe ursprünglich den Beruf eines Kellners erlernt. In diesem Beruf hätte er mehr verdienen können, als er tatsächlich als Arbeiter in den Eisenwerken Trinec verdient habe. Zum Beweis legte sie die Verdienstbescheinigung des Beschädigten für die Jahre 1955 bis 1981 der Eisenwerke Trinec vor. Weiterhin legte sie die Verdienstbescheinigung des für die Jahre 1976 bis 1981 vor. Sie führte dazu aus, daß Herr im Gastgewerbe tätig gewesen sei und wesentlich mehr verdient habe als ihr Ehemann. Herr habe als Kellner und Gasthausleiter in der Funktion eines Oberkellners gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1990 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies im wesentlichen damit, daß der Klägerin keine Witwenrente zustehe, weil der Beschädigte nicht an den Folgen der Schädigung gestorben sei. Auch die Voraussetzungen zur Gewährung von Witwenbeihilfe gemäß § 48 BVG würden nicht vorliegen. Der Verstorbene habe vor der Schädigung den Beruf des Kellners erlernt und sei nach deren Eintritt als Arbeiter (Badewärter) tätig gewesen. Hierbei handele es sich um sozial gleichwertige Berufe. Die von ihm erzielten Löhne entsprächen den Durchschnittsverdiensten aller gewerblichen Arbeitnehmer in der Tschechoslowakei. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, daß der Verstorbene durch die Verwundungsfolgen in seinem beruflichen Werdegang nicht beeinträchtigt worden sei. Die vorgelegte Verdienstbescheinigung des Herrn könne keine Vergleichsgrundlage bilden, da er nicht als Kellner sondern entsprechend seiner beruflichen Stellung als Gasthausleiter ein überdurchschnittliches Einkommen bezogen habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. März 1990 beim Landesversorgungsamt Hessen Klage erhoben, die am 4. Mai 1990 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangen ist.

Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund der Schädigungsfolgen habe ihr verstorbener Ehemann weniger verdient, wie wenn er nicht geschädigt worden wäre. Dadurch sei eine Versorgungslücke entstanden. Hätte er als Kellner gearbeitet, so hätte er mehr verdienen können. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß Kellner neben ihrem regelmäßigen Verdienst auch Trinkgelder erhalten würden, die zwar nicht bei der tschechischen Rentenberechnung, wohl aber beim Familieneinkommen berücksichtigt werden müßten. Außerdem hätte der Beschädigte im Eisenwerk nur als Hilfsarbeiter gearbeitet. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er auch hier einen höheren Verdienst erzielen können. Zur weiteren Begründung hat sie Bescheinigungen des Hotels und Restaurants von Beskydy über die Verdienste der Kellnerin und des Kellners vorgelegt. Aus diesen Bescheinigungen ergibt sich der Verdienst der Frau für die Jahre 1985 bis 1990 und für Herrn für die Jahre 1970 bis 1984. Des weiteren hat die Klägerin eine Bescheinigung der Eisenwerke Trinec vom 11. Dezember 1990 vorgelegt, aus der sich der durchschnittliche Verdienst der dort beschäftigten Arbeiter von 1970 bis 1989 ergibt.

Mit Urteil vom 18. Juni 1991 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente, da der Tod ihres beschädigten Ehemannes nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Ein wahrscheinlicher kausaler Zusammenhang zwischen dem Herzleiden, das Todesursache bei dem Beschädigten gewesen sei, und den bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen an Schulter und Arm rechts sei nicht erkennbar. Auch die Klägerin selbst gehe ersichtlich nicht mehr davon aus, daß ein solcher ursächlicher Zusammenhang bestehe. Auch Witwenbeihilfe sei nicht zu gewähren, da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 BVG nicht vorlägen. Es sei nicht nachgewiesen, daß eine schädigungsbedingte Lücke in der Hinterbliebenenversorgung entstanden sei. Dazu müßte der verstorbene Beschädigte in seiner Erwerbstätigkeit einen wirtschaftlichen Schaden erlitten haben, der sich über den Tod hinaus mindernd auf die Versorgung auswirke. Unter Erwerbstätigkeit sei die Tätigkeit zu verstehen, die der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher getätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich ausgeübt hätte. Der Beschädigte hätte ohne die Schädigung wahrscheinlich den Beruf eines Kellners ausgeübt. Diesen habe er vor dem Krieg angestrebt und eine Lehre begonnen, evtl. habe er diese Lehre auch erfolgreich abgeschlossen. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen. Das Gericht sei allerdings nicht davon überzeugt, daß der Beschädigte ohne die Kriegsbeschädigung nicht nur als Kellner, sondern als Oberkellner oder Restaurantleiter gearbeitet hätte. Für das Gericht sei nicht erkennbar, daß der Beschädigte die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besessen habe. Soweit der Beschädigte aber nur als Kellner tätig geworden wäre, hätte er kein höheres Entgelt erzielt, als in seiner tatsächlich nach dem Krieg ausgeübten Tätigkeit. Lege man hier das vom Kellner in den Jahren 1976 bis 1980 erzielte Einkommen laut der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung zugrunde, so sei festzustellen, daß dieser ein geringeres Entgelt erzielt habe, als der Beschädigte im Vergleichszeitraum. Unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter Bescheinigungen der Hotelbetriebe von Beskydy erscheine der Verdienst des Kellners als repräsentativ. Das von Kellnern üblicherweise erzielte Trinkgeld dürfe bei der Berechnung der Versorgungslücke nicht berücksichtigt werden, da dieses bei der Berechnung der tschechischen Rente ebenfalls nicht berücksichtigt werde. Zwar habe der verstorbene Beschädigte im Jahr 1976 lediglich ein durchschnittliches Monatseinkommen von 1.324 Kronen erzielt. Allerdings sei dieser Minderverdienst nicht schädigungsbedingt eingetreten. Ursächlich hierfür sei das beim Verstorbenen schädigungsunabhängig bestehende Herzleiden gewesen, denn er sei wegen eines Herzinfarktes vom 22. Mai bis 18. Juni 1976 stationär behandelt worden. Schädigungsbedingt sei jedenfalls keine Versorgungslücke entstanden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20. Februar 1992 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Berufung. Sie ist der Ansicht, der Verdienst des Kellners könne nicht zum Vergleich herangezogen werden. Man müsse berücksichtigen, daß ihr verstorbener Ehemann nicht nur den Beruf des Kellners hätte ausüben können, sondern auch den des Oberkellners und Betriebsleiters. Zudem sei zu berücksichtigen, daß er als Kellner neben dem regelmäßigen Verdienst weitere Bezüge, wie z.B. Trinkgeld, erzielt hätte. Auch in den Eisenwerken Trinec habe er weniger verdient, als den durchschnittlichen Verdienst in der Volkswirtschaft der Tschechischen Republik. Hier hätte er ohne die Schädigung als Hüttenarbeiter tätig werden können. Dadurch sei eine Versorgungslücke entstanden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 1991 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1990 zu verurteilen, ihr Witwenrente
– hilfsweise Witwenbeihilfe –
nach ihrem verstorbenen Ehemann ab Februar 1987 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die bisher getroffenen Feststellungen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft bei der Tschechischen Sozialversicherung CESKA SPRAVA SOCIALNIHO ZABEZPECENI, Prag. Diese hat mit Schriftsatz vom 23. März 1994 eine Auskunft des Ministeriums für Arbeit und Soziales der Tschechischen Republik vom 22. Februar 1994 vorgelegt. Daraus geht hervor, daß in der Tschechoslowakei in den Jahren 1948 bis 1982 keine Statistik über das durchschnittliche Einkommen einzelner Berufe geführt worden ist. Angaben über das durchschnittliche Monatseinkommen einzelner Berufe wurden erstmals nach den statistischen Berechnungen aus dem Jahr 1984 ausgewertet. In diesem Jahr betrug das durchschnittliche Monatseinkommen eines Kellners 2.325 Kronen. Der durchschnittliche Lohn einer Putzfrau betrug im gleichen Jahr 1.820 Kronen. Der durchschnittliche Monatslohn für die gesamte Volkswirtschaft auf dem Gebiet der Tschechischen Republik betrug im Vergleichszeitraum 2.858 Kronen. In der Anlage hat das Ministerium eine Übersicht über die durchschnittlichen Monatslöhne aller Beschäftigten in der Tschechischen Republik für den Zeitraum von 1948 bis 1984 vorgelegt. Auf diese Übersicht wird Bezug genommen (Blatt 96 der Gerichtsakte).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beim Versorgungsamt Fulda geführten Verwaltungsakten der Klägerin und des verstorbenen Beschädigten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den vorliegenden Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt, sowie statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143 und 148 SGG i.d. Fassung vom 23. September 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1990).

Die Berufung ist sachlich jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 1. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1990 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenversorgung.

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG haben Witwen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Es muß somit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem Tod bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier zur Überzeugung des Senats nicht vor. Der verstorbene hat ausweislich der Verwaltungsverfügung des Versorgungsamtes Fulda vom 22. März 1971 Schädigungsfolgen an der Schulter und Hand erlitten. Der Tod trat bei ihm hingegen durch die Folgen eines Herzleidens ein. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Erkrankungen ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Witwenrente besteht nicht.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenbeihilfe. Gemäß § 48 BVG ist Witwenbeihilfe zu gewähren, wenn ein rentenberechtigter Beschädigter nicht an den Folgen der Schädigung gestorben ist, wenn er aber durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen um im Gesetz genannte Vom-Hundert-Sätze gemindert ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 BVG). Diese Voraussetzung gilt bei Hinterbliebenen von Schwerbeschädigten als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt des Todes Anspruch auf Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen oder wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage oder mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadenausgleich hatte (§ 48 Abs. 1 Satz 5 und 6 BVG). Der Ehemann der Klägerin hatte zum Zeitpunkt seines Todes weder Anspruch auf Pflegezulage noch hatte er Anspruch auf Schadensausgleich und bezog auch keine Beschädigtenrente als Erwerbsunfähiger.

Die unwiderlegbare Rechtsvermutung des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG, wonach ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Dauer von fünf Jahren vorliegen muß, ist nur eine Beweiserleichterung (BSG, Urteil vom 14. Februar 1990 – 9 a/9 RV 4/89), so daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Dritten Alternative auch ohne Antrag des Beschädigten vorliegen können, wenn es sich der Verwaltung aufdrängen mußte, daß alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre vor dem Tod gegeben waren (BSG, Urteil vom 27. Januar 1987 – 9 a RV 6/86). Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Februar 1993 – 9/9 a RV 4/92), welcher der Senat folgt, muß der Anspruch auf den ersten Blick für jeden Kundigen klar erkennbar sein. Im vorliegenden Fall hat der verstorbene Beschädigte zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich einen Antrag auf Berufsschadensausgleich gestellt. Auch hat er zu keinem Zeitpunkt Verschlimmerungsanträge wegen seiner Kriegsleiden gestellt. Einzig in seinem Erstantrag vom 26. Juni 1969 und dem darauf folgenden Schriftverkehr hat er auf seine berufliche Situation hingewiesen. Er hat dargestellt, daß er als Aufräumer in einer Badeanstalt arbeite und vor dem Krieg als Kellner ausgebildet worden sei. Aufgrund dieser Angaben mußte das Versorgungsamt nur zu diesem Zeitpunkt prüfen, ob der Verstorbene auch einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hatte. Ein solcher Anspruch bestand jedoch nicht. Gemäß § 64 c Abs. 2 Satz 1 gilt § 30 Abs. 3–16 BVG auch für die Festsetzung des Berufsschadensausgleichs bei Berechtigten, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Gemäß § 30 Abs. 3 und Abs. 4 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v.H. des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Einkommensverlustes. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit und dem höheren Vergleichseinkommen. Bevor die Höhe des Berufsschadensausgleichs gemäß § 64 c Abs. 2 Satz 2 BVG berechnet wird, ist festzustellen, welchem Beruf der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen-wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG) und ob beim Vergleich beider Berufe ein konkreter Schaden eingetreten ist. Aufgrund der Bekundungen der Klägerin, die übereinstimmen mit den schriftlichen Angaben des verstorbenen Beschädigten, geht der Senat davon aus, daß der Verstorbene ohne die Schädigung nach dem Krieg als Kellner tätig geworden wäre. Es ist für den Senat jedoch nicht wahrscheinlich, wie die Klägerin meint, daß der Verstorbene gegebenenfalls Oberkellner oder Betriebsleiter in einem Restaurant geworden wäre. Dem steht entgegen, daß der Verstorbene zum einen nur eine achtjährige Schulausbildung absolviert hatte und zum anderen sein tatsächliches Berufsleben auch nicht so abgelaufen ist, daß sich hieraus ein Veränderungs- und Aufstiegswille erkennen läßt. Vielmehr hat er über einen Zeitraum von 31 Jahren die gleiche Position bekleidet. Für den Senat wird dabei nicht ersichtlich, daß dies allein durch die Schädigungsfolgen geprägt war. Der Senat geht deshalb davon aus, daß der Kläger ohne den Eintritt der Schädigung weiterhin als Kellner tätig geworden wäre. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Schaden dadurch eingetreten ist, daß der Kläger tatsächlich als Aufräumer in der Badeanstalt eines Eisenwerks tätig geworden ist, hat das Sozialgericht rechtsfehlerfrei auf das vom Kellner tatsächlich erzielte Einkommen abgestellt (vgl. Bl. 15 der Gerichtsakte). Einerseits liegen nur für diese Person Vergleichszahlen aus dem Jahr 1970 vor, andererseits kann dessen Gehalt auch deshalb herangezogen werden, weil es repräsentativ erscheint. Auch die von der Klägerin in das Verfahren eingeführte Gehaltsbescheinigung der Frau läßt ähnliche Gehaltsstrukturen erkennen. Soweit man aber das Gehalt des Kellners mit dem Gehalt des Klägers im Jahr 1970 vergleicht, ergibt sich kein wesentlicher Unterschied. Der Kellner hat in diesem Jahr 21.361 Kronen verdient, der Beschädigte verdiente ausweislich der Verdienstbescheinigung vom 12. August 1988 (vgl. Bl. 27 der Witwenakte) im gleichen Zeitraum 22.971,60 Kronen. Ähnlich verhält es sich, wenn man spätere Abrechnungszeiträume miteinander vergleicht. Auch hieraus ergibt sich nicht, daß im Beruf des Kellners durchschnittlich wesentlich mehr verdient worden ist, als bei der konkreten Tätigkeit des Beschädigten. Die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft der Tschechischen Sozialversicherung führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach gibt es keine statistischen Zahlen für einzelne Berufsgruppen bis zum Jahr 1984. Auch die vom Ministerium für Arbeit und Soziales der Tschechischen Republik übersandte Obersicht über die Angaben zu den durchschnittlichen Monatslöhnen aller Arbeitnehmer bestätigt im Ergebnis die Feststellungen des Sozialgerichts. Danach haben im Jahr 1970 die Beschäftigten in der damaligen CSSR durchschnittlich 1.946 Kronen monatlich verdient, das sind 23.352 Kronen jährlich. Der Verstorbene hat demgegenüber in diesem Jahr, wie oben dargestellt, mit 22.971 Kronen nur geringfügig weniger verdient. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Zur Überzeugung des Senats hätte er in diesem Zeitraum wahrscheinlich auch als Kellner einen ähnlichen Verdienst erzielt. Dies ergibt sich für den Senat daraus, daß nach der oben genannten Auskunft das durchschnittliche Monatseinkommen eines Kellners im Jahr 1984 in der untersten Stufe 2.325 Kronen und in der höchsten Lohneinstufung 3.384 Kronen betragen hat. Das mittlere Einkommen zwischen beiden Stufen lag also bei 2.854 Kronen. Dies entspricht aber dem Durchschnittswert aller Beschäftigten in der damaligen CSSR für das Jahr 1984, der zu diesem Zeitpunkt 2.858 Kronen betragen hat. Wenn dies aber für den wesentlich späteren Zeitraum gilt, muß dies wegen mangelnder anderer Hinweise auch für den streitgegenständlichen Zeitraum 1969/70 angenommen werden. Ein Berufsschaden lag damals jedenfalls nicht offensichtlich vor. Diesen Gehältern war auch kein etwaiges fiktives Trinkgeld für Kellner hinzuzurechnen, denn dies war auch in der ehemaligen CSSR nicht Berechnungsbestandteil für die Leistungen der Sozialversicherung. Durch den Ausfall von Trinkgeld konnte also keine Versorgungslücke entstehen.

Letztlich war es für die Entscheidung auch ohne Bedeutung, ob der Beschädigte ohne den Eintritt der Schädigung im Stahlwerk eine besser bezahlte Tätigkeit hätte ausführen können. Diese Tätigkeit hat er nämlich nicht nachweislich angestrebt. Vielmehr wäre er, wie oben dargestellt, ohne die Schädigungsfolge weiterhin als Kellner tätig gewesen. Zur Beurteilung der Frage, ob der Beschädigte ursprünglich eine andere Tätigkeit im Stahlwerk angestrebt hat, fehlen jegliche tatsächliche Angaben des Beschädigten. Hiervon kann deshalb nicht ausgegangen werden. Aus den spärlichen Angaben des Beschädigten ergibt sich im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Februar 1993 – 9/9 a RV 4/92 –) jedenfalls nicht für jeden Kundigen auf den ersten Blick ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG liegen somit nicht vor.

Auch ansonsten ist nicht erkennbar, inwieweit die Witwenversorgung schädigungsbedingt gemindert sein könnte. Vergleicht man nämlich den tatsächlichen Verdienst des Verstorbenen mit dem durchschnittlich erzielten Einkommen in der Tschechischen Republik, so ergibt sich, daß der Beschädigte bis Ende der sechziger Jahre wesentlich mehr verdient hat als der Durchschnitt. Bis Mitte der siebziger Jahre entsprach sein Verdienst in etwa dem Durchschnitt. Erst für die Zeit von 1975–1981 ergibt sich ein geringerer Verdienst. In diesem Zeitraum hatte der Beschädigte aber auch verdienstmindernde hohe Ausfallzeiten, die scheinbar auf die schädigungsunabhängige Herzkrankheit zurückzuführen waren. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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