L 25 B 1646/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 6221/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1646/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2007 wird
aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz ab dem 18. Juni 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend.

Vorliegend hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinn verneint.

Die Prüfung der Erfolgsaussichten ist auf den für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag zu beziehen. Hier anknüpfend ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage bei der gebotenen verfassungs-konformen Auslegung nicht dazu führen darf, die Klärung der Tatsachen und Rechtsfragen selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern, weil Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet, auch wenn der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden braucht, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dabei soll die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28.
November 2007 – 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Dementsprechend dürfen schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242).

Dies zugrunde gelegt ergeben sich vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Der angefochtene Bescheid, in dem der Sache nach eine Teilaufhebung des ursprünglichen, das zwischenzeitlich erzielte Einkommen noch nicht berücksichtigenden Bewilligungsbescheids vom 15. März 2006 enthalten ist, erscheint nicht ohne Weiteres rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, sei es, dass er auf § 45 oder § 48 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) gestützt wird, unterliegt Zweifeln, weil es schon an inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 33 Abs. 1 SGB X) fehlen dürfte.

Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Gegenstand, Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen demgemäß für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann. Hiervon ausgehend lässt sich für Aufhebungen und Rückforderungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vertreten, dass die entsprechenden Bescheide aus einer Vielzahl von Einzelfallregelungen bestehen und zumindest – entsprechend § 41 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) - eine Neuregelung des Arbeitslosengelds II für jeden einzelnen Monat des Bewilligungszeitraums vornehmen müssen. Denn das Aufhebungsrecht lässt sich als Spiegelbild des Leistungsanspruches und in Verbindung mit einer hier anknüpfenden Rückforderung als Umkehrung des Gläubiger-Schuldner-Rechtsverhältnisses ohne Änderung der Rechtsnatur des Rechts selbst verstehen. Die Angabe der Gesamtsumme hätte vor diesem Hintergrund keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern würde lediglich die Abwicklung erleichtern (vgl. etwa Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 3. April 1990 - VG 8 A 231.88 -, recherchiert bei juris).

Der angefochtene Bescheid dürfte solchen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügen, indem er über mehrere Monate hinweg die überzahlten Regelleistungen und Kosten für Unterkunft und Heizung jeweils lediglich der Gesamtsumme nach ausweist, ohne dass deutlich wird, für welchen Monat Regelleistungen und Unterkunftskosten in jeweils welcher Höhe (teilweise) aufgehoben werden sollen. Jedenfalls aber bedarf es der Durchführung eines Verfahrens in der Hauptsache, um dies zu klären.

Da die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erst mit den Anlagen zu einem am 18. Juni 2008 zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsatz gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht worden sind und mithin erst ab diesem Zeitpunkt Bewilligungsreife gegeben gewesen ist, war Prozesskostenhilfe erst ab eben diesem Zeitpunkt zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar, vgl. § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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