S 9 U 276/21

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 276/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

 

1. Das Erfrischungsbad in einem Pool zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Arbeitskraft steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn es bei noch fortzusetzender versicherter Arbeit der Wiederherstellung oder Erhaltung der Arbeitskraft zu dienen bestimmt ist, insbesondere wenn es wegen zuvor in Hitze verrichteter Arbeit notwendig und vom Arbeitgeber angewiesen worden ist.

2. Die Grenzen einer zuzubilligenden Erfrischung sind hier nicht überschritten. Eine über das übliche Maß hinausgehende Einrichtung liegt in einer den Pool umlaufenden Terrassenkonstruktion nicht vor. Die Verdrängung von betrieblichen durch eigenwirtschaftliche Handlungsmotive ist nicht anzunehmen, wenn das mögliche gefahrerhöhende Handlungsmotiv noch in der versicherten Tätigkeit liegt, insbesondere wenn das gemeinsame Erfrischen und Wiederherstellen der Arbeitskraft noch nicht abgeschlossen ist und noch von der Handlungstendenz des Versicherten umfasst wird. Der Begriff der selbstgeschaffenen Gefahr ist nur mit größter Zurückhaltung anzuwenden.

 

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2021 verurteilt, das Ereignis vom 21.08.2020 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob beim Kläger ein Ereignis vom 21.08.2020 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der am 05.07.1995 geborene Kläger verletzte sich am 21.08.2020 in einem Pool (vgl. Durchgangsarztbericht S. 1 f. Bekl.-Akte, Unfallanzeige S. 15, 33 f. Bekl.-Akte). Der Kläger erlitt dabei insbesondere schwere Kopf- und Wirbelsäulen- sowie Rückenmarksverletzungen. Er litt auch einen Herzstillstand mit erfolgter Wiederbelebung.

Aus dem Durchgangsarztbericht vom 02.09.2020 (S. 1 f. Bekl.-Akte) ergibt sich u. a. folgende Schilderung: "Der Versicherte hat heute nach der Arbeit in einem Pool versucht unter anderen Personen durchzutauchen. Ob mittels Sprung ist nicht bekannt. Dann war er bewusstlos im Wasser, er ist zügig rausgezogen worden." [...] "Genannter Hergang und Verletzungsmuster nicht im Einklang."

Es liegt Aktenvermerk vom 03.09.2020 (S. 3 Bekl.-Akte) vor. Danach habe der Kläger erzählt, der Chef habe den Kollegen an dem heißen Tag den Pool angeboten im Rahmen einer Pause. Danach sei die weitere Arbeit geplant gewesen.

Aus der Unfallanzeige von O. vom 14.09.2020 (S. 15, 33 f. Bekl.-Akte) ergibt sich u. a. folgende Unfallschilderung: "Am letzten Tag vor dem Urlaub meiner Mitarbeiter mussten dringend noch Arbeiten fertiggestellt werden. Da es sich um einen sehr heißen Sommertag handelte (über 30 °C), habe ich um ca. 18:00 Uhr die Anweisung gegeben, dass sich alle Mitarbeiter in meinem kleinen Pool auf dem Betriebsgelände neben der Werkstatt kurz abkühlen sollen und wir anschließend noch die Restarbeiten vornehmen. Wir begaben uns dann gemeinsam zum Pool, wofür ich 2 Mitarbeitern noch Badehosen lieh und frischten uns dort ab. Zunächst begab ich mich mit allen Mitarbeitern einschließlich M. in den Pool. Dieser stieg dann wieder aus dem 8 × 4 m großen und lediglich 1,14 m tiefen Pool heraus. Ich bekam mit, dass er auf dem Steg saß und die Füße ins Wasser hängen ließ. Gegen 18:15 Uhr, als ich selbst gerade nicht hinschaute, sprang er offensichtlich in den Pool und tauchte anschließend unmittelbar neben mir auf, wobei er auf dem Bauch schwamm mit dem Gesicht unter Wasser, sodass ich zunächst noch dachte, er würde bewusst die Luft anhalten. Nach kurzer Zeit fiel mir und den 3 mit mir im Pool stehenden Mitarbeitern aber auf, dass dies nicht so war und wir rüttelten an ihm und hoben ihn anschließend aus dem Wasser, wobei wir feststellen mussten, dass er nicht bei Bewusstsein war, weshalb wir sofort mit Reanimationsmaßnahmen begannen und einen Notruf absetzten. Bereits nach wenigen Minuten traf zunächst ein Rettungssanitäter und anschließend der Notarzt mit Defibrillator ein, auf dessen Anweisung ich selbst noch die Herz-Druck-Massage fortsetzte, sodass es uns letztlich erfolgreich gelang, M. zu reanimieren. Erst später erfuhr ich, dass er sich offensichtlich eine Halswirbelsäulenfraktur zugezogen hat, was nach meiner Einschätzung nur am Boden des Pools passiert sein kann, da der Pool und insbesondere seine Außenwände im Übrigen weich sind."

Die Beklagte führte Zeugenvernehmungen durch.

Mit Schreiben vom 26.10.2020 (S. 58 ff. Bekl.-Akte) teilte O2. mit, dass sich das Ereignis am 21.08.2020 um 18:15 Uhr ereignet habe. Sie habe sich zur Zeit des Unfalls neben dem Pool befunden. Sie sagte aus: "Die Männer (Angestellte meines Mannes und ein Subunternehmer) sollten sich kurz abfrischen, um dann die letzten Arbeiten abzuschließen, dafür habe ich Ihnen ein paar Badehosen meines Mannes geliehen. Sie frischten sich ab und waren gerade alle zusammen im Pool, als auf einmal jemand rief, ich solle sofort den Rettungsdienst/ Notarzt anrufen. Ich lief ins Haus und verständigte die Rettung von unserem Telefon aus, einer der Männer fügte noch am Telefon hinzu, dass die Retter sich beeilen sollten, weil Herr M. nicht atmet. Die anderen Männer (incl. meinem Mann) waren derweil bereits mit der Reanimation beschäftigt, bis nach (gefühlt) wenigen Minuten G. und etwas später der Rettungswagen eintrafen." "Da die Temperaturen über 30 °C lagen, wies mein Mann die Männer an, sich kurz abzufrischen im Pool, um dann die Restarbeiten noch zu erledigen."

Mit Schreiben vom 29.10.2020 (S. 66 ff. Bekl.-Akte) teilte H. mit, dass sich das Ereignis am 21.08.2020 ca. 18:15 Uhr ereignet habe. Er sei zur Zeit des Unfalls im Pool gewesen. Er sagte aus: "Wir wollten uns kurz abkühlen, waren ca. 5 min im Pool als M. wieder die Treppe hinunterging und für einen kurzen Augenblick weg war. Als M. wiederkam, sprang er zu uns ins Wasser. Wie er vorbeitauchte, bemerkte ich nicht, dass er sich verletzt hatte." "Da es sehr heiß war, sagte O. wir kühlen uns ab, dass wir später wieder weitermachen sollen."

Mit Schreiben vom 03.11.2020 (S. 69 ff. Bekl.-Akte) teilte H2. mit, dass sich das Ereignis am 21.08.2020 um 18:15 Uhr ereignet habe. Er habe sich zur Zeit des Unfalls im Pool befunden. Er sagte aus: "Wir waren bereits im Pool, als Herr M. diesen verließ, um ins Wasser zu springen, was ich nicht sah. Er tauchte neben mir und als wir ihn umdrehten, weil er sich nicht mehr bewegte, war er nicht mehr bei Bewusstsein und wir begannen mit der Reanimation." "Es war der letzte Tag vor dem Urlaub und der Chef sagte, wir sollten uns kurz abkühlen und dann den Rest erledigen, weil es so heiß war und hat Hr O. und mir eine Badehose geliehen."

Es liegt Schreiben von O. vom 20.11.2020 (S. 75 f. Bekl.-Akte) vor. Er teilte mit: "Nachdem für die Zeit vom 22.08.2020 bis 06.09.2020 ein 2-wöchiger Betriebsurlaub angesetzt war, mussten - nach einer längeren Montage an diesem Tag am Vormittag - noch folgende Restarbeiten verrichtet werden: Den kompletten Holzlagerplatz (Außengelände) aufräumen, sortieren und gegebenenfalls gegen Witterung sichern, Fahrt zur Deponie, um Abfälle zu entsorgen, Brennholz (aus Arbeitsresten) aufschneiden, Werkstatt aufräumen und alle Maschinen sauber machen und warten, Autos ausräumen (nach Montagen) und sauber machen. Mit allen Arbeiten konnte erst am Mittag begonnen werden und als die Aufräumarbeiten am Außengelände, dass Brennholz aufschneiden und die Fahrt zur Deponie erledigt waren, lief allen Mitarbeitern bereits der Schweiß in Strömen herunter bei Temperaturen über 30 Grad. Um die restlichen Aufräumarbeiten, die noch ausstanden erträglicher zu machen, ordnete ich eine kurze Pause von maximal 10-15 Minuten zur Erfrischung im Pool an, weil ja anschließend noch weitergemacht hätte werden müssen. Die beiden letzten Punkte waren nach der Poolpause noch vorgesehen. Da ich diese nach dem Unfall in der folgenden Woche alleine erledigt habe, schätze ich, dass wir zu viert ungefähr noch 2 Stunden gebraucht hätten."

Es liegt Aktenvermerk vom 02.12.2020 (S. 77 Bekl.-Akte) vor. Danach sei der Kläger noch mal gefragt worden. Der Unfallhergang entsprechend der Unterredung vom 02.09.2020 sei bestätigt und weiterhin aufrechterhalten worden. Weiter könne sich der Kläger nicht an den Hergang erinnern. Wie es im Wasser zu einer Aktion gekommen sei, könne er nicht wiedergeben.

Mit Bescheid vom 17.02.2021 (S. 100 ff. Bekl.-Akte) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 21.08.2020 als Arbeitsunfall ab. Ansprüche auf Leistungen würden nicht bestehen. Bei dem während der angeordneten Arbeitspause verrichteten Bad im Pool am Betriebsgelände würde es sich um eine Tätigkeit des täglichen Lebens handeln. Die Abkühlung im Pool habe ausschließlich dem persönlichen Zweck gedient und sei damit einzig und allein dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, da es sich hierbei um eine Tätigkeit handle, die üblicherweise auch völlig unabhängig von der beruflichen Tätigkeit im täglichen Leben verrichtet werde. Alle während der Arbeitspause vorgenommenen Verrichtungen aus persönlichen Zwecken seien grundsätzlich privater Natur und daher unversichert. Sie würden ihren privaten Charakter auch nicht allein dadurch verlieren, dass es sich bei dem vom Versicherten für die Vornahme ausgewählten Ort um einem vom Arbeitgeber dafür extra geschaffenen Pausenbereich innerhalb des Betriebsgeländes handle oder der Arbeitgeber die Benutzung der Örtlichkeit für derartige private Zwecke zumindest ausdrücklich wünscht oder duldet. Selbst wenn man bei dem Bad im Pool von einer notwendigen Erfrischung zur Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit ausgehen will, so wäre diese spätestens zu dem Zeitpunkt beendet, als der Kläger den Pool wieder verlassen habe, um dann von einem Steg einen Kopfsprung in das flache Wasser zu vollziehen. Hierbei handele es sich um eine vernunftswidrige, spielerische Handlung, die aus rein eigenwirtschaftlichen Gründen vorgenommen worden sei. Diese Handlung sei nicht mehr betriebsdienlich und sei daher auch nicht dem betrieblichen Gefahrenbereich zuzuordnen. Im Ergebnis handele es sich bei dem am 21.08.2020 während einer Arbeitspause durchgeführten Bad im Pool bzw. spätestens bei dem Kopfsprung in den flachen Pool um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die losgelöst vom sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit durchgeführt worden sei.

Dagegen wurde Widerspruch eingelegt (S. 109, S. 123 ff., S. 127 ff. Bekl.-Akte).

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2021 (S. 152 ff. Bekl.-Akte) zurückgewiesen. Danach sei die finale Handlungstendenz zum Zeitpunkt des Unfalls, d. h. mit Sprung in den Pool, nachdem dieser zuvor nach einer 1. Abkühlung wieder verlassen worden sei, nicht mehr darauf gerichtet gewesen, betriebliche Zwecke zu verfolgen, d. h. sich zu erfrischen, um anschließend wieder weiter arbeiten zu können. Der Kläger habe rein eigenwirtschaftlich gehandelt, als er vernunftwidrig in den bekanntermaßen nur 1,14 m tiefen Spur sprang. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Handlungstendenz, abstellend auf die kleinste zu beobachten Handlungssequenz, könne diese Handlung nicht mehr der versicherten Tätigkeit als Zimmerer bei der Firma O. zugerechnet werden. Ein Arbeitsunfall liege daher nicht vor.

Mit seiner am 15.06.2021 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage begehrt der Kläger Anerkennung des Ereignisses vom 21.08.2020 als Arbeitsunfall sowie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. Bl. 2, 26 f. SG-Akte). Ein Arbeitsunfall sei gegeben. Es liegt eine versicherte Tätigkeit vor. Auf das Verschulden des versicherten Arbeitnehmers komme es nicht an. Auch Arbeitsunfälle, die erst durch ein gefahrschaffendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers verursacht werden würden, würden dem Versicherungsschutz unterliegen.

In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts München vom 10.05.2022 wurden mehrere Zeugen vernommen.

Der Zeuge zu 4), H., erklärte, er sei zum Unfallzeitpunkt Subunternehmer gewesen. Die Vorsitzende las dem Zeugen zu 4) seine Aussage aus dem Verwaltungsverfahren (Seite 66-68 Bekl.-Akte) vor. Der Zeuge zu 4) erklärte, er habe den Kläger nicht direkt springen sehen. Der Kläger sei die Treppe zum Pool hinaufgegangen. Die Treppe habe etwa 6-7 Stufen und sei etwa 1,3 bis 1,4 m hoch. Der Pool sei freistehend, nicht in den Boden eingelassen. Um den Pool herum gehe ein Podest, welches etwa 1,5 m breit sei. Das Podest sei an der Kante des Pools umlaufend. Der Zeuge zu 4) habe etwa mittig im Pool gestanden. Er habe gesehen, dass der Kläger wegspringe, habe sich aber im selben Moment weggedreht. Der Kläger sei dann am Zeugen zu 4) vorbeigetaucht/vorbeigetrieben, wobei er sich nicht bewegt habe (ca. 30-40 cm unter der Wasseroberfläche). Der Zeuge zu 4) könne nicht sagen, warum der Kläger den Pool verlassen habe. Er sei weg gewesen (außer Sichtweite), er sei für etwa 1-2 Minuten nicht im Pool gewesen. Ob er vor dem Verlassen des Pools oder beim Hereinkommen in den Pool etwas gesagt habe, könne der Zeuge nicht sagen. Der Zeuge zu 4) meint, der Kläger sei eher "wie ein Frosch" (Arme und Kopf voraus) in den Pool gekommen. Er habe es aber nicht genau gesehen. Der Zeuge zu 4) sagte auch, dass sich die Kollegen in diesem Zeitraum im Pool unterhalten hätten, über Belangloses. Der Zeuge zu 4) sagte aus, vor dem Ereignis im Pool hätten sie in der Werkstatt gearbeitet. Er sei Subunternehmer und würde nur gerufen werden, wenn es brennt. O. habe den Laden dann zumachen wollen in der kommenden Woche. Es hätten noch kleinere Arbeiten erledigt werden müssen, z.H. Treppe fertigmachen, ölen, schleifen. 

Auch dem Zeugen zu 2), H2., las die Vorsitzende seine Aussage aus dem Verwaltungsverfahren (Seite 69-71 Bekl.-Akte) vor. Der Zeuge zu 2) erklärte, er und der Zeuge O. würden bei dem Ereignis mit dem Rücken zum Kläger gestanden haben. Es habe geklatscht und dann sei der Kläger an ihnen so komisch vorbeigeschwommen. Warum der Kläger den Pool verlassen habe, könne der Zeuge zu 2) nicht sagen. Der Kläger sei so etwa 3-4 Minuten nicht im Pool gewesen. Vielleicht sei der Kläger auf der Toilette gewesen. Das wisse der Zeuge zu 2) aber nicht. Der Zeuge zu 2) sei im Gespräch mit O. gewesen. Es sei auch der ältere Sohn von Herrn O. mit im Pool gewesen. Es sei sonst nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Man sei zur Abkühlung im Pool gewesen, habe seine Bahn geschwommen und sich unterhalten. Sie hätten vor dem Gang in den Pool gearbeitet. Es sei der letzte Arbeitstag vor den Betriebsferien gewesen. Sie hätten fertig werden wollen. Sie hätten sich dann aber abkühlen wollen. Es sei danach noch etwa 1-1,5 Stunden zu arbeiten gewesen, um die Werkstatt fertig zu machen. Wie der Kläger in den Pool gekommen ist und von wo könne der Zeuge zu 2) nicht sagen. 

Die Vorsitzende las der Zeugin zu 3), O2., ihre Aussage aus dem Verwaltungsverfahren (Seite 58-60 Bekl.-Akte) vor. Die Zeugin zu 3) erklärte, sie habe nicht gesehen, wie der Kläger in den Pool hineingekommen sei. Sie habe von dem Ereignis erst mitbekommen, als die Männer gerufen haben, sie solle den Notarzt verständigen. Die Zeugin zu 3) erzählte, dass der Kläger den Pool an diesem Tag mehrfach kurz verlassen habe, um in den Pool hineinzuspringen. Der Pool sei den Männern auch bekannt gewesen. Sie hätten den Pool auch vorher schon mal benutzt. Sie habe ihrem Sohn gesagt, er solle aus dem Pool rauskommen, damit sich die Männer im Pool entspannen können. Sie habe nicht mitbekommen, dass der Kläger längere Zeit, 1-4 Minuten, weg gewesen sei. Sie habe an dem Tag mit ihrem Handy ein Foto gemacht, dass zeige, wie der Kläger aus dem Pool aussteige, um in den Pool hineinzuspringen. Die Zeugin zu 3) wisse nicht mehr, wie der Kläger gesprungen sei. Das Foto zeige den Kläger außerhalb des Pools. Der Kläger habe auf der Holzkante gesessen. Die übrigen Männer würden im Pool gestanden haben. Die Zeugin zu 3) habe sich dann von der Situation entfernt, um mit ihren Kindern zu spielen. Es sei an dem Tag sehr heiß gewesen. Die Männer seien fertig und rot von der Sonne gewesen. Es sei so eine nette Atmosphäre gewesen. Der Pool habe zur Auflockerung beigetragen. Wie der Unfall dann genau passiert sei, wisse die Zeugin zu 3) nicht. 

Die Vorsitzende las dem Zeugen zu 1), O., seine Aussage aus dem Verwaltungsverfahren (Seite 75 Bekl.-Akte) vor. Der Zeuge zu 1) erklärte, er habe beim Unfallereignis mit dem Rücken zum Kläger gestanden und sich mit dem Zeugen zu 2) unterhalten. Er habe dann einen Platsch im Pool gehört. Der Kläger habe im Pool getrieben. Der Zeuge zu 1) habe zunächst nicht realisiert, was passiert sei. Vorher seien auch Kinder mit im Pool gewesen. Der Zeuge zu 1) habe nicht genau gewusst, wer, wann in den Pool rein oder raus ist. Es habe keine besonderen Vorkommnisse im Pool gegeben. Die Stimmung sei gut gewesen. Die Kinder seien vorher ein bisschen wild gewesen. Sie seien aber zum Unfallzeitpunkt selbst nicht im Pool gewesen. Es sei ruhig gewesen, man habe sich unterhalten. Er könne nicht sagen, ob der Kläger für eine Zeit 1-4 Minuten abwesend gewesen sei. Der Zeuge zu 1) könne nicht sagen, ob, wie oft und wann der Kläger in den Pool gesprungen sei. Er könne zum Unfallereignis keine genauen Angaben machen. Das Bad im Pool sei eine spontane Aktion gewesen. Es sei sehr heiß gewesen. Es habe noch viel zu tun gegeben. Wäre man erst nach der erledigten Arbeit in den Pool gegangen, wäre es zu spät gewesen. Es war eine gemeinschaftliche Aktion. Er habe spontan Badehosen verliehen. Die Aktion habe schon 15 Minuten gedauert. Es sei aber geplant gewesen, die restlichen Arbeiten zu erledigen. Es würde sich um einen Frame-Pool der Firma Intex handeln. Umlaufend habe der Pool eine Möglichkeit zu sitzen und zu Liegen ("Sonnenterasse"). Der Zeuge habe nicht gesehen, ob der Kläger gesprungen sei. Er gehe davon aus. Die Mitarbeiter seien auch vorher schon mal im Pool gewesen, wenn es besonders heiß gewesen sei. Oft sei das nicht der Fall gewesen. Es seinen vielleicht so ca. 5 Mal gewesen. 

Die Vorsitzende hörte die Beteiligten im nichtöffentlichen Termin am 10.05.2022 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. 

Mit Schreiben vom 20.05.2022 (Bl. 69 SG-Akte) teilte die Beklagte mit, dass sich aus den Zeugenaussagen ergebe, dass der Kläger in den Pool hineingesprungen sei. Auch aufgrund des Verletzungsmusters und der Schwere der Verletzung sei von einem Kopfsprung auszugehen. Die finale Handlungstendenz des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalles, d. h. mit dem Sprung in den Pool, nachdem der Kläger diesen zuvor nach einer ersten Abkühlung bzw. wiederholten Abkühlungen wieder verlassen hatte, sei nicht mehr darauf gerichtet gewesen, betriebliche Zwecke zu verfolgen, also sich zu erfrischen, um anschließend wieder weiterarbeiten zu können. Die Beklagte verwies insbesondere auf die Entscheidungen SG Reutlingen vom 17.01.2019, S 4 U 2615/17 sowie BSG vom 28.02.1962, B 2 RU 110/59.

Mit Schreiben vom 09.06.2022 (Bl. 74 f. SG-Akte) erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, dass die Beweisaufnahme ergeben habe, dass die Mitarbeiter des Arbeitgebers O. sowie der Subunternehmer auf Anordnung des Arbeitgebers/Auftraggebers sich im Pool erfrischen sollten, um die am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub noch zwingend zu erledigenden Arbeiten verrichten zu können. Anders als die Beklagte meint, diene die Abkühlung im Pool damit offensichtlich und nachweislich nicht ausschließlich einem persönlichen Zweck und sei damit gerade nicht dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Es handele sich bei der arbeitgeberseitig angeordneten Erfrischung damit nicht um eine Tätigkeit die völlig unabhängig von der beruflichen Tätigkeit ausgeübt worden sei. Auch das Argument der Beklagten, die für die Fortsetzung der Arbeit notwendige Erfrischung sei spätestens in dem Zeitpunkt beendet gewesen, als der Kläger den Pool verlassen habe, um sich dann wieder in den Pool zu begeben, verfange nicht. Die Anwesenden hätten die Erfrischung ganz unterschiedlich gestaltet. Eine Zäsur, wie sie die Beklagte sehe und mit der sie die betrieblich veranlasste Erfrischung als beendet qualifizieren wolle, sei nicht gegeben. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Kläger von einem Steg mit einem Kopfsprung in das flache Wasser gesprungen sei. Keiner der Zeugen habe gesehen, wie sich der Kläger vor dem tragischen Unfall wieder ins Wasser begeben habe. Der Pool weise keinen Steg auf. Der Pool sei vielmehr von einer terrassenartigen Holzkonstruktion umgeben. Unstreitig sei, dass seit 7:00 Uhr in der Früh, unterbrochen nur von einer kurzen Frühstücks- und einer Mittagspause schwere körperliche Arbeit an einem sehr heißen Augusttag verrichtet werden musste und alle Beteiligten zum Zeitpunkt der Anordnung der Erfrischung sehr erschöpft gewesen seien. Es sei daher eine arbeitskrafterhaltende bzw. arbeitskraftwiederherstellende Erfrischungspause gegeben gewesen, die dem Schutz der Unfallversicherung unterfalle. Ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei gegeben. Die Erfrischung habe den Interessen des Unternehmens gedient. Die Verletzungen des Klägers würden keineswegs so eindeutig dafür sprechen, dass der Kläger in den Pool gesprungen sei. Auch ein unglückliches Rammen der Poolaußenwand könne die Verletzungen erzeugen. Allein der Umstand eines Sprunges würde nichts an der Beurteilung als Arbeitsunfall ändern. Für die Anerkennung als Arbeitsunfall komme es grundsätzlich nicht auf das Verschulden des versicherten Arbeitnehmers an. Auch Arbeitsunfälle, die erst durch ein gefahrschaffendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers verursacht werden, würden dem Versicherungsschutz unterliegen.

Mit Schreiben vom 12.07.2022 (Bl. 79 SG-Akte) teilte die Beklagte mit, dass die vom Bevollmächtigten des Klägers vorgenommene Interpretation, wonach ein Sprung in den Pool nicht bewiesen bzw. von einem unglücklichen Rammen der Poolaußenwand auszugehen sei, nicht plausibel sei, weil diese Auslegung nicht zum Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme passe. Es sei zudem unerheblich, dass in Bezug auf die Ausstattung des Pools anstatt eines Stegs eine terrassenartige Holzkonstruktion vorgelegen habe.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2021 zu verurteilen, das Ereignis vom 21.08.2020 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt
die Klageabweisung.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten haben.

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht (§§ 87, 90, 92 SGG) eingelegt und ist zulässig.

Streitgegenstand gemäß § 95 SGG ist allein die Anerkennung des Versicherungsfalls. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden keine Entscheidung zu Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung getroffen. Die pauschale Ablehnung von Leistungen kann nicht als Ablehnung einzelner, konkreter Leistungen angesehen werden. Über Leistungen wird die Beklagte aber bei entsprechendem Antrag noch zu entscheiden haben.

In der Sache erweist sich die Klage als begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Es ist dabei grundsätzlich erforderlich (z. H. BSG, Urt. v. 30.01.2007, B 2 U 8/06 R, juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.2016, B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37; Urt. v. 05.07.2016, B 2 U 16/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 58; Urt. v. 17.12.2015, B 2 U 8/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 55). Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) keine Voraussetzung. Dies ist Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 27/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. m. w. N. BSG, Urt. v. 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urt. v. 17.02.2009, B 2 U 18/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31).

Das Gericht ist ausgehend von diesen Vorgaben davon überzeugt, dass der Kläger am 21.08.2020 einen Arbeitsunfall i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat. Das Gericht ist insbesondere davon überzeugt, dass sich der Unfall vom 21.08.2020 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Vernehmung der Zeugen in der nichtöffentlichen Sitzung am 10.05.2022, während einer versicherten Tätigkeit ereignete und Unfallkausalität vorliegt.

Der Kläger war ohne Zweifel Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Er erlitt insbesondere in Form einer HWK-5-Fraktur, Spalt-Berstung HWK 5, Verletzung des Rückenmarks C4, Herzstillstand mit erfolgreicher Wiederbelebung, Verletzung subduraler Blutgefäße in Höhe des Halses, Luxation von Halswirbeln C5/C6, Harnblasenlähmung und neurogene Darmstörung eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper. Dies führte auch unzweifelhaft zu einem Gesundheitserstschaden und zu Unfallfolgen.

Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - Erfrischen im Pool zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Arbeitskraft - stand nach Auffassung des Gerichts in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit.

Dieser sachliche Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, wobei zu untersuchen ist, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (m. w. N. Bayerisches Landessozialgericht [Bay. LSG], Urt. vom 23.09.2020, L 3 U 305/19, juris). Nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte sind versichert, z. H. führen höchstpersönliche Verrichtungen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes (m. w. N. Bay. LSG, Urt. vom 23.09.2020, L 3 U 305/19, juris). Maßgebliches Kriterium dafür ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (m. w. N. Bay. LSG, Urt. vom 23.09.2020, L 3 U 305/19, juris).

Zunächst hat es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine unversicherte "Pause" gehandelt. Der Beschäftigte ist versichert, wenn er eine Tätigkeit ausübt, die der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dient. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen ist das Bad im Pool vom Arbeitgeber angeordnet worden. Zudem kann ein Beschäftigter ausnahmsweise auch bei einer Tätigkeit versichert sein, die zur Erholung dient, wenn die berufliche Tätigkeit die besondere Erschöpfung verursacht hat (Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Arbeitsunfall [Stand: Februar 2022], Rn. 42) und die Erholung unmittelbar dazu dienen soll, die aktuell verloren gegangene Arbeitsfähigkeit für die nachfolgende betriebliche Tätigkeit wiederherzustellen oder wenigstens zu erhalten (Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 8 SGB VII [Stand: 29.06.2022], Rn. 79). Davon ist hier auszugehen. Übereinstimmend haben die Zeugen im gesamten Verlauf des Verfahrens angegeben, dass die Arbeiten nach der Erfrischung (insbesondere wegen der anstehenden Betriebsferien) hätten fortgesetzt werden sollen.

Der Beschäftigte ist während einer Verrichtung zur Erfrischung am Tätigkeitsort im Hinblick auf besondere Umstände der versicherten Tätigkeit (z. H. Bad wegen in Hitze verrichteter Arbeit), um seine Arbeit bis zum Ende der Arbeitsschicht fortsetzen und damit seine Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen zu können, versichert (m. w. N. Keller in: Hauck/Noftz SGB VII, § 8 Arbeitsunfall [Stand: Februar 2022], Rn. 88). Grundsätzlich gehört das Baden in einen Pool zwar ebenso wie das Essen und Trinken oder das Rauchen in der Regel zum privaten unversicherten Bereich (m. w. N. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 30.05.2008, L 14 U 45/06, juris). Dem Baden im Pool ist ein betriebsbezogener Zweck allerdings dann beizumessen, wenn dies bei noch fortzusetzender versicherter Arbeit der Wiederherstellung oder Erhaltung seiner Arbeitskraft zu dienen bestimmt ist (m. w. N. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 30.05.2008, L 14 U 45/06, juris). Von einem Erschöpfungszustand, der eine Erfrischung notwendig machte, ist nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen auszugehen. Laut Wetterdaten (https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/bad-toelz/temperatur/20200821-0900z.html) war die Temperatur am Freitag, 21.08.2020, ab ca. 10:00 Uhr bei über 25° C, ab ca. 13 Uhr bis 18 Uhr bei über 30°C. Die klimatischen Bedingungen haben sich neben der körperlich anstrengenden Arbeit, die unbestritten ist, ungünstig auf den Erschöpfungszustand ausgewirkt, so dass der Arbeitgeber ein Baden als erforderlich angesehen hat und eine Erfrischung für alle angeordnet hat. Das Baden im Pool ist auch deshalb betriebsbezogen, weil es geschäftlich geprägt ist. Der Kläger hätte sich dem Bad kaum entziehen können. Es haben sich alle Kollegen, der Arbeitgeber und der Subunternehmer im Pool befunden. Der Kläger hat mit dem Aufsuchen des Pools einer Erwartungshaltung seines Arbeitgebers und seiner Kollegen entsprochen. Im Anschluss sollte nach den übereinstimmenden Angaben "erholt" bzw. "erfrischt", mit gesteigerter bzw. regenerierter Arbeitskraft weitergearbeitet werden. Dem hätte sich der Kläger nicht entziehen können. Dass die Gespräche im Pool dann "belanglos" waren bzw. sich jeder auf seine Weise abgekühlt hat, ändert am Versicherungsschutz nichts, da allein das Abkühlen betriebsbedingt und angeordnet war und allein schon dem Betriebszweck diente, ohne dass im Pool dann weitere Geschäftsgespräche oder Ähnliches hätten stattfinden müssen.

Auch unter dem Gesichtspunkt "Verschmutzung" kann Versicherungsschutz hier bejaht werden, wenn durch die Art der Arbeit ein begründetes Bedürfnis für die Körperreinigung entstanden war und diese auf der Arbeitsstätte oder in deren Nähe und während der Arbeitszeit oder zumindest vor dem Heimweg erfolgte (m. w. N. BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 31/07 R, juris). Es wurde sehr lange körperlich hart gearbeitet bei Temperaturen über 30° C, was "Verschmutzung" mit einem gewissen Reinigungsbedürfnis jedenfalls nicht ausschließt. Die Reinigung erfolgte dann auch in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte.

Nach Überzeugung des Gerichts ergibt sich auch nicht anderes, wenn man unter dem Gesichtspunkt einer gemischten Tätigkeit davon ausgeht, dass der Kläger neben der betriebsbezogenen Tätigkeit auch einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ("Vergnügen" im Pool) nachgegangen ist. Eine gemischte Tätigkeit liegt vor, wenn eine Verrichtung nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken dient. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zur Bejahung des Versicherungsschutzes ist, ob die Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (m. w. N. BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 31/07 R, juris). So ist es hier. Auch bei Wegfall eines möglichen privaten Vergnügens im Pool, welches das Gericht hier nicht eindeutig abgrenzen kann, hätte sich der Kläger im Pool aufgehalten. Ohne die Anweisung des Arbeitgebers zur Erfrischung im Pool wäre der Kläger überhaupt nicht im Pool gewesen.

Der Kläger hat sich bei lebensnaher Auslegung auch nicht völlig unvernünftig verhalten. Zunächst ist § 7 Abs. 2 SGB VII zu beachten, wonach verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt. Es steht nicht im Vollbeweis fest, wie der Kläger in den Pool gekommen ist, als er sich verletzte. Weder ein Kopfsprung noch ein Rammen der Poolaußenwand ist belegt. Der Kläger könnte auch ausgerutscht und ungünstig gefallen sein. Auch dies ist nicht belegt. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger jedenfalls nicht die Grenzen einer zuzubilligenden Erfrischung überschritten. Eine gebotene Art, wie man zur Erfrischung in einen Pool gelangt, gibt es nicht (ablehnend für Kopfsprung in fließendes Gewässer: SG Reutlingen, GB vom 17.01.2019, S 4 U 2615/17, juris). Den Versicherungsschutz aufhebende Übertreibungen lagen für das Gericht jedenfalls nicht vor bzw. sind nicht bewiesen (vgl. m. w. N. BSG, Urt. vom 28.02.1962, 2 RU 110/59, juris). Dem Kläger war der Pool von den Abmessungen und Tiefen bekannt. Der Pool war auch überschaubar. Eine Sprunganlage war am Pool des Arbeitgebers jedenfalls nicht vorhanden. Eine über das übliche Maß hinausgehende Einrichtung, die den Versicherungsschutz ausschließen kann, liegt nach Ansicht des Gerichts in einer umlaufenden Terrassenkonstruktion nicht vor (zum Sprung vom Dreimeterbrett vgl. BSG, Urteil vom 13.02.1975, 8 RU 86/74, juris). Das Betriebsübliche und Lebensnahe ist nicht überschritten worden. Die betrieblichen Umstände sind nicht so weit verdrängt worden, dass die eigenwirtschaftlichen Gründe die rechtlich allein wesentliche Ursache gebildet hätten. Diese Verdrängung ist nie anzunehmen, wenn das mögliche gefahrerhöhende Handlungsmotiv noch in der versicherten Tätigkeit liegt (BeckOGK/Ricke, 1.8.2022, SGB VII § 8 Rn. 137). Das gemeinsame Erfrischen und Wiederherstellen der Arbeitskraft war noch nicht abgeschlossen und mithin noch von der Handlungstendenz des Klägers umfasst.

Eine durch den Kläger "selbstgeschaffene Gefahr", bei der das realisierte Risiko primär vom eigenwirtschaftlichen Bereich ausgeht, kann grundsätzlich ebenfalls zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen (Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Holtstraeter, 7. Aufl. 2021, SGB VII § 7 Rn. 6). Diese kann das Gericht aber nicht erkennen. Der Begriff der "selbstgeschaffenen Gefahr" ist nur mit größter Zurückhaltung anzuwenden. Einen Rechtssatz, wonach der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewusst einer höheren Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, gibt es nicht. Auch leichtsinniges unbedachtes Verhalten beseitigt den bestehenden sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls nicht (vgl. BSG Urt. vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, BeckRS 2005, 42455). Unter Umständen realisiert sich andersrum aber eine besondere Betriebsgefahr durch den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Pool zur Erfrischung. Ein Versicherter erleidet danach unabhängig von der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung und der dabei zugrundeliegenden Handlungstendenz einen Arbeitsunfall, wenn der Unfall durch eine spezifische Gefahr verursacht wurde, die der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen ist (m. w. N. BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 31/07 R, juris). Auf die Realisierung einer besonderen Betriebsgefahr kommt es hier allerdings für die Anerkennung eines Versicherungsfalls nicht mehr an, da sich der Versicherungsschutz bereits aus dem Vorliegen aller Merkmale des Arbeitsunfalls (versicherte Tätigkeit, Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls, Unfallereignis, Gesundheitsschaden sowie die jeweiligen Kausalitäten) ergibt.

Nach alledem war der Klage im Hinblick auf die Anerkennung des Ereignisses vom 21.08.2022 als Versicherungsfall stattzugeben. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
 

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