L 11 R 1001/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3027/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1001/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.03.2022 und der Bescheid der Beklagten vom 27.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.546,32 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Auszahlung einer Erwerbsminderungsrentennachzahlung für den Zeitraum 05.12.2020 bis 31.07.2021 in Höhe von 5.608,23 € nebst Verzinsung.

Die 1961 geborene Klägerin, welche im Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 04.12.2020 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Höhe von 1.176,60 € netto monatlich (39,22 € kalendertäglich) bezog, beantragte bei der Beklagten am 09.04.2019 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 30.01.2020 mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen nicht. Hiergegen erhob die Klägerin am 10.02.2020 Widerspruch, welchem die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.2020 (Bl. 9 der SG-Akte) teilweise abhalf und der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, beginnend ab dem 01.04.2019 gewährte. Die Rente werde ab dem 01.07.2020 laufend monatlich in Höhe von 804,18 € brutto/712,91 € netto gezahlt. Für den Zeitraum 01.04.2019 bis 30.06.2020 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 10.273,32 €, welche der Klägerin ausgezahlt wurde.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 01.07.2020, ihren Widerspruch aufrecht zu erhalten, da ihr lediglich eine Rente wegen teilweiser, nicht jedoch wegen voller Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden sei.

Mit Bescheid vom 25.06.2021 (Bl. 43 ff. der Senatsakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG, S 2 R 3084/20) - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab dem 01.04.2019. Ab dem 01.08.2021 werde diese laufend monatlich in Höhe von 1.608,36 € brutto bzw. 1.425,81 € netto gezahlt. Der Bescheid über die bisherige Rente werde hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ab dem 01.08.2021 aufgehoben. Für den Zeitraum 01.04.2019 bis 31.07.2021 ergebe sich eine Nachzahlung in Höhe von 39.081,99 €. Diese werde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Ansprüche anderer Stellen zu klären (zum Beispiel Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Träger der Sozialhilfe, Arbeitgeber, vergleichbare Stellen im Ausland, Versicherungsträger im Ausland). Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.07.2021 teilte die BA der Klägerin mit, die Bewilligung des von ihr im Zeitraum vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 bezogenen Arbeitslosengeldes I werde aufgehoben. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 81 ff. der Senatsakte) machte die BA bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 29.785,66 € geltend. Der Klägerin sei bis zum 04.12.2020 Arbeitslosengeld gezahlt worden. Wegen Zuerkennung der genannten Sozialleistung habe sie für die Zeit vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 einen Erstattungsanspruch nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe von 23.688,88 €. Gemäß § 335 Abs. 2 und Abs. 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bestehe für die Zeit vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 zudem Anspruch auf Ersatz der Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 5.059,65 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 1.037,13 €.

Mit Schreiben vom 27.07.2021 (Bl. 99 der Senatsakte) teilte die Beklagte der Klägerin mit, ein Nachzahlungsbetrag aufgrund der einbehaltenen Nachzahlung ergebe sich nicht. Die Nachzahlung der vollen Erwerbsminderungsrente für die Zeit vom 01.04.2019 bis zum 31.07.2021 betrage 39.081,99 €. Davon hätte sie zur Erfüllung des Erstattungsanspruches der BA für die Zeit vom 01.04.2019 bis zum 04.12.2020 einen Betrag von 23.688,88 € an diese überwiesen. Damit vermindere sich die Nachzahlung auf den Betrag von 15.393,11 €. Von diesem Betrag sei der Betrag der teilweisen Erwerbsminderungsrente abzuziehen, den die Klägerin in der Zeit vom 01.04.2019 bis zum 31.07.2021 in Höhe von insgesamt 19.541,15 € erhalten habe, weil der Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente insoweit kraft Gesetzes bereits als erfüllt gelte (§ 89 Abs. 1 Satz 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.08.2021 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Zeitraum, in welchem sie ohne Verschulden ihrerseits parallel Arbeitslosengeld I und teilweise Erwerbsminderungsrente bezogen habe, müsste von dem Zeitraum nach Beendigung des Arbeitslosengeld I-Bezuges ab dem 05.12.2020 getrennt betrachtet werden. Nur die Nachzahlung, welche den Bezugszeitraum von Arbeitslosengeld I (01.04.2019 bis 04.12.2020) betreffe, dürfe zur Verrechnung mit der BA herangezogen werden. Dass sich für diesen Zeitraum keine Nachzahlung ergebe, sei korrekt und nachvollziehbar. Dies gelte aber nicht für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitslosengeld I-Bezuges. Die Verzögerungen im Verfahren auf Gewährung der Erwerbsminderungsrente seien nicht ihr, sondern der Beklagten anzulasten. Ihr stehe daher für den Zeitraum vom 05.12.2020 bis 31.07.2021 eine Nachzahlung in Höhe von 5.608,23 € nebst Zinsen zu. Zudem fordere sie auch Zinsen bezüglich der Nachzahlung von 10.273,32 € aus dem Bescheid vom 17.06.2020.

Mit Schreiben vom 18.08.2021 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass es sich bei ihrem Schreiben vom 27.07.2021 nicht um einen Verwaltungsakt handele, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht möglich sei. Hierauf reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2021.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2021 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien nur Geldleistungen bzw., soweit es die Leistungen zur Teilhabe betreffe, auch Sachleistungen, die ersatzweise durch Zahlung eines Geldbetrages erbracht würden, zu verzinsen. Von der Nachzahlung der vollen Erwerbsminderungsrente für die Zeit vom 01.04.2019 bis 31.07.2021 in Höhe von insgesamt 39.081,99 € sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruches der Agentur für Arbeit für die Zeit vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 ein Betrag von 23.688,88 € an diese überwiesen worden. Die verbleibende Nachzahlung in Höhe von 15.393,11 € sei nicht auszuzahlen, weil die Klägerin im gleichen Zeitraum bereits die teilweise Erwerbsminderungsrente in Höhe von insgesamt 19.541,15 € erhalten habe und der Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente insoweit gemäß § 89 Abs. 1 Satz 5 SGB VI als erfüllt gelte. Über die Rückforderung zu viel erhaltener Rentenbeträge bei parallelen Rentenansprüchen entscheide die Rentenversicherung grundsätzlich in einem gesonderten Verfahren. Bestünden für denselben Zeitraum mehrere Rentenansprüche, werde nur die höchste Rente geleistet. Mangels Nachzahlungsanspruch bestehe auch der Verzinsungsanspruch nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2021 Klage beim SG erhoben. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass sie seit dem 06.03.2019 Arbeitslosengeld I bezogen habe. Dieses resultierte aus ihrer vorherigen Teilzeitbeschäftigung (22,5 Wochenstunden) und sei deshalb auch bei der nachträglich rückwirkend zum 01.04.2019 gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung durch die BA weiterhin in voller Höhe von monatlich 1.176,60 € bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes am 04.12.2020 gewährt worden. Zum damaligen Zeitpunkt sei dieses Vorgehen völlig rechtskonform gewesen. Zwar sei sie der Überzeugung gewesen, dass ihr eigentlich eine volle Erwerbsminderungsrente zugestanden habe. Allerdings habe sie sich nicht darauf verlassen können, dass die Beklagte diese Überzeugung (irgendwann in der Zukunft) bereit sei, zu teilen. Hätte die Beklagte allerdings ihren Rentenantrag vom 09.04.2019 mit der gebotenen Achtung unter Abwägung aller vorhandenen Tatsachen sowohl medizinischer als auch rechtlicher Sachlage zügig, zeitnah und fachlich korrekt untersucht, geprüft und beschieden, wäre es nie zu diesem Doppelbezug von Leistungen gekommen. Dies könne unmöglich zu ihren Lasten gehen. Dass die BA gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch habe, sei unstrittig. Aber dieser müsse ebenso unstrittig auch auf den Zeitraum des Parallelbezuges vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 begrenzt sein. Rentennachzahlungen, die einen späteren Zeitraum umfassten, dürften hier nicht mit einfließen. Ab dem 05.12.2020 stehe ihr zweifelsfrei die Nachzahlung in Höhe der Differenz zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente samt Verzinsung zu. Es entbehre jeglicher gesetzlicher Grundlage, dass sie im Zeitraum 05.12.2020 bis 31.07.2021 mit einer „halben“ Voll-Erwerbsminderungsrente in Höhe von lediglich 712,91 € netto abgespeist werden solle, weil die Beklagte der BA fälschlicherweise den gesamten Arbeitslosengeld I-Betrag in Höhe von 26.688,88 € unbesehen erstattet habe. Hier hätte die Beklagte saldieren müssen. Auch stünden ihr Zinsen für die ihr mit Bescheid vom 17.06.2020 zuerkannte Nachzahlung in Höhe von 10.273,32 € für den Zeitraum 01.04.2019 bis 30.06.2020 sowie die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens im Zeitraum vom 10.02.2020 bis 16.10.2021 in Höhe von 155,20 € zu.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Bescheid vom 01.03.2022 (Bl. 59 der SG-Akte) hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Verzinsung der Nachzahlung gemäß § 44 SGB I abgelehnt. Nach § 44 SGB I seien Ansprüche auf einmalige und laufende Geldleistungen zu verzinsen. Zu diesen Geldleistungen gehörten auch verspätet erbrachte Rentenzahlungen. Aus der Mitteilung über die Abrechnung der Nachzahlung vom 27.07.2021 sei zu ersehen, dass keine Restzahlung aus dem Bescheid vom 25.06.2021 zur Verfügung stehe. Damit liege keine verspätete Geldleistung vor und eine Verzinsung könne nicht erfolgen. Auch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 04.03.2022 Widerspruch erhoben (Bl. 76 der SG-Akte).

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.03.2022 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei teilweise unzulässig und, soweit sie zulässig sei, unbegründet. Bezüglich des Zinsanspruchs für die zuerkannte Nachzahlung in Höhe von 10.273,32 € für den Zeitraum 01.04.2019 bis 30.06.2020 sei die Klage mangels abgeschlossenen Vorverfahrens unzulässig. Eine Entscheidung über den - von der Klägerin mehrfach gestellten - Antrag auf Verzinsung sei bisher nicht erfolgt. Der Klageantrag bzgl. der Kostenerstattung der ihr für das Klageverfahren zu dem Aktenzeichen S 2 R 3084/20 (Untätigkeitsklage) entstandenen Kosten sei ebenfalls unzulässig, da das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2021 bereits entschieden habe, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten habe. Die Anträge auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.608,23 € nebst Verzinsung seien zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin im Ergebnis bereits mehr erhalten habe als sie bekommen hätte, wenn die Rente wegen voller Erwerbsminderung von Anfang an, also ab dem 01.04.2019, gezahlt worden und es in der Zeit vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 gar nicht erst zur Zahlung von Arbeitslosengeld I gekommen wäre. Die Klägerin habe im Zeitraum vom 01.04.2019 bis 31.07.2021 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 39.081,99 €. Tatsächlich habe sie in diesem Zeitraum Sozialleistungen in Höhe von 50.513,32 € erhalten. Dieser Betrag setze sich zusammen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld I nebst Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 01.04.2019 bis 04.12.2020 in Höhe von insgesamt 29.785,66 €, der Nachzahlung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum 01.04.2019 bis 30.06.2020 in Höhe von 10.273,32 € sowie ab dem 01.07.2020 bis 31.07.2021 die laufende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 804,18 € (insgesamt 10.454,34 €). Die Klägerin habe somit mehr erhalten, als ihr zustehe. Die Entscheidung der Beklagten, den Nachzahlungsbetrag nicht auszuzahlen, sei daher sachgerecht. Nach der geltenden Rechtslage könne ein Versicherter neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung einen Anspruch auf Zahlung von (gekürztem) Krankengeld (§ 50 Abs. 2 SGB V) oder Arbeitslosengeld (§ 125 Abs. 1 SGB III) haben, während ein Anspruch auf Kranken- oder Arbeitslosengeld neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen sei (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 125 Abs. 1 SGB III). Dies könne - wie im Fall der Klägerin - dazu führen, dass die Summe der nebeneinander gezahlten Sozialleistungen (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung plus Krankengeld oder Arbeitslosengeld) höher sei als der später für denselben Zeitraum zuerkannte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Stelle sich im Nachhinein heraus, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestanden habe und damit die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie das Arbeitslosengeld zu Unrecht gezahlt worden seien, sei es im Ergebnis auch interessengerecht, den Nachzahlungsbetrag aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung in vollem Umfang - und nicht nur in Höhe des Betrages, der nach Abzug der geleisteten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verbleibe - zur Erfüllung der Erstattungsansprüche der anderen Leistungsträger zu verwenden. Denn nach der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X gelte in einem solchen Fall der Anspruch des Versicherten auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch das gezahlte Kranken- oder Arbeitslosengeld als (zumindest teilweise) erfüllt. Auf diese Weise sei sichergestellt, dass der Versicherte im Ergebnis jedenfalls den Betrag erhalte, der ihm aufgrund seines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zugestanden habe - nicht jedoch mehr. Da ein Anspruch auf Auszahlung des Nachzahlungsbetrages nicht bestehe, bestehe auch ein Anspruch auf Verzinsung nicht.

Gegen das ihr am 23.03.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.04.2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Zeitraum des Parallelbezuges von Arbeitslosengeld I und der halben Erwerbsminderungsrente müsse klar vom darauffolgenden Zeitraum getrennt werden. Der Bezug von Arbeitslosengeld I habe am 04.12.2020 geendet. Der Zeitraum vom 05.12.2020 bis 31.07.2021 stelle einen eigenständigen Zeitraum dar, in welchem die nachzuzahlende Hälfte zur vollen Erwerbsminderungsrente ihr zustehe. Der ihr zustehende Teil der Nachzahlung könne nicht einfach einbehalten und zur Leistungsverrechnung zwischen der BA und der Beklagten dazugeschlagen werden. Sie könne in keiner Weise erkennen, dass dieses Verhalten der Beklagten interessengerecht sein solle. In dem Urteil des SG könne sie diesbezüglich auch keine Rechtsnorm erkennen, wonach diese Begründung rechtskonform sein könnte. Ja, sie habe im Parallelbezugszeitraum mehr erhalten, als ihr zugestanden habe. Dies beruhe jedoch nur auf der verschleppenden Arbeitsweise der Beklagten. Auch über die nicht erfolgte Verzinsung müsse entschieden werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.03.2022 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2021 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Betrag in Höhe von 5.608,23 € von der einbehaltenen Nachzahlung für den Zeitraum vom 05.12.2020 bis 31.07.2021 auszuzahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 4 vom Hundert nach folgender Zinsstaffel:
auf 617,86 € vom 01.02.2021 bis 01.03.2021,
auf 1.330,77 € vom 01.03.2021 bis 01.04.2021,
auf 2.043,68 € vom 01.04.2021 bis 01.05.2021,
auf 2.756,59 € vom 01.05.2021 bis 01.06.2021,
auf 3.469,50 € vom 01.06.2021 bis 01.07.2021,
auf 4.182,41 € vom 01.07.2021 bis 01.08.2021,
auf 4.895,32 € vom 01.08.2021 bis 01.09.2021
sowie auf 5.608,23 € ab dem 01.09.2021.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils sowie ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen.

Die Berichterstatterin des Senats hat in dem Verfahren am 18.04.2023 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt, in welchem sich diese mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Protokoll auf Bl. 130/131 der Senatsakte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.


1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist form- und fristgerecht sowie im Übrigen statthaft.

2. Den Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 27.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 (§ 95 SGG). Bei dem Schreiben vom 27.07.2021 handelt es sich - entgegen der zunächst von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung - um einen Verwaltungsakt, da die Beklagte hiermit rechtsverbindlich festgestellt hat, dass ein Nachzahlungsbetrag aufgrund der mit Bescheid vom 25.06.2021 einbehaltenen Nachzahlung in Höhe von 39.081,99 € nicht besteht (vgl. hierzu im Einzelnen: Bundessozialgericht [BSG] 07.04.2022, B 5 R 24/21 R, juris Rn. 11 - 19). Auch wenn der Widerspruchsbescheid vom 06.10.2021 seinem Wortlaut nach über einen Widerspruch der Klägerin gegen den Rentenbescheid vom 25.06.2021 entscheidet, da die Beklagte zunächst der Auffassung war, es handele sich bei dem Bescheid vom 27.07.2021 nicht um einen solchen, beschäftigt er sich inhaltlich mit den Einwendungen der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.07.2021 und trifft eine abschließende Entscheidung im Widerspruchsverfahren über den geltend gemachten Auszahlungsanspruch. Hiergegen wendet sich die Klägerin statthaft mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage und begehrt eine Auszahlung in Höhe von 5.608,23 €.

Der ebenfalls von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ist jedoch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Weder der Rentenbescheid vom 25.06.2021 noch der streitgegenständliche Bescheid vom 27.07.2021 enthalten eine - auch keine konkludente - Entscheidung über einen möglichen Verzinsungsanspruch der Klägerin. So trifft der Rentenbescheid vom 25.06.2021 noch keine verbindliche Festsetzung einer Nachzahlung, sondern enthält lediglich die bloße Information über den maximal zu erwartenden Nachzahlungsbetrag, verbunden mit dem Hinweis auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren der Erfüllung (
BSG 07.04.2022, B 5 R 24/21 R, juris Rn. 13). Mangels konkret feststehender Nachzahlung kann dem Bescheid auch keine konkludente Entscheidung über einen möglichen Zinsanspruch entnommen werden. Auch der Bescheid vom 27.07.2021 enthält keine Entscheidung über einen solchen Zinsanspruch. Da es sich über die Nachzahlung und den Zinsanspruch um zwei materiell selbstständige Verwaltungsakte handelt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte konkludent über den Zinsanspruch mitentschieden hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 17.06.2019, L 20 SO 479/17, juris Rn. 41; nachgehend BSG 03.07.2020, B 8 SO 5/19 R, juris), insbesondere ein entsprechender vorhergehender Antrag der Klägerin auf Verzinsung nicht ersichtlich ist, ist ein möglicher Zinsanspruch der Klägerin vorliegend nicht Streitgegenstand geworden. Hieran ändert auch der Umstand, dass der Widerspruchsbescheid vom 06.10.2021 hierzu Ausführungen enthält, nichts, da die Widerspruchsstelle nicht erstmals über ein im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Begehren entscheiden darf (BSG 30.03.2004, B 4 RA 48/01 R, juris Rn. 12).

Die Entscheidung der Beklagten vom 01.03.2022, mit welcher sie eine Verzinsung des Nachzahlungsanspruchs abgelehnt hat, ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er den angefochtenen Bescheid vom 27.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 weder abändert noch ersetzt, sondern eine eigenständige Regelung über den Zinsanspruch der Klägerin trifft, der vorliegend - wie soeben gezeigt - bislang noch nicht Streitgegenstand war. Über den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wird die Beklagte im Nachgang noch zu befinden haben.


3. Die Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht vollumfänglich abgewiesen. Der Bescheid vom 27.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021 ist im Wesentlichen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Diese hat Anspruch auf Auszahlung der mit Bescheid vom 25.06.2021 einbehaltenen Nachzahlung in Höhe von 5.546,32 €. Ein darüberhinausgehender Anspruch ergibt sich jedoch nicht. Die Klage auf Verzinsung des Nachzahlungsanspruchs ist mangels durchgeführten Vorverfahrens hingegen unzulässig (siehe oben).

Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird nur die höchste Rente geleistet, wenn für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung bestehen. Ist eine Rente gezahlt worden und wird für denselben Zeitraum eine höhere oder ranghöhere Rente bewilligt, ist der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente an aufzuheben (Satz 3). Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB VI sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 SGB X), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) nicht anzuwenden. Für den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung nach Satz 3 gilt der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt (Satz 5). Ein unter Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger verbleibender Nachzahlungsbetrag aus der höheren oder ranghöheren Rente ist nur auszuzahlen, soweit er die niedrigere oder rangniedrigere Rente übersteigt (Satz 6). Übersteigen die vom Rentenversicherungsträger anderen Leistungsträgern zu erstattenden Beträge zusammen mit der niedrigeren oder rangniedrigeren Rente den Betrag der höheren oder ranghöheren Rente, wird der übersteigende Betrag nicht von den Versicherten zurückgefordert (Satz 7).

Mit Einführung der Sätze 3 bis 7 in den ersten Absatz des § 89 SGB VI zum 05.12.2018 reagierte der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BSG
(07.04.2016, B 5 R 26/15 R, juris; 25.05.2018, B 13 R 33/15 R, juris) und stellte nunmehr sicher, dass bei nachträglicher Anwendung der Regelung des § 89 SGB VI die Korrektur des Verwaltungsaktes nicht nach den §§ 45 und 48 SGB X zu erfolgen hat, sondern nach der in den Sätzen 3 bis 7 geregelten Korrekturnorm (BT-Drs. 19/4668 S. 32 f.). Ist demnach eine Rente gezahlt worden und wird für denselben Zeitraum eine höhere oder ranghöhere Rente bewilligt, erfolgt eine Korrektur ab Beginn der laufenden Zahlung. Der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente wird daher vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente aufgehoben. Für den Zeitraum des Zusammentreffens der Renten bis zur Korrektur gilt der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente - ggf. nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger - bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt. Ergibt sich - auch unter Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger - ein verbleibender Nachzahlungsbetrag, weil der Betrag der höheren oder ranghöheren Rente den der niedrigeren oder rangniedrigeren Rente übersteigt, erfolgt eine Nachzahlung. Übersteigende Beträge in der Vergangenheit werden jedoch nicht von den Versicherten zurückgefordert, so dass Versicherten keine Nachteile entstehen. Dadurch werden Doppelzahlungen von Versichertenrenten vermieden werden, auf die kein Vertrauen bestehen kann (vgl. z.B. Silber, in: Reinhardt, SGB VI § 89 Rn. 6 bis 9, beck-online).

Hieraus ergibt sich zunächst zweifelsfrei, dass der Klägerin im Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 30.11.2020 kein weiterer Auszahlungsanspruch aufgrund der rückwirkend bewilligten vollen Erwerbsminderungsrente zusteht. Dies macht sie auch zu Recht nicht geltend.

Vorliegend hat die Klägerin im Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 30.11.2020 Arbeitslosengeld I in Höhe von 23.532,00 € (39,22 € kalendertäglich, 1.176,60 € monatlich) sowie eine teilweise Erwerbsminderungsrente in Höhe von 13.837,87 € (10.273,32 € Nachzahlung für die Zeit vom 01.04.2019 bis 30.06.2020 + 5 Monate x 712,91 €) bezogen, insgesamt (Netto-)Leistungen in Höhe von 37.369,87 €. Arbeitslosengeld I kann gemäß § 145 Abs. 1 SGB III parallel zu einer teilweisen Erwerbsminderungsrente bezogen werden, während ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen ist. Aufgrund des Vorliegens einer vollen Erwerbsminderung ab dem 01.04.2019 hat die Klägerin im genannten Zeitraum jedoch nur Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Zahlungsanspruch aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist mithin rückwirkend entfallen (vgl. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Nach den bereits genannten Regelungen in § 89 Abs. 1 SGB VI wird die gewährte Teilerwerbsminderungsrente nach Erfüllung des Erstattungsanspruchs der BA auf die volle Erwerbsminderungsrente (Auszahlungsbetrag insgesamt 27.675,51 € im Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 30.11.2020) angerechnet. Die hierbei überstandene Überzahlung in Höhe von 9.694,36 € (übersteigender Betrag = Differenz zwischen 37.369,87 € und 27.675,51 €) muss die Klägerin nicht zurückzahlen, wie sich unzweifelhaft aus § 89 Abs. 1 Satz 7 SGB VI ergibt.

Die von der BA entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können bei dieser Netto-Betrachtung außer Acht gelassen werden, da insoweit ein Anspruch der BA gegenüber der Beklagten gemäß § 335 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 SGB III ohnehin nur in Höhe der Beitragsanteile, die die Beklagte für dieselbe Zeit aus der Rente zu entrichten gehabt hätte, besteht. Die von der BA bereits gezahlten Beiträge gelten insoweit in Fortsetzung des § 107 SGB X als vom zuständigen Träger gezahlt (Schaumberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl. 2023, § 335 Rn. 68). Sie erhöhen insoweit nicht den Erstattungsanspruch, den die Beklagte im Rahmen des § 89 Abs. 1 Satz 6 SGB VI zu berücksichtigen hat, da sie diese Beiträge ohnehin zu zahlen hat (im Bruttobetrag der Renten jeweils auch entsprechend berücksichtigt).

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann sie die genannte Überzahlung von 9.694,36 €, die sie - wie bereits ausgeführt - gemäß § 89 Abs. 1 Satz 7 SGB VI nicht von der Klägerin zurückfordern kann, auch nicht mit einem Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Differenzbetrages zwischen der vollen und der teilweisen Erwerbsminderungsrente im Zeitraum nach Ende des Arbeitslosengeldbezugs verrechnen. Hierfür existiert keine Rechtsgrundlage.

Insbesondere kann dies nicht auf § 89 Abs. 1 Satz 5 SGB VI gestützt werden, wonach für den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung nach Satz 3 der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt gilt. So gilt die in dieser Vorschrift fiktiv angeordnete Erfüllungswirkung dem Wortlaut nach nur für den „Zeitraum des Zusammentreffens der Renten“. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hierbei jedoch nicht einfach der komplette Zeitraum rückwirkend einer fiktiven Gewährung der nunmehr „richtigen“ Rentenzahlung gegenüberzustellen.

Ein „Zusammentreffen der Renten“ kann sich nach Auffassung des Senats nur auf denselben zeitgleichen Bezugszeitraum beziehen. Dies bedeutet, dass überzahlte Rentenansprüche aus vergangenen Zeiträumen nicht späteren Rentenansprüchen erneut gegenübergestellt werden können. Die vorliegend im Zeitraum bis zum 30.11.2020 zu viel gezahlte teilweise Erwerbsminderungsrente kann bereits aufgrund des genannten Wortlauts nicht dem Auszahlungsanspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2022 neben der für diesen Zeitraum gewährten und damit unstreitig anzurechnenden teilweisen Erwerbsminderungsrente entgegengehalten werden. Da Renten in einem Monatsbetrag, vgl. §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI, monatsweise gewährt, vgl. § 99 SGB VI, und monatlich fällig werden, vgl. § 272a Abs. 1 Satz 1 SGB VI, ist vielmehr eine monatliche Betrachtung bzw. Gegenüberstellung angezeigt. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass ein rückwirkend zuerkannter Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente nur durch eine für denselben Monat gewährte niedrigere Rente als erfüllt gilt und somit eine Überzahlung aus einem Monat nicht mit einem Auszahlungsanspruch für einen anderen Monat verrechnet werden kann. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass der Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über die Gewährung der höheren Rente, welchen diese als Herrin des Verwaltungs- und Vorverfahrens maßgeblich beeinflussen - und ggfs. auch hinauszögern - kann, dafür maßgeblich wäre, in welcher Höhe sich die Beklagte eine eingetretene Überzahlung von dem Rentenberechtigten zurückholen und die Vorschrift des § 89 Abs. 1 Satz 7 SGB VI somit unterlaufen könnte.

Die Beklagte hat auch keinen anderweitigen Erstattungsanspruch, mit welchem sie gegen den Nachzahlungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 05.12.2020 bis 31.07.2021 aufrechnen könnte (unabhängig davon, dass sie einen solchen ohnehin nicht bescheidmäßig festgestellt hat). Bei den Regelungen in § 89 Abs. 1 Satz 3 bis 7 SGB VI handelt es sich um spezialgesetzliche Korrekturnormen, welche eine Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X ausschließen.

Im Einzelnen ergibt sich für den Zeitraum ab dem 01.12.2020 somit Folgendes:


Die Klägerin hat im Dezember 2020 grds. einen Anspruch auf Ausfzahlung der vollen Erwerbsminderungsrente in Höhe von 1.425,81 € (netto). Nach Abzug des Erstattungsanspruchs der BA für diesen Monat in Höhe von 156,88 € (Arbeitslosengeld I bis zum 04.12.2020) und der gewährten teilweisen Erwerbsminderungsrente in Höhe von 712,91 €, verbleibt ein Auszahlungsanspruch in Höhe von 556,02 € im Monat Dezember 2020. Die von der BA im Dezember 2020 abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 33,41 € bzw. 6,85 € bleiben hierbei außer Betracht (siehe oben).

In Zeitraum vom 01.01.2021 bis
31.07.2021 ergibt sich ein monatlicher Auszahlungsbetrag von 712,90 €, für sieben Monate insgesamt in Höhe von 4.990,30 €.

Insgesamt ergibt sich somit ein Auszahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 5.546,32 €.


4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 160 SGG). 



 

Rechtskraft
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