L 8 BA 194/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 BA 103/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 194/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.08.2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,18 Euro festgesetzt.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Bezug auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin im Zeitraum von April bis Oktober 2013.

 

Bei der Klägerin handelt es sich um eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in der Form einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR), die von der einzelvertretungsbefugten Gesellschafterin Frau U. J. vertreten wird. Die Beigeladene zu 1) (im Folgenden: E.) war vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2013 bei der Klägerin als medizinische Assistentin beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 01.04.2013). Ihre Tätigkeit umfasste durchschnittlich zwei Stunden pro Woche für ein monatliches Entgelt von 72 Euro bzw. 80 Euro ab September 2013. Ausweislich Ziff. 8 des Arbeitsvertrags übte E. zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Beschäftigung bei der Klägerin bereits zwei sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen und eine weitere (mit 240 Euro monatlich) geringfügig entlohnte Beschäftigung aus. Im streitigen Zeitraum entrichtete die Klägerin für E. Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung an die Beigeladene zu 4).

 

Am 25.09.2017 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2013 bis 2016 durch. Nach mündlicher Schlussbesprechung vom selben Tag erhob sie mit Bescheid vom 30.11.2017 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 913,71 Euro einschließlich Säumniszuschlägen. Diese Forderung enthielt – neben einer Nachforderung für eine weitere Beschäftigte – eine Beitragsnachforderung für die Tätigkeit der E. zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie für die Umlagen U1 und U2 in Höhe von insgesamt 69,18 Euro. Die von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 4) bereits nachgewiesenen Beiträge wurden dabei berücksichtigt. Für das Arbeitsentgelt aus der ersten geringfügig entlohnten Nebenbeschäftigung seien ab 01.04.2003 auch für einen Arbeitnehmer mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Hauptberuf Pauschalbeiträge zu zahlen. Jede weitere geringfügig entlohnte Beschäftigung unterliege (mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung gem. § 27 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III) nach § 8 Abs. 2 SGB IV vollumfänglich der Versicherungs- und Beitragspflicht. Die Klägerin habe ausweislich des Arbeitsvertrags schon zu Beginn der Beschäftigung der E. von den anderen Arbeitsverhältnissen gewusst.

 

Ihren gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch vom 07.12.2017 begründete die Klägerin im Hinblick auf die die E. betreffende Nachforderung damit, dass nach § 8 Abs. 2 SGB IV mehrere geringfügige Beschäftigungen addiert würden. Zweifelsfrei überschreite die geringfügige Beschäftigung der E. auch addiert nicht die Obergrenze für eine geringfügige Beschäftigung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Ebenfalls werde darauf hingewiesen, dass eine weitere bei der „mündlichen Schlussbesprechung“ anwesende Personen im Prüfbescheid nicht erwähnt sei. Diese Besprechung erfülle im Übrigen nicht die vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 09.11.2010 (Az. B 4 AS 37/09 R) für derartige Anhörungen aufgestellten Anforderungen. Dies gelte bereits insoweit, als dort eine Rechtsgrundlage für die angebliche Versicherungspflicht der E. trotz mehrfacher ausdrücklicher Aufforderung nicht benannt worden sei. Daher werde auch ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gerügt.

 

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 04.04.2018 ein, der angab, dass die weitere bei der Schlussbesprechung (lediglich) anwesende Person von ihm nicht bei der Schlussbesprechung aufgeführt worden sei, da diese nicht am Gespräch selbst teilgenommen habe. Die Rechtsgrundlage des § 8 SGB IV habe er seiner Erinnerung nach benannt. Hierauf gab die Beklagte der Klägerin mit anschließendem Schreiben vom 13.04.2018 die Gelegenheit, noch ergänzend zur Sache vorzutragen. Die Einschränkung „mit Ausnahme einer geringfügig entlohnten Beschäftigung“ in § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV (i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V bzw. § 6 Abs. 1b S. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) bedeute, dass unabhängig davon, wie viele geringfügige Nebenbeschäftigungen neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt würden, stets nur für eine derartige Nebenbeschäftigung die Zusammenrechnung mit der Hauptbeschäftigung entfalle. Ausgenommen von der Zusammenrechnung sei dabei die zeitlich zuerst aufgenommene geringfügig entlohnte Beschäftigung.

 

Nachdem die Klägerin keinen Bedarf sah, weiter zur Sache vorzutragen, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2018 zurück.

 

Mit der am 06.08.2018 beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Ansicht wiederholt, gem. § 8 Abs. 2 SGB IV seien mehrere geringfügige Beschäftigungen ohne Einschränkung zu addieren. Da die Addition der Entlohnungen beider geringfügiger Beschäftigungen der E. zu keiner Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen geführt habe, müssten beide von der Zusammenrechnung mit der versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgenommen werden. Auch werde aus den bereits genannten Gründen weiterhin ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach § 24 Abs. 1 SGB X gerügt.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2019 hat das SG einen Antrag der Klägerin, den Betriebsprüfer der Beklagten zeugenschaftlich zu vernehmen, abgelehnt. Von der Möglichkeit, dem im Termin als Beklagtenvertreter anwesenden Betriebsprüfer zuvor angekündigte Fragen zu stellen, habe der Bevollmächtigte der Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Da die Kammer die Fragen nicht als entscheidungserheblich ansehe, sei eine förmliche Vernehmung nicht erforderlich.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 zu verurteilen, hinsichtlich der Beigeladenen E. die Beitragsdifferenz von 69,18 Euro festzustellen und auf die Erhebung von Säumniszuschlägen zu verzichten.

 

Die Beklagte, die ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten hat, hat beantragt,

           

die Klage abzuweisen.

 

Mit Urteil vom 20.08.2019 hat das SG den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die erhobenen Säumniszuschläge aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

 

Die Schlussbesprechung genüge den Anforderungen einer Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X. Der Klägerin sei im Rahmen des Abschlussgespräches Gelegenheit gegeben worden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Im Übrigen habe sie hierzu auch im Widerspruchs- und Klageverfahren die Möglichkeit gehabt, weshalb ein etwaiger Anhörungsmangel in jedem Fall als geheilt gelte (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).

 

Die Beitragsnacherhebung für die Beschäftigung der E. sei nicht zu beanstanden. Das Entgelt für die bei der Klägerin ausgeübte geringfügige Beschäftigung müsse als zeitlich zweite aufgenommene geringfügige Beschäftigung mit dem Entgelt aus der versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung der E. zusammengerechnet werden. Die Schutzregelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV (Eintritt der Versicherungspflicht erst ab Bekanntgabe des Bescheides) greife vorliegend nicht, da die Klägerin es grob fahrlässig im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 4 SGB IV versäumt habe, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung der E. aufzuklären. Eine Ausnahme mehrerer, in ihrer Gesamtheit geringfügiger Beschäftigungen von der Zusammenrechnung mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung finde in der insoweit eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV keine Grundlage. Die dortige Regelung spreche von der Ausnahme „einer“ geringfügigen Beschäftigung. Raum für eine erweiternde Auslegung der Ausnahmeregelung bestehe nicht.

 

Gegen das ihr am 28.08.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.09.2019 (Montag) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (L 8 BA 213/19 NZB). Das Verfahren ist vom Senat hinsichtlich der Nachforderung für E. mit Beschluss vom 09.12.2021 abgetrennt und die diesbezügliche Berufung mit Beschluss vom 22.12.2021 zugelassen worden.  

 

Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, dass mehrere geringfügige Beschäftigungen, deren Einkommen zusammen nicht über 450 Euro liege, gem. § 8 Abs. 2 SGB IV nicht mit einer gleichzeitig ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung addiert werden dürften. Ein wesentlicher Teil der Fachliteratur vertrete dieselbe Auffassung wie sie bzw. betrachte die Auslegung dieser Vorschrift als kritisch. Eine andere Handhabung bedeute mangels sachlicher Differenzierung zudem einen eklatanten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Grundgesetz (GG). In Bezug auf die Beiträge zur Sozialversicherung liege kein sachlicher Grund für die Differenzierung vor, ob eine Mitarbeiterin die Geringfügigkeitsgrenze aus einem oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nicht überschreite. Sie, die Klägerin, sei im Vergleich zu anderen Arztpraxen benachteiligt, die eine Mitarbeiterin unter sonst gleichen Bedingungen beschäftigten. Darüber hinaus sei es willkürlich, ohne gesetzliche Anordnung die erste von mehreren geringfügigen Beschäftigungen von einer Zusammenrechnung auszunehmen. Auch müsse im Hinblick auf § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV geklärt werden, ob sie, die Klägerin, überhaupt für Beitragsnachzahlungen hafte, selbst wenn eine Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen neben einer Hauptbeschäftigung nicht als zulässig erachtet werde. Schließlich erfülle die Anhörung – wie bereits ausgeführt – die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 24 SGB X nicht.

 

Der Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.08.2019 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 hinsichtlich der für die Beigeladene zu 1) nachgeforderten Beiträge aufzuheben.

 

Die Beklagte, die ihre Bescheide und das Urteil des SG für zutreffend erachtet, beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Ihre Auffassung stelle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren L 8 BA 213/19 NZB Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach erfolgter Abtrennung (Beschluss vom 09.12.2021) der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz – SGG) hinsichtlich der für die Tätigkeit der E. für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2013 festgesetzten Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung und der Umlagen U1 und U2.

 

Die kraft Zulassung des Senates durch Beschluss vom 22.12.2021 gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 145 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 SGG statthafte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 20.08.2019 ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin als GbR folgt aus § 70 SGG i.V.m. § 14 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (vgl. BSG Urt. v. 29.01.2009 – B 3 P 8/07 R – juris Rn. 12; Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 70 Rn. 8 m.w.N.). Sie ist durch eine einzelgeschäftsführungsbefugte Gesellschafterin vertreten und damit prozessfähig (§ 71 Abs. 3 SGG; vgl. BGH Urt. v. 19.07.2010 – II ZR 56/09 – juris Rn. 6).

 

Zutreffend macht die Klägerin ihr Begehren im Berufungsverfahren in Form einer isolierten Anfechtungsklage geltend (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG).

 

Der Senat geht davon aus, dass der angefochtene Bescheid der Beklagten hinsichtlich der Beitragsforderungen für die Tätigkeit der E. trotz des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG von der Klägerin formulierten Klageantrags nicht gem. § 77 SGG in Bindungswirkung erwachsen ist. Zwar hat die Klägerin dort zum hier streitigen Verfahrensgegenstand (ausdrücklich) beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 zu verurteilen, hinsichtlich der E. die Beitragsdifferenz von 69,18 Euro „festzustellen“. Der Senat legt dies zugunsten der Klägerin im Hinblick auf den gesamten Verlauf des Streitverfahrens und die stetig gleichbleibende Argumentation sowie die fehlende fachjuristische Vertretung so aus, dass nicht gemeint war, die (ja gerade von der Beklagten festgestellte) Beitragsdifferenz von 69,18 Euro „festzustellen“, sondern diese „aufzuheben“.

 

Das SG hat die (so auch von ihm verstandene) Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 30.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 beschwert die Klägerin in seinem im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Teil nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte hat die von der Klägerin für die Beschäftigung der E. im streitigen Zeitraum nachgeforderten Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich Umlagen rechtmäßig erhoben.

 

Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleich (vgl. BSG 29.06.2021 – B 12 R 8/19 R – juris Rn. 10 m.w.N.; Urt. v. 10.12.2019 – B 12 R 9/18 R – juris Rn. 12; LSG NRW Beschl. v. 21.09.2022 – L 8 R 880/17 – juris Rn. 33)

 

I. Der auf dieser Grundlage erlassene Bescheid vom 30.11.2017 ist formell rechtmäßig.

 

Dahinstehen bleiben kann, ob (bereits) die Schlussbesprechung vom 25.09.2017 den Anforderungen an eine Anhörung gem. § 24 Abs. 1 SGB X genügt. Nach dieser Vorschrift ist dem am Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Eine bestimmte Form muss in diesem Zusammenhang nicht eingehalten werden; auch eine – wie hier erfolgte – mündliche Anhörung ist zulässig (vgl. BSG Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 9/07 B – juris Rn. 12 m.w.N.). Am Verfahren beteiligt ist nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X insbesondere derjenige, an den die Behörde den Verwaltungsakt richtet (vgl. z.B. Siefert in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 24 Rn. 14). Die durch den Bescheid adressierte und belastete Klägerin hat sich bei der Abschlussbesprechung zulässig durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 13 Abs. 1 S. 1 SGB X). Der von ihr gerügte Umstand, dass eine weitere bei der Schlussbesprechung anwesende Person nicht im Nachforderungsbescheid aufgeführt worden sei, steht einer ordnungsgemäßen Anhörung nicht entgegen. Das (dem Bevollmächtigten der Klägerin) bei der unstreitig durchgeführten Besprechung gewährte rechtliche Gehör ist hiervon in keiner Weise betroffen.

 

Ob die – vom Betriebsprüfer bestrittene – Wahrnehmung der Klägerin zutrifft, die Rechtsgrundlage für eine Versicherungspflicht der E. sei nicht benannt worden, kann dahinstehen, da ein etwaiger Anhörungsmangel jedenfalls im Widerspruchsverfahren nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X geheilt worden ist. Ein Anhörungsmangel wird im Widerspruchsverfahren geheilt, wenn der Betroffene dort hinreichende Gelegenheit hat, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. z.B. BSG Urt. v. 13.02.2019 – B 6 KA 56/17 R – juris Rn. 15 m.w.N.; Urt. v. 30.04.1997 – 12 RK 34/96 – juris Rn. 14). Dies war vorliegend der Fall. Bereits mit dem Erlass des Ausgangsbescheides ist die Klägerin über die wesentlichen Tatsachen und ihre Würdigung durch die Beklagte in Kenntnis gesetzt worden. Entsprechend hatte sie im Widerspruchsverfahren Gelegenheit, sich hierzu zu äußern, wovon sie auch mit ihrer Widerspruchsbegründung vom 22.12.2017 Gebrauch gemacht hat. Durch Hinweisschreiben vom 13.04.2018 hat die Beklagte sie sodann nochmals umfassender unterrichtet und ihr ausdrücklich eine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

II. Der angefochtene Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin für die streitige Tätigkeit der E. Beiträge nach den allgemeinen Beitragssätzen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung zu entrichten hat, da es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handelte (dazu 1.). Eine Ausnahmevorschrift greift nicht ein (dazu 2.). Die Höhe der Beitragsfestsetzung ist (auch im Übrigen) zutreffend erfolgt (dazu. 3.).

 

1. Gem. § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen, d.h. gem. § 28d S. 1 und 2 SGB IV die für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten geschuldeten Beiträge u.a. zur hier streitigen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung an die zuständige Einzugsstelle zu entrichten. Die Höhe der Beiträge richtet sich in den einzelnen Sozialversicherungsbereichen dabei grundsätzlich nach den jeweiligen allgemeinen Beitragssätzen (§ 241 SGB V, § 54 Abs. 2 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI, § 157 SGB VI).

 

Auf dieser Grundlage war die Klägerin – wie von der Beklagten zu Recht angenommen – für E. nach den allgemeinen Beitragssätzen beitragspflichtig. E. war in ihrer Tätigkeit für die Klägerin im streitigen Zeitraum kraft Gesetzes versichert (dazu a.). Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus der (auch in Zusammenschau mit der weiteren Nebenbeschäftigung nur) geringen Entlohnung der E. nicht deren Versicherungsfreiheit (dazu b.). Auch ist die Versicherungspflicht nicht erst mit Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides – und damit nach Ablauf des streitigen Zeitraums – eingetreten (dazu c.)

 

a. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung unterliegen Personen die gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI). Diese Voraussetzungen liegen vor. E. hat – zwischen den Beteiligten unstreitig – bei der Klägerin vom 01.04.2013 bis 31.10.2013 eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV ausgeübt, da sie in diesem Zeitraum in einem Arbeitsverhältnis als medizinische Assistentin weisungsgebunden in den Betrieb der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis der Klägerin eingegliedert tätig geworden ist.

 

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin war E. nicht aufgrund der Geringfügigkeit des ihr gezahlten Entgelts versicherungsfrei. Dies gilt sowohl für den Zweig der gesetzlichen Krankenversicherung (dazu aa.) als auch den der sozialen Pflegeversicherung (dazu bb.) und den der gesetzlichen Rentenversicherung (dazu cc.).

 

aa. Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HS 1 SGB V ist in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, wer eine geringfügige Beschäftigung nach §§ 8, 8a SGB IV ausübt. § 8 Abs. 2 SGB IV ist dabei gem. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese Versicherungspflicht begründet.

 

Eine geringfügige Beschäftigung liegt gem. § 8 Abs. 1 SGB IV in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 05.12.2012 (BGBl I, S. 2474 ff.; im Folgenden: a.F.) vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F., sog. „Entgeltgeringfügigkeit“), oder die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV a.F., sog. „Zeitgeringfügigkeit“). Bei der Anwendung des Absatzes 1 sind gem. § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV, dessen Fassung sich insoweit nicht geändert hat, mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2 sowie geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen.

 

Die von E. für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit, die (unstreitig) nicht zeitgeringfügig im Sinn von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV a.F. war, unterfällt (auch) nicht der Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. Grund hierfür ist, dass das von E. bei der Klägerin erzielte Entgelt von dem bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 SGB IV gem. § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV zu beachtenden Zusammenrechnungsgebot mit der nicht geringfügigen Hauptbeschäftigung erfasst wird. Da E. ihre Hauptbeschäftigung(en) versicherungspflichtig ausgeübt hat, ist die Zusammenrechnung nach § 8 Abs. 2 SGB IV nicht gem. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB V ausgeschlossen.

 

Übt ein Beschäftigter neben seiner versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung – wie hier E. – mehrere weitere geringfügige Nebenbeschäftigungen aus, so ist nach § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV nur eine (einzige) dieser Tätigkeiten vom Zusammenrechnungsgebot ausgenommen (dazu (1)). Als diese eine zusammenrechnungsfreie Tätigkeit hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise diejenige geringfügige (Neben-)Beschäftigung angesehen, die E. zeitlich vor der streitigen Tätigkeit bei der Klägerin begonnen hatte (dazu (2)). Entsprechend unterfiel die (später aufgenommene) Tätigkeit der E. bei der Klägerin nicht der Ausnahme vom Zusammenrechnungsgebot.

 

(1) Bei Ausübung mehrerer geringfügig entlohnter (Neben-)Beschäftigungen neben einer nicht geringfügigen (Haupt-)Beschäftigung ist lediglich eine einzige dieser Nebenbeschäftigungen von der in § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV normierten Pflicht zur Zusammenrechnung ausgenommen (ganz h.M.: vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 69; Ricken in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022, § 8 SGB IV Rn. 20 m.w.N.; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB IV, 3. EL 2023, § 8 Rn. 63 f.; Plagemann in: Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, Stand: 11/2023, Ziff. 9., Rn. 14; Rittweger in: BeckOK-SozR, Stand 01.09.2023, § 8 Rn. 17; Scheer in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, § 8 SGB IV Rn. 30; Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, SGB IV, § 8 Rn. 18; Berchtold in: Knickrehm/Roßbach/Waltermann, SGB IV, 8. Aufl. 2023, § 8 Rn. 18; Zipperer in: Kreikebohm/Dünn, SGB IV, 4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 15 f.; Stalbold in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 44. EL Juni 2023 Kapitel 46 Rn. 19; Lüdtke/Winkler in: Winkler, SGB IV, 3. Aufl. 2020, § 8 Rn. 26; Dankelmann in: von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB IV, 3. Aufl. 2022, § 8 Rn. 49; Kazmierczak, NZS 2003, S. 186, 188; Rombach, SGb 2003, S. 196, 198; vgl. auch Geringfügigkeitsrichtlinien der Sozialversicherungsträger vom 20.12.2012, S. 43, Ziff. 2.2.2.2, abrufbar unter: deutsche-rentenversicherung.de; wohl auch BSG Urt. v. 27.06.2012 – B B12 KR 28/10 R – juris Rn. 20; weitergehend Stäbler in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 36: alle geringfügigen Nebenbeschäftigungen sind mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen; a.A. allein Zieglmeier in: beck-online.Großkommentar, Stand: 15.11.2023, SGB IV § 8 Rn. 88.).

 

Die in die Vorschrift des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV in Halbsatz 2 eingefügte Ausnahme findet entsprechend nicht (gleichzeitig) auf mehrere, nebeneinander ausgeübte, geringfügig entlohnte Beschäftigungen Anwendung. Das gilt – entgegen der Auffassung der Klägerin – unabhängig davon, ob die nebeneinander ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen in der Addition ihrer Entgelte die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht überschreiten. Gem. § 8 Abs. 2 SGB IV ist lediglich eine einzige geringfügig entlohnte Nebentätigkeit neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung versicherungsfrei. Nicht hingegen kann der Vorschrift, wie von der Klägerin gewünscht, ein (befreiender) Summierungstatbestand entnommen werden.

 

Dieses Verständnis des § 8 SGB IV ergibt sich bei der erforderlichen Auslegung der Vorschrift nach den anerkannten juristischen Auslegungsregeln des Wortlauts der Norm, der Systematik, dem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (vgl. dazu BVerfG Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 – juris Rn. 66). Wenngleich der Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV für sich allein keine zwingende Zuordnung bedingt (hierzu (a)), so folgt die genannte Auslegung aus der grammatikalischen und systematischen Betrachtung (dazu (b)) und der in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommenden Teleologie (dazu (c)). Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) erfordert keine abweichende Beurteilung (dazu (d)).

 

(a) Auch wenn die in § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV gewählte Formulierung „mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung“ (im Folgenden: § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV) bereits die Assoziation nahelegt, dass der verwendete Begriff „eine“ als Zahlwort, d.h. im Sinne „einer einzigen“ Beschäftigung zu verstehen ist, kommt isoliert-grammatikalisch auch die von der Klägerin vertretene Deutung des Wortes „eine“ als unbestimmtem Artikel in Betracht.

 

(b) Bereits die sich an die Wortlautbetrachtung anschließende grammatikalisch-systematische Betrachtung der nur mühsam lesbaren Gesetzesfassung beschränkt die mögliche Auslegung jedoch auf das Verständnis des Wortes „ein“ im Sinne eines Zahlwortes.

 

So unterscheidet § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV in seinem Wortlaut selbst (durchaus) zwischen „mehreren“ geringfügigen Beschäftigungen (Plural) und „einer“ geringfügigen Beschäftigung (Singular). § 8 SGB IV grenzt entsprechend „eine“ als Zahlwort von „mehreren“ geringfügigen Beschäftigungen ab. Ebenso spricht die Formulierung des Verweises auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV („eine Beschäftigung nach Nummer 1“) dafür, dass nur eine einzige Beschäftigung gemeint ist, da § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV gerade den Fall einer (einzigen) Beschäftigung regelt. Erst und nur in § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV findet sich die gesetzliche Bestimmung dazu, wie mehrere kumulativ ausgeübte Beschäftigungen gehandhabt werden sollen. § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV nimmt daher eine insoweit deutliche Separierung der Beschäftigungen im Plural („mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2“; „geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1“ und „nicht geringfügige Beschäftigungen“) gegenüber der Verwendung des Wortes Beschäftigung als Singular („mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1“) vor. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV wird im Übrigen auch im Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung nachvollzogen (vgl. auch Zipperer in: Kreikebohm/Dünn, SGB IV, 4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 15).

 

Seiner inneren Systematik nach enthält § 8 Abs. 1 S. 1 SGB IV zur Frage der eventuellen Entgeltgeringfügigkeit mehrfache Zusammenrechnungsgebote. Ob eine „geringfügig entlohnte Beschäftigung“ als eine „geringfügige Beschäftigung“ im Sinn von § 8 SGB IV anzusehen ist, erfordert daher eine differenzierte Betrachtung. Zunächst ist Geringfügigkeit jeder einzelnen Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB IV festzustellen. Anschließend sind die Entgelte der in ihrer Art nach rechtlich gleichen Beschäftigungen zu addieren und mit ihrer Summe erneut an dieser gesetzlichen Obergrenze zu messen. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung kann das Prädikat „geringfügig“ (i.S.v. § 8 SGB IV) daher nur dann endgültig „behalten“, wenn sie auch in der Zusammenfassung mit einer oder mehreren weiteren gering entlohnten Beschäftigungen die Grenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht übersteigt (vgl. Berchtold in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 8 SGB IV Rn. 13). Überschreitet die Summe hingegen den Grenzbetrag, entfällt – unabhängig von der gleichzeitigen Ausübung einer nicht geringfügigen Hauptbeschäftigung – (bereits) damit für jede der betroffenen Beschäftigungen gem. § 8 Abs. 2 S. 1 HS 1 SGB IV die Geringfügigkeit (und damit mittelbar die Versicherungsfreiheit). Überschreitet die Summe den Grenzbetrag nicht, bleibt es als Ergebnis der gruppenspezifischen Zusammenfassung bei der Geringfügigkeit der entgeltgeringfügigen Beschäftigungen. Wird neben den geringfügigen Beschäftigungen zugleich eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung ausgeübt, sind diese (bzw. das aus ihnen erzielte Entgelt) – mit Ausnahme „einer“ Beschäftigung – gem. § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IV mit der versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen (vgl. Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 8 SGB IV Rn. 18 f.).

 

Hätte der Gesetzgeber die von der Klägerin angenommene Summierungsregelung, d.h. eine Befreiung von der Versicherungspflicht auch für mehrere geringfügige Beschäftigungen, die in der Summe die Entgeltgrenze nicht überschreiten, treffen wollen, wäre eine andere als die getroffene gesetzliche Formulierung zu erwarten gewesen. So hätte eine entsprechende Fassung der Norm z.B. lauten können „…sind geringfügige Beschäftigungen nach Nr. 1 mit Ausnahme einer oder mehrerer Beschäftigungen, die zusammen die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV nicht überschreiten, und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen“. Ähnlich hätte an § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV auch ein weiterer Satz angefügt werden können, wie z.B..: „Dies gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten Tätigkeit, die mit der ersten geringfügigen Tätigkeit zusammen die Grenze nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 nicht überschreitet.“ (so zB die gesetzgeberische Systematik in § 6 Abs. 1a S. 2 SGB VI). Auch hätte es in Betracht gezogen werden können, § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IV (wieder vollständig) zu streichen, da dieser Halbsatz im Kern leerläuft, wenn man der Auffassung der Klägerin folgte (vgl. Stäbler in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 37).

 

Ob § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IV diametral zur Auffassung der Klägerin auch dahingehend interpretiert werden könnte, dass mehrere nach ihrer Zusammenrechnung (zunächst) entgeltgeringfügig verbliebene Beschäftigungen sogar sämtlich der Versicherungspflicht unterliegen, wenn sie neben einer nicht entgeltgeringfügigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeübt werden (vgl. Stäbler in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 36; Rolfs, NZA 2003, 65, 68; Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545), muss vorliegend nicht entschieden werden.

 

(c) Das durch die Systematik gebotene Verständnis der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV im Sinne einer einzigen versicherungsfreien Nebenbeschäftigung wird durch die Gesetzeshistorie sowie die hieraus ableitbaren Zielsetzungen bestätigt. Der Vorschrift liegt nicht die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, mehrere geringfügige Beschäftigungen als Rechengröße zu verwenden und dann die hieraus gebildete Summe zur weiteren Beurteilung heranzuziehen (vgl. Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 8 SGB IV Rn. 15).

 

In seiner bis März 1999 geltenden Fassung sah § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV (noch lediglich) vor, dass mehrere geringfügigen Beschäftigungen zusammenzurechnen seien. Eine Zusammenrechnung mit einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung erfolgte nicht.

 

Zum 01.04.1999 wurde die Zusammenrechnungspflicht von geringfügigen Beschäftigungen miteinander um ein Zusammenrechnungsgebot dieser geringfügigen Beschäftigungen auch mit nicht geringfügigen Beschäftigungen erweitert (Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999, BGBl I, 388 ff.). Der damalige Wortlaut („Bei der Anwendung des Absatzes 1 sind mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2 sowie geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen.“) begründete nunmehr eine ausnahmslose Pflicht zur Zusammenrechnung einer geringfügigen mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung. Folglich galt jede Beschäftigung in den Zeit- und Entgeltgrenzen des § 8 Abs. 1 SGB IV, die neben einer nicht geringfügigen Beschäftigung ausgeübt wurde, nicht (mehr) als geringfügig. Hintergrund für die Gesetzesänderung war nach der Gesetzesbegründung der zunehmende Missbrauch der Möglichkeit, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einzugehen und eine damit einhergehende Erosion der Bemessungsgrundlagen in der Sozialversicherung. Mit der Neuregelung beabsichtigte der Gesetzgeber u.a., dieser Erosion entgegenzuwirken, von der ersten Mark an Beiträge zur Sozialversicherung zu erheben, Frauen, die v.a. in diesen Beschäftigungsverhältnissen arbeiteten, eine Option auf eine verbesserte Alterssicherung zu geben, mittelfristig die Ausweitung dieser Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen und ein weiteres Aufsplitten der Arbeitsverhältnisse zu verhindern (vgl. BT-Drs. 14/280, S. 1, 10).

 

Die – im vorliegenden Verfahren streitige und bis heute gültige – Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV wurde durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I, 4621 ff.) mit Wirkung zum 01.01.2003 durch das Hinzufügen der Formulierung „mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1“ in die vorige Gesetzesfassung eingefügt (BGBl I, 4621, 4623). In den Gesetzesmaterialien findet sich dabei keinerlei Hinweis für die von der Klägerin vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung beabsichtigt, nicht nur eine einzige, sondern auch mehrere geringfügige Beschäftigungen von der Zusammenrechnungspflicht auszunehmen.

 

Dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich zunächst kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass sich die 1999 eingeführte (strenge) Regelung als inadäquat herausgestellt habe und daher nunmehr – jedenfalls bis zu einem Gesamtentgelt unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze – zurückgenommen werden sollte. Wäre eine Rückkehr zur Gesetzeslage vor 1999 gewollt gewesen, hätte es für den Gesetzgeber nahegelegen, den zweiten Halbsatz des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV schlicht wieder zu streichen. Auch und gerade die Auffassung der Klägerin, dass mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen, die neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt werden, ab 2003 sozusagen einer summierten Rechengröße folgend anrechnungspflichtig bzw. -frei sein sollten, findet im Gesetzgebungsverfahren keine Grundlage. Trotz der Liberalisierungsbestrebungen zur Belebung eines stagnierenden Arbeitsmarktes (vgl. BT-Drs. 15/26, S. 1, 17ff.) sah der Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) vom 05.11.2002 (gar) keine Änderung des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV vor und beschränkte sich insoweit auf die Anfügung eines den zeitlichen Eintritt der Versicherungspflicht regelnden dritten Satzes (vgl. BT-Dr. 15/26, S. 10, 23 f.). Die von der Oppositionsfraktion von CDU/CSU im Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Aktivierung kleiner Jobs (Kleine-Jobs-Gesetz) vom 05.11.2002 (BT-Drs. 15/23 S. 3) vorgeschlagene Anfügung der Formulierung „es sei denn, dass die Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung insgesamt die Grenze von 400 Euro nicht übersteigen“ an § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV fand auch nach den Plenarberatungen (vgl. BT-Plenarprotokolle 15/8 v. 07.11.2002, S. 391A-418B; 15/11 v. 15.11.2002, S. 670B-694C und S. 694A; BR-Plenarprotokoll 783, S. 510B-528D) in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) vom 13.11.2002 (vgl. BT-Drs. 15/77, S. 44 und Begründung vom 14.11.2002, BT-Drs. 15/91) keinen Eingang. Vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement wurde vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine generelle Ausweitung der geringfügigen Beschäftigung zu Lasten der Sozialversicherung nicht gewollt sei (vgl. BR-Plenarprotokoll 783, S. 510B, 523B-523C). Erst der angerufene Vermittlungsausschuss empfahl schließlich am 17.12.2002 (vgl. BT-Drs. 15/202, S. 3) die letztlich beschlossene Gesetzesfassung (BT-Plenarprotokoll 15/16 v. 19.12.2002, S. 1250B-1250C; BR-Plenarprotokoll 784 v. 20.12.2002, S. 570B-579B). Die nunmehr getroffene (Neu-)Regelung stellte entsprechend einen „Kompromiss“ dar (vgl. Heide Simonis, BR-Plenarprotokoll 784 v. 20.12.2002, S. 571 A), der als solcher das Verständnis ausschließt, die in § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IV eingefügte Ausnahme beziehe eine Mehrzahl geringfügiger Beschäftigungen mit einer unter der Grenze des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV liegenden Entgeltsumme ein (vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 69).

 

(d) Die dargelegte Auslegung des Wortes „ein“ in § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV als Zahlwort verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. So stellt es sich nicht als verfassungswidrig dar, wenn Arbeitgeber für einen (bei ihnen geringfügig entlohnten) Arbeitnehmer, der gleichzeitig einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung und daneben auch noch einer weiteren entgeltgeringfügigen Tätigkeit nachgeht, Beiträge nach den allgemeinen Beitragssätzen zu zahlen haben, während Arbeitgeber eines (bei ihnen geringfügig entlohnten) Arbeitnehmers, der daneben nur einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung nachgeht, eine pauschale Abgabenpflicht trifft.

 

Fraglich ist dabei bereits, ob die von der Klägerin behauptete Benachteiligung gegenüber einer vergleichbaren Arbeitgeberin mit einer Beschäftigten, die lediglich eine Nebenbeschäftigung ausübt, wirtschaftlich bei korrekter Beitragsabführung überhaupt besteht und falls ja, in welchem Umfang dies der Fall ist (vgl. hierzu § 249 SGB V, § 168 SGB VI, § 58 SGB XI bzw. § 249b SGB V). Eine weitere entsprechende Prüfung war jedoch nicht erforderlich, da auch eine – etwaige – Schlechterstellung der Klägerin keinen Bedenken im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz begegnet.

 

Das Sozialversicherungsrecht bezieht Beschäftigte im Sinne individueller Vorsorge einerseits und zum Schutz der Allgemeinheit vor mangelnder Eigenvorsoge des Einzelnen andererseits in die einzelnen Zweige der Sozialversicherung ein und ordnet dazu Versicherungs- und Beitragspflicht an. Diese Einbeziehung erfolgt nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse (vgl. BSG Urt. v. 05.12.2017 – B 12 R 10/15 R – juris Rn. 22 m.w.N.). Im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen (Art. 2 Abs. 1 GG) und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung liegt es weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese inwieweit erfassen soll (vgl. BVerfG Beschl. v. 03.07.1989 – 1 BvR 1487/88 – juris Rn. 3; BSG Urt. v. 15.07.2009 – B 12 KR 14/08 R – juris Rn. 19 m.w.N.). Es ist vornehmlich seine Sache, auf der Grundlage wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Gebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (vgl. BVerfG Beschl. v. 06.10.1987 – 1 BvR 1086/82 – juris Rn. 75 m.w.N.). Der Gesetzgeber darf insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. z.B. BVerfG Beschl. v. 23.06.2004 – 1 BvL 3/98 – juris Rn. 63; Beschl. v. 04.04.2001 – 2 BvL 7/98 – juris Rn. 42 m.w.N.; BSG Urt. v. 21.10.2021 – B 5 R 28/21 R – juris Rn. 39; Urt. v. 29.06.2017 – B 10 EG 4/16 R – juris Rn. 29 m.w.N.; Urt. v. 25.01.2006 – B 12 KR 27/04 R – juris Rn. 30 m.w.N.; LSG NRW Urt. v. 14.06.2023 – L 10 KR 487/22 SodEG – juris Rn. 48; LSG NRW Urt. v. 17.01.2019 – L 9 AL 50/18 – juris Rn. 44 m.w.N.).

 

Die Befreiung nur einer einzigen, neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübten geringfügigen Tätigkeit vom Zusammenrechnungsgebot begegnet im Hinblick auf die dargelegte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers keinen Bedenken.

 

Bereits als verfassungsmäßig beurteilt worden ist, dass mehrere – für sich genommen jeweils geringfügige – Beschäftigungen nach der Zusammenrechnung ihrer Entgelte versicherungspflichtig werden. Dies gilt selbst dann, wenn den Arbeitgeber an der Verzögerung der Beitragszahlung mangels Kenntnis von der Aufnahme der weiteren Beschäftigung kein Verschulden trifft (vgl. BSG Urt. v. 10.09.1987 – 12 RK 13/85 – juris Rn. 17, bestätigt durch BVerfG Beschl. v. 21.04.1989 – 1 BvR 1591/87; BSG Urt. v. 23.02.1988 – 12 RK 43/87 – juris Rn. 21 f., bestätigt durch BVerfG Beschl. v. 21.04.1989 – 1 BvR 678/88). Das BVerfG hat dabei – insbesondere im Hinblick auf die genannte weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der Sozialordnung – einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sogar als „fernliegend“ erachtet. Die unterschiedliche Behandlung mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse rechtfertige sich daraus, dass mehrfach geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden und daher als sozial schutzwürdiger anzusehen seien (vgl. BVerfG Beschl. v. 21.04.1989 – 1 BvR 678/88 – juris Rn. 6). Gleiches gilt (erst recht) für Beschäftigte, die – wie hier E. – eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung und mehrere geringfügige Beschäftigungen ausüben.

 

Sofern die Einbindung in den Arbeitsmarkt bereits über eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung vorliegt, ist es im Übrigen schon nicht zwingend, (überhaupt) eine daneben ausgeübte geringfügige Beschäftigung von der Versicherungspflicht auszunehmen. Über Sinn und Zweck der Anordnung von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung finden sich in den Gesetzesmotiven wenig Hinweise (vgl. z.B. LSG Hessen Urt. v. 06.02.2014 – L 1 KR 31/12 – juris Rn. 47 m.w.N.). Hauptmotiv dürfte sein, dass eine Beschäftigung nur dann zur Zwangsmitgliedschaft in der Sozialversicherung mit den daraus folgenden Beitragspflichten und Leistungsrechten führen soll, wenn sie ihrer Art und ihrem Umfang nach geeignet ist, die Existenz des Beschäftigten sicherzustellen. Bei Eintritt des Versicherungsfalles (Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung, Alter) treten dann Sach- oder Geldleistungen der Sozialversicherung (insbes. Lohnersatzleistungen) an die Stelle des entfallenen Arbeitsentgelts. Wer dagegen nur geringfügig gegen ein nicht die Existenz sicherndes Arbeitsentgelt beschäftigt ist, wird regelmäßig zumindest überwiegend von Anderen unterhalten. Diese Personen haben dann nach der Vorstellung des Gesetzes offenbar auch für die soziale Sicherung des geringfügig Beschäftigten zu sorgen (z.B. Familienversicherung, § 10 SGB V, Hinterbliebenenrenten usw., vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 28). Dies gilt für einen Arbeitnehmer, der eine geringfügig entlohnte Beschäftigung neben einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausübt, jedoch nicht. Vielmehr wird seine Existenz (und damit die spätere Lohnersatzleistung) von beiden Beschäftigungen gemeinsam getragen. Besteht aber schon keine zwingende Notwendigkeit, eine neben der Hauptbeschäftigung ausgeübte geringfügige Tätigkeit von der Versicherungspflicht auszunehmen, so ist es erst recht nicht als willkürlich anzusehen, diese Ausnahme nur für eine (einzige) Nebentätigkeit gelten zu lassen und nicht (sogar) mehrere Tätigkeiten bis zu einer bestimmten Entgeltsumme zu befreien. Im Spannungsfeld zwischen insbesondere der vor April 1999 beobachteten Missbrauchsmöglichkeit geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse und der gewünschten verbesserten Altersvorsorge für Frauen einerseits sowie einer Belebung des Arbeitsmarktes andererseits ist es keineswegs – wie die Klägerin wohl meint – zwingend, kumulativ ausgeübte entgeltgeringfügige Beschäftigungen stets bis zur jeweilig geltenden Geringfügigkeitsgrenze von der Versicherungspflicht zu befreien.

 

Auch bei einem Vergleich mit anderen gesetzgeberischen Vorschriften wird deutlich, dass die Anordnung von Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung nicht (stets) an einem bestimmten Zahlbetrag ausgerichtet ist. Dies gilt z.B. für die in § 7 Abs. 1 HS 2 SGB V aufgeführten Ausnahmeregelungen. Sowohl bei Auszubildenden als auch bei TeilnehmerInnen an einem Jugendfreiwilligendienst oder einem Bundesfreiwilligendienst kann bei typisierender Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihren Lebensunterhalt überwiegend aus anderen Quellen als derjenigen der abhängigen Beschäftigung bestreiten (vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. Stand 21.11.2022, § 7 SGB V Rn. 28f.). Gleichwohl unterliegen diese gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB V auch bei nur geringfügiger Entlohnung der Versicherungspflicht. Verfassungsrechtliche Bedenken hat das BSG (auch) hier im Hinblick auf die genannte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verneint (vgl. BSG Urt. v. 15.07.2009 – B 12 KR 14/08 R – juris Rn. 19 ff. zur Berufsausbildung).

 

Um etwaige Härten einer Nachzahlpflicht für den Arbeitgeber zu vermeiden, kommt dem Arbeitgeber im Übrigen ein Fragerecht (und sogar eine Fragepflicht, vgl. § 8 Abs. 3 S. 4 SGB IV) nach anderweitigen Beschäftigungsverhältnissen zu (vgl. BSG Urt. v. 23.02.1988 – 12 RK 43/87; Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 64). Diesem korrespondiert eine entsprechende Auskunftspflicht des Beschäftigten gem. § 28o SGB IV.

 

(2) Als die eine Tätigkeit, die gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Einschub in HS 2 SGB IV von der Zusammenrechnungspflicht ausgenommen ist, hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die geringfügige (Neben-)Beschäftigung angesehen, die von E. zeitlich vor der streitigen Tätigkeit bei der Klägerin begonnen wurde. Entsprechend ist die bei der Klägerin ausgeübte – später zusätzlich aufgenommene – geringfügige Nebenbeschäftigung zutreffend als versicherungspflichtig beurteilt worden.

 

Die Anknüpfung an die zeitliche Reihenfolge entspricht den von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger herausgegebenen „Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigten“ (Geringfügigkeits-Richtlinien) unter Ziff. B 2.2.2.2 in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung. Wenngleich diesen Richtlinien keine die Gerichte bindende Wirkung zukommt (vgl. BSG Urt. v. 07.05.2014 – B 12 R 5/12 R – juris Rn. 25), ist die dort niedergelegte Handhabung und die dieser folgende Vorgehensweise der Beklagten sachlich rechtmäßig.

 

Während weder Wortlaut, Systematik, Teleologie noch Gesetzeshistorie einen konkreten Bestimmungsmodus vorgeben, sprechen die als hochrangige Ziele im Rahmen einer Massenverwaltung anerkannten Praktikabilitätserwägungen und die Einfachheit der Rechtsanwendung (vgl. BVerfG Beschluss v. 08.06.2004 – 2 BvL 5/00 – juris Rn. 74 m.w.N.; BSG Urt. 02.09.2009 – B 12 KR 21/08 R – juris Rn. 16 m.w.N.) für eine Ausnahme des zeitlich zuerst aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses von der Versicherungspflicht (vgl. z.B. Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI, 4. EL 2023, § 5 Rn. 95; Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, 3. EL 2023, § 8 Rn. 63; Berchtold in: Knickrehm/Roßbach/Waltermann, SGB IV, 8. Aufl. 2023, § 8 Rn. 19; Dankelmann in: von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB IV, 3. Aufl. 2022, § 8 Rn. 49). Ein anderes als das zeitliche Auswahlkriterium findet hingegen keine sachliche Begründung (vgl. LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 29.04.2009 – L 5 KR 79/08 – juris Rn. 28). So würden sowohl ein Wahlrecht des Versicherten als auch die Bestimmung der versicherungsfreien Tätigkeit nach der Höhe des Entgelts der ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen in einer Vielzahl der Fälle dazu führen, dass die bereits ausgeübte zeitlich erste Tätigkeit einer neuen beitragsrechtlichen Behandlung unterzogen werden müsste. Auch hätte diese Vorgehensweise den Nachteil eventueller Wechsel der Beurteilung bei Entgeltveränderungen.

 

Aber auch dann, wenn man der Arbeitnehmerin bzw. dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht unter mehreren geringfügigen Beschäftigungen zugestehen wollte, führte dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis, da E. keine derartige Wahl getroffen hat. Unterstellte man die Wahl des Beschäftigungsverhältnisses mit dem höheren Entgelt bzw. stellte ohnehin auf dieses ab, ergäbe sich nichts anderes. Denn in ihren beiden (für sich betrachtet) entgeltgeringfügigen Beschäftigungen erzielte E. im Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin den geringeren Ertrag (72 EUR gegenüber 240 EUR monatlich in der zeitlich ersten Nebenbeschäftigung).

 

bb. Die Versicherungspflicht der E. in der sozialen Pflegeversicherung folgt gem. § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB XI der (dargestellten) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.

 

cc. In der gesetzlichen Rentenversicherung bestand im streitigen Zeitraum grundsätzlich Versicherungspflicht der E. gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Seit dem 01.01.2013 sah § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigungen vom 05.12.2012, BGBl I S. 2474 ff.) bei entgeltgeringfügigen Beschäftigungen keine Versicherungsfreiheit mehr vor. Personen, die eine solche Beschäftigung ausübten, konnten lediglich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden (§ 6 Abs. 1b S. 1 SGB VI). Ein derartiger Antrag der E. ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Darüber hinaus fehlt es auch gem. § 8 Abs. 2 SGB IV, der gem. § 6 Abs. 1b S. 3 SGB IV Anwendung findet, (wie dargelegt) an der Geringfügigkeit der von E. bei der Klägerin ausgeübten Beschäftigung im Sinn von § 8 SGB IV.

 

c. Die Versicherungspflicht der E. ist auch bereits mit Beginn ihrer Beschäftigung bei der Klägerin und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet die von ihr herangezogene (Sonder-)Regelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV vorliegend keine Anwendung.

 

aa. Grundsätzlich tritt Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI allein und unmittelbar durch die Aufnahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ein (vgl. z.B. BSG Urt. v. 23.02.1988 – 12 RK 43/87 – juris Rn. 21; LSG Baden-Württemberg Urt. v. 22.01.2016 – L 4 R 3913/13 – juris Rn. 46; Freudenberg, B+P 2010, S. 207, 209; Stäbler in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 41; LSG Bayern Urt. v. 22.10.2008 – L 13 KN 16/08 – juris Rn. 14 m.w.N.). Sie entsteht kraft Gesetzes, unabhängig von der Kenntnis und dem Willen der erfassten Person oder eines Dritten (vgl. BSG Urt. v. 23.02.1988 – 12 RK 43/87 – juris Rn. 21; LSG Bayern Urt. v. 22.10.2008 – L 13 KN 16/08 – juris Rn. 14 m.w.N.); der Begründung durch einen Verwaltungsakt bedarf es nicht; die Verwaltungsentscheidung der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers hat lediglich deklaratorische Wirkung (vgl. LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 29.04 2009 – L 5 KR 79/08 – juris Rn. 24). Dies entspricht u.a. auch der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV, nach der die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Gleiches gilt soweit die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a SGB IV ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis „feststellt“; dies ist grundsätzlich keine Begründung eines Pflichtversicherungsverhältnisses, sondern setzt voraus, dass ein solches bereits eingetreten ist (vgl. auch die ausdrückliche Ausnahme in § 7a Abs. 5 SGB IV bzw. zuvor Abs. 6). Auch § 186 Abs. 1 SGB V sieht die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung als mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis begründet an.

 

bb. In Ausnahme des genannten Grundsatzes tritt – wenn beim Zusammenrechnen nach § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV festgestellt wird, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen – Versicherungspflicht gem. § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV erst mit dem Tag ein, an dem die Entscheidung über sie durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Rentenversicherung bekanntgegeben wird.

 

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV sind im Hinblick auf die streitige Tätigkeit der E. bereits dem Wortlaut nach nicht erfüllt (dazu unter (1)). Ein vom Wortlaut abweichender Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung zugunsten der Klägerin ergibt sich auch weder aus der gesetzlichen Systematik noch aus der Gesetzeshistorie bzw. Zielsetzung der Vorschrift (dazu unter (2)).

 

(1) Bereits nach ihrem Wortlaut („nicht mehr“) setzt die (Ausnahme-)Regelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV eine Änderung der Verhältnisse voraus und ist daher nur dann anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für eine Geringfügigkeit zunächst vorgelegen haben und zeitlich später wieder entfallen sind (vgl. Stäbler in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 42; LSG Schleswig-Holstein Urt. v. 29.04.2009 – L 5 KR 79/08 – juris Rn. 25; Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 79; Plagemann in: Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, 119. EL 11/2023, Ziff. 10 Rn. 15). In den tatsächlichen Verhältnissen muss dementsprechend eine derartige Entwicklung stattfinden, dass eine bei Aufnahme der Beschäftigung zunächst fehlende Versicherungspflicht nachträglich eintritt (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG Urt. v. 29.04.2009 – L 5 KR 79/08, juris Rn. 25; Stäbler in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 119. EL Juni 2023, § 8 SGB IV Rn. 42).

 

An dieser erforderlichen Entwicklung bzw. Änderung fehlt es vorliegend. Da E. im Zeitpunkt der Aufnahme ihrer (geringfügig entlohnten) Beschäftigung bei der Klägerin bereits eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung und eine – aufgrund der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV – „zusammenrechnungsfreie“ (erste) Nebenbeschäftigung ausgeübt hat, ist die später aufgenommene (zweite) Nebenbeschäftigung (wie dargelegt) unmittelbar mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV war mit der Versicherungsfreiheit der ersten Nebenbeschäftigung bereits „verbraucht“, so dass die zweite Nebenbeschäftigung von vornherein nicht als geringfügig im Sinn von § 8 SGB IV beurteilt werden konnte. Entsprechend lagen die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung i.S.v. § 8 SGB IV für diese (zweite) Tätigkeit der E. bereits von Beginn ihrer Aufnahme an nicht vor und damit „nie“ und nicht wie § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV ausdrücklich fordert, ab einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt „nicht mehr“.

 

(2) Die von der Klägerin wohl gewünschte erweiternde Auslegung der Norm über ihren Wortlaut hinaus, findet weder in der Gesetzessystematik noch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Motive eine Stütze.

 

Vielmehr knüpft die in § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV gewählte Formulierung unmittelbar an die Wortwahl des vorangehenden Satzes 2 an, nach dem eine geringfügige Beschäftigung „nicht mehr“ vorliegt, „sobald“ die Voraussetzungen des Absatzes 1 „entfallen“. Die zeitliche Konnotation der Wortverbindung „nicht mehr“ im Sinne einer für die Beurteilung der Geringfügigkeit wesentlichen Änderung bei der Zusammenrechnung nach Satz 1 wird dabei durch den inneren Zusammenhang mit den Worten „sobald (…) entfallen“ zwingend.

 

Auch die Gesetzeshistorie bzw. die hieraus erkennbaren Zielsetzungen der Sonderregelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV geben keine Anhaltspunkte dafür, diese auf die vorliegende Fallgestaltung, d.h. eine von vornherein bestehende, von der Klägerin lediglich fehlerhaft beurteilte Versicherungspflicht zu erstrecken. Vielmehr ergibt sich im Gegenteil ein Schutz des Arbeitgebers gegenüber der Nachforderung von Beiträgen nur im Falle eines bei ihm in Bezug auf den tatsächlichen Sachverhalt bestehenden, unverschuldeten Informationsdefizits.

 

Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV hat durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, S. 4621) und damit gemeinsam mit der Änderung der Zusammenrechnungsregelung durch den Einschub in § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 SGB IV Eingang in das Gesetz gefunden. Arbeitgeber sollten seinerzeit motiviert werden, bisher illegal beschäftigte Personen der Sozialversicherung zu melden und damit aus der Illegalität herauszuführen (vgl. BT-Drs. 15/26, S. 23 zu Nr. 3). Nicht hingegen war beabsichtigt, eine Art „universellen“ Schutzes vor Beitragsnachforderungen zu schaffen, wie dies die Klägerin wohl meint. Dem entsprechend hat der Gesetzgeber durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21.12.2008 (BGBl. I 2933) mit § 8 Abs. 2 S. 4 SGB IV ergänzt, dass § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV keine Geltung entfalte, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt habe, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären. Ausweislich der Gesetzesmaterialien handelte es sich dabei lediglich um eine „Klarstellung der bisherigen Rechtslage“, wonach die Beitragspflicht auch im Falle einer vorsätzlichen Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber bereits ab dem Zeitpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bestehe. Hiervon abweichender Rechtsprechung sollte der Boden entzogen werden (vgl. BT-Drs. 16/10903, S. 10 zu Nr. 1a).  Gegenstand entsprechender obergerichtlicher Entscheidungen waren Konstellationen, in denen die Arbeitgeberin eines (zuerst) aufgenommenen versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nicht bzw. nicht hinreichend nach (späteren) weiteren Beschäftigungen gefragt hatte (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 09.04.2008 – L 5 R 2125/07 – juris Rn. 2-4; LSG Bayern Urt. v. 22.10.2008 – L 13 KN 16/08 – juris Rn. 2). Insofern wird die Absicht des Gesetzgebers deutlich, mit § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV dem Informationsdefizit eines geringfügig beschäftigenden Arbeitgebers Rechnung zu tragen, das typischerweise im Verlauf der Beschäftigung durch weitere, möglicherweise fluktuierende Beschäftigungen seiner Arbeitnehmerin bzw. seines Arbeitnehmers entstehen kann.

 

Ein derartiges Informationsdefizit bestand bei der Klägerin nicht. So war ihr die bereits ausgeübten Haupt- und Nebenbeschäftigungen der E. bekannt. Sie selbst hat diese Umstände im Arbeitsvertrag vom 01.04.2013 schriftlich festgehalten.

 

Die von der Klägerin vorgenommene, rechtlich fehlerhafte Beurteilung des ihr bekannten Sachverhalts ist einer dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin unverschuldeten und damit schutzwürdigen Unkenntnis einer bereits ausgeübten geringfügigen Nebenbeschäftigung nicht gleichzusetzen. Dass (auch) ein Rechtsirrtum der den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin begünstigenden Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV unterfallen sollte, ist weder in den Gesetzesmaterialien erkennbar noch aus sonstigen Gründen ersichtlich.

 

Die (richtige) sozialversicherungsrechtliche Meldung von Beschäftigten liegt stets grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin. Etwaige Fehlbeurteilungen bzw. Irrtümer sind auf den Eintritt der gesetzlich angeordneten Versicherungs- und Beitragspflichten ohne Einfluss. Schwierigkeiten bei der (rechtlich) zutreffenden Meldung ist durch die Einholung von Informationen bei sachkundigen Personen und Stellen zu begegnen. Nahe liegt es hier insbesondere, eine förmliche Entscheidung der Einzugsstelle (§ 28i S. 5 SGB IV) zu beantragen (vgl. Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. Stand 02.12.2022, § 8 Rn. 87; BSG Urt. v. 23.02. 1988 – 12 RK 43/87 – juris Rn. 22).

 

2. Die gegenüber der Beitragspflicht nach den allgemeinen Beitragssätzen für die Beitragshöhe geltenden Ausnahmeregelungen des § 249b SGB V (gesetzliche Krankenversicherung) und des § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung), auf die sich die Klägerin im Ergebnis beruft, greifen nicht.

 

Gem. § 249b SGB V hat der Arbeitgeber einer Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV für Versicherte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, einen Beitrag in Höhe von 13 v.H. des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung zu tragen. § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI sieht vor, dass die Arbeitgeber für Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI oder nach anderen Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit sind oder die nach § 5 Abs. 4 SGB IV versicherungsfrei sind, einen Beitragsanteil in Höhe von 15 v.H. des Arbeitsentgelts tragen, das bei Versicherungspflicht der Beschäftigten beitragspflichtig wäre. Eine derartige Versicherungsfreiheit der E. liegt, wie bereits dargelegt, nicht vor.

 

3. Bedenken hinsichtlich der Berechnung der Beiträge und Umlagen im Übrigen sind für den streitigen Zeitraum weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte hat die von der Klägerin an die Beigeladene zu 4) entrichteten Pauschalbeiträge bei der Festsetzung der Forderung in Abzug gebracht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die relevanten Rechtsfragen stellen sich nicht nur im konkreten zu entscheidenden Einzelfall; vielmehr kommt diesen allgemeine Bedeutung in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle zu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Aus
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