L 10 KR 245/24

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 KR 2462/23
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 245/24
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 28/24 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.04.2024 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist (noch) die Aufnahme des Klägers in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung der Beklagten.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit 1983 privat bei der H. krankenversichert. Seit dem Jahr 2000 ist er selbstständig erwerbstätig. Zudem bezieht er Altersrente.

 

Am 24.02.2023 beantragte er die Aufnahme in die Krankenversicherung bei der Beklagten.

 

Mit Bescheid vom 08.03.2023 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aufgrund der 40-jährigen Mitgliedschaft in der privaten Krankenversicherung könne die Vorversicherungszeit für die Mitgliedschaft in der M. nicht erfüllt sein. Der Kläger sei in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens nicht mindestens 90 % der Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen. Eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei nicht möglich, da ein Zugang aus der privaten Krankenversicherung im Rahmen einer freiwilligen Krankenversicherung ausgeschlossen sei.

 

Zur Begründung des hiergegen am 28.03.2023 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, zwar habe Beklagte zur Ablehnung seines Beitritts zur GKV die Vorschriften des

SGB V zugrunde gelegt. Sie habe jedoch nicht das in der Verfassung verankerte Diskriminierungsverbot berücksichtigt. Personen, die aus der Ukrainer geflüchtet seien, dürften der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, auch wenn sie nicht hilfebedürftig seien. Die bei ihm zugrunde gelegten Voraussetzungen spielten für den ukrainischen Personenkreis offensichtlich keine Rolle. Es könne nicht sein, dass Flüchtlinge hierzulande freien Zugang zur gesetzlichen Gesundheitsversorgung bekämen, während für deutsche Ansässige nahezu unüberwindbare Restriktionen aufgebaut würden. Ukraine-stämmige könnten sich hierzulande quasi aussuchen, ob sie gesetzlich oder privat versichert sein möchten. Dies könne er nicht und zwar nur, weil er nicht ukrainestämmig sei. Er empfinde dies als Ungleichbehandlung und Diskriminierung, die gegen Art. 3 GG verstoße. Er sei gegenüber ukrainischen Flüchtlingen benachteiligt, da er in der privaten Krankenversicherung „gefangen“ sei und u.a. keine beitragsfreie Familienversicherung beanspruchen könne, einen höheren Beitrag mit einem hohen monatlichen Selbstbehalt zahle, „ständigen gravierenden Beitragserhöhungen mit steigendem Alter“ ausgesetzt sei, für in Anspruch genommene Gesundheitsleistungen in Vorkasse treten müsse und weil wichtige Untersuchungen, wie beispielsweise kostenfreie Vorsorgeuntersuchungen auf genetisch bedingte seltene Krankheiten, von der privaten Krankenversicherung nicht geleistet würden. Der Gleichheitsgrundsatz gebiete es, ihm einen Zugang zur (freiwilligen) gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen.

 

Mit Bescheid vom 15.05.2023 hob die Beklagte den ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangenen Bescheid vom 08.03.2023 auf und lehnte die Aufnahme des Klägers in die M. unter Hinweis auf die nicht erfüllte Vorversicherungszeit erneut ab. Zudem sei eine Mitgliedschaft bei der Beklagten selbst bei Eintritt einer Pflichtversicherung nach § 6 Abs. 3a SGB V ausgeschlossen. Eine Versicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V komme nicht in Betracht, da für den Kläger seit 1983 eine private Krankenversicherung bestanden habe.

 

Hiergegen legte der Kläger am 23.05.2023 Widerspruch ein und wiederholte zur Begründung sein Vortrag.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei gemäß § 6 Abs. 3a S. 1 und 2 SGB V versicherungsfrei, da er zum Zeitpunkt der Beantragung der Mitgliedschaft am 24.02.2023 bereits 66 Jahre alt gewesen sei, damit das 55. Lebensjahr vollendet habe und nicht in den letzten fünf Jahren gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Kraft Gesetzes sei keine Versicherungspflicht in der GKV eingetreten. Die Vorversicherungszeit in der M. nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sei nicht erfüllt. Darüber hinaus sei auch die notwendige Vorversicherungszeit für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V nicht erfüllt, da der zuletzt Kläger seit dem Jahr 1983 privat krankenversichert gewesen sei. Es bestehe somit kein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung in der GKV. Die Ablehnung des Antrags auf Mitgliedschaft in der GKV verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Das Gleichbehandlungsgebot gebiete nur die Gleichbehandlung von Gleichem. Die Situation des seit Jahren privat krankenversicherten Klägers, der im Alter gesetzlich krankenversichert werden wolle, sei mit derjenigen ukrainischer Flüchtlinge, die unter völlig anderen Voraussetzungen Zutritt zur gesetzlichen Krankenversicherung erhielten, nicht vergleichbar. Im Interesse der Solidargemeinschaft könne dem Antrag auf Mitgliedschaft nach Vollendung des 55. Lebensjahres nicht entsprochen werden.

 

Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2023 Klage erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, das Grundgesetz gebiete es, Bürger dieses Landes nicht schlechter zu stellen, als Zugereiste. Soweit die Beklagte das Interesse der Solidargemeinschaft hervorhebe, hätten auch ukrainische Flüchtlinge der Solidargemeinschaft nie zur Verfügung gestanden und darüber hinaus keine Steuern in Deutschland gezahlt. Auch sei nicht nachzuvollziehen, wie die Beklagte bei der Neuaufnahme ukrainischer Flüchtlinge die Vorversicherungszeit prüfe, da eine Mitgliedschaft in der deutschen Krankenversicherung im Vorfeld zumeist nicht gegeben sei und es in der Ukraine kein Gesetz über eine GKV gebe. Die Beklagte möge anhand anonymisierter Beispielsfälle darlegen, wie die Vorversicherungszeiten bei ukrainischen Flüchtlingen geprüft würden.

 

Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Aufzählung der Nachteile der privaten Krankenversicherung nicht erwähnt, dass er sich selbst hierfür entschieden habe. Zudem erfolge – entgegen der Auffassung des Klägers – auch bei der Neuaufnahme ukrainischer Flüchtlinge, welche das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, eine Prüfung der Vorversicherungszeit.

 

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 02.04.2024 zurückgewiesen. Der Kläger habe weder Anspruch auf Aufnahme in die M. noch in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung der Beklagten. Der Kläger erfülle bereits die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderliche Vorversicherungszeit für die Aufnahme in die M. nicht, da er zuletzt seit 1983 privat krankenversichert gewesen sei. Der Kläger erfülle auch nicht die notwendige Vorversicherungszeit für den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 9

SGB V, da er zuletzt seit dem Jahr 1983 privat krankenversichert gewesen sei. Soweit der Kläger eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung gegenüber ukrainischen Flüchtlingen geltend mache, erkenne die Kammer bereits keine Ungleichbehandlung, da – anders als der Kläger meint – auch bei ukrainischen Flüchtlingen die Vorversicherungszeiten geprüft würden und ihnen kein Wahlrecht zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zustehe. Die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten sei überdies erschwert, da sie davon abhänge, dass die Zeiten – durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellung – der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind (vgl Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.04.2017 – L 16 KR 793/15 –, juris). Zutreffend habe die Beklagte auch darauf hingewiesen, dass das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem verbiete. Die Situation des Klägers, der sich ursprünglich bewusst gegen eine Versicherung in der GKV entschieden habe und diese erst jetzt aufgrund deren Vorteile im Alter in Anspruch nehmen wolle, unterscheide sich von derjenigen ukrainischer Flüchtlinge, die wegen des Territorialprinzips vor ihrer Einreise noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt hätten, sich in der deutschen GKV zu versichern.

 

Gegen den am 05.04.2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.04.2024 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Prüfung von Vorversicherungszeiten im Sinne des SGB V bei aus der Ukrainer zugereisten Menschen sei de facto bereits deshalb nicht möglich, weil in der Ukraine kein Krankenversicherungssystem wie im Geltungsbereich des SGB V existiere und zum Zeitpunkt seines Antrags auch kein bilaterales Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und der Ukraine vorgelegen habe. Vielmehr sei anzunehmen, dass vereinfachend unterstellt werde, dass die in die GKV aufgenommenen Flüchtlinge die Voraussetzungen hierzu erfüllt hätten. Kein Staat dürfe Zugereiste besser behandeln als seine von jeher ansässigen Bürger, wie dies vorliegend der Fall sei. Sein Beweisantrag, wonach die Beklagte darlegen möge, ob und wie es ihr gelinge, eine vergleichbare Behandlung beider Gruppen sicherzustellen, sei seitens des Sozialgerichts nicht verfolgt worden.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.04.2024 sowie die Bescheide der Beklagten vom 08.03.2023 und 15.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es bestehe auch kein Anlass darzulegen, ob und wie es ihr gelinge, eine vergleichbare Behandlung der Gruppe der Zugereisten und der Gruppe der von jeher ansässigen Bürger sicherzustellen, da es sich insofern nicht um vergleichbare Personenkreise handele und damit auch keine Ungleichbehandlung erkennbar sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Der Kläger ist in der Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

 

Die zulässige Berufung, über die der Berichterstatter nach Übertragung durch den Senat mit Beschluss vom 13.06.2024 gemäß § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden kann, ist unbegründet.

 

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 08.03.2023 und 15.05.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2023 sind rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch auf Aufnahme in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung durch die Beklagte hat.

 

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab.

 

Ein abweichendes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Es fehlt vielmehr bereits an einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Die Beklagte hat insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Personengruppe der ukrainischen Flüchtlinge nicht um eine der Gruppe der von jeher im Bundesgebiet ansässigen Personen vergleichbare handelt. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass diese Personengruppe – anders als der Kläger, der sich zunächst bewusst gegen eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden konnte und entschieden hat – zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, eine entsprechende Entscheidung zu treffen und sich in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Insofern kann von vornherein keine einen Verstoß gegen Art. 3 GG begründende Ungleichbehandlung von im wesentlich Gleichem vorliegen.

 

Entsprechend besteht auch kein Anlass, dem Beweisantrag des Klägers nachzugehen, da einer etwaigen Ungleichbehandlung von Ungleichem keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 3 GG begegnen.

 

Zwar hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 3 Abs. 3 GG niemand u.a, wegen seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Er verkennt jedoch, dass die von ihm gerügte (etwaige) Ungleichbehandlung nicht auf seiner Herkunft beruht, sondern ihre Ursache in den durch diese bedingten unterschiedlichen Lebensumstände und individuellen Voraussetzungen – mithin in dem Vorliegen ungleicher Sachverhalte – hat.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § § 183, 193 Abs. 1 SGG.

 

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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